Monatsarchiv 7. März 2015

VonRA Moegelin

Nachtdienstuntauglichkeit als Grund für Arbeitsunfähigkeit

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nightskywithmoonandstarsSchichtdienst ist an sich ein normaler Bestandteil der Arbeit einer Krankenschwester und dementsprechend arbeitsvertraglich geregelt. Das BAG hatte zu entscheiden, unter welchen Voraussetzungen der Krankenschwester ein Anspruch zusteht, nicht für Nachtschichten eingeteilt zu werden.

Die Beklagte betreibt ein Krankenhaus der sog. Vollversorgung mit etwa 2.000 Mitarbeitern. Die Klägerin ist bei der Beklagten seit 1983 als Krankenschwester im Schichtdienst tätig. Arbeitsvertraglich ist sie im Rahmen begründeter betrieblicher Notwendigkeiten zur Leistung von Sonntags-, Feiertags-, Nacht-, Wechselschicht- und Schichtarbeit verpflichtet. Nach einer Betriebsvereinbarung ist eine gleichmäßige Planung ua. in Bezug auf die Schichtfolgen der Beschäftigten anzustreben. Das Pflegepersonal bei der Beklagten arbeitet im Schichtdienst mit Nachtschichten von 21.45 Uhr bis 6.15 Uhr. Die Klägerin ist aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage, Nachtdienste zu leisten, weil sie medikamentös behandelt wird.

Nach einer betriebsärztlichen Untersuchung schickte der Pflegedirektor die Klägerin am 12. Juni 2012 nach Hause, weil sie wegen ihrer Nachtdienstuntauglichkeit arbeitsunfähig krank sei. Die Klägerin bot demgegenüber ihre Arbeitsleistung – mit Ausnahme von Nachtdiensten – ausdrücklich durch ein Schreiben an. Bis zur Entscheidung des Arbeitsgerichts im November 2012 wurde sie nicht beschäftigt. Sie erhielt zunächst Entgeltfortzahlung und bezog dann Arbeitslosengeld.

Die auf Beschäftigung und Vergütungszahlung für die Zeit der Nichtbeschäftigung gerichtete Klage war beim Bundesarbeitsgericht, ebenso wie in den Vorinstanzen, erfolgreich.

Kann eine Krankenschwester aus gesundheitlichen Gründen keine Nachtschichten im Krankenhaus mehr leisten, ist sie deshalb nicht arbeitsunfähig krank. Sie hat Anspruch auf Beschäftigung, ohne für Nachtschichten eingeteilt zu werden (Bundesarbeitsgericht Urteil vom 9. April 2014 – 10 AZR 637/13).

Die Klägerin ist weder arbeitsunfähig krank noch ist ihr die Arbeitsleistung unmöglich geworden. Nach der Rechtsprechung liegt Arbeitsunfähigkeit vor, wenn der Arbeitnehmer seine vertraglich geschuldete Tätigkeit nicht mehr ausüben kann oder nicht mehr ausüben sollte, weil die Heilung der Krankheit nach ärztlicher Prognose verhindert oder verzögert würde. Die Klägerin kann aber alle vertraglich geschuldeten Tätigkeiten einer Krankenschwester ausführen. Die Beklagte muss bei der Schichteinteilung auf das gesundheitliche Defizit der Klägerin Rücksicht nehmen.

Die Vergütung steht der Klägerin unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs gemäß § 293 BGB zu, weil sie die Arbeit ordnungsgemäß mit einem Schreiben angeboten hat und die Beklagte erklärt hatte, sie werde die Leistung nicht annehmen.

Volltext des Urteils des Bundesarbeitsgerichts: BAG, Urteil vom 9. April 2014 – 10 AZR 637/13

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VonRA Moegelin

Verpflichtung des Arbeitnehmers zur Nutzung einer elektronischen Signaturkarte

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red-palmprintDas BAG hatte zu entscheiden, ob ein Angestellter des Bundes unter dem Aspekt des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung, seine im Personalausweis enthaltenen Daten zur Identitätsfeststellung für die Verwendung einer elektronischen Signaturkarte mitzuteilen hat.

Die Klägerin ist als Verwaltungsangestellte in einem Wasser- und Schifffahrtsamt beschäftigt. Zu ihren Aufgaben gehört die Veröffentlichung von Ausschreibungen bei Vergabeverfahren. Seitdem diese Veröffentlichungen nur noch in elektronischer Form auf der Vergabeplattform des Bundes erfolgen,  wird zur Nutzung eine qualifizierte elektronische Signatur benötigt, die nach den Bestimmungen des Signaturgesetzes (SigG) nur natürlichen Personen erteilt wird. Die Beklagte wies daraufhin die Klägerin an, eine solche qualifizierte Signatur bei einer vom SigG vorgesehenen Zertifizierungsstelle, einem Tochterunternehmen der Deutschen Telekom AG, zu beantragen. Dazu müssen die im Personalausweis enthaltenen Daten zur Identitätsfeststellung an die Zertifizierungsstelle übermittelt werden. Die Kosten für die Beantragung trägt die Arbeitgeberin.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, der Arbeitgeber könne sie nicht verpflichten, ihre persönlichen Daten an Dritte zu übermitteln; dies verstoße gegen ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Auch sei nicht sichergestellt, dass mit ihren Daten kein Missbrauch getrieben werde.

Alle Instanzen haben die Klage abgewiesen. Auch die Revision der Klägerin blieb daher vor dem Bundesarbeitsgericht erfolglos.

Ein Arbeitgeber kann von seinem Arbeitnehmer die Beantragung einer qualifizierten elektronischen Signatur und die Nutzung einer elektronischen Signaturkarte verlangen, wenn dies für die Erbringung der Arbeitsleistung erforderlich und dem Arbeitnehmer zumutbar ist (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25. September 2013 – 10 AZR 270/12).

Die Beklagte hat von ihrem arbeitsvertraglichen Weisungsrecht gemäß § 106 GewO angemessen Gebrauch gemacht. Der mit der Verpflichtung zur Nutzung einer elektronischen Signaturkarte verbundene Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist der Klägerin nach Ansicht des BAG zumutbar. Die Übermittlung der Personalausweisdaten betrifft demgemäß nur den äußeren Bereich der Privatsphäre; besonders sensible Daten sind nicht betroffen. Der Schutz dieser Daten wird durch die Vorschriften des SigG sichergestellt; sie werden nur durch die Zertifizierungsstelle genutzt. Auch durch den Einsatz der Signaturkarte entstehen für die Klägerin keine besonderen Risiken. So enthält die mit dem Personalrat abgeschlossene Dienstvereinbarung ausdrücklich eine Haftungsfreistellung; die gewonnenen Daten dürfen nicht zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle durch den Arbeitgeber verwendet werden.

Volltext des Urteils des Bundesarbeitsgerichts: BAG, Urteil vom 25. September 2013 -10 AZR 270/12

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VonRA Moegelin

Kündigung im Fall eines Betriebsteilübergangs

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008-presentation-documentIm nachfolgend dargestellten Fall hatte das BAG  über eine ordentliche betriebsbedingte Kündigung im Zusammenhang mit einemBetriebsteilübergang zu entscheiden.

Die Klägerin war in einem Unternehmen für die Weiterverarbeitung gedruckter Medien beschäftigt. Sie setzte sich gegen eine Kündigung dieses Unternehmens nicht zur Wehr, sondern verlangte gegenüber der Beklagten (einem Medienunterternehmen) die Fortsetzung ihres Arbeitsverhältnisses im Wege des Betriebsübergangs. Die Beklagte sprach der Klägerin daraufhin vorsorglich für den Fall, dass ein Betriebs(teil-)übergang vorgelegen habe, eine ordentliche, betriebsbedingte Kündigung aus. Gegen diese Kündigung wandte sich die Klägerin mit einer Kündigungsschutzklage, die aber in zwei Instanzen abgewiesen wurde.

Ein Betriebsteilübergang wurde vom BAG bejaht. Das Problem ist hier aber, ob das Arbeitsverhältnis der Klägerin auch demjenigen Betriebsteil zugeordnet werden kann, der übergegangen ist.

 Wird nicht der gesamte Betrieb, sondern nur – wie hier – ein Betriebsteil übernommen, verlangt die Rechtsprechung, dass der Arbeitnehmer dem übertragenen Betriebsteil oder Bereich angehört, bzw. zugeordnet ist, damit sein Arbeitsverhältnis auf den Erwerber übergeht. Maßstab hierfür ist der Willen der Arbeitsvertragsparteien. Liegt ein solcher weder in ausdrücklicher noch in konkludenter Form vor, so erfolgt die Zuordnung grundsätzlich – ausdrücklich oder konkludent – durch den Arbeitgeber aufgrund seines Direktionsrechts.  Entscheidend ist zunächst, in welchem Betriebsteil der Arbeitnehmer vor der (Teil)Betriebsveräußerung überwiegend tätig war. Es kommt auf den Schwerpunkt der Tätigkeit an, der nach objektiven Kriterien zu ermitteln ist. Hierbei ist eine wertende Gesamtbetrachtung aller Elemente vorzunehmen (BAG, Urteil vom 17. Oktober 2013 – 8 AZR 763/12).

In erster Linie ist auf den jeweiligen zeitlichen Aufwand und Arbeitseinsatz abzustellen. Hierbei handelt es sich um ein zumeist einfach zu ermittelndes, sachgerechtes quantitatives Kriterium, das im vorliegenden Falle auch die Parteien für die Aufteilung zugrunde gelegt haben. Darüber hinaus ist auch der überwiegende Arbeitsort von Bedeutung.

Die Klägerin war nach den Feststellungen des Gerichts strukturell allerdings im Betriebsteil  -Verwaltung und Druckzentrum– eingegliedert, der nicht zum Betrieb der Beklagten gehört. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin ist nicht auf die Beklagte übergegangen, so dass auch die Revision zurückzuweisen war.

Volltext des Urteils des Bundesarbeitsgerichts: BAG, Urteil vom 17. Oktober 2013 – 8 AZR 763/12

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VonRA Moegelin

Unvereinbarkeit des Islamischen Kopftuchs mit Arbeit für die Evangelische Kirche

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lemmling_Cartoon_ghostDas Bundesarbeitsgericht hatte über die Vereinbarkeit des Tragens eines islamischen Kopftuchs mit der arbeitsvertraglichen Verpflichtung einer in einer Einrichtung der Evangelischen Kirche tätigen Arbeitnehmerin zu neutralem Verhalten zu entscheiden.

Die Klägerin, die dem islamischen Glauben angehört, ist bei der beklagten Krankenanstalt – zuletzt als Krankenschwester – angestellt. Arbeitsvertraglich sind unter anderem die Bestimmungen des Bundes-Angestelltentarifvertrags in der für die Angestellten im Bereich der Evangelischen Kirche von Westfalen geltenden Fassung (BAT-KF) in Bezug genommen. Die Klägerin befand sich in der Zeit vom 27. März 2006 bis zum 28. Januar 2009 in Elternzeit. Danach war sie arbeitsunfähig krank. Im April 2010 bot die Klägerin schriftlich eine Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit im Rahmen einer Wiedereingliederung an. Dabei teilte sie der Beklagten mit, dass sie das von ihr aus religiösen Gründen getragene Kopftuch auch während der Arbeitszeit tragen wolle. Die Beklagte nahm dieses Angebot nicht an und zahlte keine Arbeitsvergütung. Mit der Zahlungsklage fordert die Klägerin Arbeitsentgelt wegen Annahmeverzugs für die Zeit vom 23. August 2010 bis zum 31. Januar 2011.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen. Das Bundesarbeitsgericht hat das Berufungsurteil auf die Revision der Klägerin aufgehoben und die Sache an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Das Tragen eines Kopftuchs als Symbol der Zugehörigkeit zum islamischen Glauben und damit als Kundgabe einer abweichenden Religionszugehörigkeit ist regelmäßig mit der arbeitsvertraglichen Verpflichtung einer in einer Einrichtung der Evangelischen Kirche tätigen Arbeitnehmerin zu neutralem Verhalten nicht vereinbar (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24. September 2014 – 5 AZR 611/12).

Zwar kann einer Arbeitnehmerin in einer kirchlichen Einrichtung regelmäßig das Tragen eines islamischen Kopftuchs untersagt werden. Es ist aber nicht geklärt, ob die Einrichtung der Beklagten der Evangelischen Kirche institutionell zugeordnet ist gemäß Art. 140 GG, Art. 137 WRV. Könnte sich die Beklagte nicht auf Art. 140 GG, Art. 137 WRV berufen, wäre der Glaubensfreiheit der Klägerin gegenüber den Interessen der Beklagten der Vorrang einzuräumen.

Stellt das LAG fest, dass es sich bei um eine der Evangelischen Kirche zugeordnete Einrichtung die dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht der Beklagten unterfällt, ist eine Interessenabwägung vorzunehmen  Das LAG hat dann zu klären, ob die durch Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG geschützte Glaubens- und Bekenntnisfreiheit der Klägerin gegenüber dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht zurückzutreten hat.

Zugunsten der Klägerin ist zu berücksichtigen, dass sie durch den ihr abverlangten Verzicht auf eine ihren Glaubensregeln entsprechende Kopfbedeckung in einen ernsten Glaubenskonflikt gebracht wird.

Für die Beklagte spricht, dass die Klägerin in ihrer Funktion als Krankenschwester in direktem und ständigem Kontakt zu den in der Einrichtung der Beklagten behandelten Patienten und zu anderen Arbeitnehmern steht. Die Glaubensbekundung der Klägerin für den Islam würde von diesen unmittelbar als solche wahrgenommen. Außenstehende könnten den Eindruck gewinnen, die Kirche halte Glaubenswahrheiten für beliebig austauschbar.

Zudem ist offen, ob die Klägerin im Streitzeitraum leistungsfähig war. Der Arbeitgeber kommt nicht in Annahmeverzug, wenn der Arbeitnehmer gemäß § 297 BGB außer Stande ist, die Leistung zu bewirken. Das BAG erachtet das Angebot, die Tätigkeit auf der Grundlage eines vom behandelnden Arzt erstellten Wiedereingliederungsplans aufzunehmen, als Indiz für die fehlende Leistungsfähigkeit der Klägerin. Für die weiteren Festsellungen war die Sache an das LAG zurückzuverweisen.

Volltext des Urteils des Bundesarbeitsgerichts:  BAG, Urteil vom 24. September 2014 – 5 azr 611/12

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VonRA Moegelin

Zuständigkeit der Arbeitsgerichtsbarkeit beim GmbH-Geschäftsführer in der Insolvenz

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Vulture_Die Arbeitsgerichte sind nur in Ausnahmefällen bei Rechtsstreitigkeiten des GmbH-Geschäftsführers zuständig. Auch wenn ein Anstellungsverhältnis zwischen der juristischen Person (z.B. GmbH) und dem Mitglied des Vertretungsorgans (GmbH-Geschäftsführer) wegen dessen starker interner Weisungsabhängigkeit als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren ist und deshalb materielles Arbeitsrecht zur Anwendung kommt, sind zur Entscheidung eines Rechtsstreits aus dieser Rechtsbeziehung nach der Rechtsprechung die ordentlichen Gerichte berufen.

Das BAG hat klargestellt, dass sich an der Unzuständigkeit der Arbeitsgerichte nichts ändert, wenn zwischen den Prozessparteien streitig ist, wie das Anstellungsverhältnis zu qualifizieren ist  oder sogar wenn objektiv feststeht, dass das Anstellungsverhältnis ein Arbeitsverhältnis ist.

Eine Ausnahme besteht nach der Rechtsprechung, wenn und soweit der Rechtsstreit nicht das der Organstellung zugrunde liegende Rechtsverhältnis betrifft, sondern eine weitere Rechtsbeziehung besteht, z.B. wenn der Organvertreter Rechte auch mit der Begründung geltend macht, nach der Abberufung als Geschäftsführer habe sich das nicht gekündigte Anstellungsverhältnis – wieder – in ein Arbeitsverhältnis umgewandelt (BAG, Beschluss vom 4. Februar 2013 – 10 AZB 78/12).

Das gleiche gilt für Ansprüche aus einem auch während der Zeit als Geschäftsführer nicht aufgehobenen Arbeitsverhältnis, die nach Abberufung als Organmitglied geltend macht werden. Auch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ändert an der organschaftlichen Stellung des GmbH-Geschäftsführers nichts, da nach dem BAG die Organstellung des Organs einer juristischen Person durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens unberührt bleibt

Volltext der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts:  BAG, Beschluss vom 4. Februar 2013 – 10 AZB 78/121

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VonRA Moegelin

Falsche Beantwortung der Frage nach einer Schwerbehinderung

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LibertyBudget_com-Install-Computer-Software-CDDie Wirksamkeit der Anfechtung und der außerordentlichen Kündigung eines Sofwareunternehmens wegen der Falschbeantwortung einer Arbeitnehmerin zur Frage der Schwerbehinderung lagen dem BAG zur Entscheidung vor. Zudem ging es um den Anspruch auf Entschädigung nach AGG wegen des angeblich diskriminierenden Charakters der Kündigung.

Vor Unterzeichnung des Arbeitsvertrags hatte der beklagte Arbeitgeber, ein Softwareunternehmen, der Klägerin einen Personalfragebogen vorgelegt. Die Frage, ob sie anerkannte Schwerbehinderte oder Gleichgestellte sei, hatte die Klägerin verneint. Die Klägerin war aber tatsächlich als Schwerbehinderte mit einem Grad der Behinderung von 50 anerkannt. Nach Abschluss des Vertrages informierte die Klägerin die Beklagte von der Schwerbehinderung. Daraufhin erklärte die Beklagte die Anfechtung des Arbeitsvertrags wegen arglistiger Täuschung. Zudem kündigte die Beklagte wenig später das Arbeitsverhältnis nach Zustimmung des Integrationsamts mit außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich zum nächstmöglichen Termin.

Das beklagte Softwareunternehmen hat in allen Instanzen verloren, soweit es um die Anfechtung und Kündigung ging. Ihrerseits unterlag auch die Klägerin in allen Instanzen hinsichtlich ihres Zahlungsanspruchs. Die Revisionen hatten daher keinen Erfolg.

Die falsche Beantwortung einer dem Arbeitnehmer bei der Einstellung zulässigerweise gestellten Frage kann den Arbeitgeber dazu berechtigen, den Arbeitsvertrag wegen arglistiger Täuschung anzufechten. Das setzt voraus, dass die Täuschung für den Abschluss des Arbeitsvertrags ursächlich war. Wirkt sich die Täuschung im Arbeitsverhältnis weiterhin aus, kann zudem eine Kündigung gerechtfertigt sein (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 7. Juli 2011 – 2 AZR 396/10).

Auf dieser Grundlage hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass die Anfechtung und Kündigung des Arbeitsvertrags der Klägerin unwirksam sind. Die Klägerin hatte bei der Einstellung die Frage nach dem Bestehen einer Schwerbehinderung unbestritten unzutreffend verneint.

Es bedurte keiner Entscheidung darüber, ob sich der Arbeitgeber nach einer Schwerbehinderung auch dann erkundigen darf, wenn die Behinderung für die Ausübung der vorgesehenen Tätigkeit  – wie hier – ohne Bedeutung ist. Denn die Täuschung hielt das BAG  jedoch nicht ursächlich für den Abschluss des Arbeitsvertrags. Die Beklagte habe ausdrücklich erklärt, sie hätte die Klägerin auch dann eingestellt, wenn diese die Frage wahrheitsgemäß beantwortet hätte. Damit war der durch die Täuschung erregte Irrtum für den Abschluss des Arbeitsvertrags auf Seiten der Beklagten nicht ursächlich gewesen.

Die Beklagte vermochte Anfechtung und Kündigung auch nicht darauf zu stützen, dass die Klägerin sie zugleich über ihre Ehrlichkeit getäuscht habe. Die Annahme der Beklagten, die Klägerin sei ehrlich, beruhte nicht auf deren falscher Antwort. Auf die Frage, ob sich der Arbeitgeber vor der Einstellung nach dem Bestehen einer Schwerbehinderung erkundigen darf, kam es nicht an.

Die Klägerin ihrerseits hat keinen Anspruch auf Entschädigung wegen einer Diskriminierung. Es gab keine ausreichenden Indiztatsachen dafür, dass sie von der Beklagten wegen ihrer Behinderung benachteiligt wurde. Das BAG hat nicht entschieden, ob § 15 AGG bei unzulässig diskriminierenden Kündigungen überhaupt anwendbar ist.

Volltext des Urteils des Bundesarbeitsgerichts: BAG, Urteil vom 7. Juli 2011 – 2 AZR 396/10

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