Monatsarchiv 27. Februar 2016

VonRA Moegelin

Haftung des Entleihers für bestohlenen Leiharbeitnehmer am Arbeitsplatz

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burglarDem Landesarbeitsgericht Düsseldorf lag der Fall eines Leiharbeitnehmers zur Entscheidung vor, der am Arbeitsplatz bestohlen wurde. Es ging um die Frage, ob der Entleiher hierfür haftet, was das Gericht im Grundsatz bejaht hat.

Der beklagte Entleiher betreibt ein Restaurant. In diesem war der Kläger, ein Leiharbeitnehmer, an zwei Tagen im Jahr 2014 als Servicekraft eingesetzt. Er hinterließ seine persönlichen Gegenstände während seiner Arbeitszeit in einem Mitarbeiterraum, der sich außerhalb der Gasträumlichkeiten befand. Der einzige Schlüssel für diesen Raum hing im Küchenbereich des Restaurants. Aus dem Mitarbeiterraum wurden persönliche Gegenstände von acht Mitarbeitern, darunter auch solche des Klägers und zwar Auto- und Wohnungsschlüssel sowie sein Handy entwendet. Das polizeiliche Ermittlungsverfahren wurde eingestellt. Ein Täter konnte nicht ermittelt werden. Der Kläger verlangt von der Beklagten Schadensersatz für einen neuen Schlosssatz für sein Auto, für die Kosten eines Schlüsseldienstes, um seine Wohnung zu öffnen, sowie für sein Handy in Höhe von insgesamt 1.331,56 Euro. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen.

In der Berufungsverhandlung vom 23.02.16 hat das LAG darauf hingewiesen, dass ein Schadensersatzanspruch des Klägers bestehen kann, dies aber von weiterer tatsächlicher Aufklärung abhängt. Hierzu hat das Gericht ausgeführt: Ob der Entleiher für die persönlichen Gegenstände eines Mitarbeiters wie Schlüssel, Handy oder Geldbörse haftet, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Hier war zu beachten, dass der Mitarbeiterraum neu eingerichtet worden war und dort noch nicht die erforderliche Anzahl von Spinden vorhanden war. Damit hatte der Entleiher zu erkennen gegeben, dass er selbst von einem Sicherungsbedürfnis in diesem Raum ausging. Hinzu kam, dass der Mitarbeiterraum während der Schicht offensichtlich nicht kontinuierlich von Mitarbeitern aufgesucht wurde. Allerdings gab es an anderer Stelle, wo die Mitarbeiter sich bislang umgezogen hatten, weitere Spinde. Dies habe die Stammbelegschaft wissen können und zumindest nachfragen müssen, ob diese Spinde benutzt werden können, bevor sie ihre Wertgegenstände unverschlossen im neuen Mitarbeiterraum deponierte. Anders sei dies beim Kläger, der als Leiharbeitnehmer neu in den Betrieb kam und von den bisherigen Gegebenheiten keine Kenntnis hatte. Hätte die Schichtleiterin der Beklagten – so deren Vortrag – den Kläger auf die weiteren abschließbaren Spinde hingewiesen, würde eine Haftung des Entleihers ausscheiden.

Die Parteien haben sich im besagten Termin vor der Beweisaufnahme aus prozessökonomischen Gründen verglichen, nachdem nicht alle Zeugen erschienen waren und gegebenenfalls eine Fortsetzung der Beweisaufnahme in einem weiteren Termin erforderlich geworden wäre.

(Landesarbeitsgericht Düsseldorf, 8 Sa 593/15; vgl. Pressemitteilung vom 23.02.2016)

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VonRA Moegelin

Altersdiskriminierung von Arbeitnehmern bei der Bundeswehr

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1362170346-300pxNach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts führt die Anrechnung von Einkommenserhöhungen auf die Einkommenssicherungszulage nach § 6 des Tarifvertrags über sozialverträgliche Begleitmaßnahmen im Zusammenhang mit der Umgestaltung der Bundeswehr vom 18. Juli 2001 (TV UmBw) zu einer unmittelbaren Benachteiligung jüngerer gegenüber älteren Beschäftigten, soweit bei einer Beschäftigungszeit von weniger als 25 Jahren nach der Vollendung des 55. Lebensjahres differenziert wird. Ein legitimes Ziel iSd. § 10 AGG, das eine derartige Benachteiligung rechtfertigen könnte, ist nicht ersichtlich (vgl. bereits BAG 15. November 2012 – 6 AZR 359/11).

Die am 3. August 1968 geborene Klägerin ist bei der Beklagten seit dem 1. September 1988 in der Bundeswehrverwaltung beschäftigt. Seit dem 1. Juli 2007 hat sie einen Anspruch auf Einkommenssicherung nach § 6 TV UmBw. Die demnach gewährte persönliche Zulage nimmt an allgemeinen Entgelterhöhungen teil. Sie verringert sich jedoch nach Maßgabe des § 6 Abs. 3 Satz 2 Buchst. a) TV UmBw bei Beschäftigten, die eine Beschäftigungszeit von 15 Jahren zurückgelegt und noch nicht das 55. Lebensjahr vollendet haben, um ein Drittel des Erhöhungsbetrages. Demgegenüber unterbleibt nach § 6 Abs. 3 Satz 4 Buchst. a) TV UmBw bei Vollendung des 55. Lebensjahrs eine solche Verringerung. Die Klägerin sieht darin eine unzulässige Benachteiligung jüngerer Arbeitnehmer mit einer Beschäftigungszeit von 15 Jahren. Sie verlangt daher für die Zeit bis zum 28. Februar 2012 mit einer Leistungsklage auf Zahlung von Differenzvergütung eine Gleichstellung mit den begünstigten Beschäftigten. Bezüglich der Folgezeit bis zum 31. August 2013 begehrt sie die Feststellung einer entsprechenden Verpflichtung der Beklagten.

Die Vorinstanzen haben der Klage überwiegend stattgegeben. Die Revision der Beklagten hatte vor dem Sechsten Senat des Bundesarbeitsgerichts zum Teil Erfolg. Die Leistungsklage ist entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts wegen Versäumung der tariflichen Ausschlussfrist unbegründet. Die Klägerin hat jedoch einen Anspruch auf die beantragte Feststellung. Zwar sind die einschlägigen Tarifregelungen gemäß § 7 Abs. 2 AGG nur insoweit unwirksam, als sie nach der Vollendung des 55. Lebensjahres differenzieren. Die in Abhängigkeit von der Beschäftigungsdauer angeordnete Verringerung behält als in sich geschlossene und sinnvolle Regelung ihre Wirksamkeit. Damit wäre im Fall der Klägerin eine Verringerung der Zulage um ein Drittel des Erhöhungsbetrages berechtigt gewesen. Für die allein streitgegenständliche Vergangenheit kann die Klägerin aber zur Beseitigung der Diskriminierung eine sog. Anpassung nach oben verlangen, da den Begünstigten die unverringert gezahlte Zulage nachträglich nicht mehr entzogen werden kann.

(Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18. Februar 2016 – BAG 6 AZR 700/14; vgl. Pressemitteilung Nr. 9/16)

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VonRA Moegelin

Werbung in Deutschland für eine Eizellspende ist zulässig

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Mad_scientistDer unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshof hat entschieden, dass kein wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsanspruch besteht, wenn für Vorbereitungshandlungen für eine Eizellspende in Deutschland geworben wird.

Der Beklagte ist ein an einem Institut für Reproduktionsmedizin und Endokrinologie in der Tschechischen Republik tätiger Facharzt für Gynäkologie und Frauenheilkunde. Auf einer Informationsveranstaltung in Hamburg im März 2008 zur Reproduktionsmedizin wies er darauf hin, in der Tschechischen Republik seien Eizellspenden anders als in Deutschland nicht verboten. Der Beklagte erklärte bei der Veranstaltung in Hamburg weiter, dass in Deutschland niedergelassene Ärzte die für Eizellübertragungen nötigen Vorbehandlungen von Eizellspenderinnen und Eizellempfängerinnen vornehmen. Nach Ansicht des Klägers hat der Beklagte dadurch die Gefahr geschaffen, dass sich Frauen an Ärzte in Deutschland wenden und diese entsprechende Vorbehandlungen vornehmen. Der Beklagte trage dadurch wissentlich dazu bei, dass sich deutsche Ärzte an Verstößen gegen das in § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 2 des deutschen Embryonenschutzgesetzes (ESchG) enthaltene Verbot der Eizellspende beteiligten.

Der Kläger hat vom Beklagten die Unterlassung der Werbung für eine Eizellspende am Institut für Reproduktionsmedizin und Endokrinologie in der Tschechischen Republik unter gleichzeitigem Hinweis auf eine Vorbehandlung durch in Deutschland niedergelassene Ärzte begehrt.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Der Beklagte habe durch seine Äußerung die naheliegende Gefahr geschaffen, dass Besucherinnen der Veranstaltung einen Arzt in Deutschland für eine die Eizellübertragung vorbereitende Behandlung aufsuchten und die die Vorbehandlung durchführenden Ärzte Beihilfe zu einer nach deutschem Recht strafbaren Eizellspende leisteten.

Der Bundesgerichtshof hat auf die Revision des Beklagten das klagabweisende Urteil erster Instanz wiederhergestellt. Das in § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 2 ESchG geregelte Verbot der Eizellspende stellt keine Marktverhaltensregelung nach § 4 Nr. 11 UWG dar. Es dient der Wahrung des Kindeswohls und soll verhindern, dass ein junger Mensch in seiner seelischen Entwicklung beeinträchtigt wird, wenn er sich mit einer genetischen und einer austragenden Mutter konfrontiert sieht. Das Verbot dient allein dem Kindeswohl und hat kein wettbewerblichen Schutzzweck und bezweckt auch nicht, den Wettbewerb der auf dem Gebiet der Kinderwunschbehandlung tätigen Ärzte zu regeln.

(Urteil des Bundesgerichtshofs vom 8. Oktober 2015 – BGH I ZR 225/13, vgl. Pressemitteilung Nr. 172/2015)

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VonRA Moegelin

Hausverbot gegen Frauke Petry von der AfD nicht zulässig

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1437962816-300pxDas Verwaltungsgericht Augsburg hat mit Beschluss vom 10.02.16 im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die aufschiebende Wirkung der Klage von Frau Dr. Petry gegen ein von der Stadt Augsburg verhängtes und für sofort vollziehbar erklärtes Hausverbot wiederhergestellt.

Dieses war im Zusammenhang mit dem geplanten Neujahrsempfang der „Alternative für Deutschland“ (AfD) ausgesprochen worden. Der Empfang soll am 12. Februar 2016 im Augsburger Rathaus stattfinden. Frau Dr. Petry ist als Rednerin angekündigt.

Nach Auffassung des Gerichts dürfte nach summarischer Prüfung das Hausverbot keinen rechtlichen Bestand haben. Ein Hausverbot sei nur zur Abwehr künftiger, nicht hinnehmbarer Störungen des ordnungsgemäßen Betriebs des Rathauses möglich. Es entspreche aber der bisher üblichen Handhabung und dem genehmigten Benutzungszweck, dass die Stadt Augsburg den im Stadtrat vertretenen Fraktionen und Wählergruppen die Repräsentationsräume des Rathauses zu Verfügung stellte. Dies gelte insbesondere auch zur Abhaltung von Neujahrsempfängen unter Teilnahme überörtlicher politischer Prominenz. Die von der Stadt Augsburg herangezogenen, politisch und gesellschaftlich äußerst umstrittenen Äußerungen von Frau Dr. Petry könnten nicht als eine das Verbot rechtfertigende Störung des Dienstbetriebs gewertet werden. Im Hinblick auf das Grundrecht auf Meinungsfreiheit, das Verbot einer Diskriminierung politischer Anschauungen und die Parteienfreiheit seien Aussagen, die nicht offensichtlich einen Straftatbestand erfüllten oder zu Straftaten aufrufen würden, im Rahmen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung grundsätzlich zulässig. Die Stadt Augsburg habe in ihrer Entscheidung diese vom Hausverbot betroffenen verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht hinreichend gewürdigt. Den von der Stadt Augsburg zur Begründung herangezogenen möglichen Gefahren durch einen zu großen Besucherandrang, durch Gegendemonstranten oder von Schäden am Gebäude sei durch polizeiliche Maßnahmen zu begegnen. Auch sie könnten das Verbot nicht rechtfertigen.

Gegen den Beschluss – Au 7 S 16.189 – kann innerhalb einer Frist von zwei Wochen Beschwerde beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingelegt werden.

Der Eilantrag zweier Stadträte der AfD gegen den von der Stadt Augsburg ausgesprochenen Widerruf der Genehmigung einer Nutzungserlaubnis und die damit verbundene Untersagungsverfügung ist bei Gericht heute Mittag eingegangen. Die zuständige Kammer des Verwaltungsgerichts Augsburg beabsichtigt, bis spätestens Freitagvormittag über diesen Antrag zu entscheiden.

(vgl. Pressemitteilung des Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg vom 10. Februar 2016)

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VonRA Moegelin

Verfassungsbeschwerde gegen Dritten Weg im kirchlichen Arbeitsrecht

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1392761431Mit Beschluss vom 15.07.15 hat der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts eine Verfassungsbeschwerde gegen arbeitsgerichtliche Entscheidungen zum so, genannten „Dritten Weg“ im kirchlichen Arbeitsrecht wegen Unzulässigkeit verworfen. Die Verfassungsbeschwerde war von einer Gewerkschaft eingelegt worden, die vor dem Bundesarbeitsgericht zwar obsiegt hatte, sich aber durch die Urteilsgründe beschwert sah. Der Gewerkschaft fehlt die erforderliche Beschwerdebefugnis. Sie ist weder durch den Urteilstenor beschwert noch folgt ausnahmsweise aus den Urteilsgründen, dass sie gegenwärtig und unmittelbar in ihren Grundrechten betroffen ist.

Sachverhalt und Verfahrensgang:

Nach dem „Dritten Weg“ werden die Arbeitsvertragsbedingungen weder einseitig durch die kirchlichen Dienstgeber („Erster Weg“) noch durch Tarifverträge („Zweiter Weg“) festgelegt, sondern durch eine Arbeitsrechtliche Kommission. Sie ist ein durch Kirchengesetz geschaffenes Gremium, das paritätisch mit Vertretern von Dienstgebern und Dienstnehmern besetzt ist. Ihre Aufgabe liegt darin, Normen zu schaffen, die Abschluss, Inhalt und Beendigung des Einzelarbeitsverhältnisses regeln. Kommt in der Arbeitsrechtlichen Kommission kein Beschluss zustande, so wird ein ebenfalls paritätisch zusammengesetzter Schlichtungsausschuss mit der Angelegenheit befasst. Dieser entscheidet abschließend. Streiks und Aussperrung sind ausgeschlossen.

Die Beschwerdeführerin ist eine Gewerkschaft. Die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens sind zwei evangelische Landeskirchen sowie sieben Einrichtungen der Diakonie. Im Ausgangsverfahren begehrten sie die Verpflichtung der Beschwerdeführerin, zukünftig Streiks und Streikaufrufe in Einrichtungen der Klägerinnen zu unterlassen. Ein im Wesentlichen stattgebendes Urteil des Arbeitsgerichts hob das Landesarbeitsgericht auf und wies die Klage insgesamt ab. Die Revision der Klägerinnen blieb ohne Erfolg. Die Beschwerdeführerin wendet sich mit ihrer Verfassungsbeschwerde gegen die fachgerichtlichen Entscheidungen, insbesondere gegen das Urteil des Bundesarbeitsgerichts. Sie sei zwar nicht durch den Tenor, jedoch durch die Entscheidungsgründe beschwert. Aus diesen ergebe sich für den vorliegenden Fall insbesondere, dass gewerkschaftliche Streiks mit Tarifbezug das kirchliche Selbstbestimmungsrecht in rechtswidriger Weise beeinträchtigten und solche ohne tarifliches Regelungsziel generell rechtswidrig seien.

Wesentliche Erwägungen des Senats:

1. Die Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde setzt die Behauptung des Beschwerdeführers voraus, durch einen Akt der öffentlichen Gewalt in seinen Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten verletzt zu sein (sogenannte Beschwerdebefugnis, vgl. Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG sowie § 90 Abs. 1 BVerfGG).

a) Richtet sich die Verfassungsbeschwerde gegen eine gerichtliche Entscheidung, kann sich die Beschwer in aller Regel nur aus dem Tenor der Entscheidung ergeben; er allein bestimmt verbindlich, welche Rechtsfolgen aufgrund des festgestellten Sachverhalts eintreten. Erforderlich ist eine Beschwer im Rechtssinne; eine faktische Beschwer allein genügt nicht. Rechtsausführungen sowie nachteilige oder als nachteilig empfundene Ausführungen in den Gründen einer Entscheidung allein begründen keine Beschwer.

b) Verfassungsbeschwerden gegen die Gründe einer gerichtlichen Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht bislang nur in eng begrenzten Ausnahmefällen für möglich gehalten. Diese sind hier nicht einschlägig.

c) Um beschwerdebefugt zu sein, muss ein Beschwerdeführer behaupten können, selbst, gegenwärtig und unmittelbar in einem Grundrecht oder gleichgestellten Recht verletzt zu sein. Bei Verfassungsbeschwerden gegen gerichtliche Entscheidungen ist dies regelmäßig der Fall und wird daher in der Regel nicht näher geprüft. Eine Prüfung der eigenen, gegenwärtigen und unmittelbaren Betroffenheit ist jedoch in Sonderfällen angezeigt, etwa wenn sich die Beschwer – wie vorliegend – aus anderen Umständen als dem für den Beschwerdeführer eigentlich günstigen Tenor ergeben soll.

Gegenwärtige Betroffenheit ist das Abgrenzungskriterium gegenüber zukünftigen Beeinträchtigungen. Maßgeblich ist der Zeitpunkt, in dem die Verfassungsbeschwerde erhoben wird. Gegenwärtigkeit in diesem Sinne ist gegeben, wenn eine angegriffene Vorschrift auf die Rechtsstellung des Beschwerdeführers aktuell und nicht nur potentiell einwirkt, wenn das Gesetz die Normadressaten mit Blick auf seine künftig eintretende Wirkung zu später nicht mehr korrigierbaren Entscheidungen zwingt oder wenn klar abzusehen ist, dass und wie der Beschwerdeführer in der Zukunft von der Regelung betroffen sein wird.

Unmittelbarkeit setzt voraus, dass die Einwirkung auf die Rechtsstellung des Betroffenen nicht erst durch einen weiteren Akt bewirkt wird. Die Voraussetzung der Unmittelbarkeit dient zudem dazu, dem Bundesverfassungsgericht die Fallanschauung der Fachgerichte zu vermitteln. Sie ist damit auch eine Frage der Zumutbarkeit der vorherigen Durchführung eines fachgerichtlichen Verfahrens, innerhalb dessen die Verfassungsmäßigkeit einer Norm inzident geprüft werden kann.

Soweit das Bundesverfassungsgericht Grundsätze zur Gegenwärtigkeit und Unmittelbarkeit anhand von Verfassungsbeschwerden gegen Rechtsnormen entwickelt hat, gelten diese auch für Verfassungsbeschwerden gegen gerichtliche Entscheidungen.

2. Die Beschwerdeführerin ist nach diesen Maßstäben nicht beschwerdebefugt.

a) Nach dem Grundsatz, dass sich bei Verfassungsbeschwerden gegen eine gerichtliche Entscheidung die Beschwer in aller Regel nur aus dem Tenor der Entscheidung ergeben kann, fehlt es an einer Beschwer der Beschwerdeführerin. Die gegen sie gerichtete Klage ist in vollem Umfang abgewiesen worden.

b) Die Beschwerdeführerin ist nicht ausnahmsweise durch die Gründe der angegriffenen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts gegenwärtig und unmittelbar beschwert.

aa) Eine gegenwärtige Beschwer folgt entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin nicht daraus, dass das Bundesarbeitsgericht nicht nur geschriebenes Recht angewandt, sondern das im Wesentlichen durch die Rechtsprechung geprägte Arbeitskampfrecht richterrechtlich weiterentwickelt hat. Damit hat das Bundesarbeitsgericht nicht Recht gesetzt, das für die Beschwerdeführerin zukünftig verbindlich wäre. Die Fachgerichte sind an durch die Rechtsprechung entwickeltes Recht nicht in gleicher Weise gebunden wie an Gesetze. Nach deutschem Recht gibt es grundsätzlich keine Präjudizienbindung.

Eine gegenwärtige Beschwer ergibt sich auch nicht daraus, dass sich die Beschwerdeführerin mit Blick auf künftige Streiks und Streikaufrufe dem Risiko ausgesetzt sieht, von kirchlichen Einrichtungen auf Unterlassung oder Schadensersatz in Anspruch genommen zu werden. Soweit die Beschwerdeführerin behauptet, ihr sei eine verlässliche Planung gewerkschaftlicher Politik nicht möglich, bleibt offen, zu welchen irreversiblen Dispositionen sie genötigt sein soll. Jedes Gesetz und jeder von einem Gericht entwickelte Rechtssatz, der einem Beteiligten Handlungsoptionen eröffnet, kann für andere Beteiligte mit Ungewissheiten und Unsicherheiten verbunden sein. Dies führt jedoch nicht dazu, dagegen Verfassungsbeschwerde erheben zu können, noch bevor fachgerichtlich entschieden ist, ob ordnungsgemäß von den Rechten Gebrauch gemacht wurde.

Die vom Bundesarbeitsgericht formulierten Anforderungen an den „Dritten Weg“ führen schließlich nicht dazu, dass klar abzusehen wäre, dass und wie die Beschwerdeführerin zukünftig betroffen ist. Wie die Vorgaben des Bundesarbeitsgerichts in der konkreten praktischen Gestaltung des „Dritten Weges“ umzusetzen sind oder umgesetzt werden, ist nicht im Detail vorhersehbar. Insbesondere hinsichtlich der organisatorischen Einbindung der Gewerkschaften werden den Kirchen keine detaillierten Vorgaben gemacht.

bb) Die Beschwerdeführerin ist durch die angefochtenen gerichtlichen Entscheidungen und die vom Bundesarbeitsgericht formulierten Anforderungen auch nicht unmittelbar betroffen. Der potentielle Ausschluss des Streikrechts könnte sich vielmehr erst aus kirchenrechtlichen und satzungsmäßigen Regelungen ergeben, setzt also zwingend weitere Maßnahmen der Kirchen und kirchlichen Einrichtungen voraus. Die vorherige Befassung der Fachgerichte ist der Beschwerdeführerin zumutbar und ermöglicht es, dem Bundesverfassungsgericht die Fallanschauung der Fachgerichte hinsichtlich der – inzwischen modifizierten – kirchenrechtlichen Vorschriften zu vermitteln.

(Beschluss des Bundesverssungsgerichts vom 15. Juli 2015 – 2 BvR 2292/13; vgl. Pressemitteilung Nr. 64/2015 vom 2. September 2015)

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VonRA Moegelin

Werktitelschutz für Smartphone-App „wetter.de“

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1285360871-300pxDer unter anderem für das Markenrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass Apps für mobile Endgeräte wie Smartphones grundsätzlich Werktitelschutz genießen können.

Die Klägerin betreibt unter dem Domainnamen „wetter.de“ eine Internetseite, auf der sie ortsspezifisch aufbereitete Wetterdaten und weitere Informationen über das Thema Wetter zum Abruf bereithält. Seit 2009 bietet sie entsprechende Informationen auch über eine Applikation (nachfolgend „App“) für Mobilgeräte (Smartphones und Tablet-Computer) unter der Bezeichnung „wetter.de“ an.

Die Beklagte ist Inhaberin der Domainnamen „wetter.at“ und „wetter-deutschland.com“, unten denen sie im Internet ebenfalls Wetterdaten zur Verfügung stellt. Seit Ende 2011 betreibt sie zudem eine App mit entsprechenden Inhalten unter den Bezeichnungen „wetter DE“, „wetter-de“ und „wetter-DE“.

Die Klägerin beanstandet die Benutzung der Bezeichnungen der Beklagten für deren Wetter-App als eine Verletzung ihrer Titelschutzrechte an dem Domainnamen „wetter.de“ und der entsprechenden Bezeichnung der von ihr betriebenen App. Sie hat die Beklagte auf Unterlassung, Auskunft und Ersatz von Abmahnkosten in Anspruch genommen sowie die Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten begehrt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben. Die gegen das Urteil des Berufungsgerichts eingelegte Revision der Klägerin hat der Bundesgerichtshof jetzt zurückgewiesen.

Der Bundesgerichtshof hat angenommen, dass Domainnamen von Internetangeboten sowie Apps für Mobilgeräte zwar titelschutzfähige Werke im Sinne von § 5 Abs. 3 MarkenG* sein können. Der Bezeichnung „wetter.de“ komme aber keine für einen Werktitelschutz nach § 5 Abs. 1 und 3 MarkenG hinreichende originäre Unterscheidungskraft zu. Unterscheidungskraft fehlt einem Werktitel, wenn sich dieser nach Wortwahl, Gestaltung und vom Verkehr zugemessener Bedeutung in einer werkbezogenen Inhaltsbeschreibung erschöpft. So liegt es im Streitfall. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei festgestellt, dass die Bezeichnung „wetter.de“ für eine Internetseite und für Apps, auf denen Wetterinformationen zu Deutschland angeboten werden, glatt beschreibend ist.

Allerdings sind in bestimmten Fällen nur geringe Anforderungen an den erforderlichen Grad der Unterscheidungskraft zu stellen. Dies setzt voraus, dass der Verkehr seit langem daran gewöhnt ist, dass Werke mit beschreibenden Bezeichnungen gekennzeichnet werden und dass er deshalb auch auf feine Unterschiede in den Bezeichnungen achten wird. Ein derart abgesenkter Maßstab ist von der Rechtsprechung insbesondere für den Bereich der Zeitungen und Zeitschriften anerkannt, die seit jeher mit mehr oder weniger farblosen und nur inhaltlich oder räumlich konkretisierten Gattungsbezeichnungen gekennzeichnet werden. Diese Grundsätze sind jedoch nicht auf den Bereich der Bezeichnung von Internetseiten und Smartphone-Apps übertragbar.

Die Bezeichnung „wetter.de“ genießt auch keinen Werktitelschutz unter dem Gesichtspunkt der Verkehrsgeltung. Zwar kann eine fehlende originäre Unterscheidungskraft auch bei Werktiteln durch Verkehrsgeltung überwunden werden. Die Klägerin hat aber nicht belegt, dass sich die Bezeichnung innerhalb der angesprochenen Verkehrskreise als Werktitel durchgesetzt hat. Angesichts des glatt beschreibenden Charakters der Bezeichnung „wetter.de“ kann die untere Grenze für die Annahme einer Verkehrsdurchsetzung nicht unterhalb von 50 % angesetzt werden. Dass mehr als die Hälfte der angesprochenen Verkehrskreise in der Bezeichnung „wetter.de“ einen Hinweis auf eine bestimmte Internetseite mit Wetterinformationen sehen, ergab sich aus dem von der Klägerin vorgelegten Verkehrsgutachten nicht.

(Urteil des Bundesgerichtshofs vom 28. Januar 2016 – BGH I ZR 202/14; vgl. Pressemitteilung Nr. 26/16)

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