Einem Reiseveranstalter ist die Verzögerung bei der Sicherheitskontrolle am Flughafen nicht als Verschulden zuzurechnen. Die Personen- und Gepäckkontrolle ist keine Leistungserbringung des Reiseveranstalters oder der für ihn handelnden Fluggesellschaft. Im Rahmen des Reisevertrages handelt es sich bei der Sicherheitskontrolle gemäß Luftsicherheitsgesetz um eine hoheitliche Aufgabe des Staates. Etwaige Fehler der Planung der Luftsicherheitsbehörden bei der Sicherheitskontrolle der Passagiere muss sich der Reiseveranstalter daher nicht zurechnen lassen.
Volltext der Pressemitteilung 27 des Amtsgerichts München vom 28.08.2023 – 158 C 1985/23:
Das Amtsgericht München wies eine Klage gegen einen Reiseveranstalter auf Rückerstattung des Reisepreises für eine Pauschalreise in Höhe von 1.648 Euro ab. Die Reisenden hatten nach Verzögerungen bei der Sicherheitskontrolle das Boarding verpasst.
Der Kläger hatte bei der Beklagten für sich und seine Ehefrau im Oktober 2022 eine Pauschalreise nach Madeira gebucht. Beim Online-Check-in erhielt der Kläger die Weisung, um 12:50 Uhr am Gate zu sein. Tatsächlich erreichten der Kläger und seine Ehefrau das Gate um 13:05 Uhr. Obwohl das Flugzeug noch in Parkposition stand, verweigerte das Bodenpersonal den Reisenden den Zutritt zum Flugzeug.
Der Kläger führt aus, er habe sich am Abreisetag gemeinsam mit seiner Ehefrau um 10:15 Uhr, damit 3 Stunden und 20 Minuten vor Abflug, in die Flughafenhalle begeben. Der Schalter zur Gepäckabgabe für den gebuchten Flug sei jedoch erst um 11:00 Uhr geöffnet worden. Der Kläger und seine Ehefrau hätten ihr Gepäck abgegeben und sich im Anschluss daran gegen 11:20 Uhr direkt zur Sicherheitskontrolle begeben. Die Sicherheitskontrolle habe dann jedoch bis ca. 13:00 Uhr gedauert, da anstelle der ca. 20 Schalter der Sicherheitskontrolle für einen gesamten Abflugbereich, lediglich nur ein einziger Schalter geöffnet gewesen sei.
Nach Auffassung des Klägers habe er gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rückerstattung des Reisepreises. Die Beklagte hätte jedenfalls wissen müssen, dass nicht hinreichend Personal in der Sicherheitskontrolle zur Verfügung stand. Entsprechend hätte die Beklagte auf eine frühere Öffnung der Gepäckabgabeschalter der Airline hinwirken müssen und die Reisenden auf überlange Wartezeiten aufmerksam machen müssen.
Nach Sichtweise der Beklagten, hätten weder die Beklagte noch deren Leistungserbringer die Vertragsdurchführung vereitelt. Eine zu langsame Sicherheitskontrolle am Flughafen sei der Beklagten nicht zuzurechnen. Es handele sich bei den Sicherheitsbehörden nicht um Erfüllungsgehilfen der Beklagten oder deren Leistungsträger. Die Durchführung von Sicherheitskontrollen sei keine vertragliche Obliegenheit der Beklagten, sondern eine hoheitlich staatliche Aufgabe, deren Durchführung und Organisation von der Beklagten nicht beeinflusst werden könne. Die Beklagte sei auch nicht gehalten gewesen, Schalter mehr als 2,5 Stunden vor geplantem Abflug zu öffnen. Die Beklagte könne sich grundsätzlich darauf verlassen, dass die Luftsicherheitsbehörde den Ablauf der Sicherheitskontrollen so gestalte, dass die Sicherheitskontrolle vor Abflug unproblematisch erfolgen könne.
Das Amtsgericht München wies die Klage auf Rückerstattung des Reisepreises gegen den Reiseveranstalter ab und führte in den Entscheidungsgründen wie folgt aus:
„Die streitgegenständliche Pauschalreise leidet nicht an einem Mangel. Vielmehr befand sich der Kläger mit dem Antritt der Reise in Annahmeverzug, indem er das Abflug-Gate des gebuchten Fluges erst nach dessen Schließung um 13:05 Uhr anstatt um 12:50 Uhr erreichte. Nachdem das Gate geschlossen war, bestand kein Anspruch des Klägers mehr auf Zutritt zum Flugzeug und damit auf Beförderung durch die Leistungserbringer der Beklagten.
Die Beklagte muss sich eine etwaige Verzögerung bei der sog. „Sicherheitskontrolle“ am Flughafen auch nicht zurechnen lassen. Die Personen- und Gepäckkontrolle ist keine Leistungserbringung der Beklagten oder ihrer Leistungsträger im Rahmen des Reisevertrages, sondern es handelt sich hierbei gemäß Luftsicherheitsgesetz, insbesondere § 5 LuftSiG, um eine hoheitliche Aufgabe des Staates, die durch die zuständige Luftsicherheitsbehörde regelmäßig unter Beauftragung der Bundespolizei ausgeführt wird. Etwaige Fehler der Planung der Luftsicherheitsbehörden bei der Sicherheitskontrolle der Passagiere muss sich die Beklagte nicht zurechnen lassen. (…)
Die Beklagte war auch nicht gehalten, den Gepäckabgabeschalter mehr als zweieinhalb Stunden vor Abflug zu öffnen, sondern durfte sich darauf verlassen, dass die Sicherheitskontrolle so organisiert ist, dass ein Erreichen des Gates bis zur angegebenen Boardingzeit problemlos innerhalb der zur Verfügung stehenden Zeitspanne möglich ist. Auch eines Hinweises auf eine etwaige längere Dauer der Sicherheitskontrolle durch die Beklagte bedurfte es nicht; der Hinweis auf die Boardingszeit beim Check-In war ausreichend. Es wäre vielmehr an dem Kläger gewesen, für ein rechtzeitiges Passieren der Sicherheitskontrolle, gegebenenfalls durch ein Herantreten an andere Reisende mit der Bitte um bevorzugte Abfertigung unter Hinweis auf die gesetzte Boardingzeit, Sorge zu tragen. Der Vortrag des Klägers erscheint auch unplausibel vor dem Hintergrund, dass andere Reisende das Flugzeug offenbar trotz der vorgetragenen Verzögerungen in der Sicherheitskontrolle rechtzeitig erreicht haben – es ist nach der Lebenserfahrung davon auszugehen, dass das Flugzeug nicht ohne Passagiere und Gepäck nach Madeira geflogen ist. Ein zur Minderung des Reisepreises (gar auf Null) berechtigender Reisemangel ist nach alledem nicht erkennbar. Der Kläger hat es zudem verabsäumt, etwaige Mängel der Reiseleistung gegenüber der Beklagten anzuzeigen und diese zur Abhilfe aufzufordern.“
Urteil des Amtsgerichts München vom 12.07.2023
Aktenzeichen: 158 C 1985/23
München, 28.08.2023
Pressestelle Amtsgericht München