Monatsarchiv 28. August 2020

VonRA Moegelin

Kopftuchverbot – Benachteiligung wegen der Religion

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Das Verbot des Tragens eines islamischen Kopftuchs gilt nur im Fall einer konkreten Gefahr für den Schulfrieden oder für die staatliche Neutralität.

Die Klägerin ist Diplom-Informatikerin; sie bezeichnet sich als gläubige Muslima und trägt als Ausdruck ihrer Glaubensüberzeugung ein Kopftuch. Die Klägerin bewarb sich beim beklagten Land im Rahmen eines Quereinstiegs mit berufsbegleitendem Referendariat für eine Beschäftigung als Lehrerin in den Fächern Informatik und Mathematik in der Integrierten Sekundarschule (ISS), dem Gymnasium oder der Beruflichen Schule. Das beklagte Land lud sie zu einem Bewerbungsgespräch ein. Im Anschluss an dieses Gespräch, bei dem die Klägerin ein Kopftuch trug, sprach sie ein Mitarbeiter der Zentralen Bewerbungsstelle auf die Rechtslage nach dem sog. Berliner Neutralitätsgesetz* an. Die Klägerin erklärte daraufhin, sie werde das Kopftuch auch im Unterricht nicht ablegen.

Nachdem ihre Bewerbung erfolglos geblieben war, nahm die Klägerin das beklagte Land auf Zahlung einer Entschädigung nach dem AGG in Anspruch. Sie hat die Auffassung vertreten, das beklagte Land habe sie entgegen den Vorgaben des AGG wegen ihrer Religion benachteiligt. Zur Rechtfertigung dieser Benachteiligung könne das beklagte Land sich nicht mit Erfolg auf § 2 Berliner Neutralitätsgesetz berufen. Das darin geregelte pauschale Verbot, innerhalb des Dienstes ein muslimisches Kopftuch zu tragen, verstoße gegen die durch Art. 4 GG geschützte Glaubensfreiheit. Das beklagte Land hat demgegenüber eingewandt, das Berliner Neutralitätsgesetz sei verfassungsgemäß und auch unionsrechtskonform. Die darin geregelte Verpflichtung der Lehrkräfte, im Dienst ua. keine auffallenden religiös geprägten Kleidungsstücke zu tragen, stelle eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung iSv. § 8 Abs. 1 AGG bzw. der unionsrechtlichen Vorgaben dar. Angesichts der Vielzahl von Nationalitäten und Religionen, die in der Stadt vertreten seien, sei eine strikte Neutralität im Unterricht aus präventiven Gründen erforderlich; des Nachweises einer konkreten Gefahr für den Schulfrieden oder die staatliche Neutralität bedürfe es nicht. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat das beklagte Land zur Zahlung einer Entschädigung iHv. 5.159,88 Euro verurteilt. Gegen diese Entscheidung hat das beklagte Land Revision eingelegt, mit der es sein Begehren nach Klageabweisung weiterverfolgt. Die Klägerin hat Anschlussrevision eingelegt, mit welcher sie die Zahlung einer höheren Entschädigung begehrt.

Sowohl die Revision des beklagten Landes als auch die Anschlussrevision der Klägerin hatten vor dem Achten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Die Klägerin kann von dem beklagten Land nach § 15 Abs. 2 AGG wegen eines Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot des AGG die Zahlung einer Entschädigung iHv. 5.159,88 Euro verlangen. Die Klägerin hat als erfolglose Bewerberin eine unmittelbare Benachteiligung iSv. § 3 Abs. 1 AGG erfahren. Der Umstand, dass ein Mitarbeiter der Zentralen Bewerbungsstelle die Klägerin im Anschluss an das Bewerbungsgespräch auf die Rechtslage nach dem sog. Berliner Neutralitätsgesetz angesprochen und die Klägerin daraufhin erklärt hat, sie werde das Kopftuch auch im Unterricht nicht ablegen, begründet die Vermutung, dass die Klägerin wegen der Religion benachteiligt wurde. Diese Vermutung hat das beklagte Land nicht widerlegt. Die Benachteiligung der Klägerin ist nicht nach § 8 Abs. 1 AGG gerechtfertigt. Das beklagte Land kann sich insoweit nicht mit Erfolg auf die in § 2 Berliner Neutralitätsgesetz getroffene Regelung berufen, wonach es Lehrkräften ua. untersagt ist, innerhalb des Dienstes auffallende religiös oder weltanschaulich geprägte Kleidungsstücke und damit auch ein sog. islamisches Kopftuch zu tragen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, an die der Senat nach § 31 Abs. 1 BVerfGG gebunden ist, führt eine Regelung, die – wie § 2 Berliner Neutralitätsgesetz – das Tragen eines sog. islamischen Kopftuchs durch eine Lehrkraft im Dienst ohne Weiteres, dh. schon wegen der bloß abstrakten Eignung zur Begründung einer Gefahr für den Schulfrieden oder die staatliche Neutralität in einer öffentlichen bekenntnisoffenen Gemeinschaftsschule verbietet, zu einem unverhältnismäßigen Eingriff in die Religionsfreiheit nach Art. 4 GG, sofern das Tragen des Kopftuchs – wie hier im Fall der Klägerin – nachvollziehbar auf ein als verpflichtend verstandenes religiöses Gebot zurückzuführen ist. § 2 Berliner Neutralitätsgesetz ist in diesen Fällen daher verfassungskonform dahin auszulegen, dass das Verbot des Tragens eines sog. islamischen Kopftuchs nur im Fall einer konkreten Gefahr für den Schulfrieden oder die staatliche Neutralität gilt. Eine solche konkrete Gefahr für diese Schutzgüter hat das beklagte Land indes nicht dargetan. Aus den Vorgaben von Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG, die der nationale Gesetzgeber mit § 8 Abs. 1 AGG in das nationale Recht umgesetzt hat, und aus den in Art. 10 und Art. 24 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union getroffenen Regelungen ergibt sich für das vorliegende Verfahren nichts Abweichendes. Den Bestimmungen in §§ 2 bis 4 Berliner Neutralitätsgesetz fehlt es bereits an der unionsrechtlich erforderlichen Kohärenz. Mit den Ausnahmeregelungen in den §§ 3 und 4 Berliner Neutralitätsgesetz stellt der Berliner Gesetzgeber sein dem § 2 Berliner Neutralitätsgesetz zugrundeliegendes Regelungskonzept selbst in Frage. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts über die Höhe der der Klägerin zustehenden Entschädigung hielt im Ergebnis einer revisionsrechtlichen Kontrolle stand.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 27. August 2020 – 8 AZR 62/19 -vgl. Pressemitteilung Nr. 28/20
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 27. November 2018 – 7 Sa 963/18

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VonRA Moegelin

Kündigung wegen sexueller Belästigung am Arbeitsplatz

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Fasst ein Mitarbeiter erst einer Kollegin und dann sich selbst in den Schritt mit der anschließenden Äußerung, da tue sich etwas, rechtfertigt dies auch nach 16-jähriger beanstandungsfreier Betriebszugehörigkeit die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Dies hat das Landesarbeitsgericht Köln mit Urteil vom 19.06.2020 entschieden.
Der Kläger war bei der Beklagten seit 16 Jahren in der Produktion beschäftigt. Im März 2019 wandte sich eine Kollegin an die Personalleiterin mit dem Vorwurf, der Kläger habe sie im November 2018 in der eingangs geschilderten Art und Weise sexuell belästigt. Nach Anhörung des Klägers, der den Vorwurf bestritt, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos.
Aufgrund einer Strafanzeige der Kollegin erging gegen den Kläger ein Strafbefehl wegen sexueller Belästigung nach § 184i Abs. 1 StGB mit einer Verurteilung zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen, der mittlerweile rechtskräftig ist.
Das Arbeitsgericht Siegburg hat die gegen diese Kündigung gerichtete Klage nach Vernehmung der Kollegin abgewiesen. Dieses Urteil hat das Landesarbeitsgericht Köln nun in dem Berufungsverfahren bestätigt und die Berufung des Klägers zurückgewiesen.
Zur Begründung hat es im Wesentlichen die von dem Arbeitsgericht Siegburg vorgenommene Beweiswürdigung nachvollzogen und keine Anhaltspunkte gesehen, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der erstinstanzlichen Feststellungen begründen könnten. Insbesondere hat es kein widersprüchliches Verhalten der Belastungszeugin in dem Umstand gesehen, dass diese sich erst nach drei Monaten an den Arbeitgeber gewandt hatte.
Angesichts der Schwere der festgestellten Pflichtverletzung hat das Landesarbeitsgericht eine vorhergehende Abmahnung für nicht erforderlich gehalten, weil der Kläger nicht ernsthaft damit habe rechnen können, dass die Beklagte sein Verhalten tolerieren werde. Aufgrund ihrer Verpflichtung nach § 12 Abs. 3 AGG, ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen vor sexuellen Belästigungen wirksam zu schützen, sei der Beklagten der Ausspruch einer Kündigung unter Einhaltung der sechsmonatigen Kündigungsfrist nicht zuzumuten gewesen.
Die Revision gegen das Urteil wurde nicht zugelassen.

Landesarbeitsgericht Köln – Aktenzeichen 4 Sa 644/19 vom 19.06.2020
vgl. Pressemitteilung des LAG Köln vom 24.06.2020

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VonRA Moegelin

Wahrnehmung von Verkehrszeichen

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Ob eine Rechtsbeschwerde nach § 79 Abs. 1 Nr. 3 OWiG statthaft ist, richtet sich ausschließlich nach dem formalen Vergleich von Bußgeldbescheid und Urteil. Eine teleologische Reduktion auf solche Fälle, bei denen auch auf der Grundlage des gerichtlichen Schuldspruchs ein (Regel-) Fahrverbot in Betracht käme, scheitert an der durch den Wortlaut der Vorschrift gezogenen Auslegungsgrenze. Ob der Betroffene eines oder mehrere Verkehrszeichen infolge Unachtsamkeit übersehen hat, ist Gegenstand freier richterlicher Beweiswürdigung und durch das Rechtsbeschwerdegericht in aller Regel auch dann hinzunehmen, wenn die Verkehrszeichen gut sichtbar waren. Es gibt keinen Erfahrungssatz, dem zufolge ortsunkundige Kraftfahrer aufmerksamer und normtreuer sind als ortsansässige. (Leitsatz)

Volltext des Beschlusses des Kammergichts Berlin KG vom 31.07.2020 – 3 Ws (B) 174/20, 122 Ss 71/20:

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Amtsanwaltschaft Berlin gegen das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 29. Mai 2020 wird verworfen.

Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Betroffenen hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Landeskasse Berlin zur Last.

Gründe

1

Der Polizeipräsident in Berlin hat gegen den Betroffenen wegen einer vorsätzlich begangenen Verkehrsordnungswidrigkeit eine Geldbuße von 500 Euro und ein zweimonatiges Fahrverbot verhängt. Dem Betroffenen ist durch den Bußgeldbescheid vorgeworfen worden, als Führer eines (unbeladenen) Sattelzugs die K-Brücke in Berlin befahren zu haben und hierdurch wissentlich gegen ein durch das Zeichen 251 und sog. Verkehrseinrichtungen angeordnetes Verkehrsverbot verstoßen zu haben. Auf seinen Einspruch ist der Betroffene durch das Amtsgericht Tiergarten nur wegen fahrlässiger Tatbegehung zu einer Geldbuße von 75 Euro verurteilt worden; ein Fahrverbot ist nicht angeordnet worden. Das Amtsgericht hat dem auswärtigen Betroffenen geglaubt, unkonzentriert gewesen zu sein und sowohl das an der Autobahnausfahrt mit Zusatzzeichen „7,5 t“ und Zeichen 1000-11 (Richtungspfeil nach links) als auch das an der Brücke angebrachte Zeichen 251 sowie die rot-weißen Baken an der Brücke übersehen zu haben. Hiergegen richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Rechtsbeschwerde der Amtsanwaltschaft Berlin, die einen Darstellungsmangel geltend macht und die Beweiswürdigung beanstandet.

2

1. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 OWiG statthaft und im Weiteren zulässig. Denn gegen den Betroffenen ist im Bußgeldbescheid ein Fahrverbot verhängt worden, nicht aber im Urteil. Dass der Bußgeldkatalog für die schließlich angewandte Bußgeldvorschrift kein Fahrverbot vorsieht, ändert an der Anwendbarkeit des § 79 Abs. 1 Nr. 3 OWiG nichts. Hiernach kommt es ausschließlich auf den formalen Vergleich von Bußgeldbescheid und Urteil an. Eine – an sich denkbare und erwägenswerte – teleologische Reduktion auf solche Fälle, bei denen auch auf der Grundlage des tatsächlichen Schuldspruchs ein Fahrverbot in Betracht käme, scheitert an der durch den Wortlaut des § 79 Abs. 1 Nr. 3 OWiG gezogenen Auslegungsgrenze.

3

2. Das Rechtsmittel hat jedoch keinen Erfolg.

4

a) Die Feststellungen des Urteils tragen die Verurteilung wegen fahrlässiger Tatbegehung. Der durch die Amtsanwaltschaft geltend gemachte Darstellungsmangel besteht nicht. Das Amtsgericht hat im Einzelnen dargelegt, wo Verkehrszeichen angebracht waren und dass der Betroffene diese Zeichen möglicherweise infolge Unaufmerksamkeit übersehen hat.

5

Die Beanstandung der Rechtsbeschwerdeführerin, das Urteil verhalte sich nicht zu „den weiteren Ankündigungszeichen und der übrigen Ausschilderung des Verkehrsverbots“ (RB S. 1), bleibt ohne Erfolg. Denn dass am Tattag, dem 28. Oktober 2019, weitere Verkehrszeichen vorhanden und sichtbar waren, ist urteilsfremd und weder allgemein- noch senatsbekannt.

6

b) Auch die Würdigung der Beweise deckt keinen sachlich-rechtlichen Fehler auf.

7

Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters, dem es obliegt, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Die revisionsgerichtliche Überprüfung ist darauf beschränkt, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist etwa der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (ständige Rspr. des BGH, vgl. zuletzt Beschluss vom 28. April 2020 – 2 StR 494/19BeckRS 2020 11446 m. w. N.).

8

Einen derartig sachlich-rechtlichen Fehler weist das angefochtene Urteil nicht auf. Das Amtsgericht hat die bestehenden Möglichkeiten, dass der Betroffene die Verkehrszeichen nämlich gesehen und dass er sie übersehen haben könnte, erkannt und in der Folge abgewogen, was für das eine und was für das andere spricht. Dabei hat das Amtsgericht die Einlassung des Betroffenen, er sei ortsfremd und „auf die Straße“ konzentriert gewesen und er habe sich auf die Routenplanung seines Navigationsgerätes verlassen (UA S. 3), als jedenfalls nicht zu widerlegen angesehen. Dies ist ebenso wenig zu beanstanden wie die Würdigung des Tatrichters, die Beschilderung sei bei „durchschnittlicher Aufmerksamkeit wahrnehmbar“ gewesen, es sei aber auch “nachvollziehbar“, dass der Betroffene sie übersehen habe (UA S. 4). Eine solche Bewertung stellt sich als Kernbereich freier richterlicher Beweiswürdigung dar, die ausschließlich dem Tatrichter obliegt und der Bewertung durch das Rechtsbeschwerdegericht entzogen ist.

9

Indem es die Amtsanwaltschaft, die keinen Vertreter in die Hauptverhandlung entsandt hat, als „lebensnah“ bezeichnet, „dass ein Kraftfahrer in fremder Umgebung den Verkehrszeichen besondere Aufmerksamkeit schenkt“ (RB S. 2), versucht sie erfolglos, die Beweiswürdigung des Tatrichters durch ihre eigene zu ersetzen. Der von der Amtsanwaltschaft offenbar gemeinte Erfahrungssatz, Ortsunkenntnis bedinge erhöhte Konzentration und Normbeachtung, führt auch nicht dazu, dass das Amtsgericht zur ausdrücklichen Darlegung veranlasst gewesen wäre, dass und warum die Verkehrszeichen trotzdem übersehen worden seien. Denn der Senat erkennt schon einen solchen Erfahrungssatz nicht an: Ortsunkenntnis kann ebenso zu Überforderung und Ablenkung führen wie es im Einzelfall erhöhte Konzentration und Normbeachtung zur Folge haben kann. Vor diesem Hintergrund gab der Umstand der Ortsunkenntnis dem Bußgeldrichter zu keiner vertieften Befassung und Auseinandersetzung Anlass.

10

Schließlich wiederholt die Amtsanwaltschaft mit ihrem Hinweis, das Verkehrsverbot habe „bei durchschnittlicher Aufmerksamkeit“ nicht übersehen werden können, nur die Einschätzung des Amtsgerichts (UA S. 4), entkräftet aber nicht dessen Würdigung, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Betroffene gerade diese Aufmerksamkeit vermissen ließ.

11

3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 46 Abs. 1 OWiG, 473 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 StPO.

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VonRA Moegelin

Betriebsvereinbarung – Zustimmung der Arbeitnehmer

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Arbeitgeber und Betriebsrat können die Geltung einer Betriebsvereinbarung nicht davon abhängig machen, dass die betroffenen Arbeitnehmer zustimmen.
Die Arbeitgeberin schloss 2007 mit dem in ihrem Betrieb gebildeten Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung zu variablen Vergütungsbestandteilen der im Lager beschäftigten Arbeitnehmer. Diese sollte unter der Bedingung in Kraft treten, dass ihr „80 % der abgegebenen Stimmen“ der in ihren Geltungsbereich fallenden Arbeitnehmer bis zum Ablauf einer von der Arbeitgeberin gesetzten Frist „einzelvertraglich“ schriftlich zustimmen. Für den Fall eines Unterschreitens des Zustimmungsquorums konnte die Arbeitgeberin „dies“ dennoch für ausreichend erklären. Der Betriebsrat hat die Unwirksamkeit der Betriebsvereinbarung geltend gemacht.
Die Vorinstanzen haben das Begehren abgewiesen. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats hatte vor dem Ersten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Die normative Wirkung einer Betriebsvereinbarung kann nicht von einem Zustimmungsquorum der Belegschaft abhängig gemacht werden. Eine solche Regelung widerspricht den Strukturprinzipien der Betriebsverfassung. Danach ist der gewählte Betriebsrat Repräsentant der Belegschaft. Er wird als Organ der Betriebsverfassung im eigenen Namen kraft Amtes tätig und ist weder an Weisungen der Arbeitnehmer gebunden noch bedarf sein Handeln deren Zustimmung. Eine von ihm abgeschlossene Betriebsvereinbarung gilt kraft Gesetzes unmittelbar und zwingend. Damit gestaltet sie unabhängig vom Willen oder der Kenntnis der Parteien eines Arbeitsvertrags das Arbeitsverhältnis und erfasst auch später eintretende Arbeitnehmer. Das schließt es aus, die Geltung einer Betriebsvereinbarung an das Erreichen eines Zustimmungsquorums verbunden mit dem Abschluss einer einzelvertraglichen Vereinbarung mit dem Arbeitgeber zu Arbeitgeber und Betriebsrat können die Geltung einer Betriebsvereinbarung nicht davon abhängig machen, dass die betroffenen Arbeitnehmer zustimmen.
Die Arbeitgeberin schloss 2007 mit dem in ihrem Betrieb gebildeten Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung zu variablen Vergütungsbestandteilen der im Lager beschäftigten Arbeitnehmer. Diese sollte unter der Bedingung in Kraft treten, dass ihr „80 % der abgegebenen Stimmen“ der in ihren Geltungsbereich fallenden Arbeitnehmer bis zum Ablauf einer von der Arbeitgeberin gesetzten Frist „einzelvertraglich“ schriftlich zustimmen. Für den Fall eines Unterschreitens des Zustimmungsquorums konnte die Arbeitgeberin „dies“ dennoch für ausreichend erklären. Der Betriebsrat hat die Unwirksamkeit der Betriebsvereinbarung geltend gemacht.
Die Vorinstanzen haben das Begehren abgewiesen. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats hatte vor dem Ersten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Die normative Wirkung einer Betriebsvereinbarung kann nicht von einem Zustimmungsquorum der Belegschaft abhängig gemacht werden. Eine solche Regelung widerspricht den Strukturprinzipien der Betriebsverfassung. Danach ist der gewählte Betriebsrat Repräsentant der Belegschaft. Er wird als Organ der Betriebsverfassung im eigenen Namen kraft Amtes tätig und ist weder an Weisungen der Arbeitnehmer gebunden noch bedarf sein Handeln deren Zustimmung. Eine von ihm abgeschlossene Betriebsvereinbarung gilt kraft Gesetzes unmittelbar und zwingend. Damit gestaltet sie unabhängig vom Willen oder der Kenntnis der Parteien eines Arbeitsvertrags das Arbeitsverhältnis und erfasst auch später eintretende Arbeitnehmer. Das schließt es aus, die Geltung einer Betriebsvereinbarung an das Erreichen eines Zustimmungsquorums verbunden mit dem Abschluss einer einzelvertraglichen Vereinbarung mit dem Arbeitgeber zu knüpfen.

Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 28. Juli 2020 – 1 ABR 4/19
Pressemitteilung Nr. 25/20 des Bundesarbeitsgerichts
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht München, Beschluss vom 15. Juni 2018- 3 TaBV 6/18

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VonRA Moegelin

Ausschlussfrist bei Urlaubsabgeltung

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Urlaubsabgeltungsansprüche unterliegen tarif- oder einzelvertraglichen Ausschlussfristen auch dann, wenn die zugrundeliegenden Urlaubsansprüche – etwa aufgrund unzureichender Aufklärung durch den Arbeitgeber – urlaubsrechtlich nicht konnten. – Zur Wirksamkeit einer im Jahre 2013 vereinbarten einzelvertraglichen Ausschlussfrist für Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, die lediglich Ansprüche aus unerlaubter Handlung von ihrem Anwendungsbereich ausnimmt – (Leitsätze).

Volltext des Urteils des Landesarbeitsgericht Düsseldorf vom 24.06.2020 – 4 Sa 571/19:

TENOR

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 23.07.2019 – 16 Ca 887/19 – wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

Die Revision wird zugelassen.

1

TATBESTAND
2

Die Parteien streiten über die Abgeltung von Urlaubsansprüchen aus dem Jahr 2017.
3

Der Kläger war vom 01.12.2011 bis zum 31.10.2017 bei dem beklagten Logistikunternehmen als Niederlassungsleiter zu einem Bruttomonatsgehalt iHv zuletzt 5.900,– EUR beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund außerordentlicher Kündigung des Klägers.
4

Dem Arbeitsverhältnis lag der Arbeitsvertrag vom 14.11.2013 (Bl. 13 ff. GA) zugrunde. Gemäß § 6 des Vertrages standen dem Kläger neben dem gesetzlichen Urlaub von 20 Arbeitstagen im Kalenderjahr weitere 10 Arbeitstage „vertraglicher“ Urlaub zu. Weiter heißt es in dem Vertrag:
5

㤠12 Verfall-/Ausschlussfristen
6

Die Vertragsparteien müssen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb von drei Monaten nach ihrer Fälligkeit schriftlich geltend machen und im Fall der Ablehnung durch die Gegenseite innerhalb von weiteren drei Monaten einklagen.
7

Andernfalls erlöschen sie. Für Ansprüche aus unerlaubter Handlung verbleibt es bei der gesetzlichen Regelung.“
8

Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31.10.2017 standen dem Kläger noch 25 nicht genommene Urlaubstage aus dem Jahr 2017 zu. Diese waren in seiner Gehaltsabrechnung nicht ausgewiesen. Mit Schreiben vom 21.12.2018 forderte der Kläger die Beklagte zur Abgeltung des Anspruchs auf (Bl. 190-193 GA). Mit Schreiben vom 02.01.2019 wies die Beklagte die Ansprüche als verfallen zurück (Bl. 19 f. GA).
9

Mit seiner am 18.02.2019 bei dem Arbeitsgericht Düsseldorf eingegangenen Klage verlangt der Kläger die Abgeltung des Urlaubs aus 2017 in rechnerisch unstreitiger Höhe von 6.807,69 €. Er hat gemeint, der Anspruch sei nicht verfallen. Die Verfallklausel sei aus mehreren Gründen unwirksam. So nehme sie weder Ansprüche aus Haftung wegen Vorsatzes (§ 202 BGB) noch Ansprüche aus Haftung für Schäden aus der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit (§ 309 Nr. 7 lit. a BGB) von ihrer Geltung aus. Die Herausnahme deliktischer Ansprüche genüge insoweit nicht. Ferner umfasse die Klausel unverzichtbare Ansprüche auf Mindestlohn. Schließlich unterlägen Urlaubsansprüche nicht arbeitsvertraglichen Verfallfristen; dies müsse nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs auch für Ansprüche auf Urlaubsabgeltung gelten, insbesondere wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht durch angemessene Aufklärung tatsächlich in die Lage versetzt hatte, den Urlaub zu nehmen.
10

Die Beklagte hat sich demgegenüber auf den Verfall der Ansprüche gemäß § 12 des Arbeitsvertrages berufen und die Auffassung vertreten, die Klausel sei wirksam.
11

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 23.07.2019, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe Bezug genommen wird, die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Anspruch sei gemäß § 12 des Arbeitsvertrags verfallen. Die Verfallklausel sei nicht wegen Verstoßes gegen § 309 Nr. 7 lit. a BGB unwirksam, da dem eine angemessene Berücksichtigung der im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten gemäß § 310 Abs. 4 Satz 2 Hs. 1 BGB entgegenstünde. Auch sei die Klausel nicht gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 u. 2 BGB deshalb intransparent, weil sie – insoweit unwirksam – Ansprüche auf den gesetzlichen Mindestlohn umfasse; dies sei bei einem sog. Altvertrag aus der Zeit vor Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes im Jahre 2014 hinzunehmen. Schließlich stehe einem Verfall von Urlaubsabgeltungsansprüchen nicht entgegen, dass nach der Rechtsprechung des EuGH im laufenden Arbeitsverhältnis Urlaubsansprüche idR nicht verloren gehen, wenn der Arbeitnehmer nicht zuvor durch angemessene Aufklärung tatsächlich in die Lage versetzt wurde, den Urlaub zu nehmen. Anderenfalls ließe sich der Zweck von Verfallklauseln, Rechtsfrieden zu schaffen, nicht verwirklichen.
12

Gegen das am 09.08.2019 zugestellte Urteil wendet sich der Kläger mit seiner am 09.09.2019 beim Landesarbeitsgericht eingelegten und am 11.11.2019 innerhalb der verlängerten Frist begründeten Berufung. Er wiederholt und vertieft eingehend seine Rechtsauffassung zur Unwirksamkeit der Verfallklausel und zu ihrer Nichtanwendbarkeit auf Urlaubsabgeltungsansprüche.
13

Der Kläger beantragt,
14

das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 23.07.2019 – 16 Ca 887/19 „aufzuheben“ und
15

1.die Beklagte zu verurteilen, an ihn 6.807,69 EUR brutto Urlaubsabgeltung für den für das Jahr 2017 nicht genommenen Urlaub zu zahlen,
16

2.hilfsweise: die Beklagte zu verurteilen, an ihn die Urlaubsabgeltung für den für das Jahr 2017 nicht genommenen Urlaub zu zahlen.
17

Die Beklagte verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens und beantragt,
18

die Berufung zurückzuweisen.
19

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE
20

Die zulässige, insbesondere hinreichend gemäß § 64 Abs. 6 ArbGG iVm. § 520 Abs. 2 Nrn. 2 und 3 ZPO begründete Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Im Ergebnis zu Recht hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Der Anspruch des Klägers auf Abgeltung von unbestritten noch offenen 25 Urlaubtagen aus dem Jahr 2017 gemäß § 7 Abs. 4 BurlG iVm. § 6 des Arbeitsvertrags in der rechnerisch unstreitigen Höhe von 6.807,69 € ist durch Verfall gemäß § 12 des Arbeitsvertrags erloschen. Der unbezifferte Hilfsantrag auf Zahlung ist bereits unzulässig.
21

I.Die Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 Satz 1 des Arbeitsvertrages für das Erlöschen des Anspruchs sind grundsätzlich erfüllt.
22

1.Zu den von § 12 erfassten „Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis“ gehören auch Ansprüche auf Abgeltung von Urlaubsansprüchen.
23

a.Finden sich in einer Verfallklausel keine sachlichen Einschränkungen, so fallen unter den Begriff der „Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis” alle gesetzlichen, tariflichen und vertraglichen Ansprüche, die Arbeitsvertragsparteien aufgrund ihrer durch den Arbeitsvertrag begründeten Rechtsstellung gegeneinander haben. Vom Anwendungsbereich der Klausel erfasst ist demnach auch der Anspruch auf Urlaubsabgeltung gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG (BAG 18.09.2018 – 9 AZR 162/18, Rn. 29, juris mwN). Soweit § 12 des Arbeitsvertrags Ansprüche aus unerlaubter Handlung von der Verfallsregelung ausnimmt, sind davon die hier streitigen Abgeltungsansprüche nicht betroffen.
24

b.Der Anspruch eines Arbeitnehmers auf Urlaubsabgeltung kann als reiner Geldanspruch allgemeinen arbeits- oder tarifvertraglichen Ausschlussfristen unterliegen. Dem steht weder der unabdingbare Schutz des gesetzlichen Mindesturlaubs nach §§ 1, 3 Abs. 1, § 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG noch die vom Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) vorgenommene und für die nationalen Gerichte nach Art. 267 AEUV verbindliche Auslegung der Richtlinie 2003/88/EG entgegen (BAG 22.10.2019 – 9 AZR 532/18, Rn. 10 mwN).
25

Entgegen der Auffassung des Klägers gilt dies auch dann, wenn der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber nicht durch angemessene Aufklärung tatsächlich in die Lage versetzt worden war, seinen Urlaubsanspruch gemäß dem BUrlG und der Richtlinie 2003/88/EG wahrzunehmen. Nach der Rechtsprechung des EuGH verliert ein Arbeitnehmer zwar in diesem Fall „am Ende des Bezugszeitraums die ihm gemäß diesen Bestimmungen für den Bezugszeitraum zustehenden Urlaubstage und entsprechend seinen Anspruch auf eine finanzielle Vergütung für den bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht genommenen Urlaub“ nicht (EuGH 06.11.2018 – C-684/16 – [Max-Plank-Gesellschaft], Tenor zu 1), juris). Eine „in diesem Sinne europarechtswidrige nationale Regelung“ ist von den nationalen Gerichten unangewendet zu lassen (EuGH 06.11.2018 aaO, Tenor zu 2), juris).
26

Diese Rechtsprechung betrifft aber allein die Frage des urlaubsrechtlichen Verfalls von Urlaubsansprüchen („am Ende des Bezugszeitraums“) und ist für den hier fraglichen Verfall eines Urlaubsabgeltungsanspruchs aufgrund allgemeiner vertraglicher oder tarifvertraglicher Verfallfristen nicht einschlägig. Die abzugeltenden Urlaubsansprüche des Klägers stammen im Übrigen aus dem Jahr 2017 und unterlagen deshalb bei seinem Ausscheiden am 31.10.2017 nicht dem urlaubsrechtlichen Verfallregime aus § 7 Abs. 3 BUrlG und Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG. Selbst wenn dies aber – wie etwa bei älteren Urlaubsansprüchen – der Fall gewesen wäre und die Urlaubsansprüche mangels angemessener Aufklärung des Arbeitgebers nach der Rechtsprechung des EuGH nicht gemäß § 7 Abs. 3 BUrlG bzw. Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG verfallen wären, unterlägen sie doch als Abgeltungsansprüche im selben Maße wie andere Ansprüche auch den allgemeinen vertraglichen oder tarifvertraglichen Verfallfristen und müssten insoweit rechtzeitig geltend gemacht werden.
27

2.Der Klageanspruch war zwischen den Parteien nicht zuvor streitlos gestellt. Insbesondere findet sich in der Gehaltsabrechnung des Klägers keine Angabe über offene Urlaubsansprüche. Deshalb bedurfte es grundsätzlich seiner Geltendmachung zur Verhinderung des Verfalls (BAG 28.07.2010 – 5 AZR 521/09, juris Rn. 18).
28

3.Der Kläger hat den Klageanspruch auf der ersten Stufe nicht innerhalb der dreimonatigen Frist aus § 12 Abs. 1 des Arbeitsvertrags schriftlich geltend gemacht.
29

Der Anspruch auf Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs gemäß § 7 Abs. 4 BurlG entsteht und wird fällig mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses (BAG 08.04.2014 – 9 AZR 550/12, NZA 2014, 852). Dies gilt hier auch für den vertraglichen Mehranspruch, der in § 6 des Arbeitsvertrags insoweit keine besondere Regelung erfahren hat. Der Abgeltungsanspruch war daher insgesamt mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31.10.2017 fällig. Die dreimonatige Verfallfrist aus § 12 des Arbeitsvertrags lief am 31.01.2018 ab. Die erstmalige Geltendmachung des Anspruchs durch den Kläger mit Schreiben vom 21.01.2019 kam demgemäß zu spät.
30

II. Die Ausschlussfristenregelung in § 12 des Arbeitsvertrags hält einer AGB-Kontrolle anhand der §§ 305 ff. BGB Stand.
31

1.Es handelt sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung (§ 305 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BGB). Hiervon gehen beide Parteien zu Recht aus. Der Vertrag weist außer den persönlichen Daten des Klägers keine individuellen Besonderheiten auf. Dies – wie auch das äußere Erscheinungsbild – begründet eine tatsächliche Vermutung dafür, dass es sich bei dem Arbeitsvertrag um Allgemeine Geschäftsbedingungen iSv. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB handelt (BAG 18.09.2018 – 9 AZR 162/18, Rn. 30, juris mwN). Jedenfalls ist der Arbeitsvertrag ein Verbrauchervertrag iSv. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB (vgl. BAG aaO). Dass der Kläger auf den Inhalt des Arbeitsvertrags Einfluss nehmen konnte, hat die Beklagte nicht behauptet.
32

2.Die Verfallklausel ist Vertragsbestandteil geworden, da sie nicht überraschend oder ungewöhnlich ist iSd. § 305c BGB. Die Regelung ist durch die im Fettdruck hervorgehobene Überschrift „Verfall-/Ausschlussfristen“ für den Vertragspartner deutlich erkennbar. Die Vereinbarung zweistufiger Ausschlussfristen wie in § 12 Abs. 1 des Arbeitsvertrags entspricht verbreiteter Übung im Arbeitsleben (BAG 27.01.2016 – 5 AZR 277/14, Rn. 19, juris).
33

3.Die Verfallklausel ist nicht gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB einer Rechtskontrolle entzogen. Sie enthält eine von Rechtsvorschriften abweichende Regelung iSv. § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB. Ansprüche unterliegen nach dem Gesetz abgesehen von Verwirkung (§ 242 BGB) und Verjährung keinen der Verfallklausel vergleichbaren Beschränkungen. Die Regelung entspricht auch nicht einer tariflichen Bestimmung oder anderen Norm iSd. § 310 Abs. 4 Satz 3 BGB, die auf das Arbeitsverhältnis der Parteien unmittelbar Anwendung finden kann (vgl. BAG 28.11.2007 – 5 AZR 992/06, Rn. 24, juris).
34

4.Die Verfallklausel ist nicht wegen Verstoßes gegen die Klauselverbote des § 309 Nr. 7 lit. a und b BGB unwirksam.
35

a.Die Haftung für Schäden aus der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit, die auf einer fahrlässigen Pflichtverletzung des Verwenders oder einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Pflichtverletzung eines gesetzlichen Vertreters oder Erfüllungsgehilfen des Verwenders beruhen (§ 309 Nr. 7 lit. a BGB), wird durch § 12 des Arbeitsvertrags weder ausgeschlossen noch begrenzt. Denn die Klausel nimmt in Abs. 2 Satz 2 Ansprüche aus unerlaubter Handlung von ihrem Geltungsbereich aus. Eine Haftung für Schäden aus der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit beruht stets auch auf einer unerlaubten Handlung iSd. §§ 823, 826 BGB.
36

Neben der Haftung aus unerlaubter Handlung schließt § 12 Abs. 2 Satz 2 des Vertrages zugleich die im Arbeitsverhältnis notwendigerweise konkurrierenden vertraglichen Ansprüche von seinem Geltungsbereich aus. Ein anderes Verständnis der Klausel scheidet aus. Denn § 12 regelt „Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis“, wie Abs. 1 ausdrücklich klarstellt. Dazu gehören alle Ansprüche, welche die Arbeitsvertragsparteien aufgrund ihrer durch den Arbeitsvertrag begründeten Rechtsbeziehung gegeneinander haben. Maßgeblich ist dabei der Entstehungsbereich des Anspruchs, nicht aber die materiell-rechtliche, deliktische oder vertragliche Anspruchsgrundlage. Entscheidend ist die enge Verknüpfung eines Lebensvorgangs mit dem Arbeitsverhältnis. Insbesondere zählen zu den Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis wegen eines einheitlichen Lebensvorgangs nicht nur vertragliche Erfüllungs- und Schadensersatzansprüche, sondern auch solche aus unerlaubter Handlung (BAG 21.01.2010 – 6 AZR 556/07, Rn. 19 mwN; BAG 16.05.2007 – 8 AZR 709/06, Rn. 41, und 30.10.2008 – 8 AZR 886/07, Rn. 20 f., beide juris, beide zu einer vertraglich in Bezug genommenen tariflichen Verfallfrist; eingehend auch BAG 21.06.2012 – 8 AZR 188/11, Rn. 49, juris).
37

Dies bestätigt § 12 Abs. 2 Satz 2 indirekt, indem er gerade Ansprüche aus unerlaubter Handlung ausklammert. Die Ausklammerung ihrerseits umfasst aber in gleicher Weise sämtliche Ansprüche, die auf dem einheitlichen Lebensvorgang der unerlaubten Handlung beruhen, auch soweit sie als Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis zugleich – in Anspruchskonkurrenz – materiell-rechtlich auf Vertrag gestützt werden können. Bei unerlaubten Handlungen geht es um die widerrechtliche Verletzung solcher zwischenmenschlicher Rechtsbeziehungen, „die von jedermann zu beachten sind, weil sie die Grundlage des Gemeinschaftslebens bilden“ (BGH 20.03.1961 – III ZR 9/60, Rn. 12, juris). Ansprüche aus derartig qualifizierten Rechtsverletzungen will § 12 Abs. 2 Satz 2 des Arbeitsvertrages ausklammern ungeachtet ihrer materiell-rechtlichen Anspruchsgrundlage. Demgemäß ist in diesem Umfang auch die vertragliche Haftung für Erfüllungsgehilfen (§ 278 Satz 1 BGB) von der Verfallregelung ausgenommen. Wegen des grundsätzlichen Gleichlaufs von vertraglicher und deliktischer Haftung für im Arbeitsverhältnis erfolgte Schädigungen der genannten Rechtsgüter ist die Klausel in diesem Sinne auch hinreichend transparent (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB).
38

Auf die Frage, ob die Klausel unter angemessener Berücksichtigung der tatsächlichen und rechtlichen Besonderheiten, insbesondere der Haftung im Arbeitsverhältnis, gemäß § 310 Abs. 4 Satz 2, Halbs. 2 BGB auch ohne die Ausklammerung von Ansprüchen aus unerlaubter Handlung nicht gegen § 309 Nr. 7 lit. b BGB verstößt, kommt es damit nicht mehr an. Dies hat das Bundesarbeitsgericht allerdings für den Fall angenommen, dass eine Verfallklausel die Haftung wegen Vorsatzes ausklammerte (BAG 22.10.2019 – 9 AZR 532/18, Rn. 17, juris).
39

b.§ 12 Abs. 1 des Arbeitsvertrags ist auch im Hinblick auf § 309 Nr. 7 lit. b BGB wirksam. Danach sind in Allgemeinen Geschäftsbedingungen ebenfalls unwirksam der Ausschluss oder eine Begrenzung der Haftung für sonstige Schäden, die auf einer grob fahrlässigen Pflichtverletzung des Verwenders oder auf einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Pflichtverletzung eines gesetzlichen Vertreters oder Erfüllungsgehilfen des Verwenders beruhen.
40

Zunächst nimmt § 12 mit der Ausklammerung von Ansprüchen aus unerlaubter Handlung in Abs. 2 Satz 2 die Haftung für alle Schäden aus der Verletzung von besonders geschützten Rechtsgütern iSd. § 823 Abs. 1 BGB und von Schutzgesetzen iSv. § 823 Abs. 2 BGB sowie aus vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung (§ 826 BGB) aus seinem Geltungsbereich aus. Dies erstreckt sich wiederum zugleich auf die entsprechenden konkurrierenden vertraglichen Ansprüche (vgl. oben unter II.4.a). Damit ist bereits ein ganz wesentlicher Teil des Klauselverbots aus § 309 Nr. 7 lit. b BGB von der Verfallfrist nicht betroffen.
41

Es verbleibt die Haftung für sonstige Schäden, die nicht auf der Verletzung von besonders geschützten Rechtsgütern iSd. § 823 Abs. 1 BGB, von Schutzgesetzen iSd. § 823 Abs. 2 BGB und nicht auf vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung iSd. § 826 BGB beruhen. Dieser sehr begrenzte Kreis von Haftungsansprüchen wird entgegen § 309 Nr. 7 lit. b BGB von der Verfallklausel erfasst. Dies führt aber unter Berücksichtigung der im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten (§ 310 Abs. 4 Satz 2 Hs. 1 BGB) nicht zur Unwirksamkeit der Klausel. Das Bundesarbeitsgericht hat dies zu Verfallklauseln entschieden, die jeweils die Haftung wegen Vorsatzes von ihrem Geltungsbereich ausgenommen hatten (vgl. BAG 22.10.2019 – 9 AZR 532/18, Rn. 21 ff. mwN; BAG 28.09.2017 – 8 AZR 67/15, Rn. 64 ff., juris). Es gilt nach Auffassung des erkennenden Gerichts erst Recht in dem hier gegebenen Fall, in dem zwar nicht generell die Haftung wegen Vorsatzes, aber die aus unerlaubter Handlung von der Verfallregelung ausgenommen wurde. Die verbleibenden außerdeliktischen Ansprüche sind, jedenfalls soweit sie das Haftungsrisiko des Verwenders betreffen, im Arbeitsverhältnis typischerweise nicht von besonderer praktischer Bedeutung (BAG 22.10.2019 – 9 AZR 532/18, Rn. 31 ff. mwN). Dies gilt auch unter Einbeziehung einer etwaigen Vorsatzhaftung. Hinzu tritt, dass die Verfallfrist durch die Anknüpfung an die Fälligkeit des Anspruchs abgemildert wird und diese nach der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung erst dann eintritt, wenn der Schaden für den Gläubiger feststellbar ist und geltend gemacht werden kann (BAG 22.10.2019 – 9 AZR 532/18, Rn. 30 mwN; BAG 28.09.2017 – 8 AZR 67/15, Rn. 64 ff., juris). Schließlich spricht das im Arbeitsleben besonders bestehende Bedürfnis an rascher Klärung von Ansprüchen und Bereinigung offener Streitpunkte dafür, dass der verbleibenden geringfügigen Abweichung vom Klauselverbot des § 309 Nr. 7 lit. b BGB nicht eine Bedeutung zukommt, die der Klausel ihre Wirksamkeit nimmt (BAG aaO).
42

5.§ 12 Abs. 1 des Arbeitsvertrags ist auch nicht deshalb unwirksam, weil die Klausel verlangt, Ansprüche „schriftlich“ und nicht lediglich in Textform geltend zu machen. § 309 Nr. 13 lit. b BGB gilt erst seit dem 1. Oktober 2016 und findet gemäß Art. 229 § 37 EGBGB ausdrücklich nur auf ein Schuldverhältnis Anwendung, das nach dem 30.09.2016 entstanden ist (vgl. BAG 22.10.2019 – 9 AZR 532/18, Rn. 34 mwN).
43

6.Ferner ist die dreimonatige Frist zur Geltendmachung nicht unangemessen kurz, § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Eine arbeitsvertragliche Ausschlussfristenregelung, die eine Geltendmachung innerhalb einer solchen Frist ab Fälligkeit verlangt, und unter den in § 12 des Arbeitsvertrags genannten Voraussetzungen fordert, den Anspruch innerhalb einer Frist von weiteren drei Monaten gerichtlich geltend zu machen, benachteiligt den Arbeitnehmer nicht unangemessen entgegen den Geboten von Treu und Glauben (vgl. grundl. BAG 28.09.2005 – 5 AZR 52/05, zu II 5 der Gründe; 25.05.2005 – 5 AZR 572/04, zu IV der Gründe, beide juris; seither st. Rspr.).
44

7.§ 12 des Arbeitsvertrags ist schließlich auch nicht wegen eines Verstoßes gegen das Transparenzgebot nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB iVm. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.
45

Das Transparenzgebot verpflichtet den Verwender von Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die Rechte und Pflichten seines Vertragspartners klar und verständlich darzustellen. Wegen der weitreichenden Folgen von Ausschlussfristen muss aus der Verfallklausel, wenn diese dem Transparenzgebot genügen soll, ersichtlich sein, welche Rechtsfolgen der Vertragspartner des Verwenders zu gewärtigen hat und was er zu tun hat, um deren Eintritt zu verhindern. Eine Klausel, die die Rechtslage unzutreffend oder missverständlich darstellt und auf diese Weise dem Verwender ermöglicht, begründete Ansprüche unter Hinweis auf die in der Klausel getroffene Regelung abzuwehren, und die geeignet ist, dessen Vertragspartner von der Durchsetzung bestehender Rechte abzuhalten, benachteiligt den Vertragspartner entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen (st. Rspr., vgl. BAG 24.09.2019 – 9 AZR 273/18, Rn. 42 mwN, juris). Für die Prüfung der Transparenz einer als Allgemeine Geschäftsbedingung iSv. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB vereinbarten Ausschlussfrist ist allein auf die Gesetzeslage bei Vertragsschluss abzustellen (BAG 22.10.2019 – 9 AZR 532/18, Rn. 37 mwN). Ist eine Klausel bei Vertragsschluss transparent, verliert sie ihre Wirksamkeit nicht, wenn spätere Gesetzesänderungen zu ihrer Intransparenz führen (BAG aaO mwN).
46

In Anwendung dessen ist die Verfallklausel nicht intransparent.
47

a.Die Regelung der ersten Stufe der Ausschlussfrist in § 12 des Arbeitsvertrags ist nach ihrem Wortlaut für sich betrachtet hinreichend klar. Sie erfasst Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, weist ausdrücklich auf den drohenden Verlust solcher Ansprüche bei Nichteinhaltung der Fristen hin und verdeutlicht dem Vertragspartner des Verwenders, was er zu tun hat, um den Eintritt dieser Rechtsfolge zu verhindern. Ob das auch für die zweite Stufe der Verfallfrist gilt, kann offenbleiben. Insoweit könnte unklar sein, ob bei Schweigen des Arbeitgebers auf die erste Geltendmachung (erste Stufe) überhaupt Klage geboten ist (zweite Stufe); ebenfalls erscheint nicht klar, ab welchem Zeitpunkt die Klagefrist läuft. Dies führt aber nicht zur Unwirksamkeit der ersten Stufe der Verfallfrist, da die Klausel teilbar ist und die erste Stufe der Geltendmachung auch bei schlichter Streichung der Regelung zur zweiten Stufe („und im Falle der Ablehnung … einklagen“) für sich allein sinnvoll bestehen kann (sog. „blue-pencil-Test“, vgl. BAG 12.03.2008 – 10 AZR 152/07, Rn. 25 mwN, juris).
48

b.Es führt auch nicht zur Intransparenz, sondern lediglich zur Teilunwirksamkeit der am 14.11.2013 vereinbarten Ausschlussfristenregelung, dass diese entgegen § 3 Satz 1 MiLoG auch den Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn (§ 1 Abs. 1 und Abs. 2 MiLoG) erfasst, der nach dem am 16. August 2014 in Kraft getretenen Gesetz zur Regelung eines allgemeinen Mindestlohns (MiLoG) ab dem 01.01. 2015 zu zahlen ist. Wurde der Arbeitsvertrag wie hier vor Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes geschlossen, führt die nachfolgende Änderung der Gesetzeslage nicht nachträglich gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 iVm. Satz 1 BGB zur Gesamtunwirksamkeit der Ausschlussfristenregelung wegen Intransparenz. Die fehlende Ausnahme des gesetzlichen Mindestlohns in einem „Altvertrag“ hat in diesem Fall für den Zeitraum ab dem 01.01.2015 lediglich die Teilunwirksamkeit der Ausschlussfristenregelung nach § 3 Satz 1 MiLoG zur Folge, ihre nachträgliche Intransparenz ist hinzunehmen (so zutreffend BAG 24.09.2019 – 9 AZR 273/18, Rn. 42 ff. mwN, juris).
49

c.Es führt weiter nicht zur Intransparenz von § 12 des Arbeitsvertrags, dass die Verfallfrist weder das Mindestentgelt aus § 2 Abs. 2 PflegeArbbV bzw. § 2 Abs. 2 2. PflegeArbbV noch zwingende Ansprüche aus Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarungen (§ 4 Abs. 4 Satz 3 TVG und § 77 Abs. 4 Satz 4 BetrVG) aus ihrem Anwendungsbereich ausnimmt. Dem steht bereits entgegen, dass bei Vertragsschluss keine dieser Normen mit unmittelbarer und zwingender Wirkung auf das Arbeitsverhältnis der Parteien einwirkte (so zutreffend BAG 22.10.2019 – 9 AZR 532/18, Rn. 41 f. mwN, juris).
50

d.§ 12 des Arbeitsvertrags ist ferner nicht deshalb intransparent, weil er die Klauselverbote des § 309 Nr. 7 BGB teilweise nicht beachtet hätte. Denn wie ausgeführt blieb die Klausel unter Berücksichtigung der im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten insoweit insgesamt wirksam (vgl. oben unter II. 4) und gibt die Rechtslage damit zutreffend wieder.
51

e.Die Verfallklausel ist schließlich auch nicht deshalb intransparent und insgesamt unwirksam, weil sie teilweise gegen die zwingend geltende Regelung in § 202 Abs. 1 BGB verstoßen und damit die Rechtslage insoweit unzutreffend darstellen würde.
52

aa.Nach § 202 Abs. 1 BGB in der seit Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes am 01.01.2002 geltenden Fassung kann die Verjährung bei Haftung wegen Vorsatzes nicht mehr im Voraus durch Rechtsgeschäft erleichtert werden. Es handelt sich um eine Verbotsnorm iSv. § 134 BGB. Das Verbot des § 202 Abs. 1 BGB gilt für alle Schadensersatzansprüche aus Delikt und Vertrag. Das Gesetz bezweckt mit § 202 Abs. 1 BGB in Ergänzung von § 276 Abs. 3 BGB einen umfassenden Schutz gegen im Voraus vereinbarte Einschränkungen von Haftungsansprüchen aus vorsätzlichen Schädigungen. § 202 Abs. 1 BGB erfasst nicht nur Vereinbarungen über die Verjährung, sondern auch über Ausschlussfristen. Infolge des gesetzlichen Verbots kann eine Haftung aus vorsätzlich begangener Vertragspflichtverletzung oder unerlaubter Handlung nicht mehr durch vertragliche Ausschlussfristen ausgeschlossen werden (vgl. zu allem BAG 24.09.2019 – 9 AZR 273/18, Rn. 25 mwN). Dies gilt für alle eigenen Regelungen der Parteien des in Rede stehenden materiellrechtlichen Anspruchs und damit ebenso bei vertraglicher Inbezugnahme eines Tarifvertrages, der eine Ausschlussfrist enthält (BAG 26.09.2013 – 8 AZR 1013/12, Rn. 26 – 40, juris). Auch Besonderheiten des Arbeitsrechts iSv. § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB gestatten keine Abweichungen (vgl. zuletzt etwa BAG 24.09.2019 – 9 AZR 273/18, Rn. 26 mwN). Dagegen findet § 202 Abs. 1 BGB nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts keine Anwendung auf – hier nicht gegebene – tarifvertragliche Ausschlussfristen, die unmittelbar kraft beiderseitiger Tarifbindung oder Allgemeinverbindlicherklärung auf ein Arbeitsverhältnis Anwendung finden; denn die Verbotsnorm wende sich ausschließlich unmittelbar an die Parteien des materiellrechtlichen Anspruchs, um dessen Verjährung es geht (BAG 18.08.2011 – 8 AZR 187/10, juris Rn. 33 ff).
53

bb.Die Verfallklausel in § 12 des Arbeitsvertrages nimmt Ansprüche aus Haftung wegen Vorsatzes iSv. § 202 Abs. 1 BGB insgesamt von ihrem Geltungsbereich aus. Dies ergibt die Auslegung der Regelung.
54

Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei der Vertragswille dieser verständigen und redlichen Vertragspartner beachtet werden muss (BAG 16.12.2009 – 5AZR 888/08, Rn 22, juris; BGH 17.02.2011 – III ZR 35/10, NJW 2011 2122 Rn. 10).
55

(1)Die Verfallklausel nimmt Ansprüche aus Haftung für Vorsatz iSd. § 202 Abs. 1 BGB allerdings nicht schon deshalb von ihrem Geltungsbereich aus, weil die Vertragspartner grundsätzlich „keine Fälle anders als das Gesetz und unter Verstoß gegen die gesetzliche Verbotsnorm iSd. § 134 BGB hätten regeln wollen“.
56

(a)Derartiges hat das Bundesarbeitsgericht allerdings in einer vereinzelten Entscheidung angenommen (BAG 20.06.2013 – 8 AZR 280/12, Rn. 21 f mwN unter Hinweis auf BAG 18.08.2011 – 8 AZR 187/10, Rn. 31, wo jedoch eine kraft Allgemeinverbindlichkeit geltende und somit nicht iSv. § 202 Abs. 1 BGB durch Rechtsgeschäft der Parteien des streitigen Anspruchs vereinbarte Klausel betroffen war). Bereits zuvor hatte das Bundesarbeitsgericht eine solche Auslegung einzelvertraglicher Verfallklauseln – nicht tragend – erwogen (BAG 25.05.2005 – 5 AZR 572/04, Rn. 14 f; BAG 28.09.2005 – 5 AZR 52/05, Rn. 20 f, beide juris).
57

(b)Dieser Rechtsprechung hat eine Reihe von Instanzgerichten widersprochen (u.a. LAG Niedersachsen 21.02.2018 – 2 Sa 83/17, Rn. 41 ff; LAG Hamm 09.09.2014 – 14 Sa 389/13, R. 40 ff; LAG Mecklenburg-Vorpommern 05.09.2017 – 2 Sa 26/17, alle juris). Ebenfalls ist ihr die Literatur weitgehend entgegengetreten (Preis/Roloff, RdA 2005, 144 (147); Reinecke BB 2005, 378 (379); Matthiesen, NZA 2007, 361 (366); Däubler in Däubler/Bonin/Deinert, 4. Aufl. 2014, Anh. § 10 BGB Rn. 95; Fuchs/Bieder in Ulmer/Brandner/Hensen, 12. Aufl. 2016, Anh. § 10 BGB Rn. 92; Naber/Schulte BB 2018, 2100 (2102); Seiwerth, ZFA 2020, 100 (119); HWK/Roloff, 10. Aufl. 2020, ABC der Klauseltypen, Rn. 14). Soweit ersichtlich hat das Bundesarbeitsgericht die Frage, ob einer solchen Auslegung zu folgen ist, in späteren Entscheidungen stets offengelassen.
58

(c)Auch die erkennende Kammer vermag dieser Rechtsprechung nicht zu folgen.
59

Die Annahme, dass die Vertragspartner keine Fälle anders als das Gesetz und unter Verstoß gegen die gesetzliche Verbotsnorm iSd. § 134 BGB regeln wollen, erscheint als bloße Fiktion. Eine tatsächliche Grundlage dafür ist nicht ersichtlich. Ebenso scheidet die Annahme aus, dass der Klauselsteller in erster Linie Vergütungsansprüche vor Augen gehabt und Schadensersatzansprüche aus vorsätzlichem Handeln nicht bedacht habe. Zum einen ließe sich die Verfallklausel bei einem solchen Willen ohne weiteres etwa auf Vergütungsansprüche begrenzen. Nach hM umfassen Verfallklauseln ohne eine solche Einschränkung nicht nur Vergütungsansprüche, sondern auch Schadensersatzansprüche, auch soweit sie auf Delikt beruhen (BAG 17.10.2018 – 5 AZR 538/17, Rn. 34; 13.3.2013 – 5 AZR 954/11, Rn. 39; 11.4.2019 – 6 AZR 104/18 Rn. 16; HWK/Roloff, aaO, ABC der Klauseltypen, Rn. 14). Zum anderen liegen Schadensersatzansprüche, auch solche aus vorsätzlichem Handeln, keineswegs insgesamt außerhalb der Vorstellungen der Vertragsparteien eines Arbeitsverhältnisses, dessen generelle Arbeitsbedingungen formuliert werden sollen. Das Risiko einer fehlerhaften Gestaltung der Klausel kann dem Verwender in solchen Fällen nicht abgenommen werden. Die Haftung wegen Vorsatzes kann problemlos vom Geltungsbereich einer Verfallklausel ausgenommen werden; dies geschieht in der Praxis regelmäßig (vgl. etwa die Fälle aus der Rechtsprechung BAG 28.09.2017 – 8 AZR 67/15 und BAG 22.10.2019 – 9 AZR 532/18, beide juris).
60

In einer Entscheidung vom 24.09.2019 (9 AZR 273/18, juris Rn 25 ff) ist das Bundesarbeitsgericht bei einem vor Inkrafttreten des § 202 BGB geschlossenen Vertrag (Altvertrag) von der grundsätzlichen Gesamtunwirksamkeit der Verfallklausel wegen (nachträglichen) Verstoßes gegen § 202 Abs. 1 BGB ausgegangen (Rn. 26 aaO). Es hat die Klausel allein mit Blick auf ihre Vereinbarung vor Inkrafttreten des § 202 BGB (Altvertrag) ergänzend dahin ausgelegt, dass sich ihr Anwendungsbereich nicht auf Vorsatzhaftung iSv. § 202 Abs. 1 BGB erstreckt (Rn 31 ff aaO). Dieser Weg ist bei dem Arbeitsvertrag der Parteien vom 14.11.2013 mehr als zehn Jahre nach Inkrafttreten des § 202 BGB nF versperrt. Eine solche Auslegung würde hier zu einer dem Zweck der §§ 305 ff BGB zuwiderlaufenden geltungserhaltenden Reduktion teilunwirksamer Klauseln führen und den Verwender geradezu einladen, derartige teilrechtswidrige Klauseln weiterhin zu stellen. Die auf diese Weise teilunwirksame Klausel wäre nach alledem intransparent und benachteiligte aus diesem Grund den Vertragspartner des Verwenders unangemessen (§ 307 Abs. 1 BGB), da sie ihn davon abhalten könnte, Ansprüche aus Haftung wegen Vorsatzes nach Ablauf der Verfallfrist nicht mehr geltend zu machen. Es kann davon ausgegangen werden, dass den wenigsten Arbeitnehmern die Vorschrift des § 202 Abs. 1 BGB bekannt ist.
61

Besonderheiten des Arbeitsrechts iSv. § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB rechtfertigen keine abweichende Beurteilung. Das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB gilt grundsätzlich auch im Arbeitsrecht. Für seine pauschale Außerachtlassung sprechen keine Gründe. Dahingestellt bleiben kann, was gilt, wenn der Arbeitgeber zwar tarifgebunden ist, eine Verfallklausel im einzelnen Arbeitsverhältnis aber nur kraft einzelvertraglicher Inbezugnahme der Tarifvertrags Anwendung findet. Das Verbot der mittelbaren Kontrolle von Kollektivverträgen (§ 310 Abs. 4 Satz 3 BGB) hilft hier nicht, weil sich die Teilunwirksamkeit der vertraglichen Vereinbarung aus einem gesetzlichen Verbot außerhalb der AGB-Kontrolle ergibt (§ 202 Abs. 1 BGB). Da tarifliche Verfallklauseln bei unmittelbarer Geltung nicht gegen § 202 BGB verstoßen (so BAG 18.08.2011 – 8 AZR 187/10, juris Rn. 33 ff), bei lediglich vertraglicher Einbeziehung aber schon (so BAG 26.09.2013 – 8 AZR 1013/12, Rn. 26 – 40, juris), wäre für den Arbeitgeber, der regelmäßig nicht weiß, ob auch der Arbeitnehmer tarifgebunden ist, nicht zu erkennen, welche Rechtslage besteht. Hier erscheint eine bloße Teilunwirksamkeit mit der damit einhergehenden Intransparenz der einzelvertraglich in Bezug genommenen Klausel hinnehmbar oder sogar geboten. Denn bei tarifgebundenen Arbeitnehmern verstößt eine Verkürzung der Verjährung wegen Vorsatzhaftung nicht gegen § 202 Abs. 1 BGB, sie ist dort also wirksam. Dies könnte als arbeitsrechtliche Besonderheit für die Hinnahme einer gewissen Intransparenz (§ 307 Abs. 1 BGB) einer einzelvertraglich in Bezug genommenen tarifvertraglichen Verfallklausel sprechen, die insoweit allerdings teilunwirksam bleibt, da § 202 Abs. 1 BGB nicht unter dem Vorbehalt arbeitsrechtlicher Besonderheiten iSv. § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB steht. Die Frage kann aber offen bleiben, weil die Beklagte nicht tarifgebunden ist.
62

(2)Die Verfallklausel nimmt Ansprüche aus Haftung für Vorsatz iSd. § 202 Abs. 1 BGB aber deshalb von ihrem Geltungsbereich aus, weil sie in § 12 Abs. 2 Satz 2 des Arbeitsvertrages Ansprüche aus unerlaubter Handlung ausnimmt. Eine Auslegung aus Sicht von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise ergibt, dass damit auch Ansprüche aus Haftung wegen Vorsatzes ausgenommen sind.
63

Mit dem Ausschluss von Ansprüchen aus unerlaubter Handlung in § 12 Abs. 2 Satz 2 des Arbeitsvertrages haben die Vertragsparteien u.a. die Ansprüche aus Haftung wegen Vorsatzes iSv. § 202 Abs. 1 BGB in ganz wesentlichem Umfang vom Geltungsbereich der Verfallklausel ausgenommen. Dem Wortlaut nach erstreckt sich die Herausnahme auf den gesetzlich fest umrissenen Bereich der unerlaubten Handlungen. Ein verbleibender Bereich von Vorsatzhaftung ohne Rechtsgutverletzung iSv. § 823 Abs. 1 BGB, ohne Schutzgesetzverletzung iSv. § 823 Abs. 2 BGB und ohne sittenwidrige Schädigung iSv. § 826 BGB existiert, ist aber sehr begrenzt. Solche Fälle kommen selten vor und sind auch von einem juristisch Vorgebildeten nicht leicht zu benennen. Den Parteien wird eine Differenzierung zwischen deliktischer Vorsatzhaftung und sonstiger, nicht deliktischer Vorsatzhaftung daher kaum vor Augen gestanden haben.
64

Die ausdrückliche Herausnahme von Ansprüchen aus unerlaubter Handlung aus der Verfallregelung mag daher im Umkehrschluss dafür sprechen, dass sonstige Ansprüche von der Klausel grundsätzlich erfasst sein sollen. Dies wird aber nicht für die eher seltenen Fälle nichtdeliktischer Vorsatzhaftung gelten. Denn zum einen wird diese Unterscheidung von den Parteien kaum bedacht worden sein. Zum anderen steht die nichtdeliktischer Vorsatzhaftung den von den Parteien ausgenommenen Ansprüchen aus unerlaubter Handlung in ihrem Unrechtsgehalt sehr nahe.
65

Der Gesetzgeber hat unerlaubte Handlungen wegen ihres besonderen Unrechtsgehalts mit der jedermann treffenden deliktischen Haftung belegt. Bei unerlaubten Handlungen geht es um die widerrechtliche Verletzung solcher zwischenmenschlicher Rechtsbeziehungen, „die von jedermann zu beachten sind, weil sie die Grundlage des Gemeinschaftslebens bilden“ (BGH 20.03.1961 – III ZR 9/60, Rn. 12, juris). Zwar können vorsätzliche Schädigungen eines anderen wie erwähnt ausnahmsweise nicht zu den unerlaubten Handlungen zählen, wenn sie weder ein Rechtsgut oder ein Schutzgesetz verletzen noch sittenwidrig sind. Solche Schädigungen können daher ggfs. nur eine vertragliche, keine deliktische Haftung begründen. Doch hat der besondere Unrechtsgehalt, der auch solchen rein vertragswidrigen vorsätzlichen Schädigungen innewohnt, den Gesetzgeber immerhin zu dem Verbot veranlasst, im Voraus die Haftung dafür zu beschränken (§ 276 Abs. 3 BGB) oder die Verjährung zu erleichtern (§ 202 Abs. 2 BGB). Berücksichtigt man, dass die Parteien nicht nur Ansprüche aus vorsätzlichen, sondern weitergehend auch etwa aus leicht fahrlässig begangenen unerlaubten Handlungen von der Verfallklausel ausgenommen haben, drängt sich der Schluss auf, dass sie eine rein vertragliche, nichtdeliktische Haftung wegen vorsätzlicher Schädigung des Vertragspartners erst recht ausgenommen hätten, hätten sie diese seltenen Fälle bedacht.
66

Mit diesem durch Auslegung ermittelten Inhalt ist die Klausel insgesamt wirksam.
67

cc.Selbst wenn dieser Auslegung nicht gefolgt würde und damit Ansprüche aus rein vertraglicher, nichtdeliktischer Haftung wegen vorsätzlicher Schädigung des Vertragspartners von der Verfallregelung erfasst würden, führte dies hier ausnahmsweise nicht zur Gesamtunwirksamkeit der Verfallklausel. Sie wäre in diesem Fall wegen des Verstoßes gegen § 202 Abs. 1 BGB zunächst nur teilunwirksam. Die damit verbundene Intransparenz berührte nur marginale, von den Vertragsparteien kaum bedachte Fallgestaltungen. Aus diesem Grund benachteiligte sie den Vertragspartner des Verwenders – jedenfalls unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Arbeitsrechts gemäß § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB – nicht unangemessen (§ 307 Abs. 1 Satz 2 iVm. Satz 1 BGB).
68

Aus Sicht der Kammer läge keine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners des Verwenders darin, an der Wirksamkeit der Klausel festzuhalten. Die Verfallklausel wäre nur hinsichtlich seltener und von den Parteien kaum bedachter Fallgestaltungen teilunwirksam (rein vertragliche, nichtdeliktische Haftung wegen vorsätzlicher Schädigung des Vertragspartners, vgl. zuvor unter lit. a). Nur insoweit könnte der Vertragspartner des Verwenders durch die Verfallklausel in die Irre geführt und von einer Verfolgung vermeintlich verfallener Ansprüche abgehalten werden. Wegen solchermaßen außergewöhnlicher und von den Parteien nicht bedachter Fälle erschiene die Rechtsfolge der Gesamtunwirksamkeit der Klausel angesichts des Umstands unverhältnismäßig, dass die Aufrechterhaltung der Verfallklausel im Hinblick auf die im Arbeitsleben besonders gebotene rasche Klärung von Ansprüchen und Bereinigung offener Streitpunkte grundsätzlich angemessen iSv. § 310 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 1 BGB ist (BAG 22.10.2019 – 9 AZR 532/18, juris Rn. 30 mwN). Die Beeinträchtigung des Arbeitnehmers erscheint auch dadurch relativiert, dass er im Falle einer unmittelbar geltenden uneingeschränkten tarifvertraglichen Verfallklausel ohnehin mit dem Verfall von Ansprüchen wegen vorsätzlicher Haftung leben müsste, weil nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts eine solche Tarifregelung nicht gegen § 202 Abs. 1 BGB verstößt (BAG 18.08.2011 – 8 AZR 187/10, juris Rn. 33 ff).
69

dd.Auf die Frage, ob der Beklagten bei Annahme einer Gesamtunwirksamkeit der Verfallklausel Vertrauensschutz zu gewähren wäre, weil das Bundesarbeitsgericht etwa ein halbes Jahr vor Vertragsschluss entschieden hat, dass Vertragspartner grundsätzlich „keine Fälle anders als das Gesetz und unter Verstoß gegen die gesetzliche Verbotsnorm iSd. § 134 BGB hätten regeln wollen“ (BAG 20.06.2013 – 8 AZR 280/12, Rn. 21 f), kommt es danach nicht mehr an (vgl. zum Vertrauensschutz etwa BAG 18. Januar 2001 – 2 AZR 616/99 – AP LPVG Niedersachsen § 28 Nr. 1 sowie BAG 19.02.2019 – 9 AZR 423/16, Rn. 34, juris).
70

III. Einem vollständigen Verfall des Urlaubsabgeltungsanspruchs gemäß § 12 des Arbeitsvertrags steht schließlich auch § 3 Satz 1 MiLoG nicht entgegen. In der Abgeltung sind Ansprüche auf den Mindestlohn nicht enthalten. Die Bestimmungen des Mindestlohngesetzes finden auf den Abgeltungsanspruch aus § 7 Abs. 4 BUrlG keine Anwendung (BAG 22.10.2019 – 9 AZR 532/18, Rn. 56 mwN, juris).
71

IV.Der ebenfalls auf Zahlung gerichtete unbezifferte Hilfsantrag ist bereits unzulässig, da er nicht hinreichend bestimmt ist iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO.
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V.Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Revision war gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG im Hinblick auf die unter II 7 e der Gründe behandelten Fragen zuzulassen.
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