Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen kommt zu einem zweifelhaften Ergebnis der Auslegung „Rauch“ bei einer E-Zigarette.
Das OVG hat das Rauchen in Gaststätten erlaubt. Rechtsgrundlage ist das nordrhein-westfälische Nichtraucherschutzgesetz (NiSchG NRW). Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 NiSchG NRW ist „das Rauchen“ insbesondere in Gaststätten verboten.
Das Gericht stützt seine Entscheidung im Wesentlichen auf die Auslegung des Begriffs „Rauch“. Unter Rauchen sei nach allgemeinem und fachlichem Sprachgebrauch das Einatmen von Rauch zu verstehen, der bei der Verbrennung von Tabakwaren entstehe. Beim Gebrauch einer E-Zigarette finde jedoch kein Verbrennungsprozess, sondern ein Verdampfungsvorgang statt. Zudem handele es sich bei der verdampften Flüssigkeit (Liquid) nicht um ein Tabakprodukt im Rechtssinne, weil sie nicht zum Rauchen bestimmt sei. Das gelte auch für das in vielen Liquids enthaltene Nikotin.
So eine Auslegung ist mehr als zweifelhaft. Eine Auslegung des Wortsinns durch das Gericht kommt nur in Betracht, wenn der Wortlaut unklar ist. Das NiSchG unterscheidet nicht zwischen „Verbrennungsprozess“ und „Verdampfungsprozess“. Es ist aber im Gesetz schlicht und ergreifend nur von „Rauch“ die Rede. Und auch eine E-Zigarette produziert Rauch. Insofern verbietet sich in Anbetracht des klaren Wortlauts die vom Gericht vorgenomme Auslegung über die „allgemeine und fachliche“ Bedeutung des Wortsinns.
Ebensowenig kommt es auf den Schutzzweck des Gesetzes an und zwar dem Schutz vor den Gefahren des Passivrauchens. Das OVG meint, die Gefährlichkeit sei noch nicht „hinreichend erforscht, geschweige denn nachgewiesen.“ In der E-Zigarette befinden sich rund 7.700 Inhaltsstoffe, unter anderem das gesundheitlich fragwürdige Propylenglykol und Nikotin. In Anbetracht dessen kann eine Gefahr für Passivraucher jedenfalls nicht ausgeschlossen werden.
Das OVG legt die Messlatte sehr hoch an. Auch das ist zweifelhaft. Dem Schutzzweck der Norm -Passivraucher zu schützen- dürfte besser nachzukommen sein, wenn schon die Möglichkeit einer Gefährdung nicht ausgeschlossen erscheint. Und das ist bei dieser Menge von fragwürdigen Inhaltsstoffen ersichtlich der Fall.
Die Revision wurde nicht zugelassen. Die Stadt Köln hat aber die Möglichkeit dagegen mit der Nichtzulassungsbeschwerde vorzugehen, über die das Bundesverwaltungsgericht entscheidet.
Volltext der Pressemitteilung des OVG NRW vom 04.11.2014:
Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen: E-Zigaretten in nordrhein-westfälischen Gaststätten nicht verboten / 04.11.2014
Gastwirte sind nach dem nordrhein-westfälischen Nichtraucherschutzgesetz (NiSchG NRW) nicht verpflichtet, den Gebrauch sog. E-Zigaretten in ihren Betrieben zu unterbinden. Das hat der 4. Senat des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen mit Urteil vom heutigen Tage festgestellt und damit eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Köln bestätigt.
Der Kläger betreibt in Köln eine Gaststätte und duldet dort den Gebrauch von E-Zigaretten durch seine Gäste. Die Stadt Köln drohte ihm Ordnungsmaßnahmen an, sollte er den ihrer Meinung nach durch das NiSchG NRW untersagten Konsum von E-Zigaretten in seiner Gaststätte nicht effektiv unterbinden. Der Kläger begehrte daraufhin die gerichtliche Feststellung, dass der Konsum einer E-Zigarette vom NiSchG NRW nicht erfasst sei. Bei E-Zigaretten entstehe mangels Verbrennungsvorgangs kein Rauch; die Inhaltsstoffe würden vielmehr nur verdampft. Die Einbeziehung der E-Zigarette in das Rauchverbot sei zudem verfassungswidrig.
Das Verwaltungsgericht gab der Klage statt. Mit dem heute verkündeten Urteil hat das Oberverwaltungsgericht die Berufung der Stadt Köln zurückgewiesen. Zur Begründung führte der Vorsitzende in der mündlichen Verhandlung im Wesentlichen aus: Das NiSchG NRW enthalte keine ausdrücklichen Regelungen zur E-Zigarette. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 NiSchG NRW sei „das Rauchen“ in bestimmten Einrichtungen verboten, so auch in Gaststätten. Unter Rauchen sei nach allgemeinem und fachlichem Sprachgebrauch das Einatmen von Rauch zu verstehen, der bei der Verbrennung von Tabakwaren entstehe. Beim Gebrauch einer E-Zigarette finde jedoch kein Verbrennungsprozess, sondern ein Verdampfungsvorgang statt. Zudem handele es sich bei der verdampften Flüssigkeit (Liquid) nicht um ein Tabakprodukt im Rechtssinne, weil sie nicht zum Rauchen bestimmt sei. Das gelte auch für das in vielen Liquids enthaltene Nikotin. Mit der Entstehungsgeschichte des NiSchG NRW lasse sich eine Anwendung des Rauchverbots auf E-Zigaretten ebenfalls nicht rechtfertigen. Bei Erlass des NiSchG NRW im Jahr 2007 habe der Gesetzgeber die E-Zigarette nicht im Blick gehabt. Bei der Änderung des Gesetzes im Jahr 2012 habe er zwar die Absicht gehabt, die E-Zigarette wie herkömmliche Zigaretten zu behandeln. Den Wortlaut der Verbotsnorm habe er aber nicht entsprechend geändert. Dies wäre aber erforderlich gewesen, um den Adressaten der Norm deren Anwendungsbereich hinreichend deutlich zu machen. Zudem diene das NiSchG allein dem Schutz vor Gefahren des Passivrauchens. Mögliche Gefahren durch E-Zigaretten seien damit jedenfalls weder identisch noch vergleichbar. Die Gefährlichkeit einer E-Zigarette für „Passivdampfer“ sei bislang nicht hinreichend erforscht, geschweige denn nachgewiesen. Der Gesetzgeber selbst gehe davon aus, dass Gesundheitsgefahren lediglich nicht auszuschließen sind. Falls er im Jahr 2012 die Absicht gehabt habe, die E-Zigarette aus Gründen der Gefahrenvorsorge in das Rauchverbot einzubeziehen, habe er diese Unterschiede jedenfalls nicht ausreichend erwogen.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen ist Nichtzulassungsbeschwerde möglich, über die das Bundesverwaltungsgericht entscheidet.
Aktenzeichen: 4 A 775/14 (I. Instanz: VG Köln 7 K 4612/13)
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