Monatsarchiv 29. Juli 2015

VonRA Moegelin

Kündigung im Kleinbetrieb wegen Altersdiskriminierung

Share

caution-old-dudeDie Maßstäbe an eine „Diskriminierung“ werden heutzutage sehr niedrig angesetzt. So sei es diskriminierend für Frauen, wenn sie in Vorständen, Aufsichtsräten oder wo auch immer nicht mit mindestens 50 % vertreten sind. Und ein Arbeitgeber diskriminiert seinen Arbeitnehmer allen Ernstes wegen seines Alters, wenn er anmerkt, Betreffender sei „inzwischen pensionsberechtigt“. So sieht es das BAG in seiner Entscheidung, dem folgender Fall zugrunde lag.

Die am 20. Januar 1950 geborene Klägerin, war bei der beklagten Gemeinschaftspraxis seit dem 16. Dezember 1991 als Arzthelferin beschäftigt. In der Praxis waren im Jahr 2013 noch vier jüngere Arbeitnehmerinnen tätig. Die Klägerin war zuletzt überwiegend im Labor eingesetzt. Die Gesellschafter der Beklagten kündigten ihr Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 24. Mai 2013 zum 31. Dezember 2013 wegen Veränderungen im Laborbereich, welche eine Umstrukturierung der Praxis erforderten. Dabei führten sie an, die Klägerin sei „inzwischen pensionsberechtigt“. Den anderen Beschäftigten wurde nicht gekündigt. Mit ihrer Klage wendet sich die Klägerin gegen die Wirksamkeit der Kündigung und verlangt eine Entschädigung wegen Altersdiskriminierung. Das Kündigungsschreiben lasse eine Benachteiligung wegen ihres Alters vermuten. Nach Darstellung der Beklagten sollte die Kündigung lediglich freundlich und verbindlich formuliert werden. Die Kündigung sei wegen eines zu erwartenden Entfalls von 70 bis 80 % der abrechenbaren Laborleistungen erfolgt. Die Klägerin sei mit den übrigen Arzthelferinnen nicht vergleichbar, weil sie schlechter qualifiziert sei. Deshalb sei ihr gekündigt worden.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die Revision der Klägerin hatte jedoch Erfolg.

Die Kündigung verstößt nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG und sei deshalb unwirksam.

Ist bei einer Kündigung gegenüber einer Arbeitnehmerin aufgrund von ihr vorgetragener Indizien eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Lebensalters nach § 22 AGG zu vermuten und gelingt es dem Arbeitgeber nicht, diese Vermutung zu widerlegen, ist die Kündigung auch im Kleinbetrieb unwirksam (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23. Juli 2015 – 6 AZR 457/14).

Die Beklagte habe keinen ausreichenden Beweis dafür angeboten, dass die wegen der Erwähnung der „Pensionsberechtigung“ zu vermutende Altersdiskriminierung nicht vorliegt. Ob und ggf. in welcher Höhe der Klägerin der geltend gemachte Entschädigungsanspruch zusteht, kann noch nicht festgestellt werden. Die Sache wurde insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen (vgl. Pressemitteilung des BAG Nr. 37/15).

Dieses Urteil durchbricht den Grundsatz, dass ein Arbeitgeber im Kleinbetrieb eine Kündigung unter erleichterten Bedingungen erklären kann. Das KSchG gilt nicht, so dass lediglich Formvorschriften und Fristen zu beachten sind. Die Kündigung muss nicht begründet werden. Hätte der Arbeitgeber auf den Passus der „Pensionsberechtigung“ unterlassen, wäre das Urteil wohl anders ausgefallen, da die Arbeitnehmerin eine Diskriminierung wohl kaum hätte nachweisen können. Unabhängig davon befremdet die Wertung des BAG, wonach der Hinweis auf die „Pensionsberechtigung“ diskriminierend sein soll. Zum Zeitpunkt der Kündigung war die Arbeitnehmerin 63 Jahre alt. Die Pensionsberechtigung stellt sich daher als Tatsache dar. Es bedarf schon spitzfindiger formalistischer Verrenkungen, um die Darlegung einer Tatsache als diskriminierend hinzustellen. Im besten Fall kann es als Anknüpfungstatsache dienen, wonach ein Arbeitnehmer gehalten ist weitergehenden Vortrag zu leisten, der darauf hindeutet, dass die Pensionsberechtigung zum Anlass genommen wurde, allein wegen des aus Sicht des Arbeitgebers zu hohen Alters zu kündigen. Stattdessen obliegt es nach Ansicht des BAG dem Arbeitgeber zu beweisen, dass die Kündigung nicht allein wegen des Lebensalters erfolgte.

Die Auslegung des Begriffs „Diskriminierung“ geht also zu Lasten des Arbeitgebers, ebenso wie Beweislast zur Vermutung einer Diskriminierung, was gemäß § 22 AGG vom Gesetzgeber gewollt ist. Obendrein sieht das BAG als Rechtsfolge des Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG nicht nur Schadensersatz gemäß § 15, sondern auch die Unwirksamkeit der Kündigung. Das steht im klaren Widerspruch zu § 15 Abs. 6 AGG wonach ein Verstoß des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 keinen Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses begründet. Sinngemäß kann der Verstoß ebensowenig die Auflösung eines Beschäftigungsverhältnisses durch eine Kündigung verhindern. Grundsätzlich kann eine Kündigung im Kleinbetrieb wegen Sittenwidrigkeit und Verstoßes gegen das Maßregelungsverbot unwirksam sein. Das BAG hat sich jedoch ausdrücklich auf § 7 AGG bezogen. Klarheit wird es geben, sobald die Entscheidung im Volltext vorliegt.

Share
VonRA Moegelin

Kündigung wegen Herstellung privater Raubkopien

Share

ninja-deskDas BAG hatte über die außerordentliche Kündigung eines „IT-Verantwortlichen“ zu entscheiden, bei dessen Arbeitgeber es sich um das Land Sachsen-Anhalt handelt. Wie der Spiegel berichtet, war er beim Oberlandesgericht Naumburg beschäftigt. Kündigungsgrund war das unbefugte Kopieren auf dienstliche DVD- bzw. CD-Rohlinge von privat beschafften Bild- und Tonträgern während der Arbeitszeit unter Verwendung des dienstlichen Computers zum eigenen und kollegialen Gebrauch.

Zu den Aufgaben des IT-Verantwortlichen (dem späteren Kläger) gehörte unter anderem die Verwaltung des „ADV-Depots“. Mit ihr war die Bestellung des für die Datenverarbeitung benötigten Zubehörs – etwa von Datensicherungsbändern, CDs und DVDs – verbunden. Anfang März 2013 räumte der Leiter der Wachtmeisterei in einem Personalgespräch ein, den dienstlichen Farbdrucker seit längerer Zeit zur Herstellung sog. „CD-Cover“ genutzt zu haben. Bei einer Mitte März 2013 erfolgten Geschäftsprüfung wurden auf den Festplatten eines vom IT-Verantwortlichen (dem späteren Kläger) genutzten Rechners mehr als 6.400 E-Book-, Bild-, Audio- und Videodateien vorgefunden. Zudem war ein Programm installiert, das geeignet war, den Kopierschutz der Hersteller zu umgehen. Es stellte sich heraus, dass in der Zeit von Oktober 2010 bis März 2013 über 1.100 DVDs bearbeitet worden waren. Im gleichen Zeitraum waren etwa gleich viele DVD-Rohlinge von Seiten des Gerichts bestellt und geliefert worden. Bei näherer Untersuchung und Auswertung der vom Kläger benutzten Festplatten wurden Anfang April 2013 weitere (Audio-)Dateien aufgefunden. Der Kläger ließ sich im Verlauf der Ermittlungen dahin ein, alles, was auf dem Rechner bezüglich der DVDs sei, habe er „gemacht“. Er habe für andere Mitarbeiter „natürlich auch kopiert“. Die Äußerungen nahm er einige Tage später „ausdrücklich zurück“. Mit Schreiben vom 18. April 2013 erklärte das beklagte Land die außerordentliche fristlose, mit Schreiben vom 13. Mai 2013 hilfsweise die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses.

Die Vorinstanzen haben der Kündigungsschutzklage des Klägers stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Kündigungen seien schon deshalb unwirksam, weil unklar sei, welchen Tatbeitrag gerade der Kläger zu den in Rede stehenden Kopier- und Brennvorgängen geleistet habe. Zudem habe das beklagte Land durch lediglich eigene Ermittlungen – ohne Einschaltung der Strafverfolgungsbehörden – weder eine umfassende, den Kläger möglicherweise entlastende Aufklärung leisten, noch den Beginn der zweiwöchigen Frist für die Erklärung einer außerordentlichen Kündigung hemmen können. Im Ãœbrigen habe es gegenüber den anderen Beteiligten keine vergleichbaren Maßnahmen ergriffen und den Personalrat nicht ordnungsgemäß unterrichtet.

Die Revision des beklagten Landes hatte vor dem Bundesarbeitsgericht Erfolg. Unter Aufhebung des Urteils wurde die Sache zur weiteren Aufklärung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Eine (fristlose) Kündigung kommt auch dann in Betracht, wenn der Kläger nicht alle fraglichen Handlungen selbst vorgenommen, sondern dabei mit anderen Bediensteten zusammengewirkt oder das Herstellen von „Raubkopien“ durch diese bewusst ermöglicht hat. Aus dem Umstand, dass es ihm erlaubt gewesen sein mag, seinen dienstlichen Rechner für bestimmte andere private Zwecke zu nutzen, konnte er nicht schließen, ihm seien die behaupteten Kopier- und Brennvorgänge gestattet.

Die Anhörung des Personalrats war nach Ansicht des BAG ordnungsgemäß.

Die fristlose Kündigung ist ebenso wenig deshalb unwirksam, weil das beklagte Land Ermittlungen zunächst selbst angestellt und nicht sofort die Strafverfolgungsbehörden eingeschaltet hat. Ein solches Vorgehen ist dem Arbeitgeber grundsätzlich unbenommen. Solange er die Ermittlungen zügig durchführt, wird auch dadurch der Beginn der Frist des § 626 Abs. 2 BGB gehemmt.

Nicht entscheidend ist, welche Maßnahmen das beklagte Land gegenüber den anderen Bediensteten ergriffen hat. Der Gleichbehandlungsgrundsatz findet im Rahmen verhaltensbedingter Kündigungen grundsätzlich keine Anwendung. Im Übrigen ist nicht festgestellt, inwieweit sich die Sachverhalte unter Berücksichtigung der Einzelheiten und der Stellung der anderen Beschäftigten wirklich gleichen.

(Bundesarbeitsgericht Urteil vom 16. Juli 2015 – 2 AZR 85/15 / Pressemitteilung Nr. 36/15).

Share
VonRA Moegelin

Kündigung wegen Brötchen-Diebstahl

Share

pitr-bakery-bunsDie Entwendung von acht halben Brötchen veranlasste den Arbeitgeber -einen Krankenhausbetreiber- eine bei ihm angestellte Krankenschwester zu entlassen. Sie verfrühstückte die Brötchen mit ihren Kollegen. Betreffende Krankenschwester war ordentlich unkündbar, so dass nur eine Abmahnung oder eine außerordentliche Kündigung möglich war. Ihr Arbeitgeber entschied sich für die harte Variante und zwar die Kündigung. Der hiergegen gerichteten Kündigungsschutzklage gab das Arbeitsgericht Hamburg statt (Urteil des ArbG Hamburg – 27 Ca 87/15, vgl. Pressemitteilung vom 10.07.2015).

Dem lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im Pausenraum wurden im Kühlschrank belegte Brötchen gelagert, welche für externe Mitarbeiter (z.B. Rettungssanitäter) bestimmt waren. Eines Morgens entnahm die Krankenschwester und spätere Klägerin acht halbe belegte Brötchenhälften dem Kühlschrank, und stellte diese in den eigenen Pausenraum. Dort wurden sie von den eigenen Mitarbeitern verzehrt, jedenfalls eine Hälfte auch durch die Klägerin.

Dem Arbeitgeber gelangte die Sache zur Kenntnis. Bei einer Anhörung hierzu räumte die Krankenschwester die Entwendung umgehend ein, weil ihr eigenes Essen aus dem Kühlschrank gestohlen worden sei. Der Arbeitgeber kündigte ihr fristlos, hilfsweise mit sozialer Auslauffrist. Sie war seit 1991 angestellt. In ihren knapp 23 Dienstjahren ist es nicht zu Beanstandungen gekommen.

Das Gericht stellte klar, dass es sich bei der Entwendung der acht belegten Brötchenhälften um einen Diebstahl geringwertiger Sachen handelt, der grundsätzlich eine außerordentliche Kündigung rechtfertigt. Auch bei Handlungen, die gegen das Eigentum des Arbeitgebers gerichtet sind, sei eine Abmahnung nicht grundsätzlich entbehrlich. Vielmehr sei in Anbetracht der Umstände des Einzelfalls eine Prüfung erforderlich, ob durch eine Abmahnung verloren gegangenes Vertrauen wieder hergestellt werden kann. Dabei sei zugunsten des Arbeitnehmers zu berücksichtigen, ob er bei seiner Vertragspflichtverletzung offen oder heimlich gehandelt hat und wie er – angesprochen auf seine Verfehlung – mit den Vorwürfen umgeht. Das Arbeitsgericht hat es für die Krankenschwester positiv bewertet, dass sie die Verfehlung zugegeben hat. Zuvor hätte daher eine Abmahnung als milderes Mittel und zur Objektivierung der negativen Prognose ausgesprochen werden müssen. Die Kündigung stellte sich für das Arbeitsgericht Hamburg im Ergebnis als unverhältnismäßig und daher rechtswidrig dar.

Das Gericht orientiert sich an der sogenannten „Emmely“- Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG 2 AZR 541/09). Auch hier ging es um einen Diebstahl, bzw. eine Unterschlagung von Sachen geringen Wertes. In seiner Entscheidung hat das BAG klargestellt, dass eine außerordentliche Kündigung grundsätzlich zulässig ist. Es bedarf jedoch stets einer umfassenden, auf den Einzelfall bezogenen Prüfung und Interessenabwägung dahingehend, ob dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses trotz der Vertrauensstörung zumutbar ist oder nicht. Im „Emmely“-Fall hat die Interessenabwägung des BAG trotz der Straftat ergeben, dass eine Abmahnung statt einer Kündigung zu erteilen gewesen wäre.

Share
Blogverzeichnis TopBlogs.de das Original - Blogverzeichnis | Blog Top Liste Blogverzeichnis Bloggerei.de