Die Maßstäbe an eine „Diskriminierung“ werden heutzutage sehr niedrig angesetzt. So sei es diskriminierend für Frauen, wenn sie in Vorständen, Aufsichtsräten oder wo auch immer nicht mit mindestens 50 % vertreten sind. Und ein Arbeitgeber diskriminiert seinen Arbeitnehmer allen Ernstes wegen seines Alters, wenn er anmerkt, Betreffender sei „inzwischen pensionsberechtigt“. So sieht es das BAG in seiner Entscheidung, dem folgender Fall zugrunde lag.
Die am 20. Januar 1950 geborene Klägerin, war bei der beklagten Gemeinschaftspraxis seit dem 16. Dezember 1991 als Arzthelferin beschäftigt. In der Praxis waren im Jahr 2013 noch vier jüngere Arbeitnehmerinnen tätig. Die Klägerin war zuletzt überwiegend im Labor eingesetzt. Die Gesellschafter der Beklagten kündigten ihr Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 24. Mai 2013 zum 31. Dezember 2013 wegen Veränderungen im Laborbereich, welche eine Umstrukturierung der Praxis erforderten. Dabei führten sie an, die Klägerin sei „inzwischen pensionsberechtigt“. Den anderen Beschäftigten wurde nicht gekündigt. Mit ihrer Klage wendet sich die Klägerin gegen die Wirksamkeit der Kündigung und verlangt eine Entschädigung wegen Altersdiskriminierung. Das Kündigungsschreiben lasse eine Benachteiligung wegen ihres Alters vermuten. Nach Darstellung der Beklagten sollte die Kündigung lediglich freundlich und verbindlich formuliert werden. Die Kündigung sei wegen eines zu erwartenden Entfalls von 70 bis 80 % der abrechenbaren Laborleistungen erfolgt. Die Klägerin sei mit den übrigen Arzthelferinnen nicht vergleichbar, weil sie schlechter qualifiziert sei. Deshalb sei ihr gekündigt worden.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die Revision der Klägerin hatte jedoch Erfolg.
Die Kündigung verstößt nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG und sei deshalb unwirksam.
Ist bei einer Kündigung gegenüber einer Arbeitnehmerin aufgrund von ihr vorgetragener Indizien eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Lebensalters nach § 22 AGG zu vermuten und gelingt es dem Arbeitgeber nicht, diese Vermutung zu widerlegen, ist die Kündigung auch im Kleinbetrieb unwirksam (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23. Juli 2015 – 6 AZR 457/14).
Die Beklagte habe keinen ausreichenden Beweis dafür angeboten, dass die wegen der Erwähnung der „Pensionsberechtigung“ zu vermutende Altersdiskriminierung nicht vorliegt. Ob und ggf. in welcher Höhe der Klägerin der geltend gemachte Entschädigungsanspruch zusteht, kann noch nicht festgestellt werden. Die Sache wurde insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen (vgl. Pressemitteilung des BAG Nr. 37/15).
Dieses Urteil durchbricht den Grundsatz, dass ein Arbeitgeber im Kleinbetrieb eine Kündigung unter erleichterten Bedingungen erklären kann. Das KSchG gilt nicht, so dass lediglich Formvorschriften und Fristen zu beachten sind. Die Kündigung muss nicht begründet werden. Hätte der Arbeitgeber auf den Passus der „Pensionsberechtigung“ unterlassen, wäre das Urteil wohl anders ausgefallen, da die Arbeitnehmerin eine Diskriminierung wohl kaum hätte nachweisen können. Unabhängig davon befremdet die Wertung des BAG, wonach der Hinweis auf die „Pensionsberechtigung“ diskriminierend sein soll. Zum Zeitpunkt der Kündigung war die Arbeitnehmerin 63 Jahre alt. Die Pensionsberechtigung stellt sich daher als Tatsache dar. Es bedarf schon spitzfindiger formalistischer Verrenkungen, um die Darlegung einer Tatsache als diskriminierend hinzustellen. Im besten Fall kann es als Anknüpfungstatsache dienen, wonach ein Arbeitnehmer gehalten ist weitergehenden Vortrag zu leisten, der darauf hindeutet, dass die Pensionsberechtigung zum Anlass genommen wurde, allein wegen des aus Sicht des Arbeitgebers zu hohen Alters zu kündigen. Stattdessen obliegt es nach Ansicht des BAG dem Arbeitgeber zu beweisen, dass die Kündigung nicht allein wegen des Lebensalters erfolgte.
Die Auslegung des Begriffs „Diskriminierung“ geht also zu Lasten des Arbeitgebers, ebenso wie Beweislast zur Vermutung einer Diskriminierung, was gemäß § 22 AGG vom Gesetzgeber gewollt ist. Obendrein sieht das BAG als Rechtsfolge des Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG nicht nur Schadensersatz gemäß § 15, sondern auch die Unwirksamkeit der Kündigung. Das steht im klaren Widerspruch zu § 15 Abs. 6 AGG wonach ein Verstoß des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 keinen Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses begründet. Sinngemäß kann der Verstoß ebensowenig die Auflösung eines Beschäftigungsverhältnisses durch eine Kündigung verhindern. Grundsätzlich kann eine Kündigung im Kleinbetrieb wegen Sittenwidrigkeit und Verstoßes gegen das Maßregelungsverbot unwirksam sein. Das BAG hat sich jedoch ausdrücklich auf § 7 AGG bezogen. Klarheit wird es geben, sobald die Entscheidung im Volltext vorliegt.