Monatsarchiv 27. September 2020

VonRA Moegelin

Telefonsex als Arbeitsverhältnis

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Das Landesarbeitsgericht Köln hat mit zwei Beschlüssen vom 25.08.2020 entschieden, dass als Freiberuflerinnen geführte Telefonsexdienstleisterinnen Arbeitnehmerinnen sind, wenn sie durch eine einseitige Steuerung und Kontrolle der Betriebsabläufe in einer Weise ihrer Selbstständigkeit beraubt werden, die über die mögliche Einflussnahme bei einem freien Dienstvertrag hinausgeht.

Die Beklagte setzt in ihren Kölner Geschäftsräumen Telefonistinnen ein, die sexuelle Dienstleistungen im Schichtbetrieb an 365 Tagen im Jahr und 24 Stunden am Tag anbieten. Sie werden von der Beklagten als freiberufliche Mitarbeiterinnen geführt. Den Telefonistinnen wird von einer anderen Gesellschaft für ihre Tätigkeit ein ca. sechs bis acht Quadratmeter großer Raum mit Tisch, Stuhl, Computer und drei Telefonen zur Verfügung
gestellt, wofür sie ein monatliches Entgelt i. H. v. 50 EUR zu zahlen haben. Aus einem von der Beklagten vorgehaltenen Pool wählen die Telefonistinnen einen Alias-Namen und Fotos, die auf der Internet-Seite der Beklagten veröffentlicht werden. Die von ihnen gewünschten Einsätze können die Telefonistinnen in Dienstpläne eintragen. Ihre Tätigkeit wird durch eine an der Decke befestigte Videokamera aufgezeichnet. Die Telefonate werden mitgeschnitten. Das dienstliche Verhalten und die Beziehung zu den Kunden werden von
der Beklagten in vielfältiger Hinsicht mitgestaltet.

Das von den Klägerinnen u.a. wegen diverser Zahlungsansprüche angerufene Arbeitsgericht hatte die Arbeitnehmereigenschaft der Klägerinnen verneint und die Rechtsstreite an das Landgericht verwiesen.

Auf die Beschwerden der Klägerinnen hat das Landesarbeitsgericht die Verweisungsbeschlüsse abgeändert und den Rechtsweg zu den Gerichten für
Arbeitssachen bejaht, da die Klägerinnen als Arbeitnehmerinnen anzusehen seien. Die Beklagte habe sowohl durch die Audio- und Videoüberwachung als auch durch die Einbindung in ihre Arbeitsorganisation eine für selbständige Freiberuflerinnen wichtige Marktpräsenz der Klägerinnen verhindert. Die Klägerinnen hätten keinen von der Beklagten unabhängigen Kundenstamm aufbauen können, da sie nach außen nicht unter eigenem Namen, sondern bildlich und namentlich unter einem Alias-Profil aufgetreten seien. Die auf die vorbeschriebene Weise sowie die weiteren Beschäftigungsmodalitäten vermittelte Fremdbestimmung der Klägerinnen überlagere die Umstände, die für eine selbständige Tätigkeit sprechen könnten.

Die Entscheidungen sind unanfechtbar.

-Pressemitteilung 5/2020 vom 31.08.2020 des LAG Köln im Wortlaut-
Landesarbeitsgericht Köln – Aktenzeichen 9 Ta 217/19 vom 25.08.2020
Landesarbeitsgericht Köln – Aktenzeichen 9 Ta 98/20 vom 25.08.2020

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VonRA Moegelin

Anfechtung des Arbeitsvertrages einer AfD-Referentin

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Das Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt hat entschieden, dass die Anfechtung des Arbeitsvertrages mit der Ex-AfD-Referentin Lena K. durch die AfD-Landtagsfraktion wirksam erfolgte. Rechtsfolge ist, dass dass der Arbeitsvertrag von Anfang an unwirksam ist.
Die Pressemitteilung des LAG LSA vom 16.Juli 2019 im Wortlaut:
Das Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt hat mit heute verkündetem Urteil die Berufung der Ex-AfD-Referentin Lena K. gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 8. Juni 2017 zurückgewiesen.
Das Landesarbeitsgericht bestätigte damit die Entscheidung des Arbeitsgerichts, dass das zwischen der AfD Fraktion und der Referentin Lena K. Anfang November 2016 begründetes Arbeitsverhältnis wegen der Anfechtung des Arbeitsvertrages durch die AfD-Landtagsfraktion bereits im Dezember 2016 beendet wurde. Lena K. habe vor Abschluss des Arbeitsvertrages falsche Angaben gemacht und ihrem Arbeitgeber über wesentliche Punkte arglistig getäuscht.
Das Landesarbeitsgericht hat die Revision nicht zugelassen.
Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt (LAG LSA), Urteil vom 16.Juli 2019 – 5 Sa 275/17

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VonRA Moegelin

Bedrohliches Verhalten als Kündigungsgrund

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Eine schwerwiegende Pflichtverletzung des Arbeitnehmers rechtfertigt eine verhaltensbedingte Kündigung des Arbeitnehmers.
Eine Geste wie ein erhobener Zeigefinger wirkt befremdlich und kann auch für eine zart besaitete Person als Bedrohung empfunden werden. Objektiv betrachtet lässt sich aber ein konkretes Fehlverhalten schwerwiegender Art nicht feststellen.

Volltext des Urteils des Arbeitsgerichts Augsburg vom 12. März 2020- 3 Ca 2478/19:

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder
durch die außerordentliche noch die hilfsweise ordentliche Kündigung
der Beklagten vom 04.10.2019 beendet wird.
2. Die Beklagten werden verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen
Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten
arbeitsvertraglichen Bedingungen als studentische Hilfskraft
weiterzubeschäftigen.
3. Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits.
4. Der Streitwert wird auf 1.200,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweisen ordentlichen Kündigung sowie um die Weiterbeschäftigung des Klägers bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens. Der Kläger ist seit 26.06.2017 als studentische Hilfskraft bei den Beklagten angestellt. Er bezog bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 6 bis 10 Stunden durchschnittlich 300,- € monatlich. Die Beklagten beschäftigen regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer.
Der Kläger ist der subjektiven Auffassung, dass ihm ein Anspruch auf fixe Wochentage für seine Tätigkeit, welche er im Wesentlichen am Empfang erbringt – nämlich Mittwoch und Samstag -, zusteht. Wegen einer gelegentlich fehlenden Einteilung am Mittwoch suchte er immer wieder das Gespräch mit seinen Vorgesetzten, insbesondere mit der Beklagten zu 3). Ãœber den genauen Inhalt und Verlauf dieser Gespräche am 24.08. bzw. 28.08.2019 sowie am 25.09.2019 besteht zwischen den Parteien Streit.
Die Beklagten nahmen das Gespräch am 25.09.2019 zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 3) zum Anlass, das Arbeitsverhältnis außerordentlich, hilfsweise ordentlich zu kündigen. Die schriftliche Kündigung datiert vom 04.10.2019 (Anlage zur Klageschrift, BI. 4 f. d. A.).
Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Kündigungsschutzklage und begehrt seine Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens.

Der Kläger beantragt:
1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die außerordentliche noch die hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 04.10.2019 beendet wird.
2. Die Beklagten werden verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschlussdes Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als studentische Hilfskraft weiterzubeschäftigen.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Sie tragen im Wesentlichen vor, dass der Kläger nach Abschluss der Arbeit am 25.09.2019 / die Beklagte zu 3) gezielt auf dem Gang abgefangen, den Weg versperrt und sie am Weitergehen gehindert habe. Er habe sich im kürzest möglichen Abstand vor ihr aufgebaut und sie den gesamten Gesprächsverlauf über auf eine e orm bedrohliche Art und Weise angeschaut. Gegenstand des Gesprächs sei erneut die von ihm gewünschte Dienstplaneinteilung gewesen. Darüber hinaus habe er sich über die Beklagte zu 3) sinngemäß abfällig geäußert dergestalt, dass diese kein Rückgrat habe. Die Beklagte zu 3) habe diese Situation als äußerst bedrohlich empfunden.
Dem vorausgegangen sei eine ähnliche Gesprächssituation des Klägers mit der Beklagten zu 3) im August 2019. Dabei habe diese aber dem Kläger keine bindenden Zusagen gemacht.
Des Weiteren berufen sich die Beklagten auf eine dem Kläger erteilte Abmahnung vom 23.04.2019 (insoweit wird auf Anlage B 2 [BI. 30 d. A.] Bezug genommen und verwiesen).
Diese Abmahnung wurde vom Kläger als sachlich unzutreffend bestritten.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Sachvortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen und verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist vollumfänglich begründet.

1. Die außerordentliche Kündigung vom 04.10.2019 ist unwirksam. Es fehlt an einem wichtigen Grund i. S. v. § 626 Abs. 1 BGB.

a) Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann ein Arbeitsverhältnis vom Arbeitgeber aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Arbeitgeberunter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Der wichtige Grund i. S. v. § 626 Abs. 1 BGB ist in zwei systematisch zu trennenden Abschnitten zu prüfen. Zunächst ist festzustellen, ob ein bestimmter Sachverhalt ohne die besonderen Umstände des Einzelfalls an sich geeignet ist, einen wichtigen Grund zu bilden. Sodann ist zu prüfen, ob bei Berücksichtigung dieser Umstände und der Interessenabwägung die konkrete Kündigung gerechtfertigt ist.

b) Unter Anwendung dieses Prüfungsmaßstabs lässt sich eine schwerwiegende Pflichtverletzung des Klägers am 25.09.2019 nicht feststellen. Das Gespräch mit der Beklagten zu 3) war weder vom äußeren Verhalten des Klägers noch vom maßgeblichen Gesprächsverlauf unangemessen. Ein eklatantes Fehlverhalten des Klägers liegt nicht vor.
Subjektiv mag man das Verhalten des Klägers als unangemessen erachten und für manchen mag dieses auch bedrohlich wirken. Den Beklagten ist zuzugeben, dass der Kläger mit Nachdruck versucht, seinen Standpunkt und sein Anliegen zu vertreten. Auch im Rahmen der mündlichen Verhandlungen ließ sich der Kläger in seinem Redefluss nicht bremsen. Diesen unterstützt er noch mit zahlreichen Gesten wie erhobenem Zeigefinger und Ähnlichem. Dies wirkt, auch wenn seine Eigenwahrnehmung eine andere sein mag, äußerst befremdlich und kann auch für eine zart besaitete Person als Bedrohung empfunden werden. Objektiv betrachtet lässt sich aber ein konkretes Fehlverhalten des Klägers schwerwiegender Art nicht feststellen.

2. Gleiches gilt hinsichtlich einer sozialen Rechtfertigung der hilfsweise erklärten ordentlichen Kündigung vom 04.10.2019. Eine solche soziale Rechtfertigung gern. § 1 Abs. 2 KSchG ist nicht feststellbar. Der von den Beklagten vorgetragene Sachverhalt lässt keinen arbeitsvertraglichen Pflichtverstoß des Klägers erkennen. Somit ist auch diese Kündigung unwirksam.

3. Die Beklagten sind verpflichtet, den Kläger bis zur rechtskräftigen Entscheidung dieses Kündigungsschutzverfahrens weiterzubeschäftigen. Die Weiterbeschäftigungspflicht ergibt sich aufgrund der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Einer Weiterbeschäftigung entgegenstehende Gesichtspunkte sind von den Beklagten nicht vorgetragen.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf§ 91 Abs. 1 ZPO. Der Streitwert wurde auf vier Bruttomonatsgehälter festgesetzt, wobei für die Kündigungsschutzklage drei Bruttomonatsgehälter und für den Weiterbeschäftigungsantrag ein Bruttomonatsgehalt angesetzt wurden (§§ 42 Abs. 2 Satz 1 GKG, 3 ZPO).

5. Gegen dieses Urteil ist für die Beklagten das Rechtsmittel der Berufung an das Landesarbeitsgericht München statthaft. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die nachfolgendeRechtsmittelbelehrung verwiesen.

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VonRA Moegelin

Fristlose Kündigung eines kommunalen Sachbearbeiters

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Das Arbeitsgericht Köln hatte über die fristlose Kündigung eines Verwaltungsmitarbeiters zu entscheiden, der jedenfalls zwei Bürgern, die Wohngeldanträge gestellt hatten, zinslose Darlehen aus seinem Privatvermögen gewährt hat.

Der Kläger ist seit dem Jahr 2016 als Verwaltungsangestellter bei einem kommunalen Arbeitgeber beschäftigt. Seit dem Jahr 2018 ist er in der Wohngeldsachbearbeitung tätig. Einen Wohngeldantrag aus August 2019 bearbeitete der Kläger bis Dezember 2019 nicht. Die Antragstellerin erkundigte sich mehrfach nach dem Sachstand und wies den Kläger zuletzt am 12.12.2019 auf ihre schwierige finanzielle Situation hin. Der Kläger bot ihr daraufhin an, ihr leihweise zinslos Geld aus seinem Privatvermögen zur Verfügung zu stellen. Am Folgetag kam es dann zu einer Geldübergabe von 500 EUR. Am 11.02.2020 reichte die Antragstellerin bei der Arbeitgeberin eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Kläger ein, der den Wohngeldantrag bis dahin immer noch nicht bearbeitet hatte. Im weiteren Verlauf stellte sich heraus, dass der Kläger jedenfalls in einem weiteren Fall entsprechend vorgegangen war. Daraufhin kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis fristlos. Der Kläger beruft sich darauf, von der Arbeit überfordert gewesen zu sein. Die Arbeitgeberin macht geltend, dem Kläger bereits deutlich weniger Fälle zugeteilt zu haben. Durch das Verhalten des Klägers habe ihr Ruf Schaden genommen.

Das Arbeitsgericht hat die Kündigung für unwirksam befunden. Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses sei nicht das mildeste Mittel gewesen, auf das Verhalten des Klägers zu reagieren. Dabei habe das Gericht insbesondere berücksichtigt, dass der Kläger durch sein Verhalten keinen eigenen Vorteil erzielt hat und die Überforderung des Klägers der Arbeitgeberin bekannt war. Die Arbeitgeberin habe vor Ausspruch der Kündigung andere Maßnahmen in Erwägung ziehen müssen.

Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Gegen das Urteil kann Berufung beim Landesarbeitsgericht Köln eingelegt werden.

Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 04.08.2020 – 5 Ca 1353/20
Siehe Pressemitteilung 4/2020 vom 24.08.2020

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