Monatsarchiv 29. Januar 2021

VonRA Moegelin

Mitbestimmung des Betriebsrats während Corona

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Der Betriebsrat eines Krankenhauses hat während der Corona-Pandemie das Recht auf Mitbestimmung. Konkret ging es um die Ausgestaltung eines Besuchskonzepts

Hierzu die Pressemitteilung des Landesarbeitsgerichts Köln vom 22.01.2021 im Volltext:

Der Betriebsrat hat bei der Ausgestaltung eines Besuchskonzepts für ein Krankenhaus während der SARS-CoV-2-Pandemie mitzubestimmen. Dies hat das Landesarbeitsgericht Köln am 22.01.2021 entschieden.

Die Arbeitgeberin betreibt ein Krankenhaus und hatte im Zuge der Corona-Pandemie ohne Beteiligung des bei ihr gebildeten Betriebsrats ein System zur Dokumentation des Zutritts und Aufenthalts betriebsfremder Personen auf dem Klinikgelände eingeführt. Auf Antrag des Betriebsrats hat das Arbeitsgericht Siegburg eine Einigungsstelle zur Regelung des Besuchskonzepts eingesetzt. Das von der Arbeitgeberin daraufhin angerufene Landesarbeitsgericht Köln hat den Beschluss des Arbeitsgerichts am 22.01.2021 bestätigt, die Beschwerde der Arbeitgeberin zurückgewiesen und ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG bejaht.

Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei betrieblichen Regelungen über den Gesundheitsschutz bezieht sich auf Maßnahmen des Arbeitgebers zur Verhütung von Gesundheitsschäden, die Rahmenvorschriften konkretisieren. Eine solche Rahmenvorschrift, die auch den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bezweckt, stellt nach der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Köln § 5 Abs. 1 der Coronaschutzverordnung NRW dar. Nach dieser Vorschrift hat das Krankenhaus die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um den Eintrag von Coronaviren zu erschweren. Besuche sind (nur) auf der Basis eines einrichtungsbezogenen Besuchskonzepts zulässig, das die Empfehlungen und Richtlinien des Robert-Koch-Instituts zum Hygiene- und Infektionsschutz umsetzt. Entscheidet sich der Krankenhausträger für die Zulassung von Besuchen, trifft ihn nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts die entsprechende Verpflichtung zum Gesundheitsschutz auch gegenüber seinen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Für die Umsetzung der Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts bestehe– anders etwa als bei einer auf das Krankenhaus bezogen konkreten ordnungsbehördlichen Regelung – ein Gestaltungsspielraum, der das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats eröffne.

Gegen die Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.

Landesarbeitsgericht Köln, Beschluss vom 22.01.2021 – 9 TaBV 58/20

Die Entscheidung wird demnächst in die Rechtsprechungsdatenbank NRWE (www.nrwe.de) eingestellt und kann unter Eingabe des Aktenzeichens aufgerufen werden.

Dr. Amrei Wisskirchen
Die Pressedezernentin des
Landesarbeitsgerichts Köln

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VonRA Moegelin

Entgeltgleichheitsklage nach EntgTranspG

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Klagt eine Frau auf gleiches Entgelt für gleiche oder gleichwertige Arbeit (Art. 157 AEUV, § 3 Abs. 1 und § 7 EntgTranspG), begründet der Umstand, dass ihr Entgelt geringer ist als das vom Arbeitgeber nach §§ 10 ff. EntgTranspG mitgeteilte Vergleichsentgelt (Median-Entgelt) der männlichen Vergleichsperson, regelmäßig die – vom Arbeitgeber widerlegbare – Vermutung, dass die Benachteiligung beim Entgelt wegen des Geschlechts erfolgt ist.

Die Klägerin ist bei der Beklagten als Abteilungsleiterin beschäftigt. Sie erhielt im August 2018 von der Beklagten eine Auskunft nach §§ 10 ff. EntgTranspG, aus der ua. das Vergleichsentgelt der bei der Beklagten beschäftigten männlichen Abteilungsleiter hervorgeht. Angegeben wurde dieses entsprechend den Vorgaben von § 11 Abs. 3 EntgTranspG als „auf Vollzeitäquivalente hochgerechneter statistischer Median“ des durchschnittlichen monatlichen übertariflichen Grundentgelts sowie der übertariflichen Zulage (Median-Entgelte). Das Vergleichsentgelt liegt sowohl beim Grundentgelt als auch bei der Zulage über dem Entgelt der Klägerin. Mit ihrer Klage hat die Klägerin die Beklagte – soweit für das Revisionsverfahren von Interesse – auf Zahlung der Differenz zwischen dem ihr gezahlten Grundentgelt sowie der ihr gezahlten Zulage und der ihr mitgeteilten höheren Median-Entgelte für die Monate August 2018 bis Januar 2019 in Anspruch genommen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat das Urteil des Arbeitsgerichts auf die Berufung der Beklagten abgeändert und die Klage abgewiesen. Es hat angenommen, es lägen schon keine ausreichenden Indizien iSv. § 22 AGG vor, die die Vermutung begründeten, dass die Klägerin die Entgeltbenachteiligung wegen des Geschlechts erfahren habe.

Die Revision der Klägerin hatte vor dem Achten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung durfte die Klage nicht abgewiesen werden. Aus der von der Beklagten erteilten Auskunft ergibt sich das Vergleichsentgelt der maßgeblichen männlichen Vergleichsperson. Nach den Vorgaben des EntgTranspG liegt in der Angabe des Vergleichsentgelts als Median-Entgelt durch einen Arbeitgeber zugleich die Mitteilung der maßgeblichen Vergleichsperson, weil entweder ein konkreter oder ein hypothetischer Beschäftigter des anderen Geschlechts dieses Entgelt für gleiche bzw. gleichwertige Tätigkeit erhält. Die Klägerin hat gegenüber der ihr von der Beklagten mitgeteilten männlichen Vergleichsperson eine unmittelbare Benachteiligung iSv. § 3 Abs. 2 Satz 1 EntgTranspG erfahren, denn ihr Entgelt war geringer als das der Vergleichsperson gezahlte. Entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts begründet dieser Umstand zugleich die – von der Beklagten widerlegbare – Vermutung, dass die Klägerin die Entgeltbenachteiligung „wegen des Geschlechts“ erfahren hat. Aufgrund der bislang vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen konnte der Senat nicht entscheiden, ob die Beklagte, die insoweit die Darlegungs- und Beweislast trifft, diese Vermutung den Vorgaben von § 22 AGG in unionsrechtskonformer Auslegung entsprechend widerlegt hat. Zugleich ist den Parteien Gelegenheit zu weiterem Vorbringen zu geben. Dies führte zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21. Januar 2021 – 8 AZR 488/19
vgl. Pressemitteilung Nr. 1/21
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 1. August 2019 – 5 Sa 196/19

Die wesentlichen rechtlichen Vorgaben lauten auszugsweise:

Art. 57 Abs. 1 AEUV:
Jeder Mitgliedstaat stellt die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit sicher.

§ 3 EntgTranspG (Verbot der unmittelbaren und mittelbaren Entgeltbenachteiligung wegen des Geschlechts):
(1) Bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit ist eine unmittelbare oder mittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts im Hinblick auf sämtliche Entgeltbestandteile und Entgeltbedingungen verboten.
(2) Eine unmittelbare Entgeltbenachteiligung liegt vor, wenn eine Beschäftigte oder ein Beschäftigter wegen des Geschlechts bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit ein geringeres Entgelt erhält, als eine Beschäftigte oder ein Beschäftigter des jeweils anderen Geschlechts erhält, erhalten hat oder erhalten würde. Eine unmittelbare Benachteiligung liegt auch im Falle eines geringeren Entgelts einer Frau wegen Schwangerschaft oder Mutterschaft vor.

§ 7 EntgTranspG (Entgeltgleichheitsgebot):
Bei Beschäftigungsverhältnissen darf für gleiche oder für gleichwertige Arbeit nicht wegen des Geschlechts der oder des Beschäftigten ein geringeres Entgelt vereinbart oder gezahlt werden als bei einer oder einem Beschäftigten des anderen Geschlechts.

§ 10 EntgTranspG (Individueller Auskunftsanspruch):
(1) Zur Überprüfung der Einhaltung des Entgeltgleichheitsgebots im Sinne dieses Gesetzes haben Beschäftigte einen Auskunftsanspruch nach Maßgabe der §§ 11 bis 16. Dazu haben die Beschäftigten in zumutbarer Weise eine gleiche oder gleichwertige Tätigkeit (Vergleichstätigkeit) zu benennen. Sie können Auskunft zu dem durchschnittlichen monatlichen Bruttoentgelt nach § 5 Absatz 1 und zu bis zu zwei einzelnen Entgeltbestandteilen verlangen.

§ 11 EntgTranspG (Angabe zu Vergleichstätigkeit und Vergleichsentgelt):
(3) Die Auskunftsverpflichtung in Bezug auf das Vergleichsentgelt erstreckt sich auf die Angabe des Entgelts für die Vergleichstätigkeit (Vergleichsentgelt). Das Vergleichsentgelt ist anzugeben als auf Vollzeitäquivalente hochgerechneter statistischer Median des durchschnittlichen monatlichen Bruttoentgelts sowie der benannten Entgeltbestandteile, jeweils bezogen auf ein Kalenderjahr, nach folgenden Vorgaben: …

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VonRA Moegelin

Variable Entgeltbestandteile zur Bemessung der Karenzentschädigung

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Variable Entgeltbestandteile sind bei der Bemessung der Karenzentschädigung nur dann zu berücksichtigen, wenn sie zu den zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen gemäß § 74 Abs. 2 HGB zu zählen sind. Dies ist nicht der Fall, wenn der Leistungszeitraum für diese Vergütungsbestandteile schon zuvor endete (Leitsätze).

Volltext des LAG Berlin-Brandenburg vom 02.12.2020 -15 Sa 964/20:

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 25.06.2020 – 38 Ca 936/20 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger begehrt – soweit für die 2. Instanz noch von Relevanz – für die Zeit vom 16.11.2019 bis 05.03.2020 die Zahlung einer höheren Karenzentschädigung wegen eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots, wobei er sich die geleisteten Zahlungen der Beklagten i.H.v. 28.772,52 EUR sowie inzwischen die erstinstanzlich rechtskräftig zuerkannten weiteren 2.976,60 EUR anrechnen lässt.

Hinsichtlich des unstreitigen Sachverhalts und des Vorbringens der Parteien in der 1. Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen (§ 69 Abs. 2 ArbGG).

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger die ihm zustehende Karenzentschädigung für November 2019 in Höhe von 16,583,30 Euro abzüglich der bereits gezahlten 3.792,67 Euro, mithin 12.790,63 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2019 zu zahlen;

2. die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger die ihm zustehende Karenzentschädigung für Dezember 2019 in Höhe von 33.166,60 Euro abzüglich der bereits gezahlten 7.964,61 Euro, mithin 25.601,00 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2019 zu zahlen;

3. die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Karenzentschädigung in Höhe von 25.601,00 Euro brutto für den Monat Januar 2020 sowie 25.601,00 Euro brutto für den Monat Februar 2020 und 3.652,00 Euro brutto für den Monat März 2020 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Mit Urteil vom 25.06.2020 hat das Arbeitsgericht Berlin dem Zahlungsantrag i.H.v. 2.976,60 EUR brutto stattgegeben. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Hierbei hat das Arbeitsgericht für die Berechnung der zuletzt maßgeblichen Monatsvergütung drei Elemente in der Höhe berücksichtigt, wie sie auch von der Beklagten bei ihrer Zahlung zugrunde gelegt worden waren. Dies betrifft das fixe Monatsgehalt i.H.v. 11.418,75 EUR, der steuerliche Vorteil für die Benutzung des Dienstwagens i.H.v. 842,34 EUR und die anteiligen Bonuszahlungen i.H.v. 3.142,44 EUR. Zusätzlich hat das Arbeitsgericht berücksichtigt, dass der Kläger im Jahre 2018 aus dem Long Term Incentive Programm 2018 (LTIP 2018) 77.374,17 EUR brutto unstreitig erhalten hatte. 1/36 seien daher in Höhe von monatlich 2.149,28 EUR zusätzlich zu berücksichtigen. Daher seien insgesamt als Monatsentgelt 8.776,41 EUR anzusetzen, sodass der Kläger über die von der Beklagten hinaus geleisteten Beträge insgesamt weitere 2.976,60 EUR brutto monatlich als Karenzentschädigung zu erhalten hat. Weitere Zahlungen seien für die zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen nicht zu berücksichtigen. Die in dem Aufhebungsvertrag geregelte Abfindung wirke sich nicht erhöhend aus, da sie keine Gegenleistung für die Arbeit sei. Weiterhin seien nicht zu berücksichtigen die Überlassung der Bahncard, eines Computers und des Mobiltelefons, da sie überlassene Arbeitsmittel gewesen seien und nicht Teil der vertraglich vereinbarten Vergütung. Eine private Nutzungsmöglichkeit sei, soweit ersichtlich, nicht vereinbart worden. Auch die Leistungen der betrieblichen Altersvorsorge seien keine unmittelbare Gegenleistung für die Arbeitsleistung, sondern diene als Anreizsystem für eine langfristige Bindung des Arbeitnehmers an den Arbeitgeber. Nicht erheblich seien die Zahlungen aus dem Management Equity Programm 2014 (MEP 2014). Die Erlöse seien nicht einkommensteuerpflichtig gewesen, da sie kein Arbeitsentgelt waren. Die Nettoerträge seien dem Kläger als Kommanditisten, nicht als Arbeitnehmer überwiesen worden. Die Zahlungen seien auch nicht durch die Beklagte als Arbeitgeberin erfolgt und könnten schon von daher keine vertragsmäßigen Leistungen gewesen seien.

Hiergegen wendet sich die Berufung des Klägers. Er ist unter näherer Darlegung von Rechtsauffassungen der Meinung, dass mit Ausnahme der Abfindungszahlung alle weiteren Elemente, die vom Arbeitsgericht Berlin nicht berücksichtigt worden waren, in das zuletzt bezogene monatliche Entgelt hätten eingerechnet werden müssen.

Nachdem der Kläger ursprünglich in der Berufungsbegründung eine Differenzzahlung in Höhe von insgesamt 84.368,85 EUR geltend gemacht hatte, beantragt er nunmehr zuletzt,

das erstinstanzliche Urteil teilweise abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn die ihm über den erstinstanzlich zuerkannten Betrag i.H.v. 2.976,60 EUR hinaus zustehende Karenzentschädigung für die Zeit vom 16.11.2019 bis 05.03.2020 i.H.v. 97.332,47 EUR abzüglich der bereits gezahlten 28.772,52 EUR sowie der im erstinstanzlichen Urteil zuerkannten 2.976,60 EUR, mithin 65.586,35 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 31.03.2020 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. In der Sache hat die Berufung jedoch keinen Erfolg. Dem Kläger stehen als Karenzentschädigung keine höheren Zahlungen zu, die über das hinausgehen, was die Beklagte bisher geleistet und das Arbeitsgericht Berlin zusätzlich zugesprochen hat. Daher war die Berufung zurückzuweisen.

1. Das Arbeitsgericht Berlin ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Karenzentschädigung für den Zeitraum 16.11.2019 bis 05.03.2020 zu zahlen ist.

Die Zahlung der Karenzentschädigung ist wirksam durch die Vereinbarung vom 12.09.2014 (Bl. 35f der Akte) begründet worden. Die Beklagte hat einseitig auf die Einhaltung des Wettbewerbsverbots mit Schreiben vom 05.03.2019, welches der Kläger am gleichen Tag erhalten hat, verzichtet, sodass gemäß § 75a HGB die Pflicht zur Zahlung der Entschädigung noch für ein Jahr bestand. Damit endete die Zahlungspflicht am 05.03.2020. All dies ist zwischen den Parteien nicht streitig.

Weiterhin ist davon auszugehen, dass die Parteien einvernehmlich das Arbeitsverhältnis zum 15.11.2019 beendet haben. Zwar hat der Kläger mit seiner Kündigung vom 01.11.2019 das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung des Kündigungstermins (zum Ende eines Kalendermonats; § 1 Nr. 3 des Aufhebungsvertrages vom 25.04.2019, Bl. 31R d.A.) gekündigt, doch hat die Beklagte mit Schreiben vom 05.11.2019 (Anlage K 23, Bl. 224 d.A.) den „vorzeitigen Austritt aus dem Unternehmen zum 15.11.2019“ bestätigt. Auch die Beklagte hat sich insofern mit einer vorzeitigen Beendigung einverstanden erklärt. Dieser Wille ergibt sich auch daraus, dass die Beklagte im Nachhinein die Karenzentschädigung ab dem 16.11.2019 gezahlt hat. Insofern folgt die Kammer nicht der nunmehrigen Auffassung der Beklagten im hiesigen Prozess, wonach eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses erst mit dem 30.11.2019 eingetreten ist.

2. Gemäß §§ 74 Abs. 2, 74b Abs. 2 S. 1 HGB kann der Kläger eine höhere Karenzentschädigung nicht verlangen.

2.1. Nach § 74 Abs. 2 HGB ist als Karenzentschädigung mindestens die Hälfte der von dem Arbeitnehmer zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen zu zahlen. Dies ist nach der Rechtsprechung des BAG der relevante Ausgangspunkt für die Berechnung des monatlichen Entschädigungsbetrages. Als vertragsgemäß im Sinne dieser Norm ist eine Leistung anzusehen, die auf dem Austauschcharakter des Arbeitsvertrages beruht und als Vergütung für die geleistete Arbeit erbracht wird. Hierzu zählen auch Jahresvergütungen, Gratifikationen, zusätzliche Urlaubsgelder, Tantiemen und ähnliche Sonderzuwendungen, selbst wenn sie der Arbeitgeber unter Ausschluss eines Rechtsanspruchs als freiwillige Leistung gewährt hat. Entscheidend ist, was der Arbeitnehmer als Gegenleistung für seine Arbeitsleistung zu dem maßgeblichen Zeitpunkt tatsächlich erhalten hat bzw. hätte erhalten müssen, auch wenn der Anspruch später fällig wird oder die Auszahlung zu einem späteren Zeitpunkt erfolgt. Unerheblich ist, was der Arbeitnehmer im selben Arbeitsverhältnis zu einem früheren Zeitpunkt verdient hat. Maßgeblich ist allein, wie hoch der Verdienst bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses war (BAG 22.10.2008 – 10 AZR 160/08 – juris Rn. 17f).

Insofern ist nach hiesiger Ansicht zu betonen, dass es auf die zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen ankommt. Daher kann es nur auf diejenigen Leistungen ankommen, auf die der Kläger am 15.11.2019 (noch) einen Anspruch hatte, was ihm also als Gegenleistung für seine nicht mehr zu erbringenden Arbeitsleistungen im Zeitraum der unwiderruflichen Freistellung (01.11.2019 bis 15.11.2019) zustand. Daher wird nicht die Rechtsansicht des Klägers geteilt, wonach immer alle variablen Vergütungsbestandteile in die Berechnung einzustellen sind, wobei hinsichtlich der Höhe der Durchschnitt der letzten 3 Jahre in Ansatz zu bringen sei. Variable Entgeltbestandteile sind bei der Bemessung der Karenzentschädigung nur dann zu berücksichtigen, wenn sie zu den zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen gemäß § 74 Abs. 2 HGB zu zählen sind. Dies ist nicht der Fall, wenn der Leistungszeitraum für diese Vergütungsbestandteile schon zuvor endete.

Im Gegensatz zur Auffassung des Klägers wird bei dieser Sichtweise die Vorschrift des § 74b HGB nicht völlig irrelevant. Die Norm bleibt insbesondere dann vielfach relevant, wenn die variablen Vergütungsbestandteile vertraglich Jahr für Jahr zugesagt oder tatsächlich ohne zeitliche Begrenzung gezahlt wurden.

2.2. Bei Anwendung dieser Grundsätze stehen dem Kläger höhere Karenzleistungen nicht zu.

2.2.1. Leistungen aus dem MEP-Programm 2014 sind nicht zu berücksichtigen.

Im Gegensatz zur Auffassung der Beklagten geht die hiesige Kammer allerdings davon aus, dass es sich insofern um Leistungen handelt, die grundsätzlich berücksichtigungsfähig sind. Zwar wurden die übertragenen Kommanditanteile bezogen auf ein anderes Unternehmen innerhalb des Konzerns gewährt, doch sind hierin trotzdem vertragsmäßige Leistungen der Beklagten zu sehen, da diese als Arbeitgeberin eine eigene Verpflichtung eingehen wollte (Hessisches LAG 31.05.2017 – 18 Sa 768/16 – Juris; LAG Baden-Württemberg 14.01.2009 – 2 Sa 17/08 – juris; Bauer/Diller Wettbewerbsverbote 8. Aufl. 2019 Rn. 375). Der Wille der Beklagten zur eigenen Verpflichtung ergibt sich aus deren Schreiben vom 29.09.2014 (Bl. 39 d.A.). Dort wird ausdrücklich auf den Arbeitsvertrag vom 20.09.2014 Bezug genommen. In Englisch und entsprechender Übersetzung wird in Ergänzung zu diesem Arbeitsvertrag dann die nachfolgende Regelung bestätigt. Am Ende wird ausgeführt, dass im Falle des Absagens des Börsengangs oder einer wesentlichen Verzögerung „wir“ diese Vereinbarung neu verhandeln, um ein angemessenes Ersatz-Anreizpaket bereitzustellen.

Trotzdem ist dieses Programm aus zwei Gründen nicht berücksichtigungsfähig.

Dem Kläger waren die Anteile als Kommanditist mit notariellem Vertrag vom 07.04.2015 übertragen worden. Insofern erfolgte die Leistung (der geldwerte Vorteil) außerhalb des dreijährigen Zeitraums vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Unerheblich dürfte sein, dass zu diesem Zeitpunkt der genaue Wert dieser Anteile noch nicht beziffert werden konnte, da der Verkauf der Kommanditanteile erst später erfolgte (vergleiche insofern Bauer/Diller Wettbewerbsverbote 8. Auflage 2019 Rn. 421, 396, die für eine Schätzung des Wertes plädieren). Ähnlich wie bei den Aktienoptionen, bei denen es auf die Einräumung der Option ankommt (Bauer/Diller aaO Rn. 421), muss es auch hier auf die Übertragung der Kommanditanteile ankommen und nicht auf die späteren Rückkäufe oder Verkäufe der Aktien.

Dieses Programm ist auch deswegen nicht berücksichtigungsfähig, weil es mit dem 16.09.2019 endete. An diesem Tag erklärte der Kläger sich vertraglich mit einer Rückübertragung der verbliebenen Kommanditanteile einverstanden. Insofern erhielt er noch im September 2019 für die verbliebenen Anteile weitere 342.688,63 € (vergleiche Seite 18 des Beklagtenschriftsatzes vom 20.03.2020, Bl. 92 d.A.). Der Verdienst des Klägers war also allenfalls bis zum September 2019 von dieser Gegenleistung bestimmt. Der erhöhte Verdienst zu einem früheren Zeitpunkt ist nach der oben angegebenen Rechtsprechung des BAG aber nicht relevant.

2.2.2. Auch das LTIP-Programm 2018 wirkt sich nicht erhöhend auf die Karenzentschädigung aus.

Dieses Programm begann am 01.07.2018. Nach Angabe des Klägers (Seite 11 des Schriftsatzes vom 08.06.2020, Bl. 220 d.A.) war er nur 15 Monate Teilnehmer dieses Programms. Es endete somit am 30.09.2019. Die erfolgte Vergütungserhöhung betraf somit auch hier nur einen früheren Zeitraum.

2.2.3. Die Nutzung des Handys, des Computers oder der Bahncard 100 (1. Klasse) wirkt sich ebenfalls nicht erhöhend aus.

Insofern diente die Nutzung sowohl betrieblichen als auch privaten Interessen. Eine ausschließliche Wertstellung zu Gunsten des Klägers ist daher – ähnlich wie beim Dienstwagen – nicht möglich. Es fehlen jedoch jegliche Angaben des Klägers dazu, wie der geldwerte Vorteil zu berechnen ist. Dies mag ähnlich wie bei der auch privaten Nutzung eines Dienstwagens nach steuerrechtlichen Kriterien ermittelt werden. Soweit der Kläger auf die Entscheidung des LAG Düsseldorf (21.09.2015 – 9 Sa 152/15 – juris Rn. 111) verwiesen hat, hilft dies vorliegend nicht weiter, da dort die steuerliche Behandlung zwischen den Parteien unstreitig und auch bei früheren Gehaltszahlungen berücksichtigt worden war.

Hinsichtlich Handy und Computer kommt hinzu, dass nach § 8 des Aufhebungsvertrages diese Gegenstände zu Beginn der widerruflichen Freistellung (01.08.2019) zurückzugeben waren. Damit endete das Recht auf private Nutzung dieser Gegenstände spätestens zu diesem Zeitpunkt.

2.2.4 Im Gegensatz zur Auffassung beider Parteien waren auch die gezahlten Provisionen nicht zu berücksichtigen.

Zwar bestand nach dem Arbeitsvertrag hierauf ein jährlicher Anspruch, doch hat § 2 Nr. 3 des Aufhebungsvertrages den Anspruch auf Zahlung eines Bonus für den Zeitraum bis zum 31.07.2019 beschränkt. Somit bestand zum Beendigungszeitpunkt kein Anspruch mehr auf Zahlung eines Bonus. Auch hier betrifft die Zahlung frühere Zeiträume, die nach der Rechtsprechung des BAG gerade nicht berücksichtigungsfähig sind.

2.2.5. Hinsichtlich des Zuschusses zur Altersversorgung ist davon auszugehen, dass solche Zahlungen nicht berücksichtigungsfähig sind (Bauer/Diller Wettbewerbsverbote 8. Auflage 2019 Rn. 380). Sie werden nicht als unmittelbare Gegenleistung für die Arbeitsleistung erbracht, sondern als Gegenleistung für die gesamte erbrachte bzw. zu erwartende Betriebstreue.

2.2.6. Berücksichtigungsfähig sind daher nur das fixe Bruttogehalt (11.418,75 €) und der geldwerte Vorteil für die private Nutzung des Dienstwagens (842,34 €), den der Kläger bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses privat nutzen durfte (§ 8 Nr. 3 des Aufhebungsvertrages). Dies ergibt eine Gesamtsumme von 12.261,09 € monatlich, so dass die Karenzentschädigung mtl. 6.130,55 € beträgt. Die Beklagte hat jedoch schon einen deutlich höheren Betrag monatlich gezahlt (7.964,61€), wobei zusätzlich zu berücksichtigen ist, dass auch das Arbeitsgericht Berlin in dem angefochtenen Urteil als weiteren Betrag monatlich 811,80 € rechtskräftig zugesprochen hat.

3. Der Kläger hat die Kosten des erfolglosen Rechtsmittels zu tragen (§ 97 ZPO).

4. Die Revision ist gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG zugelassen worden. Soweit ersichtlich ist die Bewertung und Anrechnung von Mitarbeiterbeteiligungen durch das BAG bisher nicht entschieden worden.

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VonRA Moegelin

Kündigung wegen fehlender Mund-Nase-Bedeckung während der Arbeitszeit

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Ohne Mund-Nase-Bedeckung während der Arbeitszeit ist die Kündigung eines Arbeitnehmers in einem Rathaus wirksam.

Das Arbeitsgericht Siegburg hat entschieden, dass ein Arbeitnehmer in einem Rathaus eine Mund-Nase-Bedeckung während der Arbeitszeit trotz Attest zu tragen hat. Angeblich überwiegt der Gesundheits- und Infektionsschutz aller Mitarbeiter und Besucher des Rathauses das Interesse des Arbeitnehmers an einer Beschäftigung ohne Maske.

Der Arbeitgeber darf das Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung während der Arbeitszeit anordnen.

Der Kläger ist bei der Beklagten als Verwaltungsmitarbeiter im Rathaus beschäftigt. Die Beklagte ordnete mit Schreiben vom 06.05.2020 mit Wirkung zum 11.05.2020 in den Räumlichkeiten des Rathauses das Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung für Besucher und Beschäftigte an. Der Kläger legte ein Attest vor, das ihn ohne Angabe von Gründen von der Maskenpflicht befreite. Sein Arbeitgeber wies ihn daraufhin an, ein Gesichtsvisier beim Betreten des Rathauses und bei Gängen über die Flure und in Gemeinschaftsräumen zu tragen. Der Kläger legte ein neues Attest vor, das ihn wiederum ohne Angabe von Gründen von der Pflicht zum Tragen von Gesichtsvisieren jeglicher Art befreite. Ohne Gesichtsbedeckung wollte die Beklagte den Kläger nicht im Rathaus beschäftigen. Mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung begehrte der Kläger im Eilverfahren seine Beschäftigung im Rathaus ohne Gesichtsbedeckung; alternativ wollte er im Homeoffice beschäftigt werden.

Mit Urteil vom 16.12.2020 wies das Arbeitsgericht Siegburg die Anträge des Klägers ab. Nach Auffassung des Gerichts überwiegt der Gesundheits- und Infektionsschutz aller Mitarbeiter und Besucher des Rathauses das Interesse des Klägers an einer Beschäftigung ohne Gesichtsvisier oder Mund-Nase-Abdeckung. Zudem hatte die Kammer Zweifel an der Richtigkeit der ärztlichen Atteste. Die Kammer ging – wie auch das OVG Münster bei der Maskentragepflicht an Schulen – davon aus, dass ein solches Attest konkrete und nachvollziehbare Angaben enthalten muss, warum eine Maske nicht getragen werden könne, da der Kläger mithilfe der ärztlichen Bescheinigungen einen rechtlichen Vorteil für sich erwirken will, nämlich die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung zum Betreten des Rathauses ohne Maske. Einen Anspruch auf Einrichtung eines Homeoffice-Arbeitsplatzes verneinte die Kammer in diesem Fall.

Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Gegen das Urteil kann Berufung beim Landesarbeitsgericht Köln eingelegt werden.

Arbeitsgericht Siegburg – Aktenzeichen 4 Ga 18/20 vom 16.12.2020.
Pressemitteilung vom 04.01.2021
Die Entscheidung kann demnächst in der Rechtsprechungsdatenbank NRWE www.nrwe.de unter Eingabe des Aktenzeichens (4 Ga 18/20) aufgerufen werden.
Maria Perez Belmonte, stellv. Pressedezernentin des Arbeitsgerichts Siegburg

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VonRA Moegelin

Mobbing gegen Altenpflegerin im Seniorenheim

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Mobbing ist kein Rechtsbegriff und damit auch keine mit einer Rechtsnorm vergleichbare selbständige Anspruchsgrundlage für Ansprüche eines Arbeitnehmers gegen seinen Arbeitgeber oder gegen Vorgesetzte bzw. Arbeitskollegen. Macht ein Arbeitnehmer konkrete Ansprüche wegen Mobbings geltend, muss jeweils geprüft werden, ob der in Anspruch Genommene in den vom Arbeitnehmer genannten Einzelfällen arbeitsrechtliche Pflichten, ein absolutes Recht iSd. § 823 Abs. 1 BGB, ein Schutzgesetz iSd. § 823 Abs. 2 BGB verletzt oder eine sittenwidrige Schädigung iSd. § 826 BGB begangen hat.
Der Arbeitgeber ist zum Schutz der Gesundheit und des Persönlichkeitsrechts des Arbeitnehmers verpflichtet. Beim Verstoß dieser Schutzgüter kann er auf Schadensersatz und Schmerzensgeld haften.

Volltext des Urteils des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 18.08.2016 – 5 Sa 61/16:

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 17. Dezember 2015, Az. 2 Ca 2094/15, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Schmerzensgeld- und Schadensersatzansprüche wegen Mobbings.

2

Die Beklagte unterhält an den Standorten A-Stadt und K. zwei stationäre Altenpflegeheime sowie einen ambulanten Pflegedienst. Die 1986 geborene Klägerin wurde ab 15.08.2012 als examinierte Altenpflegerin zu einem Bruttomonatsgehalt von zuletzt € 2.513,50 eingestellt. Im schriftlichen Arbeitsvertrag heißt es ua:

3

„§ 1 Beginn und Art der Tätigkeit

4

1. Die Mitarbeiterin wird ab 15.08.2012 als ex. Altenpflegerin im Seniorenzentrum Villa am B. K. zu Hause eingestellt.

5

2. …

6

3. Der Arbeitgeber behält sich vor, der Mitarbeiterin auch andere, ihrer Vorbildung und ihrer Fähigkeit entsprechende, gleichwertige und zumutbare Aufgaben zu übertragen oder sie an einem anderen Arbeitsplatz oder Tätigkeitsort zu versetzen, soweit dies unter Berücksichtigung ihrer Interessen zumutbar ist. …

7

§ 2 Arbeitszeit

8

1. Die Parteien vereinbaren eine Mindestarbeitszeit von 40 Stunden die Woche. Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit richten sich nach der allgemeinen betrieblichen Arbeitszeitregelung bzw. der Weisung des Arbeitgebers. Die Mitarbeiterin verpflichtet sich zu flexiblen Arbeitszeiten, wenn betriebliche Belange dies erfordern.

9

2. Darüber hinaus vereinbaren die Parteien eine Arbeit auf Abruf gemäß § 12 TzBfG in Höhe von maximal 10 Stunden pro Woche. Wird die Arbeit auf Abruf vom Arbeitgeber in Anspruch genommen, wird sie vergütet. Ansonsten bleibt es bei der Vergütung der Mindestarbeitszeit.

10

3. Die Mitarbeiterin ist verpflichtet, soweit dies betrieblich notwendig ist, auch über die Arbeit auf Abruf hinaus, Mehrarbeit und Überarbeit sowie Nachtschicht, Sonn- und Feiertagsarbeit im gesetzlich zulässigen Umfang zu leisten.

11

§ 3 Vergütung

12

1. Der Arbeitgeber zahlt der Mitarbeiterin eine Grundvergütung von € 2.340,00.

13

4. Mehr- und Ãœberarbeit wird vorrangig durch Freizeit ausgeglichen.
…“

14

Die Klägerin war vom 13.12.2013 bis 13.02.2014 wegen einer akuten psychovegetativen Erschöpfung arbeitsunfähig erkrankt. Seit dem 16.04.2014 ist sie ununterbrochen arbeitsunfähig. Ihr Hausarzt diagnostizierte eine kombinierte Angst- und Depressionserkrankung, die Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie eine Anpassungsstörung (ICD F43.2). Die gesetzliche Rentenversicherung gewährte der Klägerin in der Zeit vom 25.11. bis 30.12.2014 eine stationäre medizinische Rehabilitation in einer Fachklinik. Die Klägerin wurde arbeitsunfähig entlassen. Sie bezog nach eigenen Angaben ab 27.04.2014 Krankengeld; seit dem 14.09.2015 wird ihr Arbeitslosengeld gewährt.

15

Mit ihrer am 26.06.2015 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage verlangt sie von der Beklagten wegen Mobbings ein Schmerzensgeld iHv. mindestens € 50.000,00, die Differenzbeträge zwischen Krankengeld und regulärer Monatsvergütung als Verdienstausfallschaden sowie die Feststellung der Ersatzpflicht für sämtliche künftige Schäden. Von einer Darstellung des unstreitigen Tatbestands und des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils vom 17.12.2015 Bezug genommen.

16

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,

17

1. die Beklagte zu verurteilen, ihr ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, einen Betrag von € 50.000,00 nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung jedoch nicht unterschreiten sollte,

18

2. die Beklagte zu verurteilen, ihr die Differenz zwischen den erhaltenen Krankenbezügen während der Arbeitsunfähigkeit vom 13.12.2013 bis 13.02.2014 und ab dem 16.04.2014 und der regulären Monatsvergütung zu zahlen,

19

3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr sämtliche materiellen Schäden zu ersetzen, die ihr aufgrund der von der Beklagten verursachten Schädigung ihrer Gesundheit entstehen.

20

Die Beklagte hat beantragt,

21

die Klage abzuweisen.

22

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 17.12.2015 abgewiesen und zur Begründung – zusammengefasst – ausgeführt, es sei schon fraglich, ob der Klageantrag zu 1) iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO hinreichend bestimmt sei; der Antrag sei jedenfalls unbegründet. Die Klägerin habe eine kausale Gesundheitsschädigung durch die Beklagte nicht schlüssig vorgetragen. Es sei unklar, was angesichts der konstitutionell labilen wie umgebungsbedingt zusätzlich geschwächten psychovegetativen Grundsituation der Klägerin noch und gerade arbeitgeberbedingt gesundheitsschädigend gewirkt haben soll. Im Ãœbrigen sei eine schwere Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin nicht zu erkennen. Der Klageantrag zu 2) sei als unbezifferter Zahlungsantrag unzulässig. Auch der Klageantrag zu 3) auf Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz künftiger Schäden sei unzulässig. Die Klägerin hätte wenigstens eine gewisse Wahrscheinlichkeit des (weiteren) Schadenseintritts dartun müssen. Wegen der Einzelheiten der erstinstanzlichen Begründung wird ergänzend auf die Entscheidungsgründe des Urteils des Arbeitsgerichts vom 17.12.2015 Bezug genommen.

23

Gegen das am 15.01.2016 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit am 15.02.2016 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese innerhalb der bis zum 15.04.2016 verlängerten Berufungsbegründungsfrist mit am 15.04.2016 eingegangenem Schriftsatz begründet.

24

Sie macht geltend, ihr Klageantrag zu 1) sei entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 ZPO. Die zur Bemessung des Schmerzensgeldes wesentlichen Faktoren ergäben sich bereits aus dem erstinstanzlich dargelegten Sachverhalt. Ergänzend sei vorzutragen, dass sie zumindest über einen Zeitraum von zwei Jahren unter massiven psychischen und physischen Störungen gelitten habe. Diese führten zu erheblichen Auswirkungen auf ihr Sozialverhalten, ua. auf ihre private Beziehung zu ihrem damaligen Lebensgefährten. Es hätten sich Kontaktängste und Rückzugstendenzen gezeigt, ihr Sozialleben sei praktisch zum Erliegen gekommen. Sie habe sich im gesamten Zeitraum in laufender ärztlicher Behandlung befunden und auch eine Reha-Maßnahme durchführen müssen. Darüber hinaus sei auch von einer Verletzung ihres Persönlichkeitsrechts auszugehen. Für jede der Positionen sei aufgrund der schwerwiegenden Folgen ein Betrag iHv. € 25.000,00 angemessen. Der Klageantrag zu 1) sei auch begründet. Entgegen der Wertung des Arbeitsgerichts seien ihre Krankheitsbehauptungen hinreichend substantiiert, insb. liege kein Widerspruch in den angeführten Arbeitsunfähigkeiten. Sie leide unter folgenden Erkrankungen:

25

– phobische Verarbeitung der Arbeitsplatzsituation
– Angst und depressive Störung
– Kontaktanlässe mit Bezug auf das Berufsleben
– schwere depressive Episode
– Kontaktanlässe mit Bezug auf Kindheitserlebnisse

26

Die Wertung des Arbeitsgerichts, dass sich eine akute Stirnhöhlenentzündung am 20.01.2014 mit den übrigen Diagnosen nicht vertrage, sei unzutreffend. Aus dem Kontext der Klageschrift sei klar ersichtlich, dass diese Erkrankung nicht in Bezug zu ihrer arbeitsplatzbedingten Erkrankung stehe, sondern lediglich einen einzelnen Vorfall thematisieren, bei dem sie aufgrund ihres Äußeren hierauf angesprochen worden sei. In sämtlichen medizinischen Unterlagen werde stringent auf eine psychische Erkrankung aufgrund der Arbeitsplatzsituation hingewiesen. Ohne die Belastungen am Arbeitsplatz wäre aufgrund der übrigen Gesundheitsbeeinträchtigungen keine Arbeitsunfähigkeit eingetreten. Insoweit habe das Arbeitsgericht auch die ärztliche Bescheinigung vom 21.11.2014 unzutreffend gewertet. Die Bescheinigung zeige auf, dass seit 13.12.2013 aufgrund einer akuten psychovegetativen Erschöpfung auf dem Boden einer beruflichen Überlastung eine durchgehende Arbeitsunfähigkeit vorgelegen habe.

27

Die Beklagte habe ihr eine überobligatorische Arbeitsmenge zugewiesen. In den Monaten Juni und Juli 2013 habe sie ihre Vorgesetzte, Frau M., vertreten müssen. In der Vertretungszeit habe sich ihre Arbeitsbelastung nochmals gesteigert, das Arbeitsvolumen sei schlichtweg nicht zu erledigen gewesen. Anfang August 2013 habe Frau M. gerügt, dass sie ihren Aufgaben in der Vertretungszeit nicht ordnungsgemäß nachgekommen sei; sie habe wohl die ihr nicht genehmen Aufgaben nicht erledigt. Auf Nachfrage habe Frau M. keine konkreten Angaben gemacht. Dieses Verhalten einer Vorgesetzten – nach einem überobligatorischen Arbeitseinsatz – stelle, insb. vor dem Hintergrund einer fehlenden Darlegung des vermeintlich korrekten Alternativverhaltens, eine Missachtung von Arbeitsergebnissen dar. Entgegen der Wertung des Arbeitsgerichts habe sie das Vorbringen der Beklagten zu ihren angeblichen Minusstunden in den Monaten Juni und Juli 2013 pauschal bestreiten dürfen. Sie habe keine Minusstunden, insb. nicht in den Monaten Juni und Juli 2013 erbracht. Die diesbezügliche Behauptung der Beklagten erfolge „ins Blaue“ hinein. Tatsächlich habe sie regelmäßig unbezahlte Ãœberstunden geleistet und insb. Verwaltungsaufgaben in ihrer Freizeit erledigt.

28

Entgegen der Wertung des Arbeitsgerichts sei sie während ihrer Tätigkeit am Standort K. einem ausgrenzenden Kommunikationsverhalten der Frau Sch. ausgesetzt gewesen. Es habe durchgehend ein zwingend notwendiger Kommunikationsbedarf mit Frau Sch. bestanden. Das Arbeitsgericht sei fehlerhaft davon ausgegangen, dass die zwei Abteilungen (ambulanter Pflegedienst und stationäre Pflegeeinrichtung) organisatorisch strikt getrennt seien. Tatsächlich sei der Personaleinsatz auch abteilungsübergreifend erfolgt. So sei sie wegen Fachkräftemangels mehrmals, ua. am 23.10.2013, auch im Pflegeheim auf der Station eingesetzt worden.

29

Ende Oktober 2013 habe ihr die Mitarbeiterin Ma. mitgeteilt, dass sie [die Klägerin] von Frau M. und Herrn S. in einem Gespräch deutlich kritisiert worden sei. Es sei beanstandet worden, dass sie „Dinge einfordere und Ansprüche stelle“. Es sei auffällig, dass ihr Frau M. ab Oktober 2013 immer weniger betriebliche Aufgaben zugewiesen habe, stattdessen habe sie wieder vermehrt Einsätze abgeleistet. Zu dieser Zeit sei ihr auch aufgefallen, dass Arbeitskolleginnen ihr gegenüber auf Distanz gegangen seien. So habe ihr bspw. die Mitarbeiterin X. Ende Oktober 2013 erklärt, weil es ständig Meinungsverschiedenheiten zwischen ihr und Frau M. gebe, habe sie wohl keine andere Möglichkeit, als das Unternehmen zu verlassen. Durch die arbeitsplatzmäßige Belastungssituation habe sie sich erschöpft gefühlt und am 07.11.2013 in ärztliche Behandlung begeben. Der Arzt habe eine Depression aufgrund einer Arbeitsplatzbelastung diagnostiziert. Sie habe jedoch auf die Ausstellung einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung verzichtet, weil sie versucht habe, sich „zusammenzureißen“. Im Dezember 2013 habe sie Kenntnis davon erlangt, dass im Betrieb durch Vorgesetzte verbreitet worden sei, sie sei „gefährlich“. Am 17.01.2014, also während ihrer Arbeitsunfähigkeit, sei sie von Frau M. in deren Büro bestellt worden. Frau M. habe ihr bekannt gegeben, dass sie aufgrund der Erkrankung, die Leitung nicht bekäme. Außerdem sei sie für eine leitende Funktion nicht erwachsen und reif genug. Die ihr übertragenen Aufgaben sowohl in K. als auch in A-Stadt müsse sie jedoch auch weiterhin verrichten. Am 21.01.2014 habe Frau Sch. gegenüber Frau G.-K. in Bezug auf ihre Teilnahme an einer Fortbildungsveranstaltung geäußert: „Die hat dabei nichts zu suchen, die hat keine leitende Funktion und nichts zu sagen“. Nach Beendigung ihrer Arbeitsunfähigkeit habe sie bemerkt, dass sich ihre Arbeitskollegen immer weiter von ihr distanzierten. Ihr sei von Arbeitskollegen zugetragen worden, man habe ihnen bedeutet, nicht mit ihr in Kontakt zu treten, „das wäre nicht gut für sie“. Ebenfalls in dieser Zeit habe ihr die Arbeitskollegin S. eine Nachricht mit dem Inhalt geschrieben: „P3 haben dich im Visier und vertrauen dir nicht mehr“.

30

Bei Betrachtung des Gesamtkomplexes zeige sich, dass sie systematisch schikaniert worden sei. Ihr seien im Laufe der Jahre 2012 und 2013 mit der Inaussichtstellung einer leitenden Tätigkeit immer mehr Aufgaben übertragen worden, die sie bei objektiver Betrachtung nicht hätte erfüllen können. Weil am Standort K. ab September 2013 ein dringender Personalbedarf bestanden habe, sei ihr dort eine leitende Position angetragen worden, ohne ihr in tatsächlicher Hinsicht die entsprechenden Kompetenzen zu übertragen. Ihr sei, wohl um sie zu einem überobligatorischen Einsatz anzuhalten, etwas in Aussicht gestellt worden, was die Beklagte ohnehin nie umsetzen wollte. Dies werde daran deutlich, dass sie zwar einerseits für den reibungslosen Ablauf des ihr übertragenen Bereichs verantwortlich gemacht worden sei, ihr andererseits jedoch die betrieblichen Mittel vorenthalten worden seien, das Ziel zu erreichen. Von ihr aufgestellte Dienstpläne seien von Frau Sch. ignoriert worden, gleichzeitig sei der Arbeitskollegin G.-K. untersagt worden, sie zu unterstützen. Spätestens mit der Verbreitung der Behauptung im Kollegenkreis, sie sei „gefährlich“ sei die Grenze zu einer schweren Verletzung des Persönlichkeitsrechts überschritten. Hierbei handele es sich geradezu um den klassischen Fall einer Ausgrenzung. Diese Gesamtumstände habe das Arbeitsgericht nicht ausreichend gewürdigt. Insbesondere habe es keine Gesamtbetrachtung der Vorkommnisse vorgenommen, sondern im Wesentlichen eine Bewertung der Einzelvorfälle.

31

Ihr zweitinstanzlicher Klageantrag zu 2) sei zulässig, weil sie ihn beziffert habe. Der Antrag sei auch begründet. Ihr Schaden errechne sich aus der Differenz zwischen dem Bruttoverdienst, den sie bei der Beklagten von Mai 2014 bis März 2016 erzielt hätte (23 Mon. x € 2.513,50), und den Lohnersatzleistungen (Krankengeld vom 27.04.2014 bis 13.09.2015, Arbeitslosengeld vom 14.09.2015 bis 31.03.2016). Ohne die beeinträchtigenden Handlungen der Beklagten hätte sie keine Lohnersatzleistungen in Anspruch nehmen müssen, wodurch ihr ein Verdienstausfallschaden in Höhe des Differenzbetrages entstanden sei.

32

Auch der Klageantrag zu 3) sei zulässig. Das besondere Feststellungsinteresse ergebe sich daraus, dass ihre Erkrankung noch nicht ausgeheilt sei, sie befinde sich weiterhin in fachärztlicher Behandlung. Der Antrag sei auch begründet. Die Situation am Arbeitsplatz sei ungeklärt, das Arbeitsverhältnis bestehe fort. Darüber hinaus sei sie nach wie vor auf Lohnersatzleistungen angewiesen, so dass ihr monatlich ein weiterer materieller Schaden entstehe.

33

Die Klägerin beantragt zweitinstanzlich,

34

das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 17.12.2015, Az. 2 Ca 2094/15, abzuändern,

35

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, einen Betrag von € 50.000,00 nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung jedoch nicht unterschreiten sollte,

36

2. die Beklagte zu verurteilen, an sie € 57.810,50 brutto abzüglich € 29.775,52 netto zu zahlen,

37

3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr sämtliche materiellen Schäden zu ersetzen, die ihr aufgrund der von der Beklagten verursachten Schädigung ihrer Gesundheit entstehen.

38

Die Beklagte beantragt,

39

1. die Berufung als unzulässig zu verwerfen,

40

2. hilfsweise, die Berufung zurückzuweisen.

41

Sie ist der Ansicht, die Berufung sei bereits unzulässig. Zum Antrag auf Zahlung von Schmerzensgeld (Klageantrag zu 1) sei eine argumentative Auseinandersetzung mit der Begründung des erstinstanzlichen Urteils, insb. zur Unschlüssigkeit des Vortrags für eine kausale Gesundheitsschädigung durch den Arbeitgeber wie auch für eine schwere Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nicht erfolgt. Stattdessen habe die Klägerin wiederum Schilderungen von Einzelereignissen aneinandergereiht, die nicht zur Schlüssigkeit ihrer Klage führten. Hinsichtlich des Klageantrags zu 2) auf Zahlung von Schadensersatz in bezifferter Höhe, sei die zweitinstanzliche Klageänderung unzulässig. Sie willige nicht in die Klageänderung ein, diese sei auch nicht sachdienlich.

42

Die Berufung sei zumindest unbegründet. Die Klage auf Zahlung von Schmerzensgeld sei weiterhin unschlüssig. Die Klägerin sei nicht schikaniert oder diskriminiert worden. Sie habe im Juni 2013 insgesamt 2,3 Minusstunden angesammelt und im Juli 2013 19,45 Minusstunden. Die Arbeitsstunden habe die Klägerin selbst handschriftlich dokumentiert. Die Klägerin genüge auch zweitinstanzlich nicht den Anforderungen an ihre Darlegungslast. Es bestehe kein Kausalzusammenhang zwischen den von ihr behaupteten Belastungen am Arbeitsplatz und ihren Erkrankungen. In diesem Zusammenhang sei auf die Ausführungen im ärztlichen Entlassungsbericht der Reha-Klinik vom 10.12.2014 hinzuweisen, den die Klägerin vorgelegt habe:

43

„Im AVEM, einem Instrument zur interventionsbezogenen Diagnostik beruflichen Bewältigungsverhaltens erzielt Frau R. auf den Skalen „Distanzierungsfähigkeit“, „Innere Ruhe und „Ausgeglichenheit“, „Erfolgserleben im Beruf“ und „Lebenszufriedenheit“ unterdurchschnittliche und auf den Skalen „subjektive Bedeutsamkeit der Arbeit“, „Beruflicher Ehrgeiz“, „Verausgabungsbereitschaft“, „Perfektionsstreben und „Resignationstendenz (bei Misserfolg)“ überdurchschnittliche Testwerte.

44

Die Patientin ist mit einer Wahrscheinlichkeit von p = 92 Risikotyp A, der durch gesundheitsgefährdendes Verhaltens- und Erlebensmuster mit überhöhtem Engagement und geringer Distanzierung bezüglich Arbeitsproblemen, verminderter psychischer Widerstandsfähigkeit gegenüber Belastungen und ein eingeschränkten Lebensgefühl kennzeichnend ist, zuzuordnen.“

45

Vor diesem Hintergrund sei nicht zu verstehen, wie die Klägerin eine Kausal-beziehung zwischen einem Verhalten ihrer Vorgesetzten und ihrem Krankheitsbild sehe. Dies sei in Anbetracht der geschilderten zahlreichen Vorerkrankungen und der konstitutionellen Grundsituation der Klägerin auszuschließen. Der geltend gemachte Schmerzensgeldanspruch iHv. mindestens € 50.000,00 sei im Übrigen völlig überhöht.

46

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

47

Die nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung der Klägerin ist gem. §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG iVm. §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt worden. Sie ist – entgegen der Ansicht der Beklagten – auch ordnungsgemäß begründet. Die Berufungsbegründung setzt sich iSv. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO mit den die Klageabweisung tragenden Begründungen des Arbeitsgerichts – gerade noch – hinreichend auseinander. Die Klägerin hat aufgezeigt, in welchen Punkten sie das arbeitsgerichtliche Urteil aus welchen Gründen für unrichtig hält, obwohl sie auf eine Vielzahl der rechtlichen und tatsächlichen Argumente des angefochtenen Urteils nicht eingegangen ist.

II.

48

In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat im Ergebnis zu Recht die Klage abgewiesen. Die drei Klageanträge sind zwar zulässig, aber unbegründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte weder einen Anspruch auf Schmerzensgeld noch auf Ersatz eines materiellen Schadens.

49

1. Der Klageantrag zu 1) ist zulässig, aber unbegründet.

50

a) Der auf Zahlung eines der Höhe nach in das Ermessen des Gerichts gestellten Schmerzensgeldes gerichtete Klageantrag ist hinreichend bestimmt (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Die Klägerin hat einen Sachverhalt dargelegt, der dem Gericht grundsätzlich die Bestimmung eines Schmerzensgeldes ermöglicht und eine Angabe zur Größenordnung des Schmerzensgeldes, nämlich mindestens € 50.000,00, gemacht. Das genügt (BAG 19.08.2010 – 8 AZR 530/09 – Rn. 26).

51

b) Der Antrag ist unbegründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Schmerzensgeld gem. § 823 Abs. 1 BGB wegen Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 1 Abs. 1 iVm. Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 8 Abs. 1 EMRK) und ihrer Gesundheit (§ 253 Abs. 2 BGB).

52

aa) „Mobbing“ ist kein Rechtsbegriff und damit auch keine mit einer Rechtsnorm vergleichbare selbständige Anspruchsgrundlage für Ansprüche eines Arbeitnehmers gegen seinen Arbeitgeber oder gegen Vorgesetzte bzw. Arbeitskollegen. Macht ein Arbeitnehmer konkrete Ansprüche wegen Mobbings geltend, muss jeweils geprüft werden, ob der in Anspruch Genommene in den vom Arbeitnehmer genannten Einzelfällen arbeitsrechtliche Pflichten, ein absolutes Recht iSd. § 823 Abs. 1 BGB, ein Schutzgesetz iSd. § 823 Abs. 2 BGB verletzt oder eine sittenwidrige Schädigung iSd. § 826 BGB begangen hat. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass es Fälle gibt, in welchen die einzelnen, vom Arbeitnehmer dargelegten Handlungen oder Verhaltensweisen seiner Arbeitskollegen, Vorgesetzten oder seines Arbeitgebers für sich allein betrachtet noch keine Rechtsverletzungen darstellen, jedoch die Gesamtschau der einzelnen Handlungen oder Verhaltensweisen zu einer Vertrags- oder Rechtsgutsverletzung führt, weil deren Zusammenfassung aufgrund der ihnen zugrunde liegenden Systematik und Zielrichtung zu einer Beeinträchtigung eines geschützten Rechtes des Arbeitnehmers führt (BAG 28.10.2010 – 8 AZR 546/09 – Rn. 17 mwN).

53

Letzteres ist insbesondere dann der Fall, wenn unerwünschte Verhaltensweisen bezwecken oder bewirken, dass die Würde des Arbeitnehmers verletzt und ein durch Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird. Dies entspricht der in § 3 Abs. 3 AGG erfolgten Definition des Begriffes „Belästigung“, die eine Benachteiligung iSd. § 1 AGG darstellt. Da ein Umfeld grundsätzlich nicht durch ein einmaliges, sondern durch ein fortdauerndes Verhalten geschaffen wird, sind alle Handlungen bzw. Verhaltensweisen, die dem systematischen Prozess der Schaffung eines bestimmten Umfeldes zuzuordnen sind, in die Betrachtung mit einzubeziehen. Demzufolge dürfen einzelne zurückliegende Handlungen/ Verhaltensweisen bei der Beurteilung nicht unberücksichtigt gelassen werden (BAG 28.10.2010 – 8 AZR 546/09 – Rn. 17 mwN).

54

Der Arbeitgeber hat gegenüber dem Arbeitnehmer bestimmte Fürsorge- und Schutzpflichten wahrzunehmen. Nach § 241 Abs. 2 BGB erwachsen jeder Vertragspartei aus einem Schuldverhältnis nicht nur Leistungs-, sondern auch Verhaltenspflichten zur Rücksichtnahme und zum Schutz der Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils. Dies verbietet auch die Herabwürdigung und Missachtung eines Arbeitnehmers. Dieser hat daher Anspruch darauf, dass auf sein Wohl und seine berechtigten Interessen Rücksicht genommen wird, dass er vor Gesundheitsgefahren, auch psychischer Art, geschützt wird, und dass er keinem Verhalten ausgesetzt wird, das bezweckt oder bewirkt, dass seine Würde verletzt und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird. Der Arbeitgeber ist in diesem Zusammenhang insbesondere auch zum Schutz der Gesundheit und des Persönlichkeitsrechts des Arbeitnehmers verpflichtet (BAG 28.10.2010 – 8 AZR 546/09 – Rn. 18 mwN). Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist das Recht des Einzelnen auf Achtung und Entfaltung seiner Persönlichkeit. Zum Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gehört auch der sog. Ehrenschutz, der ua. auch den Schutz gegen herabsetzende, entwürdigende Verhaltensweisen und die Wahrung des sozialen Geltungsanspruchs gerichtet ist. Er umfasst damit auch den Anspruch auf Unterlassung der Herabwürdigung und Missachtung durch andere (BAG 28.10.2010 – 8 AZR 546/09 – Rn. 19).

55

Die Frage, ob ein Gesamtverhalten als eine einheitliche Verletzung von Rechten des Arbeitnehmers zu qualifizieren ist und ob einzelne Handlungen oder Verhaltensweisen für sich genommen oder in der Gesamtschau einen rechtsverletzenden Charakter haben, muss aufgrund einer Güter- und Interessenabwägung unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalles beurteilt werden (BAG 28.10.2010 – 8 AZR 546/09 – Rn. 20 mwN).

56

bb) In Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich, dass sowohl das erstinstanzliche als auch das zweitinstanzlich nochmals erweiterte Vorbringen der Klägerin keinen Anspruch auf Schmerzensgeld oder materiellen Schadensersatz unter dem Gesichtspunkt des Mobbings rechtfertigt.

57

(1) Das Arbeitsgericht hat unter ausführlicher und sorgfältiger Würdigung des beiderseitigen Sachvortrags zu den einzelnen von der Klägerin geschilderten Vorgängen festgestellt, dass die einzelnen Handlungen oder Verhaltensweisen weder für sich genommen, noch in einer Gesamtschau rechtsverletzenden Charakter haben, und dies eingehend begründet. Diesen Ausführungen schließt sich die Berufungskammer nach eigener Prüfung und Würdigung des weiteren Vorbringens vollinhaltlich an und nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen hierauf Bezug.

58

Die Rüge der Berufung, das Arbeitsgericht habe keine Gesamtbetrachtung der Vorkommnisse vorgenommen, sondern im Wesentlichen die von der Klägerin geschilderten Einzelvorgänge bewertet, ist nicht berechtigt. Das Arbeitsgericht hat auf Seite 21 und 22 des angefochtenen Urteils ausführlich begründet, dass auch die anzustellende Gesamtschau nicht geeignet sei, den Mobbingvorwurf zu stützen.

59

(2) Soweit die Klägerin in der Berufung als besonders schwerwiegenden Mobbing-Aspekt herausstellt, dass ihr die Beklagte eine „überobligatorische“ Arbeitsmenge zugewiesen habe, so dass sie bis zur gesundheitlichen Erschöpfung habe arbeiten müssen, lässt sich dieser Vorwurf nicht verifizieren.

60

Die Klägerin hat sich in § 2 Ziff. 1 des Arbeitsvertrags zu einer wöchentlichen „Mindestarbeitszeit“ von 40 Stunden verpflichtet, so dass sie regelmäßig 173,33 Monatsstunden zu arbeiten hatte. In § 3 Ziff. 4 des Arbeitsvertrags haben die Parteien außerdem vereinbart, dass Mehr- und Ãœberarbeit vorrangig durch Freizeit ausgeglichen werden soll. Zusätzlich hat sich die Klägerin in § 3 Ziff. 2 verpflichtet, maximal zehn Stunden pro Woche „auf Abruf gemäß § 12 TzBfG“ zu arbeiten. Unabhängig davon, ob diese Vereinbarung gesetzlich überhaupt zulässig ist, hätte die Klägerin, um das Gericht in die Lage zu versetzen, den behaupteten „überobligatorischen“ Arbeitseinsatz zu prüfen, konkret darlegen müssen, dass sie Arbeit in einem die Normalarbeitszeit übersteigenden zeitlichen Umfang verrichtet hat und die – ggf. – geleisteten Ãœberstunden von der Beklagten nicht durch bezahlte Freizeit ausgeglichen worden sind. Daran fehlt es.

61

Ausweislich der von der Beklagten vorgelegten Arbeitszeitnachweise für die Monate Juni und Juli 2013, in denen die Klägerin nach ihrem Vorbringen besonders viel gearbeitet haben will, arbeitete sie im Juni 2013 insgesamt nur 164:15 Stunden (Bl. 377 d.A.). Im Juli 2013 sind ihr von der Beklagten auf das Stundenkonto 160:20 Stunden verbucht worden, wobei die Beklagte für 11 Krankheitstage 73:22 Stunden in den Arbeitszeitnachweis (Bl. 379 d.A.) aufgenommen hat. Die Klägerin durfte die von der Beklagten behaupteten Minusstunden nicht pauschal bestreiten. Sie verkennt die ihr obliegende Darlegungslast, wenn sie lediglich pauschal behauptet, sie habe regelmäßig unbezahlte Ãœberstunden leisten müssen, worauf bereits das Arbeitsgericht hingewiesen hat. Die Klägerin ist für das Vorliegen von Mobbinghandlungen, aus denen sie Schmerzensgeld- und materielle Schadensersatzansprüche herleitet, darlegungs- und beweispflichtig ist (BAG 11.12.2014 – 8 AZR 838/13 – Rn. 15 mwN). Die Anforderungen an die Darlegungslast für behauptete Ãœberstunden (vgl. hierzu BAG 10.04.2013 – 5 AZR 122/12) werden nicht dadurch geringer, dass die Klägerin anstatt im Ãœberstundenprozess Vergütung einzuklagen, Mobbingvorwürfe wegen „überobligatorischer“ Mehrarbeit erhebt und ein Schmerzensgeld iHv. € 50.000,00 verlangt, dass ihr Jahreseinkommen erheblich übersteigt.

62

(3) Soweit die Klägerin geltend macht, ihr sei eine „leitende Position“ in Aussicht gestellt worden, um sie zu einem „überobligatorischen“ Arbeitseinsatz zu bewegen, ohne ihr jedoch die entsprechenden Kompetenzen zu übertragen; ihre Vorgesetzte M. habe ihr erklärt, sie sei für eine leitende Funktion nicht „erwachsen und reif genug“, ist ein mobbingrelevantes Verhalten ebenfalls nicht zu erkennen. Für den behaupteten überobligatorischen Arbeitseinsatz hat die Klägerin – wie oben ausgeführt – nichts Substanzielles vorgetragen. Eine verbindliche Beförderungszusage hat die Beklagte nicht abgegeben. Ein allgemeiner Beförderungsanspruch folgt weder aus der arbeitsvertraglichen Fürsorgepflicht noch aus anderen Vorschriften. Eine unbestimmte Aussicht oder eine bloße Hoffnung auf Erlangung einer leitenden Position, ist nicht geschützt. Der Umstand, dass die Vorgesetzte Müller ihrer Bewertung Ausdruck verliehen hat, der Klägerin fehle (noch) die persönliche Eignung, um Leitungsaufgaben zu meistern, begründet den Mobbingvorwurf nicht.

63

Das Arbeitsgericht hat bereits zutreffend darauf hingewiesen, dass im Arbeitsleben übliche Konfliktsituationen grundsätzlich nicht geeignet sind, die Tatbestandsvoraussetzungen einer Vertragspflichtverletzung oder einer unerlaubten Handlung zu erfüllen (BAG 16.05.2007 – 8 AZR 709/06 -16.05.2007 Rn. 85 mwN; vgl. auch LAG Rheinland-Pfalz – 06.06.2016 – 1 Sa 189/15 – Rn. 197 mwN).

64

Bei den von der Klägerin auch zweitinstanzlich dargelegten „Mobbing-Vorfällen“ handelt es sich um typische Meinungsverschiedenheiten und „Reibereien“ des alltäglichen Arbeitslebens, die die Klägerin subjektiv als unangemessen empfunden haben mag, ohne dass der Schluss auf systematische Anfeindungen und/oder schikanöses oder diskriminierendes Verhalten gerechtfertigt ist. Auch bei einer Gesamtschau der von der Klägerin genannten, behaupteten Vorkommnisse lässt sich nicht feststellen, dass sie vom Geschäftsführer der Beklagten selbst oder ihren Vorgesetzten M. und Sch. durch eine systematische und zielgerichtete Vorgehensweise herabgewürdigt worden ist. Die geschilderten Einzelfälle betreffen das Persönlichkeitsrecht teilweise schon nicht oder in so geringem Maß, dass sie auch in der Gesamtheit nicht das Gewicht einer Persönlichkeitsrechtsverletzung erhalten.

65

cc) Auf die vom Arbeitsgericht vertiefte Frage, ob der Anspruch (auch) daran scheitert, dass es an einer substantiierten Darlegung eines Kausalzusammenhangs zwischen den als Mobbing wahrgenommenen Geschehnissen und den Erkrankungen der Klägerin fehlt, kommt es nicht an. Jedenfalls sprechen die von der Klägerin angegebenen Diagnosen und die vorgelegten medizinischen Unterlagen nicht zweifelsfrei für eine Kausalität. So können bspw. die psychischen Probleme wegen belastender Erlebnisse in der Kindheit nicht der Beklagten zugerechnet werden.

66

2. Der zweitinstanzliche Klageantrag zu 2) ist zulässig, aber unbegründet.

67

a) Die Klägerin hat zweitinstanzlich ihren Antrag auf Schadensersatz wegen Verdienstausfalls beziffert. Der Antrag ist hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die Klägerin macht nunmehr als Schaden die entgangene Grundvergütung von Mai 2014 bis März 2016 (23 Mon. x € 2.513,50 brutto) iHv. € 57.810,50 brutto abzüglich der Lohnersatzleistungen (Krankengeld vom 27.04.2014 bis 13.09.2015, Arbeitslosengeld vom 14.09.2015 bis 31.03.2016) iHv. € 29.775,52 netto geltend.

68

b) Die zweitinstanzliche Klageänderung ist – entgegen der Ansicht der Beklagten – sachdienlich iSd. § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG iVm. § 533 ZPO. Sie kann auch auf Tatsachen gestützt werden, die das Berufungsgericht seiner Entscheidung ohnedies zugrunde zu legen hat. Durch die Zulassung der Klageänderung kann der sachliche Streitstoff im Rahmen des anhängigen Verfahrens ausgeräumt und einer neuen Klage vorgebeugt werden. Die nunmehr beziffert geltend gemachten Ansprüche auf Verdienstausfall knüpfen an den bisherigen Prozessstoff an.

69

c) Die Zahlungsklage ist unbegründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte für die Zeit vom Mai 2014 bis März 2016 keinen Anspruch auf Ersatz von Verdienstausfall.

70

Die Klägerin ist seit dem 16.04.2014 ununterbrochen arbeitsunfähig erkrankt. Der sechswöchige Entgeltfortzahlungszeitraum endete, weil eine Fortsetzungserkrankung vorlag, nach ihrem Vorbringen am 26.04.2014. Ab dem 27.04.2014 zahlte ihr die gesetzliche Krankenkasse bis zum 13.09.2015 Krankengeld. Seit dem 14.09.2015 wird ihr Arbeitslosengeld gewährt. Die Beklagte ist seit dem 27.04.2014 nicht verpflichtet, der Klägerin bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Erkrankung die Differenz zwischen Krankengeld oder Arbeitslosengeld und der regelmäßigen Arbeitsvergütung als Verdienstausfallschaden zu ersetzen. Es fehlt an einer Anspruchsgrundlage. Ein Schadensersatzanspruch auf entgangene Arbeitsvergütung (§ 252 BGB) scheitert daran, dass der Beklagten bzw. ihren Erfüllungsgehilfen keine Pflichtverletzung vorzuwerfen ist. Insoweit kann zur Vermeidung von Wiederholungen auf die obigen Ausführungen (unter Ziff. 1b) verwiesen werden.

71

3. Der Klageantrag zu 3) ist zulässig, aber unbegründet.

72

a) Der Feststellungsantrag ist entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts zulässig. Wird Klage auf Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz künftiger Schäden erhoben, liegt ein Feststellungsinteresse iSd. § 256 Abs. 1 ZPO vor, wenn der Schadenseintritt möglich ist, auch wenn Art und Umfang sowie Zeitpunkt des Eintritts noch ungewiss sind. Es muss lediglich eine gewisse Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts bestehen (BAG 17.03.2016 – 8 AZR 677/14 – Rn. 20 mwN). Dafür genügt die nicht eben entfernt liegende Möglichkeit künftiger Verwirklichung der Ersatzpflicht durch Auftreten weiterer, bisher noch nicht erkennbarer oder voraussehbarer Leiden (BAG 22.07.2010 – 8 AZR 1012/08 – Rn. 105 mwN). Dies erscheint auf der Grundlage der von der Klägerin behaupteten gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht gänzlich fernliegend, zumal der für eine Gesundheitsschädigung verantwortliche Schädiger grundsätzlich auch für Folgewirkungen einstehen muss, die auf einer psychischen Prädisposition beruhen (BGH 13.06.2013 – IX ZR 155/11 – Rn. 15 mwN).

73

b) Der Feststellungsantrag ist unbegründet, weil – wie oben unter Ziff. 1b ausgeführt – die sachlich-rechtlichen Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs nicht vorliegen, also insbesondere kein haftungsrechtlich relevanter Eingriff in ein geschütztes Rechtsgut der Klägerin gegeben ist, der zu den für die Zukunft befürchteten Schäden führen kann.

III.

74

Die Klägerin hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Berufung zu tragen.

75

Ein Grund, der nach den hierfür maßgeblichen gesetzlichen Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG die Zulassung der Revision rechtfertigen könnte, besteht nicht.

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