Die Knallerei zu Silvester bringt nicht immer nur Spaß, sondern kann wie im einschlägigen Fall zu einem Schaden von rund 0,5 Millionen € führen.
Dabei war Silvester eigentlich schon vorbei. Es geschah am 1. Januar um 20.21 Uhr, als der spätere Beklagte vor dem von ihm bewohnten Haus auf dem Wohngrundstück eine Leuchtrakete zündete, die er zuvor in einen Schneehaufen gesteckt hatte. Die Rakete stieg zunächst zirka fünf Meter gerade nach oben, schwenkte dann zur Seite und drang durch eine etwa 67 bis 87 Millimeter breite Spalte zwischen der Außenwand und dem Dach in eine ca. zwölf Meter von der Abschussstelle entfernte Scheune ein. Dort explodierte sie und setzte den Gebäudekomplex (Scheune, Getreidelager, Schweinestall, Wohnhaus und Garagen) in Brand.
Die Klägerin regulierte den Schaden des bei ihr versicherten Eigentümers. Sie verlangt von dem Beklagten aus übergegangenem Recht die Zahlung von 417. 720, 91 €. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat einen deliktsrechtlichen Anspruch der Klägerin verneint und einen verschuldensunabhängigen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch dem Grunde nach bejaht.
Wegen Fehlens eines nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruchs nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB analog richtet, hat der BGH das vorinstanzliche Urteil aufgehoben.
Der Anspruch des Grundstückseigentümers gegen seinen Nachbarn auf Unterlassung von Einwirkungen, welche die Benutzung des Grundstücks wesentlich beeinträchtigen, besteht erst dann, wenn die Beeinträchtigung durch eine bestimmte Nutzung oder einen bestimmten Zustand des Nachbargrundstücks bereits eingetreten ist oder zumindest konkret droht. Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB analog setzt voraus, dass die beeinträchtigende Einwirkung von einer der konkreten Nutzung entsprechenden Benutzung des Nachbargrundstücks ausgeht und zu diesem einen sachlichen Bezug aufweist (BGH, Urteil vom 18. September 2009 – V ZR 75/08).
Zwar mag sich das Abschießen einer Feuerwerksrakete am Neujahrstag (noch) im Rahmen der hier maßgeblichen Nutzung des Grundstücks zu Wohnzwecken bewegen. Ein darüber hinausgehender sachlicher Bezug zu diesem sei jedoch nicht erkennbar. Durch das Abschießen einer Feuerwerksrakete auf dem eigen genutzten Grundstück ist somit nicht der nachbarschaftliche Nutzungskonflikt betroffen, so dass § 906 BGB nicht einschlägig sei.
Allerdings hält nach dem BGH die Begründung, die das Berufungsgericht zur Ablehnung einer Haftung des Beklagten nach § 823 Abs. 1 BGB wegen einer fahrlässigen Eigentumsverletzung gegeben hat, der revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand.
Nach Ansicht des BGH hat das Berufungsgericht die erstmals in der Berufungsbegründung aufgestellte Behauptung, das Scheunengebäude habe auf der dem von dem Beklagten bewohnten Anwesen zugewandten Seite über drei Fenster und zwei Tore sowie im Dachbereich über geöffnete Entlüftungskamine verfügt, zu Unrecht als verspätet zurückgewiesen hat. Hierdurch wurde die Klägerin in ihrem verfassungsrechtlichen Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt.
Das Landgericht hätte daher, sofern es von einer lückenlosen Verkleidung der Scheune mit nicht brennbaren Baustoffen ausgehen wollte, den Parteien zur Vermeidung einer Überraschungsentscheidung zunächst rechtliches Gehör (§ 139 Abs. 2 ZPO) gewähren müssen. Es erscheint daher nicht ausgeschlossen, dass das Berufungsgericht bei der Berücksichtigung des zu Unrecht zurückgewiesenen Vorbringens ein fahrlässiges Handeln des Beklagten und eine daraus gegebenenfalls resultierende Haftung nach § 823 Abs. 1 BGB anders beurteilt hätte. Insoweit war die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit dieses die unterbliebenen Feststellungen nachholen kann.
Volltext des Urteils des Bundesgerichtshofs: BGH, Urteil vom 18. September 2009 – V ZR 75/08