Monatsarchiv 27. September 2015

VonRA Moegelin

Verbot von Casino- und Pokerspielen im Internet

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one-armed-bandit-manchot-igPer Eilbeschluss hat das Verwaltungsgericht Berlin über die Rechtmäßigkeit einer gegenüber zwei großen Glücksspielanbietern ergangene Untersagungs-Verfügung des Landesamtes für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten (LABO) entschieden.

Die Antragstellerinnen mit Hauptsitz in Malta bieten im Internet Casino- und Pokerspiele an. Nach dem Glücksspielstaatsvertrag der Länder sind solche Glücksspiele im Internet verboten. Nachdem die Länder im August 2014 übereingekommen waren, das Verbot flächendeckend durchzusetzen, untersagte das LABO den Antragstellerinnen im Februar 2015 die Abhaltung solcher Glücksspiele im Internet „im Land Berlin“. Ferner forderte die Behörde einen deutlichen Hinweis darauf, dass an derartigen Spielen nur diejenigen Spieler in Deutschland teilnehmen dürften, an deren Aufenthaltsort zum Zeitpunkt der aktiven Spielaufnahme die Teilnahme nach der dort gültigen Rechtslage ausdrücklich erlaubt sei. Spieler seien über den Aufenthaltsort zum Zeitpunkt der aktiven Spielaufnahme zu befragen. Schließlich müsse mithilfe geeigneter technischer Methoden eine aktive Spielteilnahme vom Land Berlin aus ausgeschlossen werden.

Hiergegen wandten sich die Antragstellerinnen mit ihrem Eilantrag. Sie meinen, das Land Berlin greife sie willkürlich heraus; es gebe insgesamt über 4.000 Anbieter derartiger Angebote, so dass das Vorgehen nicht konsequent sei. Sie berufen sich auf glücksspielrechtliche Erlaubnisse aus Malta und aus Schleswig-Holstein, wo vorübergehend eine andere Rechtslage galt. Insbesondere aber herrsche in Deutschland ein Vollzugsdefizit, das das Vorgehen der Behörde als nicht kohärent im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs erscheinen lasse. Zudem könnten Internetsperren einfach umgangen werden.

Das Verwaltungsgericht Berlin hat den Eilantrag zurückgewiesen.

Für die Veranstaltung unerlaubten Glücksspiels im Internet könnten sich die Antragstellerinnen nicht auf Genehmigungen aus Malta und aus Schleswig-Holstein berufen. Die Rechtslage in Deutschland sei nicht deshalb inkohärent, weil andere Arten von Glücksspielen vom Gesetzgeber als erlaubnisfähig angesehen würden. Die Untersagung sei auch verhältnismäßig. Dem Vorgehen gegen einzelne Anbieter lägen gemeinsam verabschiedete Leitlinien der Länder zugrunde. Danach werde zunächst gegen die großen und umsatzstärksten Anbieter von Casino- und Pokerspielen vorgegangen. Hierzu gehörten die Antragstellerinnen ihrem eigenen Vortrag zufolge. Dies beruhe auf einem planvollen Vorgehen mit dem Ziel einer einheitlichen Vollzugspraxis und sei mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz vereinbar. Die Klärung der Frage, ob Internetsperren technisch umgangen werden könnten, müsse einem etwaigen Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.

Volltext des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Berlin vom 17. September 2015 – 23 L 75.15

(siehe auch. Pressemitteilung Nr. 34/2015 vom 24.09.2015 der Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz von Berlin)

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VonRA Moegelin

Der Richter und seine Tätigkeit als Flugbegleiter

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tilte-1Das OVG Berlin-Brandenburg hatte über die Klage eines Richters des Landes Berlin zu entscheiden, der seine vor der Einstellung als Richter ausgeübten Tätigkeiten als Flugbegleiter und Fluggastabfertiger als besoldungsrechtlich relevante Erfahrungszeit anerkennen lassen wollte, was zu einer Erhöhung seiner Besoldung geführt hätte.

In der 1. Instanz beim Verwaltungsgericht Berlin hatte der Richter noch obsiegt. Das Land Berlin wurde zur Anerkennung dieser Zeiten verpflichtet. Auf die Berufung wurde nun die Klage abgewiesen.

Die Tätigkeit als Flugbegleiter ist keine besoldungsrechtliche Erfahrungszeit eines Richters (Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 17. September 2015 – OVG 4 B 23.13)

Nach Auffassung des Gerichts hat die zuständige Senatsverwaltung die Anerkennung der Vortätigkeiten zu Recht abgelehnt. Nach dem im Land Berlin geltenden Besoldungsrecht seien bei Richtern Zeiten einer früheren Tätigkeit in einem nicht-juristischen Beruf als Erfahrungszeit anzuerkennen, wenn die Tätigkeit für den Erwerb der nach dem Deutschen Richtergesetz notwendigen sozialen Kompetenz förderlich sein konnte. Von dieser Regelung würden nur solche Tätigkeiten erfasst, bei denen der persönliche Umgang mit anderen Menschen im Vordergrund stehe und der soziale Kontakt prägend sei, weil nur solche Tätigkeiten geeignet seien, die von einem Richter geforderte soziale Kompetenz zu begründen. Diese Voraussetzung hat der Senat für die Berufe eines Flugbegleiters und eines Fluggastabfertigers verneint. Nach dem Berufsbild dieser Tätigkeiten stehe die Erbringung standardisierter Serviceleistungen im Mittelpunkt. Der Umgang mit anderen Menschen beschränke sich darauf, in diesem Rahmen die reibungslose Durchführung des Flugverkehrs zu gewährleisten.

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der höchstrichterlich noch nicht geklärten Fragen hat das OVG die Revision zum Bundesverwaltungsgericht zugelassen.

(vgl. Pressemitteilung des Verwaltungsgerichts Berlin Nr. 9/2013 vom 18.09.15).

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VonRA Moegelin

Urlaubsgewährung nach fristloser Kündigung

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1313315951Dem Bundesarbeitsgericht lag der Fall eines Arbeitnehmers zugrunde, der bei seinem Arbeitgeber dem 1. Oktober 1987 beschäftigt war. Mit Schreiben vom 19. Mai 2011 kündigte der Arbeitgeber (die spätere Beklagte) das Arbeitsverhältnis außerordentlich mit sofortiger Wirkung und hilfsweise fristgemäß zum 31. Dezember 2011. Im Kündigungsschreiben heißt es: „Im Falle der Wirksamkeit der hilfsweise fristgemäßen Kündigung werden Sie mit sofortiger Wirkung unter Anrechnung sämtlicher Urlaubs- und Überstundenansprüche unwiderruflich von der Erbringung Ihrer Arbeitsleistung freigestellt.“ Im Kündigungsrechtsstreit schlossen die Parteien einen Vergleich, in dem sie die wechselseitigen Ansprüche regelten.

Die gegen den Vergleich gerichtete Klage hat das Arbeitsgericht abgewiesen, mit der der Kläger die Abgeltung von 15,5 Urlaubstagen verlangt. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Revision der Beklagten hatte vor dem Neunten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg.

Kündigt ein Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis fristlos sowie hilfsweise ordentlich unter Wahrung der Kündigungsfrist und erklärt er im Kündigungsschreiben, dass der Arbeitnehmer für den Fall der Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung unter Anrechnung der Urlaubsansprüche von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt wird, wird der Anspruch des Arbeitnehmers auf bezahlten Erholungsurlaub nicht erfüllt, wenn die außerordentliche Kündigung unwirksam ist. Nach § 1 BUrlG setzt die Erfüllung des Anspruchs auf Erholungsurlaub neben der Freistellung von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung auch die Zahlung der Vergütung voraus. Deshalb gewährt ein Arbeitgeber durch die Freistellungserklärung in einem Kündigungsschreiben nur dann wirksam Urlaub, wenn er dem Arbeitnehmer die Urlaubsvergütung vor Antritt des Urlaubs zahlt oder vorbehaltlos zusagt.

Zwar hat die Beklagte mit der Freistellungserklärung im Kündigungsschreiben den Anspruch des Klägers auf bezahlten Erholungsurlaub mangels einer vorbehaltlosen Zusage von Urlaubsentgelt nicht erfüllt. Die Klage war jedoch abzuweisen, weil die Parteien in dem vor dem Arbeitsgericht geschlossenen Vergleich ihre Ansprüche abschließend regelten.

(vgl. Pressemitteilung Nr. 2/15 des BAG)

Volltext des Urteils des Bundesarbeitsgerichts vom 10. Februar 2015 – BAG 9 AZR 455/13

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VonRA Moegelin

Kein Entgelt für Schwarzarbeit bei Mängeln des Werkvertrages

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ninja-deskIn einem Fall der dem BGH zugrunde lag, beauftragte der Kläger den Beklagten mit der Ausführung von Dachausbauarbeiten. Vereinbart wurde ein Werklohn von 10.000 € ohne Umsatzsteuer. Der Beklagte führte die Arbeiten aus und stellte eine Rechnung ohne Steuerausweis. Der Kläger zahlte den geforderten Betrag. Mit der Klage begehrt er jetzt Rückzahlung von 8.300 € wegen Mängeln der Werkleistung.

Das Oberlandesgericht hat der Klage insoweit stattgegeben. Der Bundesgerichtshof hat die Entscheidung des Oberlandesgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen.

Ist ein Werkvertrag wegen Verstoßes gegen das Verbot des § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG nichtig, so steht dem Besteller, der den Werklohn bereits gezahlt hat, gegen den Unternehmer auch dann kein Rückzahlungsanspruch unter dem Gesichtspunkt einer ungerechtfertigten Bereicherung zu, wenn die Werkleistung mangelhaft ist (Bundesgerichtshof, Urteil vom 11. Juni 2015 – VII ZR 216/14).

Der Beklagte hat bewusst gegen § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG verstoßen, indem er mit dem Kläger, der dies auch zu seinem Vorteil ausgenutzt hat, vereinbart, dass für den Werklohn keine Rechnung mit Steuerausweis gestellt und keine Umsatzsteuer gezahlt werden sollte.

Der Bundesgerichtshof hat bereits entschieden, dass in solchen Fällen weder Mängelansprüche des Bestellers noch Zahlungsansprüche des Werkunternehmers bestehen (BGH, Urteile vom 1. August 2013 – VII ZR 6/13 und vom 10. April 2014 – VII ZR 241/13, vgl. Pressemitteilungen vom 1. August 2013 und vom 10. April 2014).

Dem Kläger (Besteller) steht auch kein Anspruch auf Ausgleich der Bereicherung des Beklagten (Unternehmers) zu, die darin besteht, dass er für die mangelhafte Werkleistung zu viel bezahlt hat. Zwar kann ein Besteller, der aufgrund eines nichtigen Vertrags Leistungen erbracht hat, von dem Unternehmer grundsätzlich die Herausgabe dieser Leistungen verlangen. Dies gilt jedoch gem. § 817 Satz 2 BGB nicht, wenn der Besteller mit seiner Leistung gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen hat. Das ist hier der Fall. Entsprechend der Zielsetzung des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes, die Schwarzarbeit zu verhindern, verstößt nicht nur die vertragliche Vereinbarung der Parteien gegen ein gesetzliches Verbot, sondern auch die in Ausführung dieser Vereinbarung erfolgende Leistung, somit auch die Zahlung.

Der Anwendung des § 817 Satz 2 BGB stehen die Grundsätze von Treu und Glauben nicht entgegen. Die Durchsetzung der vom Gesetzgeber mit dem Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz verfolgten Ziele, die Schwarzarbeit effektiv einzudämmen, erfordert eine strikte Anwendung dieser Vorschrift. Insoweit ist eine andere Sicht geboten, als sie vom Senat noch zum Bereicherungsanspruch nach einer Schwarzarbeiterleistung vertreten wurde, die nach der alten Fassung des Gesetzes zur Bekämpfung der Schwarzarbeit zu beurteilen war (BGH, Urteil vom 31. Mai 1990 – VII ZR 336/89).

(vgl. Pressemitteilung des BGH Nr. 95/15)

Volltext des Urteils des Bundesgerichtshofs vom 11. Juni 2015:  BGH VII ZR 216/14

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VonRA Moegelin

Befristung von Arbeitsverträgen mit Ärzten in Weiterbildung

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124_doctorDas LAG BW hatte über die Wirksamkeit der Befristung des Arbeitsvertrags mit einer Ärztin in Weiterbildung zu entscheiden. Anwendung findet hier das Gesetz über befristete Arbeitsverträge mit Ärzten in der Weiterbildung. Die Befristung ist nach § 1 Abs. 1 nur dann zulässig, wenn die Beschäftigung des Arztes seiner zeitlich und inhaltlich strukturierten Weiterbildung dient.

Wörtlich heißt es in Absatz 1: „Ein die Befristung eines Arbeitsvertrags mit einem Arzt rechtfertigender sachlicher Grund liegt vor, wenn die Beschäftigung des Arztes seiner zeitlich und inhaltlich strukturierten Weiterbildung zum Facharzt oder dem Erwerb einer Anerkennung für einen Schwerpunkt oder dem Erwerb einer Zusatzbezeichnung, eines Fachkundenachweises oder einer Bescheinigung über eine fakultative Weiterbildung dient.“

Der Entscheidung des LAG lag der Fall einer approbierten Ärztin und Klägerin zugrunde, die im April 2007 die Gebietsbezeichnung „Fachärztin für innere Medizin“ erwarb. Im weiteren Verlauf setzte sie ihre Weiterbildung fort, um die Anerkennung für die Schwerpunktbezeichnung „Gastroenterologie“ zu erwerben. Zu diesem Zweck schloss sie mit dem beklagten Krankenhausträger einen befristeten Arbeitsvertrag für die Zeit vom 01.07.2012 bis 30.06.2014. Welche Abreden die Ärztin mit dem verantwortlichen Chefarzt über die Durchführung der Weiterbildung getroffen hat, ist zwischen den Parteien streitig geblieben. Im Verlauf des Arbeitsverhältnisses kam es zwischen der Klägerin und dem Chefarzt zu Unstimmigkeiten. Die Klägerin hielt dem Chefarzt vor, er mache es ihr durch die Dienstplangestaltung unmöglich, die erforderlichen Weiterbildungsinhalte zu erwerben. Der Chefarzt hielt der Klägerin vor, sie setze die falschen Schwerpunkte und kümmere sich nicht selbst um ihre Weiterbildung.

Die Beklagte entsprach dem Wunsch der Klägerin, das Arbeitsverhältnis zur Beendigung der Weiterbildung über den 30.06.2014 hinaus zu verlängern, nicht. Mit ihrer Klage begehrte die Klägerin die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund der Befristung nicht geendet hat.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und der Klage stattgegeben.

Der Arbeitgeber hat bei Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrags mit einem Arzt in Weiterbildung eine Weiterbildungsplanung erstellen, die zeitlich und inhaltlich auf die konkrete Weiterbildung zugeschnitten ist. Nur unter dieser Voraussetzung dient die Beschäftigung des Arztes seiner zeitlich und inhaltlich strukturierten Weiterbildung. Die Weiterbildungsplanung muss zwar nicht Inhalt der (schriftlichen) Befristungsabrede sein; sie muss aber objektiv vorliegen und im Prozess dargelegt werden (Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 11.09.2015 – 1 Sa 5/15).

An der Darlegung einer derartigen Weiterbildungsplanung fehte es jedoch nach den richterlichen Feststellungen, so dass die Befristung des Arbeitsverhältnisses rechtsunwirksam war.

Das LAG hat die Revision zum Bundesarbeitsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

(vgl. Pressemitteilung des LAG BW vom 11.09.15)

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VonRA Moegelin

Hartz IV-Kürzung für Wurstverkäuferin auf Diät

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Artist-sausageDas Sozialgericht Berlin hatte zu entscheiden, ob einer Wurstverkäuferin auf Diät –sie ist eine sogenannte Hartz IV-Aufstockerin- ihr Anspruch auf Hartz IV gekürzt werden darf. Nach Ansicht des Jobcenters dürfe nicht verzehrte Betriebsverpflegung pauschal als Einkommen auf den Hartz IV-Anspruch angerechnet werden

Dem lag der Fall einer Verkäuferin zugrunde, die in einem Berliner Betrieb für Fleisch- und Wurstwaren arbeitete. Als sogenannte Aufstocker erhielten sie und ihr Kind vom Jobcenter Berlin-Reinickendorf ergänzende Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende („Hartz IV“). Auf den ALG II – Anspruch rechnete das Jobcenter allerdings nicht nur das ausgezahlte Erwerbseinkommen von monatlich rund 1000 Euro an, sondern entsprechend den Vorgaben der ALG II-Verordnung auch eine Pauschale für die Pausenverpflegung, die der Arbeitgeber seinen Angestellten zur Verfügung stellte (monatlich zwischen rund 35 und 50 Euro).

Mit ihrer im Juni 2014 erhobenen Klage wandte sich die Klägerin gegen die Anrechnung der Verpflegungspauschale. Sie trug vor, dass sie die zur Verfügung gestellten Speisen gar nicht gegessen habe. Aus gesundheitlichen Gründen habe sie viel abgenommen und sehr auf ihre Ernährung geachtet. Das Essen – viel Fleisch, Wurst, Salate mit Mayonnaise – sei jedoch sehr fett und kohlenhydratreich gewesen. Dass trotzdem eine Pauschale angerechnet werde, verletze sie in ihren Persönlichkeitsrechten.

Das Gericht hat der Verkäuferin, bzw. Klägerin, Recht gegeben und die Bescheide des Jobcenters abgeändert. Das Urteil ist rechtskräftig.

Nicht verzehrte Betriebsverpflegung darf nicht pauschal als Einkommen auf Hartz IV-Anspruch angerechnet werden. Pausenverpflegung, die ein Arbeitgeber bereitstellt, darf nicht pauschal zur Kürzung des Regelbedarfs von Leistungsberechtigten führen. Dies gilt erst recht, wenn sie – wie hier – aus gesundheitlichen Gründen gar nicht verzehrt wird (Sozialgericht Berlin, Urteil vom 23. März 2015 S 175 AS 15482/14).

Die hier einschlägige Norm und zwar § 2 Abs. 5 der ALG II-Verordnung zur Anrechnung von Verpflegung verstößt nach ansicht des Gerichts gegen höherrangiges Recht. Sie beachte nicht, dass nach dem Grundprinzip der Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) eine abschließend pauschalierte Leistung zur Sicherung des Lebensunterhaltes gewährt werde (die sogenannte Regelleistung). Eine aufwendige individuelle Bedarfsermittlung sei daneben weder zugunsten noch zulasten der Leistungsempfänger vorgesehen. Die pauschalierte Regelleistung solle gerade die Selbstverantwortung und Eigenständigkeit der Hilfeempfänger fördern. Bedürfnislosigkeit dürfe nicht zum Leistungsentzug führen.

Selbst aber wenn man die Wirksamkeit der Vorschrift unterstellen würde, hätte sie einschränkend ausgelegt werden müssen. Unter Beachtung des Selbstbestimmungsrechts und der allgemeinen Handlungsfreiheit der Leistungsbezieher könne eine Anrechnung von Verpflegung nur erfolgen, wenn sie auch tatsächlich verzehrt worden ist. Das Normverständnis des Jobcenters, das allein auf die Bereitstellung der Verpflegung abstelle, beeinträchtige die Betroffenen in ihrer grundrechtlich geschützten Entscheidungsfreiheit. Es sei leistungsrechtlich zu respektieren, wenn Leistungsempfänger auf angebotene Verpflegung verzichteten, zum Beispiel aufgrund religiöser Speisevorschriften, aus gesundheitlichen oder ethisch-moralischen Gründen.

Volltext des Urteils des Sozialgerichts Berlin: S 175 AS 15482/14

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