Monatsarchiv 13. Mai 2015

VonRA Moegelin

Vertragsstrafe wegen Eigenkündigung in der Probezeit

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captalistpictureEin Arbeitgeber verlangt von seiner ehemaligen Arbeitnehmerin die Zahlung einer Vertragsstrafe gemäß einer Klausel im Arbeitsvertrag in Höhe eines Brutto-Monatslohns. Sie hatte in der Probezeit eine Eigenkündigung erklärt.

Die Klausel ist wie folgt formuliert:

„§ 4 Vertragsstrafe

Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, eine Vertragsstrafe in Höhe einer regelmäßigen Bruttomonatsvergütung (ohne Überstunden- und sonstige Zuschläge) zu zahlen, wenn er das Anstellungsverhältnis rechtswidrig nicht aufnimmt oder vertragswidrig vorzeitig beendet.“

Damit in Zusammenhang steht folgende Regelung der Parteien:

„§ 3 Probezeit / Kündigungsfristen

Die ersten sechs Monate des Anstellungsverhältnisses gelten als Probezeit. Während der Probezeit können beide Parteien den Anstellungsvertrag mit einer Frist von zwei Wochen kündigen.

Nach Ablauf der Probezeit ist eine Kündigung nur unter Einhaltung einer Frist von 12 Wochen zum Monatsende zulässig. Verlängert sich diese Kündigungsfrist für die Firma aus gesetzlichen Gründen, gilt diese Verlängerung auch für den Arbeitnehmer. 

Nach der richterlichen Wertung handelt es sich bei dieser Vertragsstrafenklausel um eine allgemeine Geschäftsbedingung gemäß § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB, die die beklagte Arbeitnehmerin iSd. § 307 Abs. 1 BGB unangemessen benachteiligt

Das Vertragsstrafenversprechen benachteiligt die Arbeitnehmerin unangemessen, weil die vorgesehene Vertragsstrafe in Höhe einer regelmäßigen Bruttomonatsvergütung für den Fall, dass sie das Anstellungsverhältnis während der Probezeit vertragswidrig vorzeitig beendet, eine Ãœbersicherung des Arbeitgebers darstellt. Die entsprechende Klausel des Arbeitsvertrages ist damit insgesamt unwirksam (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23. September 2010 – 8 AZR 897/08).

Dass die Vertragsstrafe erst durch eine nach Ansicht des Arbeitgebers vertragswidrige außerordentliche Kündigung der Beklagten nach Ablauf der Probezeit unter Geltung der vertraglich vereinbarten ordentlichen Kündigungsfrist von zwölf Wochen zum Monatsende verwirkt worden ist, hält das BAG für unerheblich. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung, ob eine Vertragsstrafenabrede wirksam ist, ist demnach der Arbeitsvertragsschluss. § 307 BGB äuft auf eine Rechtsgeschäftskontrolle hinaus, welche die formularmäßige Strafabrede zum Zeitpunkt ihrer Vereinbarung prüft und nicht zum Zeitpunkt ihrer Verwirkung. Eine Teilung der Vertragsstrafenklausel in einen zulässigen Regelungsteil nach der Probezeit und einen unzulässigen Regelungsteil davor ist demnach nicht zulässig. Die in der arbeitsvertraglichen Klausel geregelte Vertragsstrafe ist unangemessen hoch, weil die Strafzahlung auch in der Konstellation gelten soll, in der sich der Arbeitnehmer rechtmäßig mit einer Kündigungsfrist von zwei Wochen vom Vertrag lösen könnte. Die vereinbarte Vertragsstrafe übersteigt bei einer vertragswidrigen vorfristigen Lossagung vom Arbeitsverhältnis in den ersten sechs Monaten den Wert der Arbeitsleistung für die in dieser Zeit einzuhaltende Kündigungsfrist.

Damit hat der Arbeitgeber keinen Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe, so dass seine Revision zurückzuweisen war.

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VonRA Moegelin

Berliner Mietspiegel 2013 unwirksam – nicht nach wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt

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HOME-SWEET-HOME-2Nach Ansicht des AG Charlottenburg ist der Berliner Mietspiegel 2013 nicht nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt. Das Urteil des Amtsgerichts Charlottenburg zum Berliner Mietspiegel könnte Folgen für viele Mieter haben, da er eine Richtschnur für eine Vielzahl von Mietverhältnissen darstellt.

Das Amtsgericht Charlottenburg hat in seinem Urteil der Klage einer Vermieterin auf Zustimmung der Mieter zu einem Mieterhöhungsverlangen von monatlich 853,21 EUR auf 946,99 EUR netto kalt (bei einer Größe von 131,71 m² entsprechend 7,19 EUR pro Quadratmeter) stattgegeben. Nach durchgeführter Beweisaufnahme durch Einholung eines Sachverständigengutachtens hat das Amtsgericht entschieden, dass dem Berliner Mietspiegel 2013 keine gesetzliche Vermutungswirkung gemäß § 558 d Abs. 3 BGB zukomme, da die von den Erstellern des Mietspiegels vorgenommene Extremwertbereinigung nicht nach anerkannten wissenschaftlichen Methoden erfolgt sei. Dadurch seien relevante vergleichbare Mieten in dem hier maßgeblichen Mietspiegelfeld K 1 (Altbau, bezugsfertig vor 1918, Größe der Wohnung über 90 m², mittlere Wohnlage, mit Sammelheizung, Bad und WC in der Wohnung) mit Mieten von 7,00 EUR bis 11,00 EUR pro m² zu Unrecht als Wucher eingestuft worden und unberücksichtigt geblieben. Außerdem entspreche die Einordnung der verschiedenen Wohnlagen in die Kategorien „einfach“, „mittel“ und „gut“ nicht anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen.

Aufgrund der festgestellten fehlerhaften Extremwertbereinigung könne der Mietspiegel auch nicht als sogenannter einfacher Mietspiegel im Sinne von § 558 c Abs. 1 BGB zur Ermittlung der Vergleichsmiete herangezogen werden. Vielmehr habe dies durch Einholung eines (weiteren) Sachverständigengutachtens zu erfolgen. Nach dem Gutachten sei davon auszugehen, dass die ortsübliche Vergleichsmiete 7,23 EUR pro Quadratmieter betrage und daher das Mieterhöhungsverlangen der klagenden Vermieterin begründet sei.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig; dagegen kann Berufung beim Landgericht Berlin eingelegt werden.

Volltext des Urteils des Amtsgerichts Charlottenburg vom 11. Mai 2015: 235 C 133/13

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VonRA Moegelin

Putins Nachtwölfe auf Siegesfahrt nach Berlin

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ussr-2Während Russland ein totalitäres System ist, nutzt Putins Schlägertrupp „Nachtwölfe“ eiskalt unsere rechtsstaatlichen Mittel, um am 9. Mai 2015 Propaganda für den Kreml zu veranstalten. Die auf Putins Lohnliste stehenden Mitglieder der Rockerbande erreichten in zwei Eilverfahren die Aufhebung der zuvor ausgesprochenen Einreiseverweigerung und dürfen nun doch nach Deutschland einreisen.

Am 9. Mai 2015 findet in Berlin ein Motorradkorso aus Anlass des 70. Jahrestages des Sieges der Roten Armee über Deutschland statt, an der die Antragsteller teilnehmen wollen. Sie sind russische Staatsangehörige und im Besitz gültiger Schengen-Visa, die von Italien ausgestellt wurden. Die Bundespolizei verweigerte ihnen am 30. April 2015 am Flughafen Berlin-Schönefeld die Einreise nach Deutschland. Sie reisten daraufhin zurück, halten aber an ihrem Vorhaben fest.

Das Verwaltungsgericht Berlin verpflichtete die Bundesrepublik Deutschland in zwei Verfahren, die Einreise zu dem genannten Zweck jeweils zu gestatten (Verwaltungsgericht Berlin, Beschlüsse der 10. Kammer und der 13. Kammer vom 6. Mai 2015 – VG 10 L 192.15 und VG 13 L 137.15).

Die von der Bundespolizei geltend gemachten Verweigerungsgründe seien nicht tragfähig. Zwar könne nach dem Schengener Grenzkodex Inhabern gültiger Schengen-Visa die Einreise unter anderem verweigert werden, wenn sie eine Gefahr für die öffentliche Ordnung, die innere Sicherheit oder die internationalen Beziehungen eines Mitgliedstaats darstellen. Hinreichende Anhaltspunkte hierfür bestünden aber nicht. Die Annahme, die Einreise der Antragsteller belaste die diplomatischen Beziehungen zu Polen, welches der Gedenkveranstaltung am 9. Mai 2015 kritisch gegenüberstehe, sei nicht hinreichend konkretisiert. Das gelte umso mehr, als die Antragsgegnerin selbst gegen die Gedenkveranstaltung nicht vorgehen wolle, sie die Veranstaltung also entweder nicht als Belastung des deutsch-polnischen Verhältnisses bewerte oder sie eine solche Belastung hinzunehmen bereit sei.

Mitglieder der „Nachtwölfe“ haben sich an der Krim-Annexion beteiligt. Die Mittäterschaft an diesem Völkerrechts-Verbrechen zu Lasten der Ukraine spielte bei der Entscheidung des Gerichts befremdlicherweise keine Rolle.

Gegen die Beschlüsse kann Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg eingelegt werden.

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VonRA Moegelin

Verdachtskündigung eines Bankauszubildenden

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safe2Das BAG hatte die Kündigung eines Azubis zu prüfen, der im Rahmen seiner Banklehre Geld aus einem Tresor gestohlen haben soll. Er absolvierte bei der beklagten Bank ab dem 1. August 2010 eine Berufsausbildung zum Bankkaufmann. Am 20. Juni 2011 zählte er das sich in den Nachttresor-Kassetten einer Filiale befindliche Geld. Später wurde ein Kassenfehlbestand von 500,00 Euro festgestellt. Nach Darstellung der Beklagten nannte der Kläger in einem Personalgespräch von sich aus die Höhe dieses Fehlbetrags, obwohl er nur auf eine unbezifferte Kassendifferenz angesprochen worden war. Die Beklagte hat das Berufsausbildungsverhältnis wegen des durch die Offenbarung von Täterwissen begründeten Verdachts der Entwendung des Fehlbetrags gekündigt. Der Kläger hält die Kündigung für unwirksam. Ein Berufsausbildungsverhältnis könne nicht durch eine Verdachtskündigung beendet werden. Auch fehle es unter anderem an seiner ordnungsgemäßen Anhörung. Ihm sei vor dem fraglichen Gespräch nicht mitgeteilt worden, dass er mit einer Kassendifferenz konfrontiert werden solle. Auf die Möglichkeit der Einschaltung einer Vertrauensperson sei er nicht hingewiesen worden. Zudem habe die Beklagte Pflichten aus dem Bundesdatenschutzgesetz verletzt.

Die Vorinstanzen haben nach Beweisaufnahme die Klage abgewiesen. Die Revision beim Bundesarbeitsgericht hatte keinen Erfolg.

Der dringende Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung des Auszubildenden kann einen wichtigen Grund zur Kündigung des Berufsausbildungsverhältnisses nach § 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG darstellen, wenn der Verdacht auch bei Berücksichtigung der Besonderheiten des Ausbildungsverhältnisses dem Ausbildenden die Fortsetzung der Ausbildung objektiv unzumutbar macht (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 12. Februar 2015 – 6 AZR 845/13).

Das BAG ist der Ansicht, dass die Verdachtskündigung das Ausbildungsverhältnis beendet hat. Das Landesarbeitsgericht habe in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise die Umstände des Falles gewürdigt und insbesondere die Anhörung des Klägers zu Recht als fehlerfrei angesehen. Es bedurfte demnach weder einer vorherigen Bekanntgabe des Gesprächsthemas noch eines Hinweises bezüglich einer möglichen Kontaktierung einer Vertrauensperson. Auch Datenschutzrecht stand der Beweiserhebung und -verwertung nicht entgegen.

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VonRA Moegelin

Wirksamkeit einer Klageverzichtsklausel in einem Aufhebungsvertrag

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leftover_bacon_Vitamin_D_Smashes_CancerIm folgenden Fall geht es um einen Arbeitnehmer und Kläger, der seit 2001 bei einem Unternehmen des Einzelhandels mit 500 Filialen und rund 25.000 Mitarbeitern beschäftigt war. Am 28. Dezember 2012 schlossen die Parteien einen schriftlichen Aufhebungsvertrag, wonach das Arbeitsverhältnis ohne Zahlung einer Abfindung mit dem 28. Dezember 2012 endete. Zuvor hatte die Beklagte dem Kläger mit einer außerordentlichen Kündigung und Strafanzeige gedroht, weil er aus ihrem Lagerbestand zwei Fertigsuppen ohne Bezahlung entnommen und verzehrt habe. Der Vertrag enthielt unter anderem einen Widerrufs- und Klageverzicht. Der auf das Arbeitsverhältnis Anwendung findende Manteltarifvertrag für den Einzelhandel Nordrhein-Westfalen vom 25. Juli 2008 beinhaltet in § 11 Abs. 10 bei Aufhebungsverträgen ein Widerrufsrecht innerhalb von drei Werktagen, auf das allerdings schriftlich verzichtet werden kann. Noch am 28. Dezember 2012 focht der Kläger den Aufhebungsvertrag wegen widerrechtlicher Drohung an und begehrt im vorliegenden Rechtsstreit die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis fortbesteht. Die Androhung einer außerordentlichen Kündigung sei angesichts des langjährigen, unbelasteten Bestands des Arbeitsverhältnisses nicht vertretbar gewesen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat ihr auf die Berufung des Klägers stattgegeben. Auf die Revision der Beklagten hat der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur weiteren Aufklärung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Ein Klageverzicht in einem vom Arbeitgeber vorformulierten Aufhebungsvertrag unterliegt als Nebenabrede einer Inhaltskontrolle nach § 307 BGB. Wird ein solcher formularmäßiger Klageverzicht in einem Aufhebungsvertrag erklärt, der zur Vermeidung einer vom Arbeitgeber angedrohten außerordentlichen Kündigung geschlossen wird, benachteiligt dieser Verzicht den Arbeitnehmer unangemessen iSv. § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB, wenn ein verständiger Arbeitgeber die angedrohte Kündigung nicht ernsthaft in Erwägung ziehen durfte (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 12. März 2015 – 6 AZR 82/14).

Auf die Wirksamkeit des Verzichts auf die tariflich eröffnete Widerrufsmöglichkeit kam es nicht an, weil der Kläger entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts innerhalb der Widerrufsfrist keinen Widerruf iSv. § 11 Abs. 10 MTV erklärt hat. Jedoch nimmt der im Aufhebungsvertrag vorgesehene Klageverzicht dem Kläger im Ergebnis die Möglichkeit, den Vertrag rechtlich durchsetzbar anzufechten. Das ist mit dem gesetzlichen Leitbild nur zu vereinbaren, wenn die Drohung mit der außerordentlichen Kündigung nicht widerrechtlich war. Im Ergebnis teilt damit die Klageverzichtsklausel das rechtliche Schicksal des Aufhebungsvertrags. Das Landesarbeitsgericht muss noch aufklären, ob eine widerrechtliche Drohung vorlag.

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VonRA Moegelin

„ein Kind“… „7 Jahre alt!“ – Bewerbung abgelehnt

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magiaaron-Mischievous-BoyEin Radiosender suchte für eine Vollzeitstelle eine Buchhaltungskraft mit abgeschlossener kaufmännischer Ausbildung. Die Klägerin bewarb sich auf diese Stelle und wies im beigefügten Lebenslauf auf ihre Ausbildungen als Verwaltungsfachfrau und zur Bürokauffrau hin. Außerdem gab sie dort an „Familienstand: verheiratet, ein Kind“. Hierauf erhielt sie eine Absage. Auf dem zurückgesandten Lebenslauf war der Angabe zum Familienstand hinzugefügt „7 Jahre alt!“. Dies und die von der Klägerin stammende Angabe „ein Kind“ war unterstrichen.

Die Klägerin sieht sich als Mutter eines schulpflichtigen Kindes, die eine Vollzeitbeschäftigung anstrebt, benachteiligt. Die Notiz der Beklagten auf ihrem Lebenslauf spreche dafür, dass der beklagte Radiosender Vollzeittätigkeit und die Betreuung eines siebenjährigen Kindes nicht oder nur schlecht für vereinbar halte. Die Beklagte hat eine Entschädigung wegen einer Benachteiligung aufgrund des Geschlechts abgelehnt. Sie hat darauf verwiesen, eine junge verheiratete Frau eingestellt zu haben, die über eine höhere Qualifikation verfüge.

Das Landesarbeitsgericht hat der Klägerin wegen mittelbarer Benachteiligung eine Entschädigung von 3.000,00 € zugesprochen. Die hiergegen gerichtete Revision hatte Erfolg.

Bei einer mittelbaren Benachteiligung wegen des Geschlechts kann die besondere Benachteiligung des einen Geschlechts durch ein dem Anschein nach neutrales Kriterium mit einem Verweis auf statistische Erhebungen dargelegt werden. Die herangezogene Statistik muss aussagekräftig, dh. für die umstrittene Fallkonstellation gültig sein (BAG, Urteil vom 18. September 2014 – 8 AZR 753/13).

Das LAG hat eine Statistik herangezogen, und zwar einen sogenannten Mikrozensus 2010 des Statistischen Bundesamtes, und zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht. Der Mikrozensus untersucht nach Ansicht des BAG nur, aufgeteilt in Lebensformen, die jeweilige Quote der Beschäftigung und in diesem Zusammenhang auch die Verteilung auf die Geschlechter. Vorliegend gehe es jedoch nicht um eine Beschäftigung, sondern um eine angestrebte Beschäftigung, also um die Frage der Behandlung von Bewerbungen. Für den Anteil von Ehefrauen mit Kind an der Gesamtzahl der Vollbeschäftigten lasse der Mikrozensus keine Aussagen für den Fall der Klägerin zu. Auf eine mittelbare Benachteiligung konnte der Anspruch der Klägerin daher nicht gestützt werden.

Eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts iSd. § 3 Abs. 1 Satz 2 AGG liegt nicht vor, weil die Klägerin bei ihrer Bewerbung wegen ihrer „Mutterschaft“ ungünstiger behandelt worden wäre. Unter „Mutterschaft“ ist nur der besondere Schutz der Frau im Zusammenhang mit einer kurz bevorstehenden oder gerade erfolgten Entbindung zu verstehen. Die Betreuung eines bereits siebenjährigen Kindes durch ihre Mutter fällt daher nicht in den Schutzbereich von § 3 Abs. 1 Satz 2 AGG.

Eine arbeitgeberseitige handschriftliche Anmerkung oder Äußerung „ein Kind 7 Jahre alt!“ auf dem Lebenslauf einer Frau kann von dem Verbot unmittelbarer Benachteiligung erfasst sein. Die Beklagte hat die Klägerin mit der Bewerbungsablehnung benachteiligt. Eine solche Benachteiligung liegt nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG vor, wenn eine Person eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Im Verhältnis zur tatsächlich eingestellten, erfolgreichen Person wurde die Klägerin weniger günstig behandelt. Zwischen der benachteiligenden Behandlung und einem durch § 1 AGG verbotenen Anknüpfungsmerkmal muss ein Kausalzusammenhang bestehen.

Eine arbeitgeberseitige handschriftliche Anmerkung „ein Kind 7 Jahre alt!“, kann an sich auf einem Lebenslauf bezüglich der in § 1 AGG genannten Gründe neutral sein, wenn sie bei allen sich bewerbenden Eltern gemacht würde, unabhängig vom Geschlecht und aus einer Motivation heraus, die mit dem AGG offensichtlich in Einklang steht, § 5 AGG. Dies etwa bei einem Arbeitgeber, der sich besonders für die berufliche Entwicklung von Eltern stark macht und bevorzugt diese bei Einstellungen berücksichtigt. Wird dagegen eine solche Anmerkung nur auf Lebensläufen weiblicher Elternteile gemacht, liegt darin eine direkte Benachteiligung „als Frau“, wenn die Äußerung auf die herkömmliche Rollenverteilung zwischen Männern und Frauen bezogen ist und die Problematik der Vereinbarung von Kinderbetreuung und Berufstätigkeit demgemäß nur als Einstellungshindernis für Frauen und Mütter negativ in den Blick genommen wird.

Das Landesarbeitsgericht als Tatsachengericht wird zu prüfen haben, ob in dem Verhalten der Beklagten nicht eine unmittelbare Benachteiligung der Klägerin als Frau zu sehen ist, was eine Auslegung des Vermerks auf dem zurückgesandten Lebenslauf erfordert. Ob die Anmerkung der Beklagten auf dem zurückgesandten Lebenslauf für die Personalauswahl und die Ablehnung der Bewerbung der Klägerin in diesem Sinne Teil des Motivbündels war, obliegt der Beurteilung durch das LAG.

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