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VonRA Moegelin

Änderung der Route einer Arktiskreuzfahrt

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Die Änderung der Route auf einer Arktiskreuzfahrt durch die Nordwestpassage stellt keinen wesentlichen Mangel der gebuchten Reise dar, wenn im Reisevertrag Routenänderungen vorbehalten waren. Im hier einschlägigen Fall wurde daher die Klage des Passagiers auf Minderung des Reisepreises abgewiesen.

Volltext der Pressemitteilung Nr. 5 des Landgerichts München II – 12 O 64/24 vom 12.11.2024:

Das Landgericht München II, Az. 12 O 64/24, hat im Fall mehrerer Reisender gegen einen Reiseveranstalter entschieden: Eine Routenänderung auf der gebuchten Arktiskreuzfahrt durch die Nordwestpassage stellt keinen wesentlichen Mangel dar, weil im Reisevertrag Änderungen vorbehalten waren. Die Klage der Reisenden auf eine Preisminderung wurde daher abgewiesen.

Anders entschied das Gericht beim geforderten Treibstoffkostenzuschlag. Da der Veranstalter keine ausreichende Begründung für die Preiserhöhung nach Vertragsabschluss lieferte, müssen die Reisenden den Zuschlag von 850 Euro nicht zahlen und haben einen Anspruch auf Rückerstattung.

Die drei Kläger und der Klägervertreter hatten zu unterschiedlichen Zeitpunkten im Jahr 2022 jeweils eine dreiwöchige Arktiskreuzfahrt gebucht. Im Reiseprospekt war unterhalb der Karte mit dem Reiseverlauf abgedruckt: „Beispiel-Route, Änderungen vorbehalten!“ Im Januar 2023 teilte der Veranstalter eine Preiserhöhung von 48 $ pro Person und Tag mit. Das Kreuzfahrtschiff fuhr – abweichend vom geplanten Routenverlauf – nicht an der westlichen, sondern an der östlichen Seite der Insel Bylot in den Lancaster Sound ein. Mit ihrer Klage begehrten die Reisenden eine Preisminderung und wollten den erhöhten Treibstoffkostenzuschlag nicht zahlen.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Anwendbare Vorschriften:

§ 651i Absatz 2 Bürgerliches Gesetzbuch

„Die Pauschalreise ist frei von Reisemängeln, wenn sie die vereinbarte Beschaffenheit hat. Soweit die Beschaffenheit nicht vereinbart ist, ist die Pauschalreise frei von Reisemängeln,
1. wenn sie sich für den nach dem Vertrag vorausgesetzten Nutzen eignet, ansonsten
2. wenn sie sich für den gewöhnlichen Nutzen eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Pauschalreisen der gleichen Art üblich ist und die der Reisende nach der Art der Pauschalreise erwarten kann. […]“

§ 651m Bürgerliches Gesetzbuch
„(1) Für die Dauer des Reisemangels mindert sich der Reisepreis. Bei der Minderung ist der Reisepreis in dem Verhältnis herabzusetzen, in welchem zur Zeit des Vertragsschlusses der Wert der Pauschalreise in mangelfreiem Zustand zu dem wirklichen Wert gestanden haben würde. Die Minderung ist, soweit erforderlich, durch Schätzung zu ermitteln.
(2) Hat der Reisende mehr als den geminderten Reisepreis gezahlt, so ist der Mehrbetrag vom Reiseveranstalter zu erstatten. […]“

§ 651f Absatz 1 Bürgerliches Gesetzbuch
„Der Reiseveranstalter kann den Reisepreis einseitig nur erhöhen, wenn
1. […]
2. die Erhöhung des Reisepreises sich unmittelbar ergibt aus einer nach Vertragsschluss erfolgten
a) Erhöhung des Preises für die Beförderung von Personen aufgrund höherer Kosten für Treibstoff oder andere Energieträger,
[…]
Der Reiseveranstalter hat den Reisenden auf einem dauerhaften Datenträger klar und verständlich über die Preiserhöhung und deren Gründe zu unterrichten und hierbei die Berechnung der Preiserhöhung mitzuteilen. Eine Preiserhöhung ist nur wirksam, wenn sie diesen Anforderungen entspricht und die Unterrichtung des Reisenden nicht später als 20 Tage vor Reisebeginn erfolgt.“

Verfasserin der Pressemitteilung:
Dr. Andrea Kürten, Pressesprecherin

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VonRA Moegelin

Haftung des Betreibers einer Waschanlage

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Der Betreiber einer Auto-Waschanlage kann sich nicht durch einen Hinweis auf die mit dem Waschvorgang verbundenen Gefahren entlasten. Das in der Waschanlage angebrachte, mit „Allgemeine Geschäftsbedingungen Autowaschanlagen/Portalwaschanlagen“ überschriebene Schild reicht als Hinweis schon deshalb nicht aus, weil es ausdrücklich nur „nicht ordnungsgemäß befestigte Fahrzeugteile oder (…) nicht zur Serienausstattung des Fahrzeugs gehörende Fahrzeugteile (so wie der hier streitgegenständliche Heckspoiler der zur Serienausstattung gehört) erwähnt.

Volltext der Pressemitteilung Nr. 224/2024 des Bundesgerichtshofs – Urteil vom 21. November 2024 – BGH VII ZR 39/24:

Der unter anderem für das Werkvertragsrecht zuständige VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat über die Haftung des Betreibers einer Autowaschanlage für einen Fahrzeugschaden entschieden.

Sachverhalt und bisheriger Prozessverlauf

Der Kläger verlangt Schadensersatz wegen der Beschädigung seines Fahrzeugs in einer von der Beklagten betriebenen Autowaschanlage, einer sogenannten Portalwaschanlage.
In der Waschanlage befindet sich ein Hinweisschild, das auszugsweise wie folgt lautet:
„Allgemeine Geschäftsbedingungen Autowaschanlagen/Portalwaschanlagen
Die Reinigung der Fahrzeuge in der Waschanlage erfolgt unter Zugrundelegung der nachfolgenden Bedingungen: (…).
Die Haftung des Anlagenbetreibers entfällt insbesondere dann, wenn ein Schaden durch nicht ordnungsgemäß befestigte Fahrzeugteile oder durch nicht zur Serienausstattung des Fahrzeugs gehörende Fahrzeugteile (z.B. Spoiler, Antenne, Zierleisten o.ä.) sowie dadurch verursachte Lackkratzer verursacht worden ist, außer den Waschanlagenbetreiber oder sein Personal trifft grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz.“
Unter diesem Hinweisschild befindet sich ein Zettel mit der Aufschrift:
„Achtung Keine Haftung für Anbauteile und Heckspoiler!“.
Der Kläger fuhr Ende Juli 2021 mit seinem Pkw der Marke Land Rover in die Waschanlage ein, stellte das Fahrzeug ordnungsgemäß ab, verließ die Waschhalle und startete den Waschvorgang. Während des Waschvorgangs wurde der zur serienmäßigen Fahrzeugausstattung gehörende, an der hinteren Dachkante angebrachte Heckspoiler abgerissen, wodurch das Fahrzeug beschädigt wurde. Deswegen verlangt der Kläger von der Beklagten Schadensersatz in Höhe von insgesamt 3.219,31 €, eine Nutzungsausfallentschädigung (119 €) für den Tag der Fahrzeugreparatur sowie die Freistellung von Rechtsanwaltskosten.
Das Amtsgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht die Klage abgewiesen.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs

Die Revision des Klägers war erfolgreich. Sie führte zur Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.
Dem Kläger steht wegen der Beschädigung seines Fahrzeugs gegen die Beklagte ein vertraglicher Schadensersatzanspruch in der geltend gemachten Höhe zu. Der Vertrag über die Reinigung eines Fahrzeugs umfasst als Nebenpflicht die Schutzpflicht des Waschanlagenbetreibers, das Fahrzeug des Kunden vor Beschädigungen beim Waschvorgang zu bewahren. Geschuldet sind diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Anlagenbetreiber für notwendig und ausreichend halten darf, um andere vor Schäden zu bewahren. Hierbei trägt grundsätzlich der Gläubiger die Beweislast dafür, dass der Schuldner eine ihm obliegende Pflicht verletzt und diese Pflichtverletzung den Schaden verursacht hat. Abweichend davon hat sich allerdings der Schädiger nicht nur hinsichtlich seines Verschuldens zu entlasten, sondern muss er auch darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass ihn keine Pflichtverletzung trifft, wenn die für den Schaden in Betracht kommenden Ursachen allein in seinem Obhuts- und Gefahrenbereich liegen.
Ein solcher Fall ist hier gegeben. Die Ursache für die Beschädigung des klägerischen Fahrzeugs liegt allein im Obhuts- und Gefahrenbereich der Beklagten. Nach den außer Streit stehenden Feststellungen des Berufungsgerichts kam es zu der Beschädigung, weil die Waschanlage konstruktionsbedingt nicht für das serienmäßig mit einem Heckspoiler ausgestattete Fahrzeug des Klägers geeignet war. Das Risiko, dass eine Autowaschanlage für ein marktgängiges Fahrzeug wie dasjenige des Klägers mit einer serienmäßigen Ausstattung wie dem betroffenen Heckspoiler konstruktionsbedingt nicht geeignet ist, fällt in den Obhuts- und Gefahrenbereich des Anlagenbetreibers.
Daneben kommt keine aus dem Obhuts- und Gefahrenbereich des Klägers stammende Ursache für den Schaden in Betracht. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts war das Fahrzeug des Klägers vor dem Einfahren in die Waschanlage unbeschädigt und der serienmäßige Heckspoiler ordnungsgemäß angebracht sowie fest mit dem Fahrzeug verbunden. Der Kläger, dem mit seinem marktgängigen, serienmäßig ausgestatteten und in ordnungsgemäßem Zustand befindlichen Fahrzeug von der Beklagten als Betreiberin die Nutzung der Waschanlage eröffnet wurde, konnte berechtigt darauf vertrauen, dass sein Fahrzeug so, wie es ist, also mitsamt den serienmäßig außen angebrachten Teilen, unbeschädigt aus dem Waschvorgang hervorgehen werde. Dieses Vertrauen war insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Risikobeherrschung gerechtfertigt, weil nur der Anlagenbetreiber Schadensprävention betreiben kann, wohingegen der Kunde regelmäßig sein Fahrzeug der Obhut des Betreibers überantwortet, ohne die weiteren Vorgänge selbst beeinflussen zu können. Anders als der Betreiber, der es in der Hand hat, bestimmte Fahrzeugmodelle, die er für schadensanfällig hält, von der Benutzung seiner Anlage auszuschließen und dadurch das Risiko einer Beschädigung zu verringern, ist es dem Kunden regelmäßig nicht möglich, solche Waschanlagen von vornherein zu identifizieren und zu meiden, die konstruktionsbedingt nicht geeignet sind, sein Fahrzeug ohne ein erhöhtes Schadensrisiko zu reinigen.
Die hiernach gegen sie streitende Vermutung der Pflichtverletzung hat die Beklagte nicht widerlegt und den ihr obliegenden Nachweis fehlenden Verschuldens nicht geführt. Ihr Vortrag, die Gefahr der Schädigung des serienmäßig angebrachten Heckspoilers sei ihr nicht bekannt gewesen, weil sich ein solcher Vorfall bislang in der Waschanlage nicht ereignet habe, sie habe diese Gefahr auch nicht kennen müssen und hierfür keine konkreten Anhaltspunkte gehabt, eine hypothetische Erkundigung hätte zudem an dem konkreten Schadensereignis nichts geändert, genügt zu ihrer Entlastung nicht. Es fehlt schon an der Darlegung, ob die Beklagte – die sich ausweislich der in der Waschanlage angebrachten Schilder der Gefahr einer Beschädigung insbesondere von Heckspoilern grundsätzlich bewusst war – sich darüber informiert hat, für welche Fahrzeuge ihre Anlage konstruktionsbedingt ungeeignet ist und daher ein erhöhtes Schadensrisiko besteht. Ebenso wenig ist dargetan, dass sie keine Informationen bekommen hätte, auf deren Grundlage die Beschädigung des klägerischen Fahrzeugs vermieden worden wäre.
Die Beklagte hat sich ferner nicht durch einen ausreichenden Hinweis auf die mit dem Waschvorgang verbundenen Gefahren entlastet. Das in der Waschanlage angebrachte, mit „Allgemeine Geschäftsbedingungen Autowaschanlagen/Portalwaschanlagen“ überschriebene Schild reicht als Hinweis schon deshalb nicht aus, weil es ausdrücklich nur „nicht ordnungsgemäß befestigte Fahrzeugteile oder (…) nicht zur Serienausstattung des Fahrzeugs gehörende Fahrzeugteile (z.B. Spoiler…)“ erwähnt. Nicht nur fällt der Heckspoiler des klägerischen Fahrzeugs nicht hierunter, weil er zur Serienausstattung gehört und ordnungsgemäß befestigt war, sondern die ausdrückliche Beschränkung auf nicht serienmäßige Fahrzeugteile ist sogar geeignet, bei dem Nutzer das Vertrauen zu begründen, mit einem serienmäßig ausgestatteten Pkw die Anlage gefahrlos benutzen zu können. Ebenso wenig stellt der darunter befindliche Zettel mit der Aufschrift „Keine Haftung für Anbauteile und Heckspoiler!“ einen ausreichenden Hinweis dar. Angesichts des darüber befindlichen Schildes mit der ausdrücklichen Beschränkung auf nicht zur Serienausstattung gehörende Teile wird für den Waschanlagennutzer schon nicht hinreichend klar, dass – gegebenenfalls – von diesem Hinweis auch die Nutzung der Waschanlage durch Fahrzeuge mit serienmäßigem Heckspoiler erfasst sein soll.

Vorinstanzen

AG Ibbenbüren – Urteil vom 20. Dezember 2022 – 3 C 268/21
LG Münster – Urteil vom 14. Februar 2024 – 1 S 4/23

Karlsruhe, den 21. November 2024

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VonRA Moegelin

Widerruf der Dienstwagennutzung

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Die arbeitsvertraglich eingeräumte Möglichkeit, einen vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Dienstwagen auch für Privatfahrten nutzen zu dürfen, ist eine zusätzliche Gegenleistung für die geschuldete Arbeitsleistung.
Wird diese Gegenleistungspflicht im Rahmen eines Formulararbeitsvertrages unter einen Widerrufsvorbehalt gestellt, bedarf es einer näheren Beschreibung des Widerrufsgrundes, der auch das Interesse des Arbeitnehmers an der Beibehaltung der Leistung berücksichtigt.
Eine Vertragsklausel, die den Arbeitgeber u.a. berechtigt, die Dienstwagengestellung „aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung des Unternehmens“ zu widerrufen, ist ohne nähere Konkretisierung des aus dieser Richtung kommenden Widerrufsgrundes zu weit gefasst. Nicht jeder Grund, der wirtschaftliche Aspekte betrifft, ist ein anzuerkennender Sachgrund für den Entzug der Dienstwagennutzung und der damit verbundenen privaten Nutzungsmöglichkeit. Für den Arbeitnehmer ist es typisierend betrachtet unzumutbar, die Entziehung hinzunehmen, wenn der Dienstwagen für die auszuübende Tätigkeit gebraucht wird und kostengünstigere Alternativen nicht vorhanden sind (vgl. BAG 13. April 2010 _ 9 AZR 113/09 _, Rn. 40, juris). (Leitsatz)

Volltext des Urteils des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 28.03.2018 – 13 Sa 305/17:

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Celle vom 07.02.2017 (1 Ca 266/16) teilweise abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 7.373,33 € brutto nebst Zinsen hierauf in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf 173,33 € brutto seit dem 01.08.2016 und auf jeweils weitere 400,00 € brutto ab dem 01. des jeweiligen Folgemonats zu zahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger einen Dienstwagen ihrer Wahl zur Verfügung zu stellen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger ab 01.02.2018 für die Dauer der Vorenthaltung eines Dienstwagens einen Schadensersatz von monatlich 400,00 € brutto zu zahlen.

Im Übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger zu 10% und die Beklagte zu 90% zu tragen.

3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand

Die Parteien streiten über den Widerruf eines auch zur Privatnutzung überlassenen Dienstwagens.

Der Kläger trat 2011 in die Dienste der Rechtsvorgängerin der Beklagten. Im schriftlichen Arbeitsvertrag heißt es unter Ziffer 4., dass das „aufgeschlüsselte Gehalt“ in einer Anlage 1 zum Arbeitsvertrag „besonders bekanntgegeben“ wird. Ziffer 4. dieser Anlage lautet:

„SID stellt Herrn A. (…) einen Dienstwagen nach Wahl von SID zur Verfügung, der auch privat genutzt werden darf. (…). SID ist berechtigt, die Dienstwagengestellung jederzeit für die Zukunft aus sachlichen Gründen, insbesondere aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung des Unternehmens, der Leistung oder des Verhaltens des Arbeitnehmers, zu widerrufen und die Herausgabe des Dienstwagens zu verlangen, sofern dies dem Arbeitnehmer zumutbar ist. Ein sachlicher Grund liegt insbesondere in folgenden Fällen vor:

– Freistellung des Arbeitnehmers von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung

– Wegfall der tatsächlichen Arbeitsleistung nach Ablauf etwaiger Entgeltfortzahlungszeiträume

– Ruhen des Arbeitsverhältnisses

– Verlust der Fahrerlaubnis oder Fahrverbot

– Durchführung von Wartungs- und Reparaturarbeiten bzw. Ersatzbeschaffung

– Änderung der Arbeitsaufgabe

Ein Anspruch auf Entschädigung für die entfallende private Nutzungsmöglichkeit des Dienstwagens und ein Zurückbehaltungsrecht für den Fall des Widerrufs bestehen nicht.“

Seit Oktober 2015 besteht das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten, die Dienstleistungen auf Gas- und Ölbohrstellen erbringt und den Kläger als Fishing Tool Supervisor I einsetzt. Zu seinen wesentlichen Aufgaben gehört die Überwachung der Einsatzgeräte sowie die Betreuung und Beratung der Kunden direkt am Bohrturm.

Die Beklagte zahlte dem Kläger zuletzt monatlich ein Grundgehalt von 3.722,62 € brutto sowie eine Turmpauschale in Höhe von 1.250,00 € brutto. Außerdem zahlt ihm die Beklagte ein 13. Monatsgehalt sowie ein Urlaubsgeld in Höhe von 70 % eines Bruttomonatsgehalts. Als Dienstwagen stellte die Beklagte dem Kläger zuletzt einen Audi Q5 zur Verfügung, der neu etwa 40.000,00 € kostet.

Die wirtschaftliche Bilanz der Beklagten wies für das Geschäftsjahr 2014 einen Verlust in Hö-he von ca. 19,5 Mio. € und für das Jahr 2015 in Höhe von ca. 16,7 Mio. € aus. Die Beklagte traf daraufhin die unternehmerische Entscheidung, künftig Poolfahrzeuge einzusetzen, die nur zu dienstlichen Zwecken genutzt werden können. Lediglich vorübergehend nutzte die Beklagte zur Überbrückung Mietwagen.

Mit Schreiben vom 06.06.2016 widerrief die Beklagte gegenüber dem Kläger „wegen der schlechten wirtschaftlichen Entwicklung des Unternehmens“ die Ãœberlassung des Dienstwagens und damit die Gewährung der Privatnutzung mit Wirkung zum 30.06.2016.

Der Kläger gab den Dienstwagen spätestens am 19.07.2016 an die Beklagte zurück.

Mit der am 02.08.2016 bei dem Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger die Überlassung eines Dienstwagens und Nutzungsausfallentschädigung begehrt.

Der Kläger hat geltend gemacht, die Regelung über den Widerruf des Dienstwagens sei wegen Intransparenz unwirksam.

Ausreichende wirtschaftliche Gründe im Sinne der Widerrufsklausel lägen nicht vor. Die Beklagte könne sich hierzu nicht auf geschäftliche Ereignisse aus der Zeit vor der Verschmelzung mit seinem früheren Arbeitgeber berufen. Ungeachtet dessen belegten öffentlich zugängliche Zahlen, dass bei der Beklagten im Vergleich zu 2011 keine wirtschaftliche Verschlechterung eingetreten sei.

Die Ausübung des Widerrufs entspreche auch nicht billigem Ermessen. Mit ihm zusammen habe die Beklagte nur bei 3 Mitarbeitern die PKW-Privatnutzungsmöglichkeit widerrufen. Obwohl die Kollegen Sch. und F. insoweit dieselbe Vertragsklausel hätten, sei bei ihnen ein Widerruf unterblieben.

Der Schaden sei mit 1 % des Listenpreises des überlassenen Fahrzeugs berechnet worden.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, ihm ein Dienstfahrzeug des Typs Audi Q5 zur Verfügung zu stellen sowie ihm für den Zeitraum des Zurückbehaltens des Dienstfahrzeugs seit dem 16.07.2016 Schadensersatz von monatlich 400,00 € brutto zu zahlen.

hilfsweise,

die Beklagte zu verurteilen, ihm ein Fahrzeug nach Wahl der Beklagten zur Verfügung zu stellen sowie ihm für den Zeitraum des Zurückbehaltens des Dienstfahrzeugs seit dem 16.07.2016 Schadensersatz von monatlich 400,00 € brutto zu zahlen.

hilfsweise,

die Beklagte zu verurteilen, ihm ab Juli 2016 monatlich 400,00 € brutto als Schadensersatz zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, sie habe mit dem Jahresbericht sowie der Gewinn- und Verlustrechnung 2015 hinreichend aussagekräftige Dokumente für einen Widerruf aus wirtschaftlichen Gründe zur Verfügung gestellt. Ihre Buchhaltung und Finanzen seien mit denen der früheren Arbeitgeberin des Klägers bereits zum 01.01.2015 zusammengelegt worden. Bereits seit 2011 habe zwischen den beiden Gesellschaften ein Gewinn- und Verlustabführungsvertrag bestanden, auf dessen Grundlage sie Verluste ihrer Rechtsvorgängerin ausgeglichen habe.

Die Ausübung des Widerrufs entspreche billigem Ermessen. Zum Zeitpunkt des Widerrufs sei eine weitere Verschlechterung von ca. 10 % im Vergleich zum Vorjahr zu erwarten gewesen. Durch den Einsatz von Poolfahrzeugen würden künftig weniger Fahrzeuge benötigt und Leasingraten sowie Verwaltungstätigkeiten insbesondere in den Bereichen Beschaffung, Sicherheitsmanagement, lokaler Fuhrparkverwaltung und Kreditoren in einem Umfang von ca. 20 – 30 % der bisherigen Kosten bei der Dienstwagengestellung gespart.

Es liege keine Ungleichbehandlung vor. Herr Sch. sei Verkaufsrepräsentant und Herr F. Ingenieur. Sie müssten deshalb fast täglich Kunden im Außendienst besuchen, wofür sie ein Fahrzeug benötigten. Ihnen gegenüber seien der Widerruf der Dienstwagengestellung und die Zahlung einer KFZ-Pauschale für die Nutzung ihres Privatwagens beabsichtigt. Der Kläger könne für den täglichen Einsatz am Bohrturm gemeinsam mit anderen Mitarbeitern ein Poolfahrzeug nutzen.

Das Arbeitsgericht hat mit einem dem Kläger am 02.03.2017 zugestellten Urteil vom 07.02.2017 (Bl. 124 – 128 d.A.), auf das wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes sowie seiner Würdigung durch das Arbeitsgericht verwiesen wird, die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die am 03.04.2017 eingelegte und am 28.04.2017 innerhalb verlängerter Frist begründete Berufung des Klägers.

Der Kläger macht geltend, aus der allgemein gehaltenen Widerrufsklausel sei für ihn nicht erkennbar gewesen, dass für den Widerruf nur die handelsrechtlichen Geschäftszahlen von Bedeutung sein sollten. Auch fehle in der Klausel eine Übergangsfrist.

Das Arbeitsgericht habe mit seinen Ausführungen zu Ermessensüberlegungen die Darlegungs- und Beweislast verkannt, die die Beklagte treffe. Jedenfalls habe die Beklagte seine Interessen, insbesondere die bei ihm eintretende Erschwerung seiner Arbeitstätigkeit nicht berücksichtigt.

Die Mitarbeiter Sch. und F. würden mit ihm vergleichbare Tätigkeiten ausüben. Sie würden lediglich in einer anderen Abteilung arbeiten, bräuchten aber wegen ihrer Außendiensttätigkeiten keinen Dienstwagen, da sie – im Gegensatz zu seiner, des Klägers, Abruftätigkeit – nur feste Termine hätten. Den Herren Sch. und F. sei zudem eine höhere Kompensation als ihm angeboten worden.

Herr D. von der Personalabteilung habe ihm bei dem Einstellungsgespräch mitgeteilt, der Dienstwagen bleibe trotz Vorbehalt Vertragsbestandteil. Er, der Kläger würde ihn so lange fahren können, wie er auch.

Der Kläger beantragt zuletzt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Celle vom 07.02.2017 (1 Ca 266/16) abzuändern und

1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger Schadensersatz in Höhe von 7.400,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

2. dem Kläger ein Dienstfahrzeug nach Wahl der Beklagten zur Verfügung zu stellen.

3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger für die Zeit ab 01.02.2018 für die Dauer des Zurückbehaltens eines Dienstfahrzeuges Schadensersatz in Höhe von monatlich 400,00 € brutto zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringens unter Verteidigung des angefochtenen Urteils als zutreffend und trägt vor, sie habe gegenüber allen Arbeitnehmern im Tätigkeitsbereich des Klägers, deren Arbeitsverträge einen Widerrufsvorbehalt enthalte, die Dienstwagengestellung widerrufen.

Der Kläger arbeite ausschließlich auf verschiedenen Bohrungen, zu denen er jeweils von zu Hause aus, je nach Projektumfang mehrere Tage oder Wochen am Stück, hinfahre. Jeweils nach Projektende schließe sich eine längere Freiphase an. Die Herren Sch. und F. übten als Vertriebsmitarbeiter ohne solche längeren Freiphasen höherwertige und höher vergütete Tätigkeiten sowohl in der Betriebsstätte in B-Stadt, als auch auswärtig bei Kunden aus.

Wegen der Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vorbringens wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze, Protokolle und anderen Unterlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Berufung des Klägers ist gemäß § 64 Abs. 1 und Abs. 2 ArbGG statthaft sowie form- und fristgerecht im Sinne der §§ 66, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO eingelegt worden. Sie ist auch im Übrigen zulässig und begründet.

1.

Der Kläger hat nach § 280 Abs. 1 Satz 1 iVm. § 283 Satz 1 BGB Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 7.373,33 € brutto weil die Beklagte im Zeitraum vom 19.07.2016 bis zum 31.01.2018 ihre Pflicht aus Ziffer 4. der Anlage 1 zum Arbeitsvertrag verletzt hat, dem Kläger ein Dienstfahrzeug zur Verfügung zu stellen, das auch privat genutzt werden darf.

a)

Die Ausübung des Widerrufsrechts mit Schreiben vom 06.06.2016 war unwirksam, denn der Widerrufsvorbehalt in Ziffer 4. der Anlage 1 zum Arbeitsvertrag hält einer AGB-Kontrolle nicht stand.

aa)

Bei Ziff. 4 der Anlage 1 zum Arbeitsvertrag handelt es sich unzweifelhaft um AGB im Sinne des § 305 Abs. 1 BGB, denn die Beklagte hat diese vorformulierten Bedingungen mehreren Arbeitnehmern bei Überlassung eines Dienstwagens gestellt.

bb)

Die Klausel unterliegt der Inhaltskontrolle gemäß § 307 Abs. 3 S. 1 BGB. Die Vereinbarung des Widerrufsvorbehalts weicht von Rechtsvorschriften ab. Die Ãœberlassung eines Firmenwagens auch zur privaten Nutzung stellt einen geldwerten Vorteil und Sachbezug dar. Sie ist steuer- und abgabenpflichtiger Teil des geschuldeten Arbeitsentgelts und damit Teil der Arbeitsvergütung. Die Gebrauchsüberlassung ist regelmäßig zusätzliche Gegenleistung für die geschuldete Arbeitsleistung. Sie ist so lange geschuldet, wie der Arbeitgeber Arbeitsentgelt leisten muss. Diese Rechtslage wird durch das vertraglich vereinbarte Widerrufsrecht geändert, denn ohne den Widerrufsvorbehalt ist der Arbeitgeber nach § 611 Abs. 1 BGB verpflichtet, dem Arbeitnehmer während des Arbeitsverhältnisses die vereinbarte Privatnutzung eines Dienstwagens zu ermöglichen. Einseitige Leistungsbestimmungsrechte, die dem Verwender das Recht einräumen, die Hauptleistungspflichten einzuschränken, zu verändern, auszugestalten oder zu modifizieren, unterliegen einer Inhaltskontrolle (BAG 21. März 2012 – 5 AZR 651/10 -, Rn. 15, juris).

cc)

Die Wirksamkeit des Widerrufsrechts richtet sich nach § 308 Nr. 4 BGB als der gegenüber § 307 BGB spezielleren Norm. Da § 308 Nr. 4 BGB den § 307 BGB konkretisiert, sind auch die Wertungen des § 307 BGB heranzuziehen. Außerdem sind nach § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen.

dd)

Der Widerrufsvorbehalt genügt nicht den formellen Anforderungen des § 308 Nr. 4 BGB.

(1)

§ 308 Nr. 4 BGB stellt für die mögliche Rechtfertigung eines Leistungsänderungsrechts darauf ab, ob dieses unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders für den anderen Vertragsteil zumutbar ist. Damit wird eine Abwägung zwischen den Interessen des Klauselverwenders an der Möglichkeit einer Änderung seiner Leistung und denen des anderen Vertragsteils an der Unveränderlichkeit der vereinbarten Leistung verlangt. Die Zumutbarkeit eines Leistungsänderungsvorbehalts ist zu bejahen, wenn die Interessen des Verwenders die für das jeweilige Geschäft typischen Interessen des anderen Vertragsteils überwiegen oder ihnen zumindest gleichwertig sind. Das setzt eine Fassung der Klausel voraus, die nicht zur Rechtfertigung unzumutbarer Änderungen dienen kann. Erforderlich ist im Allgemeinen auch, dass die Klausel in ihren Voraussetzungen und Folgen für den anderen Vertragsteil zumindest ein gewisses Maß an Kalkulierbarkeit der möglichen Leistungsänderungen gewährleistet (etwa BGH 15. November 2007 – III ZR 247/06 -, Rn. 21, juris). Der Sachgrund muss deshalb in der Klausel in einer Weise konkretisiert werden, die für den Arbeitnehmer deutlich macht, was gegebenenfalls auf ihn zukommt (vgl. BAG 11. Oktober 2006 – 5 AZR 721/05 -, juris, Rn. 28). Der Arbeitnehmer muss erkennen können, unter welchen Voraussetzungen er mit einem Widerruf rechnen muss (BAG 13. April 2010 – 9 AZR 113/09 -, Rn. 29, juris). Bei den Widerrufsgründen muss somit zumindest die Richtung angegeben werden, aus der der Widerruf möglich sein soll, zB wirtschaftliche Gründe, Leistung oder Verhalten des Arbeitnehmers. Dabei ist zu beachten, dass der Verwender vorgibt, was ihn zum Widerruf berechtigen soll. Der Grad der Störung (wirtschaftliche Notlage des Unternehmens, negatives wirtschaftliches Ergebnis der Betriebsabteilung, nicht ausreichender Gewinn, Rückgang der bzw. Nichterreichen der erwarteten wirtschaftlichen Entwicklung, unterdurchschnittliche Leistungen des Arbeitnehmers, schwerwiegende Pflichtverletzungen) muss – je nach Lage der Dinge – konkretisiert werden (vgl. BAG 11. Oktober 2006 – 5 AZR 721/05 -, Rn. 28, juris).

(2)

Diesem Transparenzgebot wird die Widerrufsklausel nicht gerecht. Die Angabe, dass der Arbeitnehmer „aus sachlichen Gründen, insbesondere aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung des Unternehmens“ mit dem Entzug der Dienstwagengestellung rechnen muss, „sofern dies dem Arbeitnehmer zumutbar ist“, ist nach dem Gegenstand und Umfang des hier vereinbarten Änderungsvorbehalts nicht ausreichend. Die Anforderungen an die Angabe des Widerrufsgrundes stehen vielmehr in Abhängigkeit zur flexibilisierten Leistung.

(a)

Im Grundsatz hat der Arbeitgeber wegen der Ungewissheit der wirtschaftlichen Entwicklung des Unternehmens und der allgemeinen Entwicklung des Arbeitsverhältnisses ein anerkennenswertes Interesse daran, bestimmte Leistungen, insbesondere „Zusatzleistungen“ flexibel auszugestalten (vgl. BAG 12. Januar 2005 – 5 AZR 364/04 -, juris, Rn. 23). Dazu gehört auch die dem Arbeitnehmer eingeräumte Möglichkeit, ein überlassenes Dienstfahrzeug privat nutzen zu dürfen, wenn dadurch das Wirtschaftsrisiko des Unternehmers nicht auf den Arbeitnehmer verlagert wird. Eingriffe in den Kernbereich des Arbeitsvertrags sind nach der Wertung des § 307 Abs. 2 BGB nicht zulässig.

(b)

Andererseits ist zu berücksichtigen, dass die arbeitsvertragliche Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger einen Dienstwagen mit privater Nutzungsberechtigung zur Verfügung zu stellen, eine Hauptleistungspflicht aus dem Arbeitsvertrag darstellt. Die Möglichkeit, einen Dienstwagen im Rahmen des Arbeitsverhältnisses auch für Privatfahrten nutzen zu können, ist eine zusätzliche Gegenleistung für die geschuldete Arbeitsleistung. Die Beklagte hat dies durch die Aufnahme der Regelung in der Anlage 1 zum Arbeitsvertrag verdeutlicht. Die Anlage 1 beinhaltet das „aufgeschlüsselte Gehalt“. Wenn solche Leistungspflichten des Arbeitgebers unter einen Widerrufsvorbehalt gestellt werden, bedarf es einer näheren Beschreibung des Widerrufsgrundes, der auch das Interesse des Arbeitnehmers an der Beibehaltung der Leistung berücksichtigt. Dessen Erhaltungsinteresse wiegt bei dem Wegfall synallagmatischer Pflichten ungleich schwerer, als bei nicht im Gegenseitigkeitsverhältnis stehenden Pflichten, wie etwa Jubiläumszuwendungen, Beihilfen zu bestimmten Familienereignissen, oder solchen Pflichten, die die Umstände der Leistungserbringung betreffen. Die Privatnutzungsmöglichkeit des Firmenfahrzeugs wirkt sich zudem für den Arbeitnehmer täglich aus. Er ist ggf. gehalten, kurzfristig erhebliche Kosten für die Anschaffung eines eigenen Fahrzeugs aufzubringen und dieses zukünftig zu unterhalten.

(c)

Unter Berücksichtigung dieser Interessenlage ist der vereinbarte Widerrufsvorbehalt inhaltlich zu weit gefasst. Selbst wenn man mit dem Arbeitsgericht im Wege der Auslegung unter Berücksichtigung der Verständnismöglichkeiten eines durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders eine „negative“ wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens als Widerrufsgrund annehmen wollte bliebe damit unklar, ob damit etwa eine wirtschaftliche Notlage des Unternehmens, Verluste oder aber bereits ein Gewinnrückgang, rückläufige Umsätze oder ein Nichterreichen der erwarteten wirtschaftlichen Entwicklung des Unternehmens gemeint sind. Nicht jeder Grund, der die wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens betrifft, ist ein anzuerkennender Sachgrund für den Entzug der Dienstwagennutzung und der damit verbundenen privaten Nutzungsmöglichkeit. Für den Arbeitnehmer ist es typisierend betrachtet unzumutbar, die Entziehung aus wirtschaftlichen Gründen hinzunehmen, wenn der Dienstwagen für die auszuübende Tätigkeit gebraucht wird und kostengünstigere Alternativen (Mietwagen, Fahrzeugpool etc.) nicht vorhanden sind (vgl. BAG 13. April 2010 – 9 AZR 113/09 -, Rn. 40, juris). Dies in der Widerrufsklausel zu konkretisieren war der Beklagten zumutbar. Die hier zu beurteilende Klausel würde der Beklagten jedoch weitergehend die grundsätzliche Möglichkeit der Dienstwagenentziehung, etwa bei Verlusten oder bereits bei rückläufigen Gewinnen einräumen, ohne dass die Tätigkeit, für deren Ausübung der Dienstwagen benötigt wird, entfallen ist und ohne dass die Beklagte von einer vorhandenen kostengünstigeren Alternative zu der bisherigen Dienstwagengestellung Gebrauch macht. Eine hinreichende Konkretisierung ist nicht dadurch erfolgt, dass die Klausel den Entzug des Dienstwagens nur erlaubt „sofern dies dem Arbeitnehmer zumutbar ist“. Mit dem Erfordernis der Zumutbarkeit ist lediglich der Wortlaut des § 308 Nr. 4 BGB wiederholt. Auch enthält die beispielhafte Aufzählung sachlicher Gründe in Bezug auf die hier allein fragliche wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens keine Konkretisierung.

(d)

Die Besonderheiten des Arbeitsrechts (§ 310 Abs. 4 Satz 2 BGB) rechtfertigen entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts keine Abweichung. Der nötigen Flexibilisierung wird bereits dadurch Rechnung getragen, dass die Vertragsparteien auch in vorformulierten Vereinbarungen die Möglichkeit haben, die Ãœberlassung eines Dienstfahrzeugs zur privaten Nutzung unter einen Widerrufsvorbehalt zu stellen, wenn die typisierten Sachgründe für den Widerruf bereits in der Vertragsklausel benannt werden (vgl. BAG 13. April 2010 – 9 AZR 113/09 -, Rn. 29, juris).

(e)

Der Widerruf des auch zur privaten Nutzung überlassenen Dienstwagens ist für den Kläger nicht deswegen zumutbar, weil der Sachwert der privaten Nutzungsmöglichkeit weniger als 25 % seiner Gesamtvergütung – hier konkret unter Berücksichtigung des zuletzt zur Verfügung stehenden Fahrzeugs und der sogenannten 1%-Regelung ca. 6,8% – beträgt und damit noch nicht in den Kernbereich des Arbeitsverhältnisses eingreift. Gibt es keinen sachlichen Grund für den Entzug des Dienstwagens, ist es für den Kläger nicht hinnehmbar, auf Entgeltbestandteile zu verzichten, die unter 25 % des Gesamtverdienstes liegen (vgl. BAG 13. April 2010 – 9 AZR 113/09 -, Rn. 33, juris).

(3)

Es ist für die nach §§ 307 ff. BGB vorzunehmende Inhaltskontrolle unerheblich, ob im vorliegenden Fall objektiv betrachtet am 06.06.2016 Widerrufsgründe vorlagen, die für den Kläger nicht unzumutbar sind. Entscheidend ist, was der Verwender der Allgemeinen Geschäftsbedingung im Text der Vorbehaltsbestimmung zum Ausdruck gebracht hat. Bei der Angemessenheitskontrolle ist deshalb nicht auf die Gründe abzustellen, aus denen der Widerruf im konkreten Fall erfolgt, sondern auf die Möglichkeiten, die das vorformulierte Widerrufsrecht dem Arbeitgeber einräumt (BAG 13. April 2010 – 9 AZR 113/09 -, Rn. 30, juris).

ee)

Eine geltungserhaltende Reduktion der zu weit gefassten Widerrufsklausel scheidet aus. § 306 BGB sieht grundsätzlich nicht vor, unwirksame Klauseln auf einen Regelungsgehalt zurückzuführen, der im Einklang mit dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen steht. Eine Aufrechterhaltung mit eingeschränktem Inhalt widerspräche dem Zweck der §§ 305 ff. BGB, auf einen angemessenen Inhalt der in der Praxis verwendeten Allgemeinen Geschäftsbedingungen hinzuwirken. Dem Vertragspartner des Verwenders soll die Möglichkeit sachgerechter Information über die Rechte und Pflichten verschafft werden, die durch den vorformulierten Vertrag begründet werden. Dieses Ziel ließe sich nicht erreichen, wenn jeder Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen zunächst die Grenze des Zulässigen überschreiten dürfte. Könnten überzogene Klauseln geltungserhaltend zurückgeführt werden, liefe das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB weitgehend leer (BAG 13. April 2010 – 9 AZR 113/09 -, Rn. 42, juris).

ff)

Da die Beklagte den Widerruf allein auf die nicht hinreichend konkretisierte wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens stützt, kann im vorliegenden Fall dahinstehen, ob die Widerrufsklausel hinsichtlich der weiteren angegebenen Widerrufsgründe als zulässig aufrechterhalten werden kann.

gg)

Eine ergänzende Vertragsauslegung kommt nicht in Betracht. Eine zu vervollständigende Regelungslücke ist nur anzunehmen, wenn die ersatzlose Streichung der unwirksamen Klausel keine angemessene Lösung bietet, die den typischen Interessen des Verwenders und seines Vertragspartners Rechnung trägt. Nicht jede Verschiebung der Gewichte zulasten des Verwenders rechtfertigt jedoch die Annahme einer ergänzungsbedürftigen Lücke. Grundsätzlich sind die Gerichte nicht befugt, die unzulässige Klausel mithilfe ergänzender Vertragsauslegung durch eine zulässige Klauselfassung zu ersetzen, die der Verwender der Allgemeinen Geschäftsbedingungen voraussichtlich gewählt hätte, wäre ihm die Unzulässigkeit der Klausel bekannt gewesen (BAG 13. April 2010 – 9 AZR 113/09 -, Rn. 47, juris). Dies gilt umso mehr, als die Anlage 1 zum Arbeitsvertrag erst nach Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes vom 26. November 2001 geschlossen worden ist. Auch eine unzumutbare Härte für die Beklagte iSv. § 306 Abs. 3 BGB ist nicht ersichtlich, wenn an der Verpflichtung zur Ãœberlassung des Dienstwagens festgehalten wird.

b)

Der Schaden beläuft sich auf 7.373,33 € brutto für den Zeitraum vom 19.07.2016 bis zum 31.01.2018.

aa)

Nach § 249 Abs. 1 BGB hat die Beklagte den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Soweit die Herstellung nicht möglich oder zur Entschädigung des Gläubigers nicht genügend ist, hat der Ersatzpflichtige den Gläubiger gemäß § 251 Abs. 1 BGB in Geld zu entschädigen. Der Schadensersatz wegen Nichterfüllung richtet sich auf das positive Interesse. Demgemäß ist der Kläger so zu stellen, wie er stehen würde, wenn die Beklagte den Vertrag ordnungsgemäß erfüllt hätte. Zur Berechnung ist eine Nutzungsausfallentschädigung auf der Grundlage der steuerlichen Bewertung der privaten Nutzungsmöglichkeit mit monatlich 1 % des Listenpreises des Kraftfahrzeugs im Zeitpunkt der Erstzulassung anerkannt (BAG 21. März 2012 – 5 AZR 651/10 -, Rn. 26, juris).

bb)

Bei dem unstreitigen Listenpreis von 40.000,00 € für das zuletzt überlassene Fahrzeug beträgt der zu zahlende Betrag für jeden vollen Monat 400,00 € brutto. Dieser ist nicht geringer, weil die Beklagte ggf. das Recht gehabt hätte, dem Kläger auch ein geringerwertiges Fahrzeug zur Verfügung zu stellen. Es ist nichts dafür erkennbar, dass die Beklagte im streitbefangenen Zeitraum von einem solchen Recht tatsächlich Gebrauch gemacht hätte. Für 18 volle Monate von August 2016 bis incl. Januar 2018 errechnen sich somit 7.200,00 € brutto.

Für Juli 2016 sind anteilig 173,33 € brutto anzusetzen. Die von der Beklagten in der Klagerwiderung behauptete Rückgabe am 19.07.2016 hat der Kläger nachfolgend nicht mehr bestritten. Seinen Vortrag in der Klageschrift, die Rückgabe sei bereits am 18.07.2016 erfolgt, hat er nicht unter Beweis gestellt. Mithin sind für Juli 2016 insgesamt 13 Tage Nutzungsmöglichkeit vorenthalten worden. Bei jahresdurchschnittlich 30 Kalendertagen im Monat sind für Juli 2016 anteilig 13/30 von 400,00 € anzusetzen. In Höhe der Mehrforderung ist die Berufung unbegründet.

c)

Der Zinsanspruch ergibt sich aus den §§ 291, 288 Abs. 1 S. 2 BGB.

2.

Der Kläger hat aus den vorstehenden Gründen einen Anspruch auf Zurverfügungstellung eines Dienstwagens nach Wahl der Beklagten aus Ziff. 4 des Arbeitsvertrages i.V.m. Ziff. 4 der Anlage 1 zum Arbeitsvertrag.

3.

Auch der Klageantrag zu 3) hat Erfolg.

a)

Der Antrag ist zulässig.

aa)

Der Übergang von der Leistungs- zur Feststellungsklage für die Zeit ab 01.02.2018 ohne Änderung des Klagegrundes ist gemäß § 264 Nr. 2 ZPO nicht als Klageänderung anzusehen.

bb)

Das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche rechtliche Interesse an der begehrten Feststellung ist gegeben. Es liegt bei Schadensersatzfeststellungsklagen schon dann vor, wenn künftige Schadensfolgen – sei es auch nur entfernt – möglich, ihre Art, ihr Umfang und sogar ihr Eintritt aber noch ungewiss sind. Diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Die Beklagte hat ihre Pflicht aus Ziffer 4 der Anlage 1 zum Arbeitsvertrag verletzt, dem Kläger ein Dienstfahrzeug zur Verfügung zu stellen, das auch privat genutzt werden darf. Infolge dessen ist dem Kläger ein Nutzungsausfallschaden entstanden. Die Schadensentwicklung ist noch nicht abgeschlossen und hängt davon ab, wann die Beklagte dem Kläger tatsächlich wieder ein vertragsgerechtes Fahrzeug zur Verfügung stellt.

b)

Der Antrag ist aus den unter 1. genannten Gründen begründet.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92 Abs. 1, 269 Abs. 3 ZPO.

III.

Die Revision war gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen. Vor dem Hintergrund der Ausführungen des 5. Senates zum Umfang des Konkretisierungserfordernisses bei Widerrufsklauseln (vgl. BAG 11. Oktober 2006 – 5 AZR 721/05 -, Rn. 28, juris) hat der 9. Senat bei dem Widerruf eines auch zur Privatnutzung überlassenen Dienstwagens aus wirtschaftlichen Gründen strengere Anforderungen gestellt (BAG 13. April 2010 – 9 AZR 113/09 -, juris), während der 5. Senat hierzu offenbar einen großzügigeren Standpunkt vertritt (vgl. BAG 21. März 2012 – 5 AZR 651/10 -, Rn. 16, juris). Dies hat in der Praxis zu klärungsbedürftigen Unsicherheiten geführt (vgl. etwa Stoffels in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, 6. Auflage, ArbR Rn. 136; Bonin in Däubler, AGB im Arbeitsrecht, 4. Aufl., § 308 BGB, Rn. 32).

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VonRA Moegelin

Anwendungsbereich des ZVK-TV für Donuts wegen Altersruhegeld

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Die Zusatzversorgungskasse der Brot- und Backwarenindustrie kann von einem Betrieb der Brot- und Backwarenindustrie keine Beitragszahlung für Arbeitnehmer verlangen, die Beihilfen zum Altersruhegeld nach dem Zusatzversorgungstarifvertrags (ZVK-TV)erhalten. Im besagten Fall werden am Produktionsstandort hauptsächlich Donuts hergestellt. Das LAG hat zu entscheiden, ob Donuts feine Backwaren sind, welche sodann dem Konditoreihandwerk zuzuordnen sind und für die der Anwendungsbereich des ZVK-TV eröffnet ist.

Volltext der Pressemitteilung Nr. 19/2024 des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf – 6 SLa 311/24 vom 09.12.2024:

Die Zusatzversorgungskasse der Brot- und Backwarenindustrie verlangt von der Beklagten die Zahlung des Beitrags für das Jahr 2023 in Höhe von 136.997,60 Euro. Die Beklagte stellt an ihrem Produktionsstandort in E. hauptsächlich Donuts her. Von dem Standort in C. erfolgt der Vertrieb an gewerbliche Kunden. Die Anwendung des Zusatzversorgungstarifvertrags (ZVK-TV), auf dessen Grundlage die Beschäftigten u.a. Beihilfen zum Altersruhegeld erhalten, setzt voraus, dass es sich um einen Betrieb der Brot- und Backwarenindustrie handelt.

Die Zusatzversorgungskasse meint, dass es sich bei Donuts um Backwaren handele. Dem widerspricht die Beklagte. Sie produziere Siedegebäck. Es handele sich um Feinbackwaren, welche zum Sortiment eines Konditors gehörten.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und dies wie folgt begründet. Donuts seien Backwaren i.S.d. ZVK-TV. Zwar produziere die Beklagte überwiegend Siedegebäck und keine herkömmlichen Backwaren, die in einem Ofen gebacken werden. Entscheidend sei aber der Prozess des Backens, d.h. die Erhitzung eines vorher fertig gestellten Teigs. Es genüge, dass die Teigrohlinge in heißem Fett ausgebacken würden.

Es handele sich bei Donuts – so das Arbeitsgericht – nicht um feine Backwaren, welche dem Konditoreihandwerk zuzuordnen seien und für die der Anwendungsbereich des ZVK-TV nicht eröffnet sei. Charakteristisch für die Herstellung von Konditoreiwaren sei, dass sich an den Backprozess ein Veredelungsprozess anschließe, der je nach Produkt in unterschiedlicher Weise, Form, Aufwand und Dauer erfolge. Zunächst führe die Beklagte in ihrem Sortiment auch Donuts, die keine Glasur oder Füllung enthielten, mithin nicht weiter veredelt würden. Aber auch glasierte oder gefüllte Donuts seien keine Konditorwaren. Im Gegensatz zur Herstellung einer Torte oder eines Baumkuchens, die sich durch eine aufwendige Schichtung von Teigschichten und Füllungen, sowie eine kunstvolle Verzierung kennzeichnen, würden Donuts wie ein Berliner maschinell mit einer oder mehreren Füllungen befüllt und mit einer Glasur überzogen. Ein besonderer Anspruch an die harmonische Verbindung von Form, Farbe und Geschmack, der einer Torte vergleichbar sein könnte, bestehe nicht.

Der Betrieb in C. falle als Vertriebsstandort in den Anwendungsbereich des ZVK-TV, der aufgrund wirksamer Allgemeinverbindlicherklärung zur Anwendung komme. Soweit es bei der Beklagten eine betriebliche Altersversorgung gebe, werde diese ggfs. auf diejenige nach dem ZVK-TV angerechnet.

Mit ihrer Berufung begehrt die Beklagte weiterhin die Zurückweisung der Klage. Sie beruft sich u.a. auf eine Stellungnahme des Deutschen Konditorenbundes, wonach Fettgebäcke, im speziellen Donuts und Berliner, in einem Großteil der Betriebe des Konditorenhandwerks regelmäßig produziert und verkauft würden. Die Zusatzversorgungskasse verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts.

Landesarbeitsgericht Düsseldorf – 6 SLa 311/24
Arbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 03.04.2024 – 14 Ca 2975/23
Tarifvertrag über die Errichtung einer Zusatzversorgungskasse für die Beschäftigten der Brot- und Backwarenindustrie in der Fassung vom 01.07.2021 (im Folgenden „ZVK-TV“)

– Auszug –

„§ 1 ZVK-TV Geltungsbereich

a) Räumlich:

Für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland einschließlich Berlin-West im Geltungsbereich des Grundgesetzes vor dem 3. Oktober 1990.

b) Fachlich:
Für Betriebe der Brot- und Backwarenindustrie sowie Betriebe, die Brot- und Backwaren vertreiben und verkaufen (Verkaufsstellen), insbesondere für Mitglieder der Industrie- und Handelskammern mit Ausnahme der dem Revisionsverband Deutscher Konsumgenossenschaften angeschlossenen Unternehmen mit Bäckereien.
Erfasst werden auch solche Betriebe, die im Rahmen eines mit den unter Nr. 1 erfassten Betrieben bestehenden Zusammenschlusses – unbeschadet der gewählten Rechtsform – ausschließlich oder überwiegend für die angeschlossenen Betriebe nach Nr. 1 die kaufmännische Verwaltung, den Vertrieb, Planungsarbeiten, Laborarbeiten oder Prüfarbeiten übernehmen, soweit diese Betriebe nicht von einem speziellen Tarifvertrag erfasst werden.

…“

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VonRA Moegelin

Merkantiler Minderwert eines Unfallfahrzeugs

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Der merkantile Minderwert eines erheblich unfallbeschädigten Fahrzeugs in jedem Fall ausgehend von Netto- und nicht von Bruttoverkaufspreisen zu schätzen. Wurde der merkantile Minderwert ausgehend vom Bruttoverkaufspreis geschätzt, ist ein dem „Umsatzsteueranteil“ entsprechender Betrag vom Minderwert abzuziehen.

Volltext der Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs Nr. 159/2024 – BGH VI ZR 188/22:

Bundesgerichtshof zur Frage der Schätzung des merkantilen Minderwerts (Wertverlust trotz Instandsetzung) eines Unfallfahrzeugs

Ausgabejahr
2024
Erscheinungsdatum
07.08.2024

Nr. 159/2024

Urteil vom 16. Juli 2024 – VI ZR 188/22

Der unter anderem für Rechtsstreitigkeiten über Ansprüche aus Kfz-Unfällen zuständige VI. Zivilsenat hat entschieden, dass der merkantile Minderwert eines erheblich unfallbeschädigten Fahrzeugs in jedem Fall ausgehend von Netto- und nicht von Bruttoverkaufspreisen zu schätzen ist. Wurde der merkantile Minderwert ausgehend vom Bruttoverkaufspreis geschätzt, ist ein dem „Umsatzsteueranteil“ entsprechender Betrag vom Minderwert abzuziehen.

Sachverhalt:

Ein (geleastes) Fahrzeug wurde bei einem Verkehrsunfall erheblich beschädigt. Die volle Haftung des beklagten Haftpflichtversicherers stand außer Streit. Die Klägerin ließ das Fahrzeug reparieren und machte einen merkantilen Minderwert von 1.250 € geltend. Die Beklagte bezahlte nur 700 €. Mit der Klage verlangte die Klägerin Zahlung des restlichen Betrags an die Leasinggesellschaft. Zwischen den Parteien war streitig, ob vom merkantilen Minderwert ein „Umsatzsteueranteil“ abzuziehen ist.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Amtsgericht hat der Klage überwiegend stattgegeben. Das Landgericht hat auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Amtsgerichts in Höhe von 300 € aufrechterhalten und die Klage im Ãœbrigen ab- und die weitergehende Berufung zurückgewiesen. Es hat ein Sachverständigengutachten eingeholt und auf dieser Grundlage angenommen, dass ein merkantiler Minderwert von insgesamt 1.000 € anzusetzen sei, weshalb die Beklagte weitere 300 € zu zahlen habe. Ein „Umsatzsteueranteil“ sei vom Minderwert nicht abzuziehen. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision hat die Beklagte ihr Ziel, die Klage in Höhe des ihrer Ansicht nach vom Minderwert abzuziehenden „Umsatzsteueranteils“ abzuweisen, weiterverfolgt.

Entscheidung des Senats:

Die Revision der Beklagten hatte Erfolg. Der Bundesgerichtshof hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Beim merkantilen Minderwert handelt es sich um eine Minderung des Verkaufswerts, die trotz völliger und ordnungsgemäßer Instandsetzung eines bei einem Unfall erheblich beschädigten Kraftfahrzeugs allein deshalb verbleibt, weil Unfallfahrzeuge auf dem Gebrauchtwagenmarkt einen geringeren Preis als unfallfreie erzielen. Der Ersatz des merkantilen Minderwerts als solcher unterliegt nicht der Umsatzsteuer nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG, da es sich bei dem zu zahlenden Schadensersatz (§ 251 Abs. 1 BGB) nicht um eine Leistung gegen Entgelt handelt.

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist vom merkantilen Minderwert für den Fall, dass er ausgehend vom Bruttoverkaufspreis geschätzt wurde, ein dem „Umsatzsteueranteil“ entsprechender Betrag abzuziehen. Ob das Berufungsgericht im Streitfall den Minderwert ausgehend von Brutto- oder Nettoverkaufspreisen geschätzt hat, stand nicht fest.

Zur Bemessung des Minderwerts wird geschätzt, um wieviel geringer der erzielbare Verkaufspreis bei einem gedachten Verkauf des beschädigten Fahrzeugs nach der Reparatur im Vergleich zum erzielbaren Verkaufspreis ohne den Unfall wäre. Diese Wertdifferenz ist unabhängig davon zu ersetzen, ob der Geschädigte das Fahrzeug nach der Reparatur verkauft oder behält. Bei der Schätzung des Minderwerts ist aus Rechtsgründen auf die jeweiligen Nettoverkaufspreise abzustellen. Denn wenn es sich bei dem der Schätzung des merkantilen Minderwerts zugrunde zu legenden hypothetischen Verkauf um eine der Umsatzsteuer unterliegende Leistung eines Unternehmers handelt, würde der Geschädigte zwar zusätzlich zum Nettoverkaufspreis die darauf entfallende Umsatzsteuer erhalten, müsste sie aber an das Finanzamt abführen. Sie wäre bei ihm nur ein durchlaufender Posten. Unterliegt der gedachte Verkauf hingegen nicht der Umsatzsteuer (beim Verkauf „von privat“), dürfte dem Käufer schon gar keine Umsatzsteuer in Rechnung gestellt werden.

Wurde der merkantile Minderwert ausgehend von Bruttoverkaufspreisen geschätzt, ist er in der Weise nach unten zu korrigieren, dass von ihm ein dem „Umsatzsteueranteil“ entsprechender Betrag abgezogen wird. Andernfalls käme es zu einer Bereicherung des Geschädigten. Eine andere – nicht rechtliche, sondern tatsächliche – Frage ist es, welche Preise eine Privatperson bei einem Verkauf erzielen würde, insbesondere, ob diese Preise, obwohl es Nettopreise sind, betragsmäßig an die von Unternehmern erzielbaren Bruttopreise heranreichen würden.

Der Senat hat am 16. Juli 2024 in drei weiteren Verfahren (Aktenzeichen VI ZR 205/23, VI ZR 239/23 und VI ZR 243/23) in dieser Frage ebenso entschieden.

Vorinstanzen:

Amtsgericht Neu-Ulm – Urteil vom 24. März 2021 – 5 C 1111/20

Landgericht Memmingen – Urteil vom 25. Mai 2022 – 13 S 691/21

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 251 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)

(1) Soweit die Herstellung nicht möglich oder zur Entschädigung des Gläubigers nicht genügend ist, hat der Ersatzpflichtige den Gläubiger in Geld zu entschädigen.

§ 1 Umsatzsteuergesetz (UStG)

(1) Der Umsatzsteuer unterliegen die folgenden Umsätze:

1. die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Die Steuerbarkeit entfällt nicht, wenn der Umsatz auf Grund gesetzlicher oder behördlicher Anordnung ausgeführt wird oder nach gesetzlicher Vorschrift als ausgeführt gilt;

Karlsruhe, den 7. August 2024

Pressestelle des Bundesgerichtshofs
76125 Karlsruhe
Telefon (0721) 159-5013
Telefax (0721) 159-5501

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VonRA Moegelin

Kündigung wegen Bedrohung von Gewerkschaftsmitgliedern

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Ein Arbeitnehmer, der über Facebook Kollegen bedroht, weil dies sich bei der Gewerkschaft ver.di engagieren, verursacht eine konkrete und nachhaltige Störung des Betriebsfriedens. Die Kündigung ist daher gerechtfertigt.

Volltext der Pressemitteilung Nr. 21/24 des Arbeitsgerichts Berlin 59 Ca 8733/24 und 59 Ca 11420/24vom 31.10.2024:

Das Arbeitsgericht Berlin hat die ordentliche Kündigung eines Straßenbahnfahrers, der in einer privaten Facebook-Gruppe einen von ihm verfassten Beitrag mit einer Fotomontage versehen hatte, für wirksam angesehen, weil in dieser eine Bedrohung von Kollegen, die sich bei der Gewerkschaft ver.di engagieren, und zugleich eine konkrete und nachhaltige Störung des Betriebsfriedens liege. Bei der öffentlich-rechtlichen Arbeitgeberin handelt es sich um den bundesweit größten Betreiber Öffentlichen Personennahverkehrs.

Der Straßenbahnfahrer ist Administrator einer privaten Facebook-Gruppe, die sich nach ihrer Bezeichnung an Fahrpersonal der Arbeitgeberin richtet und circa 1000 Mitglieder umfasst. Im Mai 2024 verfasste er dort einen an die Mitglieder der ver.di-Tarifkommission gerichteten Kommentar zum Ergebnis einer ver.di-Mitgliederbefragung und schloss diesen mit einer Fotomontage ab. Auf dieser ist ein auf dem Boden kniender Mann abgebildet, auf dessen Kopf der Lauf einer Pistole gerichtet ist. Neben ihm befindet sich der Schriftzug von ver.di. Die Fotomontage trägt den Titel „VER.DI HÖRT DEN WARNSCHUSS NICHT!“ Sie weist auch das Logo der Arbeitgeberin aus. Über diesen Beitrag beschwerten sich sieben Beschäftigte der Arbeitgeberin, die zugleich Gewerkschaftsfunktionäre sind und sich durch den Beitrag bedroht fühlten.

Nach Anhörung des Fahrers und des Personalrats sprach die Arbeitgeberin eine fristlose und eine ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus.

Das Arbeitsgericht hat die hilfsweise fristgemäße Kündigung für wirksam erachtet. Der Straßenbahnfahrer habe mit der Fotomontage Beschäftigte konkret bedroht. Darin liege zugleich eine erhebliche Störung des Betriebsfriedens. Die Chatgruppe sei zwar privat, richte sich jedoch ausdrücklich an Fahrpersonal der Arbeitgeberin und verfüge mit rund 1000 Mitgliedern nicht mehr über einen überschaubaren Adressatenkreis. Der Beitrag sei auch auf eine Außenwirkung angelegt gewesen. Die Fotomontage sei als Drohung an Beschäftigte, die sich für ver.di aktiv einsetzten, zu verstehen und, wie sich an den Beschwerden zeige, auch verstanden worden. Dies ergebe sich vor allem aus der Zielrichtung des Pistolenlaufs auf den Kopf des abgebildeten Mannes. Eine solche konkrete Bedrohung sei von der Meinungsfreiheit nicht gedeckt. Auch liege hierin eine arbeitsvertragliche Nebenpflichtverletzung, von der klar erkennbar sei, dass sie von der Arbeitgeberin nicht hingenommen werde. Daher sei eine Abmahnung nicht erforderlich gewesen.

Im Rahmen der Interessenabwägung hat das Arbeitsgericht angenommen, eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist sei der Arbeitgeberin noch zuzumuten. Der gekündigte Arbeitnehmer hingegen benötige als alleinerziehender Vater dreier Kinder einen größeren zeitlichen Vorlauf, um eine neue hiermit vereinbare Stelle zu finden. Dieser Umstand wie auch die 15jährige Betriebszugehörigkeit überwögen bezogen auf die ordentliche Kündigung hingegen nicht die Interessen der Arbeitgeberin. Diese müsse für den Schutz ihrer Beschäftigten sowohl bei der Ausübung deren arbeitsvertraglich geschuldeter Tätigkeiten wie auch bei der Wahrnehmung ihrer Rechte aus Artikel 9 Grundgesetz sorgen.

Gegen das Urteil können beide Parteien Berufung beim Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg einlegen.

Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 7. Oktober 2024, Aktenzeichen 59 Ca 8733/24 + 59 Ca 11420/24

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