Schlagwort-Archiv Insolvenz

VonRA Moegelin

Insolvenzsicherung bei betrieblicher Altersversorgung

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safe2Eine betriebliche Altersversorgung kann durch Insolvenz des Arbeitgebers unter Umständen verloren gehen. Nach § 7 Abs. 1a Satz 3 BetrAVG sind rückständige Leistungen der betrieblichen Altersversorgung durch den Pensions-Sicherungs-Verein nur insolvenzgeschützt, wenn der Anspruch darauf bis zu zwölf Monate vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden ist. Diese Bestimmung ist nicht anwendbar auf Leistungen, die nach der Versorgungsregelung als Kapitalleistungen und nicht als Renten zu erbringen sind.

Der im Jahr 1949 geborene Kläger war langjährig bei der späteren Insolvenzschuldnerin beschäftigt. Dort bestand eine Versorgungsordnung, die bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit oder nach Vollendung des 60. Lebensjahres eine Kapitalleistung vorsah. Der Kläger schied vor der Vollendung seines 60. Lebensjahres vorzeitig aus dem Arbeitsverhältnis aus. Dadurch war die frühere Arbeitgeberin verpflichtet, ihm im Februar 2010 eine Kapitalleistung iHv. 28.452,51 Euro brutto zu zahlen. Im September 2011 wurde über das Vermögen der früheren Arbeitgeberin das vorläufige Insolvenzverfahren und erst im Dezember 2012 das Insolvenzverfahren eröffnet.

Das Landesarbeitsgericht hat den Beklagten als Träger der gesetzlichen Insolvenzsicherung zur Zahlung der Kapitalleistung verurteilt. Die Revision des Beklagten hatte vor dem Dritten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg und führte zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht. Zwar haftet der Pensions-Sicherungs-Verein bei Kapitalleistungen nach § 7 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG auch für zurückliegend entstandene Versorgungsansprüche außerhalb des Zwölf-Monats-Zeitraums. Dies erfordert jedoch einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der unterbliebenen Zahlung und der später eingetretenen Insolvenz des Versorgungsschuldners. Dieser Zusammenhang liegt vor, wenn sich der Versorgungsschuldner zum Zeitpunkt seiner Zahlungspflicht in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befand. Der Senat konnte den Rechtsstreit nicht abschließend entscheiden, da das Landesarbeitsgericht die für die Beurteilung dieser Frage erforderlichen Feststellungen bislang nicht getroffen hat.

(Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20. September 2016 – 3 AZR 411/15; vgl. Pressemitteilung Nr. 49/16)

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VonRA Moegelin

Unterrichtung des Betriebsrats bei einer Massenentlassung

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1305531477Im vorliegenden Fall dem das BAG zur Entscheidung vorlag, ging es um die Frage der Heilung einer fehlerhaften Unterrichtung des Betriebsrats bei einer Massenentlassung. Ab einer Zahl von mehr als 5 20 Arbeitnehmern die in einem Betrieb von mehr als 20 Arbeitnehmern gekündigt werden sollen, spricht man von einer Massenentlassung.

Nach § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3 KSchG muss sich die Unterrichtung des Betriebsrats im Rahmen des Konsultationsverfahrens auch auf die betroffenen Berufsgruppen beziehen. Bei einer beabsichtigten Entlassung aller Arbeitnehmer wegen Stilllegung des Betriebs kann eine unterbliebene Unterrichtung über die Berufsgruppen jedoch durch eine abschließende Stellungnahme des Betriebsrats geheilt werden. Dieser muss zu entnehmen sein, dass der Betriebsrat seinen Beratungsanspruch als erfüllt ansieht.

Die Klägerin war als Produktionsmitarbeiterin beschäftigt. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen ihrer Arbeitgeberin beschloss der beklagte Insolvenzverwalter die Stilllegung des Betriebs und unterrichtete den Betriebsrat über die beabsichtigte Kündigung aller Arbeitnehmer im Rahmen einer Massenentlassung. Dabei teilte er die betroffenen Berufsgruppen nicht mit. Dennoch bestätigte der Betriebsrat in dem am 23. Dezember 2013 abgeschlossenen Interessenausgleich, dass er vollständig unterrichtet worden sei und das Konsultationsverfahren nach abschließender Beratung beendet sei. Nach Erstattung der Massenentlassungsanzeige kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit Schreiben vom 27. Dezember 2013 zum 31. März 2014. Mit ihrer Klage wendet sich die Klägerin gegen diese Kündigung. Sie meint, die Kündigung sei wegen fehlerhafter Durchführung des Konsultationsverfahrens unwirksam. Die Angaben bezüglich der Berufsgruppen hätten zwingend erteilt werden müssen.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die Revision der Klägerin hatte vor dem Sechsten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Dabei konnte offen bleiben, ob die fehlende Information über die Berufsgruppen im Falle einer Betriebsstilllegung überhaupt nachteilige Rechtsfolgen für den Arbeitgeber bewirken kann. Die fehlerhafte Unterrichtung ist hier jedenfalls durch die abschließende Stellungnahme des Betriebsrats im Interessenausgleich geheilt worden.

(Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 9. Juni 2016 – 6 AZR 405/15; Pressemitteilung Nr. 30/16)

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VonRA Moegelin

Insolvenzanfechtung bei Zahlung über Konto des Sohns des Schuldners

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grumpyoldmanandboyDie Anfechtungstatbestände der Insolvenzordnung geben dem Insolvenzverwalter eine Handhabe, vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommene, ungerechtfertigte Schmälerungen der Insolvenzmasse rückgängig zu machen. Nach § 131 InsO kann eine Rechtshandlung, die in den letzten drei Monaten vor dem Eröffnungsantrag und damit in der sog. „kritischen Zeit“ erfolgt ist, ua. dann angefochten werden, wenn damit die Forderung eines Insolvenzgläubigers erfüllt worden ist, ohne dass er dies „in der Art“ beanspruchen konnte. Dann liegt eine sog. inkongruente Deckung vor. Darum sind Zahlungen, die Arbeitnehmer über das Konto eines Dritten und nicht über das Konto ihres Arbeitgebers erhalten, im Allgemeinen inkongruent. Ob Inkongruenz vorliegt, bestimmt sich jedoch nicht nach dem im Arbeitsleben üblichen Zahlungsweg, vielmehr ist insoweit auf das konkrete Arbeitsverhältnis abzustellen. Eine Entgeltzahlung, die über das Konto des Sohnes des späteren Schuldners erfolgt, kann deshalb ausnahmsweise kongruent und nicht nach § 131 InsO anfechtbar sein, wenn es sich bei diesem Konto um das Geschäftskonto des Arbeitgebers handelt und das Entgelt während des gesamten Arbeitsverhältnisses über dieses Konto gezahlt worden ist.

Der Beklagte war bei dem Schuldner als Buchhalter beschäftigt. Über das Vermögen des Schuldners wurde auf Antrag vom 18. Februar 2009 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Der Schuldner wickelte vom Beginn seiner Geschäftstätigkeit an seinen gesamten geschäftlichen Zahlungsverkehr über ein Konto ab, das von seinem Sohn eröffnet worden war. Dies geschah im Wege des Onlinebanking, für das ihm sein Sohn die erforderlichen Daten zur Verfügung gestellt hatte. Der Sohn des Schuldners nutzte dieses Konto selbst nicht. Die Entgeltansprüche des Beklagten wurden seit Beginn des Arbeitsverhältnisses über dieses Konto erfüllt. Dem Beklagten war bekannt, dass es sich dabei um ein Konto des Sohnes handelte. Am 4. Dezember 2008 sowie am 12. Januar und 5. Februar 2009 erhielt der Beklagte in der üblichen Weise über das Konto des Sohns des Schuldners insgesamt 1.897,00 Euro als Entgelt für November 2008 bis Januar 2009. Der Kläger hat diese Zahlungen ua. nach § 131 InsO angefochten. Er hat geltend gemacht, die Zahlungen hätten eine inkongruente Deckung bewirkt, weil sie über das Konto eines Dritten erfolgt seien.

Die Vorinstanzen haben angenommen, die Zahlungen seien kongruent gewesen, und haben die Klage deshalb abgewiesen. Die Revision des Klägers hatte vor dem Sechsten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Die Entgeltzahlungen erfolgten durch den Schuldner selbst als Arbeitgeber in der für das Arbeitsverhältnis üblichen Weise. Der Sohn war an diesen Zahlungen – über die Einrichtung des Kontos hinaus – nicht beteiligt.

(Bundesarbeitsgericht; Urteil vom 22. Oktober 2015 – 6 AZR 538/14 )

(vgl. Pressemitteilung Nr. 48/15 des BAG)

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Vertragsstrafe wegen beharrlicher Arbeitsverweigerung

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captalistpictureIn Arbeitsverträgen können sich Klauseln zu Vertragsstrafen finden, wonach der Arbeitnehmer sich verpflichtet, bei Verstößen gegen vertragliche Pflichten einen bestimmten Geldbetrag an den Arbeitgeber zu zahlen. Im vorliegenden Fall hatte das BAG die Wirksamkeit einer Vertragsstrafenregelung zu beurteilen, die im Fall einer arbeitnehmerseitigen Vertragsbeendigung ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zur Geltung kam. Auslöser war die Insolvenz des Arbeitgebers, die den Arbeitnehmer zur Kündigung „zum nächstmöglichen Termin“ veranlasste. Der Insolvenzverwalter forderte ihn auf zur Arbeit zu erscheinen, was er unter Bezugnahme auf die Kündigung und seines mittlerweile neuen Jobs ablehnte.

Darauf kündigte der Insolvenzverwalter seinerseits das Arbeitsverhältnis wegen beharrlicher Arbeitsverweigerung außerordentlich fristlos, zugleich machte er die Vertragsstrafe in Höhe eines Bruttomonatsgehalts von 3.800 € brutto  geltend. Der beklagte Arbeitnehmer klagte nicht gegen diese Kündigung, so dass nur die Rechtmäßigkeit der Vertragsstrafe gerichtlich zu prüfen war. Die Klage des Insolvenzverwalters wurde in zwei Instanzen abgewiesen. Auch seine Revision wurde zurückgewiesen.

Die bloße Nichtleistung der vertraglich geschuldeten Leistung stellt grundsätzlich keine Kündigung und damit keine Vertragsbeendigung dar. Eine Vertragsstrafe ist nur für den Fall der Vertragsbeendigung durch den Arbeitnehmer vorgesehen. Ein Arbeitsvertrag wird weder im Zeitpunkt des Zugangs einer fristgemäßen Eigenkündigung noch durch die Einstellung der Arbeitsleistung oder der auf Dauer angelegten Lossagung von der Hauptleistungspflicht aus dem Arbeitsverhältnis rechtlich beendet (BAG, Urteil vom 23. Januar 2014 – 8 AZR 130/13).

Die Kündigung des Beklagten hat gemäß diesem Wertungsmaßstab den Arbeitsvertrag nicht, auch zum „nächstmöglichen Termin“ (also gemeint: fristgerecht) nicht beendet. Vielmehr war es der Kläger, der das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos wegen beharrlicher Arbeitsverweigerung des Beklagten wirksam gekündigt hat. Es kommt hierbei nicht auf den Zeitpinkt der Kündigungserklärung an, sondern auf den Zeitpunkt, wann die Kündiung das Arbeitsverhältnis faktisch beendet. Die fristlose Kündigung des Insolvenzverwalters „griff“ zeitlich früher. Diese Kündigung hat mit Zugang beim Beklagten, der sie in der Folgezeit nicht angegriffen hat, das Arbeitsverhältnis beendet.

Ebenso trat keine Vertragsbeendigung dadurch ein, dass sich der Beklagte schon mit seinem Kündigungsschreiben, bzw. per E-Mail vom 2. Dezember 2011, deutlich von seiner Hauptleistungspflicht aus dem Arbeitsverhältnis auf Dauer losgesagt hat, obwohl ihm bewusst war, dass ein rechtlich wirksamer Beendigungstatbestand noch nicht eingetreten ist.

Ein Anspruch des Insolvenzverwalters gegen den Arbeitnehmer auf Zahlung einer Vertragsstrafe besteht daher nicht.

Volltext des Urteils des Bundesarbeitsgerichts: BAG, Urteil vom 23. Januar 2014 – 8 AZR 130/13

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VonRA Moegelin

Interessenausgleich bei betriebsbedingter Kündigung

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job_interviewIm Fall von betriebsbedingten Kündigungen können Arbeitgeber und Betriebsrat -so wie im hier einschlägigen Fall- einen Interessenausgleich einschließlich einer darin enthaltenen Auswahlrichtlinie in Form einer Betriebsvereinbarung schließen.

Der 1970 geborene, unverheiratete Kläger war seit 1998 als Werkzeugmacher bei der Insolvenzschuldnerin, einem Unternehmen der Automobilzulieferindustrie, beschäftigt. Im Dezember 2009 wurde über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Der Beklagte und der Betriebsrat schlossen am 10. Februar 2010 einen von beiden unterschriebenen Interessenausgleich, der eine Auswahlrichtlinie und eine Namensliste enthielt. Der Kläger wies nach dem Punkteschema der Auswahlrichtlinie zwei Sozialpunkte mehr als der Arbeitnehmer Y auf, der der Vergleichs- und Altersgruppe des Klägers zugeordnet war. Die Namensliste nannte dennoch den Namen des Klägers. Von den sieben Arbeitsverhältnissen der Vergleichs- und Altersgruppe des Klägers wurde nur sein Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 12. Februar 2010 ordentlich zum 31. Mai 2010 gekündigt. Mit der Klage wendet sich der Kläger gegen die Kündigung. Er meint, die soziale Auswahl sei grob fehlerhaft, weil der Beklagte sein Arbeitsverhältnis und nicht das des Arbeitnehmers Y gekündigt habe. Die Auswahlrichtlinie räume dem Arbeitgeber keinen Beurteilungsspielraum ein.

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Sie haben angenommen, die Kündigung verstoße gegen die Auswahlrichtlinie. Die Sozialauswahl sei deshalb grob fehlerhaft. Die Revision des Beklagten hatte vor dem Sechsten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg.

Arbeitgeber und Betriebsrat können Auswahlrichtlinien im Sinn von § 1 Abs. 4 KSchG später oder zeitgleich – etwa bei Abschluss eines Interessenausgleichs mit Namensliste – ändern. Setzen sich die Betriebsparteien in einem bestimmten Punkt gemeinsam über die Auswahlrichtlinie hinweg, gilt die Namensliste (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24. Oktober 2013 – 6 AZR 854/11).

Das BAG erachtet die Namensliste zumindest dann maßgeblich, wenn Interessenausgleich und Auswahlrichtlinie von denselben Betriebsparteien herrühren. Und das war hier der Fall. Hier sind sowohl der Interessenausgleich als Gesamtheit der getroffenen Regelungen als auch die Auswahlrichtlinie und die Namensliste im Besonderen von beiden Betriebsparteien unterschrieben. Die Auswahlrichtlinie ist deswegen schon nach ihrem Wortlaut eine schriftformgerechte Betriebsvereinbarung iSv. § 77 Abs. 2 Satz 1 BetrVG. Sie bezeichnet sich selbst als Auswahlrichtlinie iSv. § 1 Abs. 4 KSchG iVm. § 95 BetrVG, nach der die sozialen Gesichtspunkte bei der Auswahl von Mitarbeitern zu den beabsichtigten Kündigungen zu werten sind.

Der Kläger hätte deshalb Tatsachen darlegen müssen, aus denen sich bei objektiver Betrachtung ergibt, dass die Gewichtung der Sozialkriterien bei seiner Auswahl zur Kündigung anstelle des Arbeitnehmers Y im Auswahlergebnis grob fehlerhaft gemäß § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO war. Eine solche grobe Fehlerhaftigkeit war nach den Feststellungen des Gerichts weder dargelegt noch ersichtlich. Vielmehr weist der Arbeitnehmer Y nur den verhältnismäßig geringfügigen Unterschied von zwei Punkten nach dem von der Namensliste insoweit aufgehobenen Punktesystem der Auswahlrichtlinie auf. Während auf den Kläger am Stichtag des 1. Februar 2010 51 Punkte entfielen, wies der Arbeitnehmer Y 49 Punkte auf. Solche geringfügigen Unterschiede können eine grobe Fehlerhaftigkeit des Auswahlergebnisses iSv. § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO jedenfalls für sich genommen nicht begründen (vgl. BAG, Urteil vom 18. Oktober 2012 – 6 AZR 289/11 – Rn. 49) Das Gesetz räumt den Betriebsparteien sowohl in § 1 Abs. 4 Var. 2 KSchG als auch in § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO einen weiten Spielraum bei der Gewichtung der Sozialkriterien ein. Die Betriebsparteien wichen in der Namensliste daher übereinstimmend und wirksam von der Auswahlrichtlinie ab.

Mit der vom LAG gegebenen Begründung konnte das BAG der Klage daher nicht stattgeben und hat die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das LAG zurückverwiesen. Auf der Grundlage des bisher festgestellten Sachverhalts steht noch nicht fest, ob die Kündigung wirksam ist.

Volltext des Urteils des Bundesarbeitsgerichts: BAG, Urteil vom 24. Oktober 2013 – 6 AZR 854/11

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Passivlegitimation des Insolvenzverwalters für Kündigungsschutzklage

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Vulture_Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist der Insolvenzverwalter aufgrund seiner Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis damit Klagegegner des Arbeitnehmers in einem Kündigungsschutzverfahren. § 35 Abs. 2 InsO regelt aber eine bedeutsame Ausnahme, wie das BAG entschieden hat.

Der Kläger war beim damaligen Arbeitgeber, der als Einzelunternehmer einen Kurier- und Kleinsttransportbetrieb führte, als Kraftfahrer beschäftigt. Am 15. Mai 2010 kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger außerordentlich. Am 20. Mai 2010 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Einen Tag später erklärte der Beklagte gegenüber dem Schuldner (= ehemaligen Arbeitgeber), dass er die von ihm ausgeübte selbständige Tätigkeit nach § 35 Abs. 2 InsO aus der Insolvenzmasse freigebe. Mit seiner am 1. Juni 2010 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage will der Kläger gegenüber dem Insolvenzverwalter festgestellt wissen, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht fristlos, sondern ordentlich beendet wurde.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und die Revision zugelassen. Die Revision des Klägers hatte vor dem Bundesarbeitsgericht keinen Erfolg.

Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist eine Kündigungsschutzklage gegen den Schuldner zu richten, wenn dieser eine selbständige Tätigkeit ausübt und der Insolvenzverwalter das Vermögen aus dieser Tätigkeit gemäß § 35 Abs. 2 InsO aus der Insolvenzmasse freigegeben hat. Mit Zugang der Freigabeerklärung bei dem Schuldner fällt die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über die zu diesem Zeitpunkt bestehenden Arbeitsverhältnisse ohne gesonderte Kündigung von dem Insolvenzverwalter an den Schuldner zurück (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21. November 2013 – 6 AZR 979/11).

Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers geht nach § 80 Abs. 1 InsO die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über die bestehenden Arbeitsverhältnisse auf den Insolvenzverwalter über. Eine Kündigungsschutzklage ist dann gegen den Insolvenzverwalter in seiner Eigenschaft als Partei kraft Amtes zu richten, und zwar auch dann, wenn die Kündigung noch vom Insolvenzschuldner erklärt wurde.

Übt der Schuldner als natürliche Person eine selbständige Tätigkeit aus, hat der Insolvenzverwalter ihm gegenüber gemäß § 35 Abs. 2 Satz 1 InsO zu erklären, ob Vermögen aus der selbständigen Tätigkeit zur Insolvenzmasse gehört und ob Ansprüche aus dieser Tätigkeit im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden können. Die Erklärung ist dem Gericht gegenüber nach § 35 Abs. 3 Satz 1 InsO anzuzeigen. Falls das Insolvenzgericht nicht die Unwirksamkeit der Erklärung anordnet (§ 35 Abs. 2 Satz 3 InsO), wird das Vermögen aus der selbständigen Tätigkeit durch eine Freigabeerklärung von der Insolvenzmasse gelöst. Der im Rahmen der selbständigen Tätigkeit erzielte Neuerwerb gehört nicht zur Insolvenzmasse. Korrespondierend dazu wird die Masse von den Verbindlichkeiten freigestellt, die der Schuldner im Rahmen der selbständigen Tätigkeit. § 35 Abs. 2 InsO dient damit sowohl dem Interesse des Schuldners als auch dem Schutz der Masse.

Die Voraussetzungen von § 35 Abs. 2 InsO liegen im einschlägigen Fall vor. Dem Schuldner, der nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine selbständige Tätigkeit ausgeübt hat, wurde betreffendes Vermögen vom Insolvenzverwalter aus der Insolvenzmasse freigegeben. Damit fiel die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis mit Wirksamwerden der Freigabeerklärung auch über die zu diesem Zeitpunkt bereits begründete Arbeitsverhältnis an den Schuldner (= ehemaligen Arbeitgeber) zurück. Ab deisem Zeitpunkt war der ehemalige Arbeitgeber und nicht mehr der Insolvenzverwalter passiv legitimiert für eine Kündigungsschutzklage. Mangels Passivlegitimation des Insolvenzverwalters war die Klage daher abzuweisen und die Revision zurückzuweisen.

Volltext des Urteils des Bundesarbeitsgerichts: BAG, Urteil vom 21. November 2013 – 6 AZR 979/11

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