Schlagwort-Archiv Schmerzensgeld

VonRA Moegelin

Zugang der Eltern zum Facebook-Account der verstorbenen Tochter

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iconos_redes_sociales_facebookVor dem Landgericht Berlin wurde über die Klage von Eltern entschieden, ob sie als Erben ihrer minderjährig verstorbenen Tochter von Facebook die Zugangsdaten zu dem Benutzerkonto herausverlangen können.

Die Tochter der Klägerin war mit 15 Jahren unter ungeklärten Umständen durch eine in einen Bahnhof einlaufende U-Bahn tödlich verletzt worden. Die Klägerin erhoffte, über den Facebook-Account ihrer Tochter und die dort ausgetauscht Nachrichten und Posts mehr über den Tod ihrer Tochter zu erfahren und zu klären, ob es sich um einen Selbstmord gehandelt haben könnte. Dies war auch deshalb von Bedeutung, als der Fahrer der U-Bahn, die die Verstorbene erfasst hatte, gegen die Erben ein Schmerzensgeld und Schadensersatz wegen Verdienstausfalls geltend machte. Facebook Ireland Limited (im Folgenden: Facebook) verweigerte der Klägerin die Zugangsdaten zu dem in einen Gedenkzustand versetzten Account, so dass diese Klage erhob.

Das Landgericht gab der Klage statt und verpflichtete Facebook, den Eltern der Verstorbenen als deren Erben Zugang zu dem Benutzerkonto und dessen Kommunikationsinhalten zu gewähren. Der Vertrag zur Nutzung der Facebook-Dienste, den die Tochter abgeschlossen hatte, sei wie jeder andere schuldrechtliche Vertrag auf die Erben übergegangen. Eine unterschiedliche Behandlung des digitalen und des „analogen“ Vermögens des Erblassers sei nicht gerechtfertigt. Denn eine Ungleichbehandlung würde dazu führen, dass persönliche Briefe und Tagebücher unabhängig von ihrem Inhalt vererblich wären, E-Mails oder private Facebook-Nachrichten hingegen nicht.

Schutzwürdige Interessen von Facebook seien nicht gegeben. Der Nutzungsvertrag werde regelmäßig ohne nähere Prüfung des Nutzers abgeschlossen werde und dessen Identität kontrolliere Facebook nur in Ausnahmefällen. Ebenso stehe das postmortale Persönlichkeitsrecht der Verstorbenen einer Zugangsgewährung nicht entgegen. Denn die Erziehungsberechtigten seien für den Schutz des Persönlichkeitsrechtes ihrer minderjährigen Kinder zuständig. Dies gelte nicht nur zu deren Lebzeiten. Jedenfalls dann, wenn besondere Umstände wie hier die ungeklärte Todesursache der Tochter vorlägen, seien die Eltern als Erben berechtigt, sich Kenntnis darüber zu verschaffen, was ihre Tochter im Internet geäußert habe.

Die Gedenkzustands-Richtlinie, wie sie Facebook vor 2014 verwandt habe, sei unwirksam. Es stelle eine unangemessene Benachteiligung der Nutzer bzw. deren Erben dar, wenn eine beliebige Person der Facebook-Freundesliste veranlassen könnte, dass das Profil des Nutzers in den Gedenkzustand versetzt werde, und wenn dies auch von den Erben nicht rückgängig gemacht werden könne.

Auch das Datenschutzrecht stehe dem Anspruch auf Zugangsgewährung nicht entgegen. Vertrauliche Briefe, die ein Dritter verschickt habe, würden nach dem Tod des Empfängers von den Erben gelesen werden können, ohne dass ein Eingriff in die Rechte dieser Dritten vorliege. Nichts Anderes gelte für digitale Daten.

Volltext des Urteils des Landgerichts Berlin vom 17.12.2015 – 20 O 172/15 ; vgl. Pressemitteilung vom 07.01.2016

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VonRA Moegelin

Sorgfaltspflichten beim Silvester-Feuerwerk

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Fireworks-Remix-2015052712-300pxBesonders Jugendliche neigen zu Leichtsinn im Umgang mit Feuerwerkskörpern zu Silvester. Das Thüringer Oberlandesgericht hatte zu entscheiden, welche Anforderungen an die Voraussicht und Sorgfalt jugendlicher Personen, die ein Feuerwerk abbrennen, zu stellen sind.

Zudem hatte das Gericht zur Frage Stellung zu nehmen, inwieweit das Tragen ungeeigneter, leicht entzündlicher synthetischer Bekleidung beim Silvesterfeuerwerk unter dem Gesichtspunkt des Mitverschuldens zugerechnet werden, wenn die Schwere der Verletzungen maßgeblich daraus resultiert.

Dem Fall zugrunde lagen Vorkommnisse in der Silvesternacht 2000/2001. Die 16 Jahre alte Beklagte zündete einen Feuerwerkskörper und zwar ein „Bienchen“, welches sich bestimmungsgemäß erst drehen, dann senkrecht aufsteigen und danach explodieren/versprühen sollte. Die Klägerin hat nicht nachgewiesen, dass die Abgabe dieses „Bienchen“ nicht an Personen unter 18 Jahren erfolgen sollte. Zeugenaussagen haben ergeben, dass dieser Feuerwerkskörper in relativ kurzer Distanz zur Klägerin durch die Beklagte gezündet worden ist. Die Klägerin trug bei dem Vorfall einen leicht brennbaren Anorak.

Die Klägerin war im Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses 12 Jahre alt und Gymnasialschülerin. Sie erlitt Verbrennungen 2. und 3. Grades im Bereich beider Oberschenkelinnenseiten, des Unterbauches und im Genitalbereich (insgesamt ca. 10 % der Körperoberfläche). Es wurde unter anderem auch eine Hautverpflanzung durchgeführt. Die ambulanten Behandlungen dauern an wie auch die Krankengymnastik im Zusammenhang mit der umfangreichen Narbenbildung. Als Dauerschaden ist neben den physischen Schäden eine posttraumatische Belastungsstörung (PCBS) in Form einer traumatischen Neurose eingetreten gemäß dem gerichtlich eingeholte Gutachten, ferner eine Dysthymie. Das Maß der Lebensbeeinträchtigung ergibt sich insbesonder aus der verletzungsbedingten Behinderung mit einem festgestellten Grad der Behinderung von 50 %.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte deswegen einen Schmerzensgeldanspruch in Höhe von 15.000 € zuerkannt bekommen.

Zu den Anforderungen an die Voraussicht und Sorgfalt auch jugendlicher Personen, die ein Feuerwerk abbrennen, gehört, dass die Feuerwerkskörper nur bestimmungsgemäß abgebrannt werden dürfen und besondere Witterungs- und Bodenbedingungen zu berücksichtigen sind.

Das Tragen ungeeigneter, leicht entzündlicher synthetischer Bekleidung beim Silvesterfeuerwerk kann dem durch einen Feuerwerkskörper Geschädigten unter dem Gesichtspunkt des Mitverschuldens zugerechnet werden, wenn die Schwere der Verletzungen maßgeblich daraus resultiert.

An die Voraussicht und Sorgfalt derjenigen Personen, die ein Feuerwerk veranstalten bzw. entzünden, sind grundsätzlich hohe Anforderungen zu stellen (vgl. BGH Urteil vom 9.7.1985 Az. VI ZR 71/84). Insbesondere müssen sie einen Standort wählen, von dem aus andere Personen oder Sachen nicht (ernsthaft) gefährdet werden. Da niemals ein Fehlstart von Raketen (oder wie hier einem „ Bienchen „) völlig ausgeschlossen werden kann, muss beim Abbrennen von Feuerwerkskörpern ein Platz gewählt werden, von dem aus etwa fehlgeschlagene Raketen aller Voraussicht nach keinen nennenswerten Schaden anrichten können (BGH aaO). In der Silvesternacht sind darüber hinaus die Anforderungen an die Verkehrssicherungspflicht beim Abbrennen von Feuerwerkskörpern herabgesetzt. Alle Verkehrssicherungspflichten sind grundsätzlich unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung zu bemessen (BGH aaO). Maßstab für die Verkehrssicherungspflicht ist zwar das zum Schutz von Gefährdeten Erforderliche; jedoch richtet sich das auch danach, welche Maßnahmen diese zu ihrem Schutz vernünftiger Weise erwarten können und welche Vorsorge ihnen selbst zum eigenen Schutz möglich und zumutbar ist. Der Verkehrssicherungspflichtige hat daher nur die Sicherungsvorkehrungen zu treffen, die ein vernünftiger Angehöriger eines bestimmten Verkehrskreises erwarten darf (BGH aaO mwN). In der Silvesternacht ist es zulässig und in allen Städten und Gemeinden üblich, nichterlaubnispflichtige Feuerwerkskörper zu zünden. Auf diesen Brauch richtet sich der Verkehr ein, auch was – in vernünftigen – Grenzen die Maßnahmen zum Selbstschutz betrifft. Das entbindet zwar den, der ein Feuerwerk abbrennt, nicht von der Verantwortung dafür, die Feuerwerkskörper nur bestimmungsgemäß und unter Beachtung der Gebrauchsanleitung, insbesondere unter Einhaltung der vom Hersteller verlangten Sicherheitsvorkehrungen zu verwenden. Ebenso wenig ist er davon befreit, sorgfältig auf besondere Umstände zu achten, aufgrund derer das Abbrennen des Feuerwerks an der von ihm ausgewählten Stelle mit Gefahren verbunden sein kann, die nach Art und Umfang über diejenigen Gefahren hinausgehen, welche trotz vorschriftsmäßiger Handhabung nicht gänzlich ausgeschlossen werden können. Soweit es aber nur um „normale“ Gefährdungen durch erlaubnisfreie Feuerwerkskörper für Personen geht, die sich im Freien in der Nähe der Abschussstellen aufhalten und sich auf das Feuerwerk einstellen können, begründen diese im allgemeinen keine Haftungsverantwortlichkeit. Jeder vernünftige Mensch, der dem Silvesterfeuerwerk zuschaut, richtet sich auf derartige Gefährdungen selbst ein, sofern sie nicht aus Richtungen kommen, aus denen er sie nicht zu erwarten braucht, oder aufgrund anderer besonderer Umstände das Maß der normalerweise zu erwartenden Gefahr übersteigen. Vorkehrungen zum Schutz auch dieses Personenkreises vor den „normalen“ Gefährdungen bedarf es deshalb nicht, jedenfalls nicht in der Neujahrsnacht.

Die Klägerin trifft jedoch ein Mitverschulden (50 %) bei der Entstehung des Schadens, insbesondere hinsichtlich des Schadensumfanges. Die Klägerin hat sich bewusst einer Gefährdung durch das Silvesterfeuerwerk ausgesetzt. Die flächenhaften Brandverletzungen sind danach auf die brennende Kleidung und nicht auf die unmittelbare Einwirkung des Feuerwerkskörpers zurückzuführen. Die von der Klägerin getragene Kleidung bestand aus einem synthetischen und damit leicht entzündlichen Material.

(Thüringer Oberlandesgericht, Urteil vom 23.10.2007 – 5 U 146/06)

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VonRA Moegelin

Schmerzensgeld nach Sturz von Bierbank auf Oktoberfest

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Oktoberfest-logo-300pxDas Oktoberfest in München ist für bierselige Gemütlichkeit weltbekannt. In letzter Zeit häufen sich dort alkoholbedingte Exzesse und Unfälle, so auch bei Ableger-Veranstaltungen wie dem Oktoberfest in Münster.

Dort besuchte im September 2012 die seinerzeit 51 Jahre alte das Oktoberfest an der Hafenarena in Münster. Vom Beklagten zum Tanzen aufgefordert begaben sich beide zur Tanzfläche. Vor ihnen standen viele Besucher auf sog. Bierbänken. Als die Parteien eine leere Bierzeltgarnitur erreichten, bestieg der Beklagte eine leere Bank, um dort zu tanzen. Ihm folgte die Klägerin. Kurz darauf wackelte die Bierbank, die Klägerin und sodann der Beklagte stürzten herab.

Die Klägerin hat vorgetragen, vom Beklagten gegen ihren Willen auf die Bierbank gezogen worden. Beim Sturz von der Bank habe sie sich einen Riss ihrer Supraspinatussehne zugezogen. Dieser sei nicht folgenlos verheilt, vielmehr sei die Beweglichkeit ihrer Schulter dauerhaft einschränkt. Vom Beklagten hat die Klägerin Schadensersatz verlangt, unter anderem ein Schmerzensgeld von 7.500 Euro.

Die Schadensersatzklage ist erfolglos geblieben. Das klageabweisende Urteil des Landgerichts Münster mit Senatsbeschluss vom 25.11.2015 bestätigt und die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.

Wer einen anderen Erwachsenen zu selbstgefährdendem Tun veranlasst, haftet nicht für Schäden, die dem Erwachsenen entstehen, wenn sich die Gefahr realisiert, in die sich dieser eigenverantwortlich selbst begeben hat (Oberlandesgericht Hamm, Beschluss vom 25.11.2015 – 9 U 142/14; vgl. Pressemtteilung vom 22.12.15).

Nach den richterlichen Feststellungen ist die Klägerin nach ihrem eigenen Vortrag, zwar veranlasst und unterstützt durch den Beklagten, letztendlich selbst auf die wackelige, zum Besteigen und zum Tanzen erkennbar ungeeignete Bank gestiegen. Für dieses Verhalten und die damit verbundene Selbstgefährdung sei sie allein verantwortlich. Ihre spätere Schädigung könne dem Beklagten haftungsrechtlich nicht zugerechnet werden. Es bestehe weder ein allgemeines Gebot, andere vor Selbstgefährdung zu bewahren, noch ein generelles Verbot, sie zur Selbstgefährdung psychisch zu veranlassen. Nur bei Ausnahmesituationen, etwa bei einer übergeordneten Garantenstellung des Schädigers oder bei einer von ihm mit einer zu billigenden Motivation ʺherausgefordertenʺ Selbstgefährdung komme eine Haftungszurechnung in Betracht. Eine derartige Ausnahmesituation liege nicht vor. Der Beklagte habe keine zusätzliche Gefahr geschaffen. In dem Unfall habe sich vielmehr die erkennbar allgemein und von vornherein mit dem Besteigen der hierfür ungeeigneten Bank zum Tanzen verbundene Gefahr realisiert.

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VonRA Moegelin

Schmerzensgeld und Schadensersatz im Ausbildungsverhältnis

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tonlima-Olhos-Verdes-Green-Eye-300pxDer Kläger und der Beklagte waren als Auszubildende bei einer Firma beschäftigt, die einen Kfz-Handel mit Werkstatt und Lager betreibt. Am Morgen des 24. Februar 2011 arbeitete der damals 19jährige Beklagte an der Wuchtmaschine. Der damals 17jährige Kläger, ein weiterer Auszubildender und ein anderer Arbeitnehmer waren im Raum, der Kläger mehrere Meter entfernt in der Nähe der Aufzugstür. Der Beklagte warf ohne Vorwarnung mit vom Kläger abgewandter Körperhaltung ein ca. 10 g schweres Wuchtgewicht hinter sich. Dieses traf den Kläger am linken Auge, am Augenlid und an der linken Schläfe. Er wurde in einer Augenklinik behandelt. Im Herbst 2011 und im Frühjahr 2012 unterzog er sich erneut Untersuchungen und Eingriffen, wobei eine Kunstlinse eingesetzt wurde; Einschränkungen aufgrund einer Hornhautnarbe verblieben. Die zuständige Berufsgenossenschaft zahlt dem Kläger eine monatliche Rente iHv. 204,40 Euro. Das Landesarbeitsgericht ist zu dem Ergebnis gekommen, der Wurf sei nicht betrieblich veranlasst gewesen. Der Beklagte habe schuldhaft gehandelt. Das Landesarbeitsgericht hat ihn zur Zahlung von Schmerzensgeld in Höhe von 25.000 Euro verurteilt.

Die Revision des Beklagten blieb vor dem Achten Senat des Bundesarbeitsgerichts ohne Erfolg. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts ist ohne Rechtsfehler.

Auszubildende, die durch ihr Verhalten bei einem Beschäftigten desselben Betriebs einen Schaden verursachen, haften ohne Rücksicht auf ihr Alter nach den gleichen Regeln wie andere Arbeitnehmer.

Die Voraussetzungen des Haftungsausschlusses nach § 105 Abs. 1, § 106 Abs. 1 SGB VII sind nicht erfüllt. Die vom Landesarbeitsgericht angenommene Höhe des Anspruchs des Klägers ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

(Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19. März 2015 – 8 AZR 67/14, siehe auch Pressemitteilung Nr. 16/15)

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VonRA Moegelin

Heimliche Videoaufnahmen vom Arbeitnehmer

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DooFi_Consulting_detective_with_pipe_and_magnifying_glass_silhouette_Ein Arbeitgeber kann grundsätzlich Arbeitnehmer überwachen lassen, wenn er wie im hier einschlägigen Fall den Verdacht hat, dass eine Krankheit nur vorgetäuscht ist. Wenn der Verdacht aber nicht auf konkreten Tatsachen beruht, droht ihm Schmerzensgeld wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts seines Arbeitnehmers.

Dem zugrunde lag der einer Arbeitnehmerin (Klägerin), die bei ihrem Arbeitgeber (Beklagten) seit Mai 2011 als Sekretärin der Geschäftsleitung tätig war. Ab dem 27. Dezember 2011 war sie arbeitsunfähig erkrankt, zunächst mit Bronchialerkrankungen. Für die Zeit bis 28. Februar 2012 legte sie nacheinander sechs Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vor, zuerst vier eines Facharztes für Allgemeinmedizin, dann ab 31. Januar 2012 zwei einer Fachärztin für Orthopädie. Der Geschäftsführer der Beklagten bezweifelte den zuletzt telefonisch mitgeteilten Bandscheibenvorfall und beauftragte einen Detektiv mit der Observation der Klägerin. Diese erfolgte von Mitte bis Ende Februar 2012 an vier Tagen. Beobachtet wurden ua. das Haus der Klägerin, sie und ihr Mann mit Hund vor dem Haus und der Besuch der Klägerin in einem Waschsalon. Dabei wurden auch Videoaufnahmen erstellt. Der dem Arbeitgeber übergebene Observationsbericht enthält elf Bilder, neun davon aus Videosequenzen. Die Klägerin hält die Beauftragung der Observation einschließlich der Videoaufnahmen für rechtswidrig und fordert ein Schmerzensgeld, dessen Höhe sie in das Ermessen des Gerichts gestellt hat. Sie hält 10.500 € für angemessen. Die Klägerin habe erhebliche psychische Beeinträchtigungen erlitten, die ärztlicher Behandlung bedürften.

Das Landesarbeitsgericht hat der Klage in Höhe von 1.000 € stattgegeben. Die Revisionen beider Parteien blieben vor dem Bundesarbeitsgericht ohne Erfolg. Ein Arbeitgeber, der wegen des Verdachts einer vorgetäuschten Arbeitsunfähigkeit einem Detektiv die Ãœberwachung eines Arbeitnehmers überträgt, handelt rechtswidrig, wenn sein Verdacht nicht auf konkreten Tatsachen beruht. Für dabei heimlich hergestellte Abbildungen gilt dasselbe. Eine solche rechtswidrige Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts kann einen Geldentschädigungsanspruch in Form von Schmerzensgeld begründen (Bundesarbeitsgericht Urteil vom 19. Februar 2015 – 8 AZR 1007/13).

Die Observation einschließlich der heimlichen Aufnahmen war rechtswidrig. Der Arbeitgeber hatte keinen berechtigten Anlass zur Überwachung. Der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen war weder dadurch erschüttert, dass sie von unterschiedlichen Ärzten stammten, noch durch eine Änderung im Krankheitsbild oder weil ein Bandscheibenvorfall zunächst hausärztlich behandelt worden war. Die vom Landesarbeitsgericht angenommene Höhe des Schmerzensgeldes war revisionsrechtlich nicht zu korrigieren. Es war nicht zu entscheiden, wie Videoaufnahmen zu beurteilen sind, wenn ein berechtigter Anlass zur Überwachung gegeben ist.

Volltext des Urteils des Bundesarbeitsgerichts vom 19. Februar 2015 – BAG 8 AZR 1007/13

Siehe auch Pressemitteilung Nr. 7/15 des Bundesarbeitsgerichts.

 

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VonRA Moegelin

Die Verwirkung von Schmerzensgeld bei Mobbing

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penguinadminEin Arbeitnehmer machte gegen seinen früheren Vorgesetzten einen Schmerzensgeldanspruch wegen Verletzung der Gesundheit und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in Höhe von mindestens 10.000 € geltend. Er stützt sich dabei auf Vorfälle in den Jahren 2006 bis 2008, die er als Isolierung, Herabwürdigung und Schikane wertet. Der letzte Vorgang soll am 8. Februar 2008 stattgefunden haben. Der Kläger war 2007 an 52 Tagen, 2008 an 216 Tagen und 2009 durchgängig bis August arbeitsunfähig, unter anderem wegen Depression. Die Klage ging Ende Dezember 2010 bei Gericht ein.

Das Landesarbeitsgericht hat einen möglichen Schmerzensgeldanspruch allein wegen Verwirkung abgelehnt. Die hiergegen gerichtete Revision des Klägers hatte vor dem Bundesarbeitsgericht Erfolg. Sie führte zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht.

Der Schmerzensgeldanspruch wegen Mobbings (§§ 823 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB iVm. Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG) kann zwar verwirken, dafür genügen jedoch ein bloßes „Zuwarten“ oder die Untätigkeit des Anspruchstellers nicht (BAG, Urteil vom 11. Dezember 2014 – 8 AZR 838/13).

Eine Verwirkung, die nur unter ganz besonderen Umständen zu bejahen ist, scheidet hier aus. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitssgerichts ist ein bloßes Zuwarten nicht als „treuwidrig“ anzusehen. Ein Unterlassen begründet nur dann ein Umstandsmoment, wenn aufgrund zusätzlicher besonderer Umstände eine Pflicht zur zeitnahen Geltendmachung besteht. In der vorzunehmenden Gesamtabwägung darf nicht auf eventuelle Beweisschwierigkeiten auf Seiten des Anspruchsgegners abgestellt werden. Das durch Richterrecht geschaffene Institut der Verwirkung darf in seiner Anwendung nicht dazu führen, dass die gesetzliche Verjährung unterlaufen wird. Das Landesarbeitsgericht wird nunmehr zu prüfen haben, ob tatsächlich ein Mobbinggeschehen festzustellen ist.

Volltext des Urteils des Bundesarbeitsgerichts: BAG, Urteil vom 11. Dezember 2014 – 8 AZR 838/13

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