Beschäftigten im öffentlichen Dienst sind gemäß § 3 Abs.2 TV-L verpflichtet, sich durch ihr gesamtes Verhalten zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes zu bekennen. Die Regelung normiert für Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes eine besondere politische Loyalitätspflicht.
Geht es um eine Einstellung, genügt es für deren Unterbleiben grundsätzlich, dass Zweifel an der Verfassungstreue begründet sind.
Volltext der Pressemitteilung des Arbeitsgerichts München vom 14.08.2024 – 33 Ca 1352/23:
Die 33. Kammer des Arbeitsgerichts München hat am 14.08.2024 entschieden, dass ein Bewerber keinen Anspruch hat im öffentlichen Dienst eingestellt zu werden, wenn er nicht die erforderliche Gewähr für die von ihm für die konkrete Stelle zu fordernde Verfassungstreue bietet.
Der Kläger bewarb sich auf eine ausgeschriebene Stelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Kartographie und visuelle Analytik an der Technischen Universität München.
Der Kläger verfügte über einen Bachelor in Geographie und einen Master in Urbanistik. Nach einem Bewerbungsgespräch teilte ihm die Lehrstuhlinhaberin Prof. M. mit, man habe sich für ihn entschieden. Das Einstellungsverfahren erfolge über die Personalabteilung.
Der Kläger füllte im Rahmen des Einstellungsverfahrens den Fragebogen zur Prüfung der Verfassungstreue aus. Der Kläger war Mitglied des Vereins „Rote Hilfe e.V.“ sowie zwischen 2012 und 2014 Mitglied von „Die Linke.SDS“. Beide Organisationen waren in einem dem Fragebogen beigefügten Verzeichnis extremistisch oder extremistisch beeinflusster Organisationen enthalten. Es wurde eine Anfrage beim Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz durchgeführt. Aufgrund Nachfragen hat der Kläger im Einstellungsverfahren zu seiner Verfassungstreue Stellung genommen. Der Kläger erhielt eine Ablehnung auf seine Bewerbung.
Der Kläger hatte unter der Internetseite der deutschen Sektion der „Revolutionären internationalistischen Organisation“ Artikel veröffentlicht und war Sprecher und Mitorganisator der Proteste des Aktionsbündnisses „STOP G7“ gegen den G7 – Gipfel im Jahr 2015.
Der Kläger ist der Rechtsauffassung, die ablehnende Entscheidung über seine Bewerbung behaupte unrichtigerweise Zweifel an seiner Verfassungstreue. Auch sei faktisch nicht erkennbar, welchen relevanten Einfluss der Kläger auf die politische Einstellung von Studenten an einem Lehrstuhl für Kartographie nehmen könne. Er habe nirgends die Absicht erkennen lassen, die Studenten marxistisch oder linksradikal beeinflussen zu wollen. Gesellschafts- und Systemkritik seien rechtlich zulässig und politisch notwendig. Der erhobene Vorwurf der Gewaltbereitschaft treffe nicht zu.
Der beklagte Freistaat als Träger der Technischen Universität München ist der Auffassung, der Einstellung des Klägers stünden nicht ausgeräumte Zweifel an seiner Verfassungstreue entgegen. Der Kläger sei der linksextremistischen Szene zuzuordnen.
Die 33. Kammer des Arbeitsgerichts München hat die Klage des Klägers auf Einstellung als wissenschaftlicher Mitarbeiter abgewiesen, da die Voraussetzungen des Art. 33 Abs.2 GG als Anspruchsgrundlage für seine Klage auf Einstellung nicht erfüllt waren.
Nach Art. 33 Abs.2 GG hat jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt. Zur Eignung im Sinne von Art. 33 Abs.2 GG zählt auch die sogenannte politische Treuepflicht. Die Einstellungsbehörde muss im Rahmen der Prüfung der Eignung notwendigerweise auch die Frage entscheiden, ob der Bewerber für ein Amt im öffentlichen Dienst nach seiner Persönlichkeit die Gewähr dafür bietet, dass er den sich aus der erstrebten Aufgabe oder dem erstrebten Amt gegebenen Anforderungen an seine politische Treuepflicht genügen werde.
Auch nach der Tarifregelung des § 3 Abs.2 TV-L sind die Beschäftigten des beklagten Landes verpflichtet, sich durch ihr gesamtes Verhalten zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes zu bekennen. Die Regelung normiert für Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes eine besondere politische Loyalitätspflicht.
Geht es um eine Einstellung, genügt es für deren Unterbleiben grundsätzlich, dass Zweifel an der Verfassungstreue begründet sind. Ausreichend sei jedoch nicht die bloße Mitgliedschaft bei der Roten Hilfe e.V.. Begründete Zweifel an der Verfassungstreue seien nicht schon dann anzunehmen, wenn man Anhänger einer verfassungsfeindlichen Organisation sei. Die nicht ausräumbaren Zweifel des Beklagten an der Verfassungstreue des Klägers begründen sich auf die vom Kläger verfassten Artikel, in denen er die Idee vertritt, mit rechtswidrigen Mitteln gegen den Staat vorzugehen, um eine neue Gesellschaftsordnung zu erreichen. Auch seine Äußerungen als Sprecher und Mitorganisator der Proteste gegen den G7-Gipfel 2015 begründen die Zweifel an seiner Verfassungstreue. Der Kläger wäre im Rahmen seiner angestrebten Tätigkeit auch für die Betreuung von Studenten zuständig. Aufgrund des Verhaltens des Klägers durfte der Beklagte annehmen, dass der Kläger keine ausreichende Gewähr für die funktionsbezogene Verfassungstreue bietet.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig (33 Ca 1352/23).