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VonRA Moegelin

Verfassungstreue im öffentlichen Dienst

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Beschäftigten im öffentlichen Dienst sind gemäß § 3 Abs.2 TV-L verpflichtet, sich durch ihr gesamtes Verhalten zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes zu bekennen. Die Regelung normiert für Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes eine besondere politische Loyalitätspflicht.
Geht es um eine Einstellung, genügt es für deren Unterbleiben grundsätzlich, dass Zweifel an der Verfassungstreue begründet sind.

Volltext der Pressemitteilung des Arbeitsgerichts München vom 14.08.2024 – 33 Ca 1352/23:

Die 33. Kammer des Arbeitsgerichts München hat am 14.08.2024 entschieden, dass ein Bewerber keinen Anspruch hat im öffentlichen Dienst eingestellt zu werden, wenn er nicht die erforderliche Gewähr für die von ihm für die konkrete Stelle zu fordernde Verfassungstreue bietet.
Der Kläger bewarb sich auf eine ausgeschriebene Stelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Kartographie und visuelle Analytik an der Technischen Universität München.
Der Kläger verfügte über einen Bachelor in Geographie und einen Master in Urbanistik. Nach einem Bewerbungsgespräch teilte ihm die Lehrstuhlinhaberin Prof. M. mit, man habe sich für ihn entschieden. Das Einstellungsverfahren erfolge über die Personalabteilung.

Der Kläger füllte im Rahmen des Einstellungsverfahrens den Fragebogen zur Prüfung der Verfassungstreue aus. Der Kläger war Mitglied des Vereins „Rote Hilfe e.V.“ sowie zwischen 2012 und 2014 Mitglied von „Die Linke.SDS“. Beide Organisationen waren in einem dem Fragebogen beigefügten Verzeichnis extremistisch oder extremistisch beeinflusster Organisationen enthalten. Es wurde eine Anfrage beim Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz durchgeführt. Aufgrund Nachfragen hat der Kläger im Einstellungsverfahren zu seiner Verfassungstreue Stellung genommen. Der Kläger erhielt eine Ablehnung auf seine Bewerbung.

Der Kläger hatte unter der Internetseite der deutschen Sektion der „Revolutionären internationalistischen Organisation“ Artikel veröffentlicht und war Sprecher und Mitorganisator der Proteste des Aktionsbündnisses „STOP G7“ gegen den G7 – Gipfel im Jahr 2015.

Der Kläger ist der Rechtsauffassung, die ablehnende Entscheidung über seine Bewerbung behaupte unrichtigerweise Zweifel an seiner Verfassungstreue. Auch sei faktisch nicht erkennbar, welchen relevanten Einfluss der Kläger auf die politische Einstellung von Studenten an einem Lehrstuhl für Kartographie nehmen könne. Er habe nirgends die Absicht erkennen lassen, die Studenten marxistisch oder linksradikal beeinflussen zu wollen. Gesellschafts- und Systemkritik seien rechtlich zulässig und politisch notwendig. Der erhobene Vorwurf der Gewaltbereitschaft treffe nicht zu.

Der beklagte Freistaat als Träger der Technischen Universität München ist der Auffassung, der Einstellung des Klägers stünden nicht ausgeräumte Zweifel an seiner Verfassungstreue entgegen. Der Kläger sei der linksextremistischen Szene zuzuordnen.

Die 33. Kammer des Arbeitsgerichts München hat die Klage des Klägers auf Einstellung als wissenschaftlicher Mitarbeiter abgewiesen, da die Voraussetzungen des Art. 33 Abs.2 GG als Anspruchsgrundlage für seine Klage auf Einstellung nicht erfüllt waren.

Nach Art. 33 Abs.2 GG hat jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt. Zur Eignung im Sinne von Art. 33 Abs.2 GG zählt auch die sogenannte politische Treuepflicht. Die Einstellungsbehörde muss im Rahmen der Prüfung der Eignung notwendigerweise auch die Frage entscheiden, ob der Bewerber für ein Amt im öffentlichen Dienst nach seiner Persönlichkeit die Gewähr dafür bietet, dass er den sich aus der erstrebten Aufgabe oder dem erstrebten Amt gegebenen Anforderungen an seine politische Treuepflicht genügen werde.

Auch nach der Tarifregelung des § 3 Abs.2 TV-L sind die Beschäftigten des beklagten Landes verpflichtet, sich durch ihr gesamtes Verhalten zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes zu bekennen. Die Regelung normiert für Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes eine besondere politische Loyalitätspflicht.

Geht es um eine Einstellung, genügt es für deren Unterbleiben grundsätzlich, dass Zweifel an der Verfassungstreue begründet sind. Ausreichend sei jedoch nicht die bloße Mitgliedschaft bei der Roten Hilfe e.V.. Begründete Zweifel an der Verfassungstreue seien nicht schon dann anzunehmen, wenn man Anhänger einer verfassungsfeindlichen Organisation sei. Die nicht ausräumbaren Zweifel des Beklagten an der Verfassungstreue des Klägers begründen sich auf die vom Kläger verfassten Artikel, in denen er die Idee vertritt, mit rechtswidrigen Mitteln gegen den Staat vorzugehen, um eine neue Gesellschaftsordnung zu erreichen. Auch seine Äußerungen als Sprecher und Mitorganisator der Proteste gegen den G7-Gipfel 2015 begründen die Zweifel an seiner Verfassungstreue. Der Kläger wäre im Rahmen seiner angestrebten Tätigkeit auch für die Betreuung von Studenten zuständig. Aufgrund des Verhaltens des Klägers durfte der Beklagte annehmen, dass der Kläger keine ausreichende Gewähr für die funktionsbezogene Verfassungstreue bietet.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig (33 Ca 1352/23).

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VonRA Moegelin

Kündigung des Stabstellenleiters wegen Verdachts der Schleuserkriminalität

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Die ordentliche Kündigung des Stabstellenleiters einer Kreisverwaltung wegen des Verdachtes der Schleuserkriminalität hat das Arbeitsgericht Aachen für wirksam erachtet. Der gekündigte Stabstellenleiter stand aufgrund seiner herausgehobenen Stellung innerhalb der Kreisverwaltung im öffentlichen Fokus, so dass ihn eine gesteigerte Loyalitätsverpflichtung traf, gegen die er verstoßen hat.

Volltext der Pressemitteilung des Arbeitsgerichts Aachen vom 10.12.2024 – 2 Ca 2092/24:

In einer nunmehr veröffentlichten Entscheidung des Arbeitsgerichts Aachen vom 10.12.2024 – 2 Ca 2092/24 – hat die 2. Kammer entschieden, dass die außerordentliche fristlose Kündigung des Stabstellenleiters einer Kreisverwaltung wegen Nichteinhaltung der Zweiwochenfrist unwirksam, die ordentliche fristgerechte Kündigung jedoch wirksam ist.

Der Kläger war seit 2018 zunächst ehrenamtlich, ab 2020 auf Basis einer geringfügigen Beschäftigung bei dem beklagten Kreis als Leiter einer Stabstelle beschäftigt. Am 17.04.2024 erfolgte eine Durchsuchung der Räumlichkeiten des Beklagten wegen des Verdachtes der Schleuserkriminalität gegen den Kläger. Am 17.04.2024 wurde der Kläger in Untersuchungshaft genommen und verblieb dort bis zum 08.07.2024. Mit Schreiben vom 19.06.2024 forderte der Beklagte den Kläger auf, sich zu den Vorwürfen zu äußern. Mit Schreiben vom 28.06.2024 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger außerordentlich mit sofortiger Wirkung, hilfsweise ordentlich zum 30.09.2024.

Die 2. Kammer des Arbeitsgerichts Aachen entschied, dass die für den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung gesetzlich vorgegebene Zweiwochenfrist nicht eingehalten worden ist. Der Kreis hätte nach der Durchsuchung der Räumlichkeiten am 17.04.2024 weitere Ermittlungen aufnehmen müssen, um die Zweiwochenfrist zu wahren. Der Beklagte wartete bis zum 19.06.2024.

Die ordentliche fristgerechte Kündigung zum Ablauf des 30.09.2024 ist jedoch wirksam. Der Kläger hat durch das Zurverfügungstellen seiner eigenen Wohnung für Scheinanmeldungen zur Erlangung von Aufenthaltserlaubnissen Dritter und die Annahme von Geldzahlungen hierfür erheblich gegen seine arbeitsvertragliche Nebenpflicht der Rücksichtnahme und Loyalität verstoßen. Der Kläger stand aufgrund seiner herausgehobenen Stellung innerhalb der Kreisverwaltung im öffentlichen Fokus, so dass ihn eine gesteigerte Loyalitätsverpflichtung traf.

Die Entscheidung kann in der Rechtsprechungsdatenbank NRWE (www.nrwe.de) unter Eingabe des Aktenzeichens (2 Ca 2092/24) aufgerufen werden. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig, es ist Berufung eingelegt worden.

Dr. Benedikt Hövelmann

Pressedezernent

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VonRA Moegelin

Darlegungs- und Beweislast

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Die Darlegungs- und Beweislast für das Zustandekommen eines Vertrags hat derjenige zu tragen,
der aus dem Vertragsschluss Rechte für sich herleiten will. Darzulegen und zu beweisen sind das Bestehen eines Antrags
sowie einer Annahme, mithin zwei übereinstimmende Willenserklärungen.
Das ist dem Kläger nicht gelungen, sodass die Klage abzuweisen war.

Volltext des Urteils des Amtsgerichts Wedding vom 03.02.2025 – 21 C 5079/24:

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung
in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden,
wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 %
des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Der Kläger, der durch seine Firma am Markt Heizungs-, Gas- und Wasserinstallationsarbeiten
anbietet, begehrt Zahlung von der Beklagten aus einem behaupteten Werkvertrag.
Die Beklagte hatte den Auftrag, für den Kunden Hr. X eine PVT-Anlage mit Wärmepumpe zu
errichten. Sie beauftragte ihrerseits eine Drittfirma mit der Installierung der Anlage.
Streitgegenständlich ist die Rechnung des Klägers vom 4.4.2024 (Nr. RE-xxx) über den Betrag
von 1.175,81 € in Bezug auf die Durchführung einer Fehlerdiagnose am 3.4.2024 sowie Lieferung
und Montage eines Gebläses am 4.4.2024 für den Kunden Hr. X. Streitig ist zwischen den
Parteien, ob es insoweit zwischen ihnen zu einer entsprechenden Auftragserteilung kam.
Zwischen den Parteien fand im April des Jahres 2024 folgender Schriftwechsel per WhatsApp
statt.
Kläger: Ist W eigentlich jetzt fertig?
Beklagte: PV-Anschluss fehlt, E. weiß eigentlich Bescheid?
Beklagte: F. X
+ 49 xxx xxXXXXXX
XXXXXXXX Str. xx, XXXXX
Kläger: Da war ich schon. Mal der Speicher ist unten allerdings die Wärmepumpe nicht
Beklagte: Es ist eine B. mit dem Fehler 3L 214
https://www.Klägerin: Könntest du bitte für b. einen Wärmetauscher bestellen mit Pumpe?
Beklagte: In welcher Größe/Leistung?
Kläger: Das ist deine Entscheidung mein bester
Der Kläger behauptet, das Gebläse der Wärmepumpe sei defekt gewesen. Dieses habe er sach- und
fachgerecht ausgetauscht, sodass die Heizungsanlage für den Kunden Hr. X erst im Anschluss habe
installiert sowie in Betrieb genommen werden können. Die Klägerin behauptet, die
Beklagte habe sie mit dieser Reparatur der Heizungsanlage sowohl über WhatsApp als auch telefonisch
beauftragt.
Ursprünglich hat die Klägerin beantragt, die Beklagte zur verurteilen, an sie 1.195,81 € nebst Zinsen
in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 24.07.2023 zu
zahlen (Antrag zu 1). Außerdem hat die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie außergerichtliche
Rechtsanwaltskostenkosten in Höhe von 220,27 € nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 24.07.2024 zu zahlen (Antrag zu 2).
Mit Schriftsatz vom 25. Oktober 2024 hat die Klägerin ihren Antrag zu 2) in Höhe von 35,17 € zurückgenommen.
Nunmehr beantragt die Klägerin, die Beklagte zu verurteilen,
1. an sie 1.195,81 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz
seit dem 24.07.2023 zu zahlen.
2. an sie die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 185,10 € nebst Zinsen
in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 24.07.2024 zu
zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie behauptet, eine Beauftragung der Klägerin durch die Beklagte habe zu keiner Zeit stattgefunden.
Folglich, so nach Auffassung der Beklagten, sei Herr E. Y ihr einziger Vertragspartner
gewesen.
Das Gericht hat den Geschäftsführer der Beklagten persönlich angehört. Wegen des Ergebnisses
der Parteianhörung wird auf das Sitzungsprotokoll vom 13.01.2025 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Über den zurückgenommenen Teil in Höhe von 35,17 € war nicht mehr zu entscheiden, da die
Klägerin die Klage insoweit gemäß § 269 Abs. 3 ZPO wirksam bis zu dem Beginn der mündlichen
Verhandlung zurückgenommen hat.
Die im Übrigen aufrechterhaltende Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.

I. An der Zulässigkeit der Klage, insbesondere der sachlichen und örtlichen Zuständigkeit des
Amtsgerichts Wedding, bestehen keine Bedenken, §§ 1 – 3, 12, 17 ZPO, 23 Nr. 1 GVG.

II. Die Klage ist unbegründet, da die diesbezüglich darlegungs- und beweisbelastete Klägerin einen
Vertragsschluss mit der Beklagten nicht mit der nach § 286 ZPO erforderlichen Gewissheit
hat nachweisen können.

1. Die Darlegungs- und Beweislast für das Zustandekommen eines Vertrags hat derjenige zu tragen,
der aus dem Vertragsschluss Rechte für sich herleiten will (BGH, Urteil vom 26. Januar
2005 – VIII ZR 1/04 –, Rn. 18, juris). Darzulegen und zu beweisen sind das Bestehen eines Antrags
sowie einer Annahme, mithin zwei übereinstimmende Willenserklärungen.

2. Nach diesen Grundsätzen oblag es der Klägerin darzulegen und zu beweisen, wann, auf welchem
Wege und mit welchem Inhalt ein Werkvertrag mit der Beklagten über das Wärmepumpengebläse
des Kunden Hr. Seele zustande gekommen sein soll.

3. Ein solcher Nachweis ist der Klägerin nicht durch den pauschalen Verweis auf die Whats-
App-Nachrichten von April des Jahres 2024 gelungen. Diesen lässt sich zwar entnehmen, dass
die Parteien die Kontaktdaten des Herrn X ausgetauscht und über die fehlerhafte Wärmepumpe
gesprochen haben. Ein zwingender Rückschluss auf eine rechtsverbindliche Beauftragung
der Klägerin bezüglich des Gebläses lässt sich jedoch nicht entnehmen. Insbesondere
deckt sich die Nachricht der Beklagten mit dem Inhalt „PV-Anschluss fehlt, E. weiß eigentlich Bescheid?“
größtenteils mit ihrer Darstellung, wonach sie sich stets an E. Y. als ihren Vertragspartner
gehalten habe. Dies erscheint nicht als ausgeschlossen, da der Kläger, der möglicherweise
mit dem namensgleichen E. Y verwandt ist, diesem auch assistiert bzw. von
diesem wiederum einen Unterauftrag erhalten haben könnte.

4. Ohne nähere Angaben oder Beweisangebote und von der Beklagten bestritten, behauptet die Klägerin,
ein Vertragsschluss mit der Beklagen sei jedenfalls telefonisch zustande gekommen. Dies
genügt erkennbar nicht ihrer Darlegungs- und Beweislast, da nicht mitgeteilt wurde, wer wann mit
wem und genauem Inhalt telefoniert haben soll.

5. Der Zeuge Herr X war nicht zu vernehmen, da Beweisanträge zu unerheblichen Beweisthemen
sowie untauglichen Beweismitteln vom Gericht abgelehnt werden können (vgl. Beck OK
ZPO/Thönissen/Scheuch ZPO § 373 Rn. 30; Musielak/Voit/Foerste ZPO § 284 Rn. 14, 19, 21).
Offensichtlich kann der Kunde Hr. X nichts zu einem Vertragsschluss zwischen der Klägerin
und der Beklagten aussagen. Die Klägervertreterin hat in der mündlichen Verhandlung zwar insofern
präzisiert, dass Herr X bezeugen könne, dass er den Beklagten mit der Errichtung der
PVT-Anlage mit Wärmepumpe beauftragt habe. Herr Seele könne ferner bekunden, dass die Klägerin
die Leistung fehlerfrei ausgeführt habe. Beide Tatsachen sind vorliegend allerdings nicht beweiserheblich.
Denn das Auftragsverhältnis zwischen der Beklagten und dem Kunden Hr. Seele
ist nicht streitgegenständlich und ob die Klägerin für Herrn X fehlerfreie Leistungen durchgeführt
hat, lässt keine Rückschlüsse auf einen etwaigen Vertragsschluss zwischen den Parteien
zu. Denn entgegen der Ausführung der Klägervertreterin in der mündlichen Verhandlung am
13.1.2025 kann eben nicht aus dem Umstand, dass der Kunde Hr. X dem Kläger nicht den
streitgegenständlichen Auftrag erteilt habe, zwingend der Schluss gezogen werden, dass nur die
Beklagte dem Kläger beauftragt haben könne, nicht gezogen werden. Vielmehr könnte zum Beispiel
auch Herr E. Y, oder wer auch immer als Drittfirma mit der Installierung der Anlage
durch den Beklagten beauftragt gewesen war, mit dem Kläger einen entsprechenden Werkvertrag
über die streitgegenständlichen Arbeiten geschlossen haben.

6. Der Kläger, der vorsorglich eine Erklärungsfrist auf den Beklagtenschriftsatz vom 11.1.2025
beantragt hat, war keine Schriftsatzfrist gemäß § 283 ZPO zu gewähren. Gemäß § 283 ZPO
kann das Gericht auf Antrag eine Erklärungsfrist bestimmen, wenn sich eine Partei in der mündlichen
Verhandlung auf ein Vorbringen des Gegners nicht erklären kann, weil es ihr nicht rechtzeitig
vor dem Termin mitgeteilt worden ist. Voraussetzung für das Schriftsatzrecht ist, dass es sich
einerseits um neues Vorbringen handelt; mithin solcher Vortrag der sich nicht in der Wiederholung
früheren Vorbringens oder reinen Negativerklärungen erschöpft (Greger in: Zöller, Zivilprozessordnung,
35. Auflage 2024, § 283 ZPO, Rn. 2a). Anderseits muss das neue Vorbringen entscheidungserheblich
sein (Greger in: Zöller, a.a.O.). Das Vorbringen der Beklagten im Schriftsatz
vom 11.1.2025 ist allerdings entweder nicht neu oder nicht entscheidungserheblich.

7. Mangels bestehender Hauptforderung bestehen auch keine Ansprüche auf Verzugszinsen,
Mahngebühren sowie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten.

III. Die Nebenentscheidung über die Kosten beruht auf §§ 91, 269 Abs. 3 ZPO. Die Entscheidung
zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11 Alt. 2, 711 S. 1, S. 2 ZPO.

IV. Streitwert: 1.175,81 €

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VonRA Moegelin

Betriebsratswahl einer Airline am BER

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Die Betriebsratswahl bei einer ausländischen Fluggesellschaft am Stationierungsort BER ist zulässig. Der Stationierungsort der Airline am BER ist eine betriebsratsfähige Organisationseinheit.

Volltext der Pressemitteilung Nr. 06/25 vom 24.01.2025 des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 15. Oktober 2024 – 11 TaBV 295/24:

Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat entschieden, dass es sich bei einem inländischen Stationierungsort einer Fluggesellschaft mit Sitz im europäischen Ausland um eine betriebsratsfähige Organisationseinheit handelt, in der ein Betriebsrat nach den Regelungen des Betriebsverfassungsgesetzes gewählt werden kann.

Die antragstellende Fluggesellschaft hat ihren Sitz in Malta und ihre Konzernzentrale in Irland. Sie führt unter maltesischer Fluglizenz Flüge von und zu Flughäfen in europäischen Staaten durch und unterhält unter anderem am Flughafen Berlin-Brandenburg (BER) einen Stationierungsort. Unter Einsatz elektronischer Kommunikationsmittel lenkt die Fluggesellschaft sämtliche dem BER als Heimatbasis zugeordnete Cockpit- und Kabinenbeschäftigte in personellen und sozialen Angelegenheiten sowie disziplinarisch von Malta und Irland aus. Am BER sind ein Base Captain für die Beschäftigten im Cockpit und eine Base Supervisorin für die Kabinenbeschäftigten tätig, die neben ihren Tätigkeiten als Pilot bzw. Flugbegleiterin als lokale Ansprechpartner fungieren. Diese Funktion üben sie sowohl für Flugaufsichtsbehörden und Flughafenbetreiber als auch für die am BER Beschäftigten der Fluggesellschaft aus.

Am Stationierungsort BER existiert bisher weder ein Betriebsrat noch eine durch Tarifvertrag gebildete Personalvertretung. Eine einstweilige Verfügung der Fluggesellschaft auf vorläufige Untersagung der Wahl eines Wahlvorstands zur Vorbereitung einer Betriebsratswahl war im Jahr 2023 vor dem Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg gescheitert (PM Nr. 08/23 vom 18.04.2023). Im März 2023 und Februar 2024 wurde ein Wahlvorstand gewählt.

Die Fluggesellschaft hat die Feststellung beantragt, dass der Stationierungsort BER keine betriebsratsfähige Organisation im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes darstelle. Sie ist davon ausgegangen, dass wegen der europaweiten Leitung des Unternehmens einschließlich der Personalabteilung aus Malta und der europaweiten Einsatzplanung durch die Konzernzentrale in Irland in Deutschland und auch am BER keine Personen mit Leitungsbefugnissen in personellen und sozialen Angelegenheiten tätig seien. Deshalb fehle es am BER an einer betriebsratsfähigen Organisationseinheit mit einem Mindestmaß an organisatorischer Selbständigkeit. Ein betriebsratsfähiger Betriebsteil scheitere auch daran, dass kein im Inland und damit im Geltungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes liegender Hauptbetrieb existiere. Außerdem sei die Wahl mehrerer Mitglieder und Ersatzmitglieder des Wahlvorstands unwirksam.

Die am Verfahren beteiligte Gewerkschaft und der Wahlvorstand gehen von einem betriebsratsfähigen Betriebsteil am BER aus, in dem bei zutreffender Auslegung des Betriebsverfassungsgesetzes ohne Erfordernis eines inländischen Hauptbetriebes ein Betriebsrat gewählt werden könne. Das erforderliche Mindestmaß an organisatorischer Selbständigkeit werde durch die fachlich vorgesetzten Base Captain und Base Supervisorin gewährleistet, die Weisungen gegenüber den Beschäftigten in Cockpit und Kabine erteilten bzw. durch Informationen an die Zentrale vorbereiteten.

Das Arbeitsgericht Cottbus hatte die Anträge der Fluggesellschaft zurückgewiesen. Es ist von der Betriebsratsfähigkeit des Stationierungsorts BER und von der Wirksamkeit der Wahlen ausgegangen. Gegen diese Entscheidung hat die Fluggesellschaft Beschwerde eingelegt.

Das Landesarbeitsgericht hat entschieden, dass am Stationierungsort BER eine betriebsratsfähige Organisation bestehe, in der ein Betriebsrat gewählt werden könne. Der Stationierungsort BER sei als Betriebsteil im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes zu beurteilen, der räumlich weit von dem im Ausland gelegenen Hauptbetrieb entfernt sei. Mit den von Base Captain und Base Supervisorin ausgeübten Tätigkeiten werde ein Mindestmaß an organisatorischer Selbständigkeit gewahrt, weil es in ihrem pflichtgemäßen Ermessen liege, Beschäftigte auf Verstöße hinzuweisen oder diesbezügliche Informationen an Konzernzentrale oder Personalabteilung weiterzuleiten. Durch Hinweise an die Beschäftigten, etwa zur Pflicht zum pünktlichen Erscheinen oder zur Einhaltung der Kleidungsvorschriften, erteilten sie faktisch Weisungen mit dem Ziel, ein Fehlverhalten von Beschäftigten abzustellen. Damit liege ein qualifizierter Betriebsteil im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes vor, in dem ein Betriebsrat gewählt werden könne. Ein im Inland gelegener Hauptbetrieb sei insoweit nicht zwingend erforderlich. Jedenfalls sei die Regelung zur Betriebsratsfähigkeit von Betriebsteilen bei Fluggesellschaften mit Sitz und Hauptbetrieb im Ausland entsprechend anzuwenden. Dies sei Folge der gesetzgeberischen Entscheidung aus dem Jahr 2018, dass bei Fluggesellschaften Betriebsräte gewählt werden könnten, sofern kein Tarifvertrag zur Bildung von Personalvertretungen zustande komme.
Hinsichtlich der Angriffe der Fluggesellschaft gegen die Wirksamkeit der Wahl mehrerer Mitglieder und Ersatzmitglieder des Wahlvorstands hat das Landesarbeitsgericht der Beschwerde stattgegeben. Bei der Wahl im März 2023 sei bei einzelnen Gewählten die erforderliche Mehrheit der Stimmen nicht erzielt worden. Die Wahl von Februar 2024 sei unwirksam, weil bereits der Wahlort in einer Entfernung von etwa 25 km vom BER in den Räumen der Gewerkschaft nicht zulässig gewählt worden sei und nicht auszuschließen sei, dass Wahlberechtigte aufgrund dieser Entfernung von einer Wahlteilnahme abgesehen hätten. Beide Wahlen seien zwar nicht nichtig, aber anfechtbar und damit unwirksam.
Das Landesarbeitsgericht hat für die Fluggesellschaft und für den Wahlvorstand die Revision zum Bundesarbeitsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der maßgeblichen Rechtsfragen zugelassen.

Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 15. Oktober 2024, 11 TaBV 295/24

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VonRA Moegelin

Änderung der Route einer Arktiskreuzfahrt

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Die Änderung der Route auf einer Arktiskreuzfahrt durch die Nordwestpassage stellt keinen wesentlichen Mangel der gebuchten Reise dar, wenn im Reisevertrag Routenänderungen vorbehalten waren. Im hier einschlägigen Fall wurde daher die Klage des Passagiers auf Minderung des Reisepreises abgewiesen.

Volltext der Pressemitteilung Nr. 5 des Landgerichts München II – 12 O 64/24 vom 12.11.2024:

Das Landgericht München II, Az. 12 O 64/24, hat im Fall mehrerer Reisender gegen einen Reiseveranstalter entschieden: Eine Routenänderung auf der gebuchten Arktiskreuzfahrt durch die Nordwestpassage stellt keinen wesentlichen Mangel dar, weil im Reisevertrag Änderungen vorbehalten waren. Die Klage der Reisenden auf eine Preisminderung wurde daher abgewiesen.

Anders entschied das Gericht beim geforderten Treibstoffkostenzuschlag. Da der Veranstalter keine ausreichende Begründung für die Preiserhöhung nach Vertragsabschluss lieferte, müssen die Reisenden den Zuschlag von 850 Euro nicht zahlen und haben einen Anspruch auf Rückerstattung.

Die drei Kläger und der Klägervertreter hatten zu unterschiedlichen Zeitpunkten im Jahr 2022 jeweils eine dreiwöchige Arktiskreuzfahrt gebucht. Im Reiseprospekt war unterhalb der Karte mit dem Reiseverlauf abgedruckt: „Beispiel-Route, Änderungen vorbehalten!“ Im Januar 2023 teilte der Veranstalter eine Preiserhöhung von 48 $ pro Person und Tag mit. Das Kreuzfahrtschiff fuhr – abweichend vom geplanten Routenverlauf – nicht an der westlichen, sondern an der östlichen Seite der Insel Bylot in den Lancaster Sound ein. Mit ihrer Klage begehrten die Reisenden eine Preisminderung und wollten den erhöhten Treibstoffkostenzuschlag nicht zahlen.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Anwendbare Vorschriften:

§ 651i Absatz 2 Bürgerliches Gesetzbuch

„Die Pauschalreise ist frei von Reisemängeln, wenn sie die vereinbarte Beschaffenheit hat. Soweit die Beschaffenheit nicht vereinbart ist, ist die Pauschalreise frei von Reisemängeln,
1. wenn sie sich für den nach dem Vertrag vorausgesetzten Nutzen eignet, ansonsten
2. wenn sie sich für den gewöhnlichen Nutzen eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Pauschalreisen der gleichen Art üblich ist und die der Reisende nach der Art der Pauschalreise erwarten kann. […]“

§ 651m Bürgerliches Gesetzbuch
„(1) Für die Dauer des Reisemangels mindert sich der Reisepreis. Bei der Minderung ist der Reisepreis in dem Verhältnis herabzusetzen, in welchem zur Zeit des Vertragsschlusses der Wert der Pauschalreise in mangelfreiem Zustand zu dem wirklichen Wert gestanden haben würde. Die Minderung ist, soweit erforderlich, durch Schätzung zu ermitteln.
(2) Hat der Reisende mehr als den geminderten Reisepreis gezahlt, so ist der Mehrbetrag vom Reiseveranstalter zu erstatten. […]“

§ 651f Absatz 1 Bürgerliches Gesetzbuch
„Der Reiseveranstalter kann den Reisepreis einseitig nur erhöhen, wenn
1. […]
2. die Erhöhung des Reisepreises sich unmittelbar ergibt aus einer nach Vertragsschluss erfolgten
a) Erhöhung des Preises für die Beförderung von Personen aufgrund höherer Kosten für Treibstoff oder andere Energieträger,
[…]
Der Reiseveranstalter hat den Reisenden auf einem dauerhaften Datenträger klar und verständlich über die Preiserhöhung und deren Gründe zu unterrichten und hierbei die Berechnung der Preiserhöhung mitzuteilen. Eine Preiserhöhung ist nur wirksam, wenn sie diesen Anforderungen entspricht und die Unterrichtung des Reisenden nicht später als 20 Tage vor Reisebeginn erfolgt.“

Verfasserin der Pressemitteilung:
Dr. Andrea Kürten, Pressesprecherin

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VonRA Moegelin

Haftung des Betreibers einer Waschanlage

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Der Betreiber einer Auto-Waschanlage kann sich nicht durch einen Hinweis auf die mit dem Waschvorgang verbundenen Gefahren entlasten. Das in der Waschanlage angebrachte, mit „Allgemeine Geschäftsbedingungen Autowaschanlagen/Portalwaschanlagen“ überschriebene Schild reicht als Hinweis schon deshalb nicht aus, weil es ausdrücklich nur „nicht ordnungsgemäß befestigte Fahrzeugteile oder (…) nicht zur Serienausstattung des Fahrzeugs gehörende Fahrzeugteile (so wie der hier streitgegenständliche Heckspoiler der zur Serienausstattung gehört) erwähnt.

Volltext der Pressemitteilung Nr. 224/2024 des Bundesgerichtshofs – Urteil vom 21. November 2024 – BGH VII ZR 39/24:

Der unter anderem für das Werkvertragsrecht zuständige VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat über die Haftung des Betreibers einer Autowaschanlage für einen Fahrzeugschaden entschieden.

Sachverhalt und bisheriger Prozessverlauf

Der Kläger verlangt Schadensersatz wegen der Beschädigung seines Fahrzeugs in einer von der Beklagten betriebenen Autowaschanlage, einer sogenannten Portalwaschanlage.
In der Waschanlage befindet sich ein Hinweisschild, das auszugsweise wie folgt lautet:
„Allgemeine Geschäftsbedingungen Autowaschanlagen/Portalwaschanlagen
Die Reinigung der Fahrzeuge in der Waschanlage erfolgt unter Zugrundelegung der nachfolgenden Bedingungen: (…).
Die Haftung des Anlagenbetreibers entfällt insbesondere dann, wenn ein Schaden durch nicht ordnungsgemäß befestigte Fahrzeugteile oder durch nicht zur Serienausstattung des Fahrzeugs gehörende Fahrzeugteile (z.B. Spoiler, Antenne, Zierleisten o.ä.) sowie dadurch verursachte Lackkratzer verursacht worden ist, außer den Waschanlagenbetreiber oder sein Personal trifft grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz.“
Unter diesem Hinweisschild befindet sich ein Zettel mit der Aufschrift:
„Achtung Keine Haftung für Anbauteile und Heckspoiler!“.
Der Kläger fuhr Ende Juli 2021 mit seinem Pkw der Marke Land Rover in die Waschanlage ein, stellte das Fahrzeug ordnungsgemäß ab, verließ die Waschhalle und startete den Waschvorgang. Während des Waschvorgangs wurde der zur serienmäßigen Fahrzeugausstattung gehörende, an der hinteren Dachkante angebrachte Heckspoiler abgerissen, wodurch das Fahrzeug beschädigt wurde. Deswegen verlangt der Kläger von der Beklagten Schadensersatz in Höhe von insgesamt 3.219,31 €, eine Nutzungsausfallentschädigung (119 €) für den Tag der Fahrzeugreparatur sowie die Freistellung von Rechtsanwaltskosten.
Das Amtsgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht die Klage abgewiesen.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs

Die Revision des Klägers war erfolgreich. Sie führte zur Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.
Dem Kläger steht wegen der Beschädigung seines Fahrzeugs gegen die Beklagte ein vertraglicher Schadensersatzanspruch in der geltend gemachten Höhe zu. Der Vertrag über die Reinigung eines Fahrzeugs umfasst als Nebenpflicht die Schutzpflicht des Waschanlagenbetreibers, das Fahrzeug des Kunden vor Beschädigungen beim Waschvorgang zu bewahren. Geschuldet sind diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Anlagenbetreiber für notwendig und ausreichend halten darf, um andere vor Schäden zu bewahren. Hierbei trägt grundsätzlich der Gläubiger die Beweislast dafür, dass der Schuldner eine ihm obliegende Pflicht verletzt und diese Pflichtverletzung den Schaden verursacht hat. Abweichend davon hat sich allerdings der Schädiger nicht nur hinsichtlich seines Verschuldens zu entlasten, sondern muss er auch darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass ihn keine Pflichtverletzung trifft, wenn die für den Schaden in Betracht kommenden Ursachen allein in seinem Obhuts- und Gefahrenbereich liegen.
Ein solcher Fall ist hier gegeben. Die Ursache für die Beschädigung des klägerischen Fahrzeugs liegt allein im Obhuts- und Gefahrenbereich der Beklagten. Nach den außer Streit stehenden Feststellungen des Berufungsgerichts kam es zu der Beschädigung, weil die Waschanlage konstruktionsbedingt nicht für das serienmäßig mit einem Heckspoiler ausgestattete Fahrzeug des Klägers geeignet war. Das Risiko, dass eine Autowaschanlage für ein marktgängiges Fahrzeug wie dasjenige des Klägers mit einer serienmäßigen Ausstattung wie dem betroffenen Heckspoiler konstruktionsbedingt nicht geeignet ist, fällt in den Obhuts- und Gefahrenbereich des Anlagenbetreibers.
Daneben kommt keine aus dem Obhuts- und Gefahrenbereich des Klägers stammende Ursache für den Schaden in Betracht. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts war das Fahrzeug des Klägers vor dem Einfahren in die Waschanlage unbeschädigt und der serienmäßige Heckspoiler ordnungsgemäß angebracht sowie fest mit dem Fahrzeug verbunden. Der Kläger, dem mit seinem marktgängigen, serienmäßig ausgestatteten und in ordnungsgemäßem Zustand befindlichen Fahrzeug von der Beklagten als Betreiberin die Nutzung der Waschanlage eröffnet wurde, konnte berechtigt darauf vertrauen, dass sein Fahrzeug so, wie es ist, also mitsamt den serienmäßig außen angebrachten Teilen, unbeschädigt aus dem Waschvorgang hervorgehen werde. Dieses Vertrauen war insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Risikobeherrschung gerechtfertigt, weil nur der Anlagenbetreiber Schadensprävention betreiben kann, wohingegen der Kunde regelmäßig sein Fahrzeug der Obhut des Betreibers überantwortet, ohne die weiteren Vorgänge selbst beeinflussen zu können. Anders als der Betreiber, der es in der Hand hat, bestimmte Fahrzeugmodelle, die er für schadensanfällig hält, von der Benutzung seiner Anlage auszuschließen und dadurch das Risiko einer Beschädigung zu verringern, ist es dem Kunden regelmäßig nicht möglich, solche Waschanlagen von vornherein zu identifizieren und zu meiden, die konstruktionsbedingt nicht geeignet sind, sein Fahrzeug ohne ein erhöhtes Schadensrisiko zu reinigen.
Die hiernach gegen sie streitende Vermutung der Pflichtverletzung hat die Beklagte nicht widerlegt und den ihr obliegenden Nachweis fehlenden Verschuldens nicht geführt. Ihr Vortrag, die Gefahr der Schädigung des serienmäßig angebrachten Heckspoilers sei ihr nicht bekannt gewesen, weil sich ein solcher Vorfall bislang in der Waschanlage nicht ereignet habe, sie habe diese Gefahr auch nicht kennen müssen und hierfür keine konkreten Anhaltspunkte gehabt, eine hypothetische Erkundigung hätte zudem an dem konkreten Schadensereignis nichts geändert, genügt zu ihrer Entlastung nicht. Es fehlt schon an der Darlegung, ob die Beklagte – die sich ausweislich der in der Waschanlage angebrachten Schilder der Gefahr einer Beschädigung insbesondere von Heckspoilern grundsätzlich bewusst war – sich darüber informiert hat, für welche Fahrzeuge ihre Anlage konstruktionsbedingt ungeeignet ist und daher ein erhöhtes Schadensrisiko besteht. Ebenso wenig ist dargetan, dass sie keine Informationen bekommen hätte, auf deren Grundlage die Beschädigung des klägerischen Fahrzeugs vermieden worden wäre.
Die Beklagte hat sich ferner nicht durch einen ausreichenden Hinweis auf die mit dem Waschvorgang verbundenen Gefahren entlastet. Das in der Waschanlage angebrachte, mit „Allgemeine Geschäftsbedingungen Autowaschanlagen/Portalwaschanlagen“ überschriebene Schild reicht als Hinweis schon deshalb nicht aus, weil es ausdrücklich nur „nicht ordnungsgemäß befestigte Fahrzeugteile oder (…) nicht zur Serienausstattung des Fahrzeugs gehörende Fahrzeugteile (z.B. Spoiler…)“ erwähnt. Nicht nur fällt der Heckspoiler des klägerischen Fahrzeugs nicht hierunter, weil er zur Serienausstattung gehört und ordnungsgemäß befestigt war, sondern die ausdrückliche Beschränkung auf nicht serienmäßige Fahrzeugteile ist sogar geeignet, bei dem Nutzer das Vertrauen zu begründen, mit einem serienmäßig ausgestatteten Pkw die Anlage gefahrlos benutzen zu können. Ebenso wenig stellt der darunter befindliche Zettel mit der Aufschrift „Keine Haftung für Anbauteile und Heckspoiler!“ einen ausreichenden Hinweis dar. Angesichts des darüber befindlichen Schildes mit der ausdrücklichen Beschränkung auf nicht zur Serienausstattung gehörende Teile wird für den Waschanlagennutzer schon nicht hinreichend klar, dass – gegebenenfalls – von diesem Hinweis auch die Nutzung der Waschanlage durch Fahrzeuge mit serienmäßigem Heckspoiler erfasst sein soll.

Vorinstanzen

AG Ibbenbüren – Urteil vom 20. Dezember 2022 – 3 C 268/21
LG Münster – Urteil vom 14. Februar 2024 – 1 S 4/23

Karlsruhe, den 21. November 2024

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