Monatsarchiv 30. Oktober 2020

VonRA Moegelin

Jahressonderzahlung nach TV-L

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Bestehen in einem Kalenderjahr nacheinander mehrere Arbeitsverhältnisse des Arbeitnehmers zum selben Arbeitgeber, bemisst sich die Jahressonderzahlung nach § 20 Absatz 3 TV-L auch dann ausschließlich nach dem am 1. Dezember des Jahres bestehenden Arbeitsverhältnis, wenn dieses zwar vor dem 1. September aber nach dem 1. Juli des Jahres begonnen hat.

Volltext des Urteils des LAG Berlin-Brandenburg Urteil vom 17.09.2020 – 21 Sa 2169/19:

Tenor

I. Auf die Berufung des beklagten Landes wird das Urteil des Arbeitsgerichts Cottbus vom 24. Oktober 2019 – 12 Ca 10716/18 – abgeändert und die Klage abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Höhe der der Klägerin für das Jahr 2015 zustehenden tariflichen Jahressonderzahlung.

2

Die Klägerin war bei dem beklagten Land, dem Land Brandenburg seit 1. August 2008 als Lehrkraft im Rahmen eines Altersteilzeitarbeitsverhältnis mit 50 % ihrer früheren Arbeitszeit im Teilzeitmodell beschäftigt. Das Altersteilzeitarbeitsverhältnis endete am 31. Juli 2015.

3

Unter dem 27. August 2015 schlossen die Parteien mit Wirkung ab dem 31. August 2015 einen bis zum 31. Januar 2016 befristeten Arbeitsvertrag. Im Rahmen dieses Arbeitsverhältnisses war die Klägerin bei dem beklagten Land als Lehrkraft zunächst mit 2,75 LWS (Lehrerwochenstunden) und ab dem 1. November 2015 mit 3,5 LWS von 27 LWS einer Vollzeitlehrkraft beschäftigt und in Entgeltgruppe 10 der Entgeltordnung (Anlage A) zum Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) eingruppiert. Arbeitsvertraglich waren die von der Tarifgemeinschaft der deutschen Länder (TdL) abgeschlossenen und für das beklagte Land geltenden Tarifverträge des öffentlichen Dienstes, darunter der TV-L, in ihrer jeweiligen Fassung in Bezug genommen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Ablichtungen des Arbeitsvertrages vom 27. August 2015 (Blatt 20 f. (folgende) der Akten) und des Änderungsvertrages vom 2. November 2015 (Blatt 22 der Akten) verwiesen.

4

§ 20 TV-L in der für 2015 geltenden Fassung lautet auszugsweise wie folgt:

5

㤠20

6

Jahressonderzahlung

7

(1) Beschäftigte, die am 1. Dezember im Arbeitsverhältnis stehen, haben Anspruch auf eine Jahressonderzahlung.

8

(2) 1Die Jahressonderzahlung beträgt bei Beschäftigten in den Entgeltgruppen

9

Tarifgebiet West

Tarifgebiet
Ost
im Kalenderjahr

2015

2016

2017

2018

ab 2019

E 9 bis E 11

64 v.H.

10

der Bemessungsgrundlage nach Absatz 3. …

11

(3) 1Bemessungsgrundlage im Sinne des Absatzes 2 Satz 1 ist das monatliche Entgelt, das den Beschäftigten in den Kalendermonaten Juli, August und September durchschnittlich gezahlt wird; … 2Der Bemessungssatz bestimmt sich nach der Entgeltgruppe am 1. September. 3Bei Beschäftigten, deren Arbeitsverhältnis nach dem 31. August begonnen hat, tritt an die Stelle des Bemessungszeitraums der erste volle Kalendermonat des Arbeitsverhältnisses; anstelle des Bemessungssatzes der Entgeltgruppe am 1. September tritt die Entgeltgruppe des Einstellungstages. …

12

Protokollerklärung zu § 20 Absatz 3:

13

1Bei der Berechnung des durchschnittlich gezahlten monatlichen Entgelts werden die gezahlten Entgelte der drei Monate addiert und durch drei geteilt; dies gilt auch bei einer Änderung des Beschäftigungsumfangs. 2Ist im Bemessungszeitraum nicht für alle Kalendertage Entgelt gezahlt worden, werden die gezahlten Entgelte der drei Monate addiert, durch die Zahl der Kalendertage mit Entgelt geteilt und sodann mit 30,67 multipliziert. …

14

(4) 1Der Anspruch nach den Absätzen 1 bis 3 vermindert sich um ein Zwölftel für jeden Kalendermonat, in dem Beschäftigte keinen Anspruch auf Entgelt oder Fortzahlung des Entgelts nach § 21 haben. …

15

(5) 1Die Jahressonderzahlung wird mit dem Tabellenentgelt für November ausgezahlt. …

16

…“

17

Im Juli 2015 belief sich die Vergütung der Klägerin auf 2.627,85 Euro brutto, im August 2015 auf 12,24 Euro brutto und im September 2015 auf 379,50 Euro brutto. Als Jahressonderzahlung für das Jahr 2015 zahlte das beklagte Land der Klägerin auf der Grundlage ihrer Vergütung für die Monate August und September 2015 im November 2015 einen Betrag in Höhe von 207,28 Euro brutto und im Februar 2016 einen weiteren Betrag in Höhe von 40,83 Euro brutto und damit insgesamt 248,11 Euro brutto.

18

Mit anwaltlichem Schreiben vom 9. Mai 2016 machte die Klägerin gegenüber dem beklagten Land die Zahlung einer höheren Jahressonderzahlung für 2015 geltend und nahm dabei unter anderem auf ein früheres Schreiben der Klägerin vom 22. Juli 2015 Bezug. Wegen der Einzelheiten des Schreibens vom 9. Mai 2016 und des Inhalts des Schreibens vom 22. Juli 2015 wird auf deren Ablichtungen (Blatt 29 f. und 121 der Akten) verwiesen. Mit Schreiben vom 27. Mai 2015 erläuterte das beklagte Land die Berechnung der gezahlten Jahressonderzahlung und wies im Übrigen den Anspruch zurück. Wegen der Einzelheiten, insbesondere der Berechnung der gezahlten Jahressonderzahlung wird auf die Ablichtung des Schreibens vom 27. Mai 2015 (Blatt 31 f. der Akten) verwiesen.

19

Mit der am 31. Dezember 2018 beim Arbeitsgericht Cottbus eingegangenen Klage hat die Klägerin den Anspruch weiterverfolgt und das beklagte Land auf Zahlung von weiteren 707,87 Euro brutto nebst Zinsen in Anspruch genommen.

20

Die Klägerin hat gemeint, das beklagte Land hätte in die Berechnung der Jahrsonderzahlung auch ihre Vergütung für den Monat Juli 2015 miteinbeziehen müssen. Die Ansicht des beklagten Landes, dass nur die Vergütung aus dem aktuellen Arbeitsverhältnis zu berücksichtigen sei, sei mit § 20 TV-L nicht zu vereinbaren.

21

Die Klägerin hat beantragt,

22

das beklagte Land zu verurteilen, an die Klägerin eine weitere Jahressonderzahlung in Höhe von 707,87 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. Dezember 2015 zu zahlen.

23

Das beklagte Land hat beantragt,

24

die Klage abzuweisen.

25

Das beklagte Land hat unter Bezugnahme auf die Durchführungshinweise der TdL zu § 20 TV-L (Blatt 41 ff. der Akten) die Auffassung vertreten, die Bemessung der Jahressonderzahlung richte sich ausschließlich nach dem am 1. Dezember bestehenden Arbeitsverhältnis. Daher sei in die Berechnung der Jahressonderzahlung der Klägerin für 2015 deren Vergütung für Juli 2015 aus dem vorangegangen Altersteilzeitarbeitsverhältnis nicht miteinzubeziehen gewesen.

26

Mit Urteil vom 24. Oktober 2019, auf dessen Tatbestand (Blatt 67 – 69 der Akten) wegen des weiteren erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien verwiesen wird, hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben und sich zur Begründung im Wesentlichen auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 12. Dezember 2012 – 10 AZR 922/11 – zu § 20 Absatz 4 TV-L bezogen. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils (Blatt 69 – 71 der Akten) verwiesen.

27

Gegen dieses dem beklagten Land am 25. November 2019 zugestellte Urteil richtet sich die am 20. Dezember 2019 beim Landesarbeitsgericht eingegangene Berufung des beklagten Landes, welche es nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 25. Februar 2020 mit am 25. Februar 2020 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet hat.

28

Das beklagte Land setzt sich – unter teilweiser Wiederholung und teilweiser Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens – mit dem angefochtenen Urteil auseinander. Im Unterschied zu § 20 Absatz 4 TV-L enthalte § 20 Absatz 3 TV-L eine spezielle Regelung, die auf den Beginn des Arbeitsverhältnisses abstelle. Dieser könne entnommen werden, dass im Rahmen der Ermittlung der Bemessungsgrundlage nach § 20 Absatz 3 TV-L immer nur das aktuelle am 1. Dezember bestehende und nach § 20 Absatz 1 TV-L anspruchsbegründende Arbeitsverhältnis zu berücksichtigen sei. Außerdem stehe das neue befristete Arbeitsverhältnis in keinem Zusammenhang mit dem beendeten Altersteilzeitarbeitsverhältnis. Jedenfalls sei ein etwaiger Nachzahlungsanspruch verfallen, da die Klägerin den Anspruch im Geltendmachungsschreiben vom 9. Mai 2016 nach Grund und Höhe nicht ausreichend spezifiziert habe.

29

Das beklagte Land beantragt,

30

das Urteil des Arbeitsgerichts Cottbus vom 24. Oktober 2019 – 12 Ca 10716/18 – abzuändern und die Klage abzuweisen.

31

Die Klägerin beantragt,

32

die Berufung zurückzuweisen.

33

Die Klägerin verteidigt – unter teilweiser Wiederholung und teilweiser Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens – das angefochtene Urteil. Ergänzend trägt sie vor, eine erhebliche zeitliche Zäsur liege nicht vor, da bis zur Begründung des neuen Arbeitsverhältnisses nicht einmal ein Monat vergangen sei. Der Anspruch sei auch nicht verfallen. Wie sich nicht zuletzt auch aus der Rückantwort des beklagten Landes vom 27. Mai 2016 ergebe, sei dem beklagten Land aufgrund der Ausführungen im Schreiben vom 9. Mai 2015 klar gewesen, welcher konkrete Anspruch geltend gemacht wurde und wie sich dieser berechnet.

34

Wegen des weiteren zweitinstanzlichen Vorbringens der Parteien, wird auf die Schriftsätze des beklagten Landes vom 25. Februar 2020 (Blatt 105 – 108 der Akten) und 30. April 2020 (Blatt 131 der Akten) sowie den Schriftsatz der Klägerin vom 2. April 2020 (Blatt 123 – 126 der Akten) verwiesen.

Entscheidungsgründe

35

Die Berufung hat Erfolg.

36

I. Die Berufung ist zulässig. Sie ist nach § 64 Absatz 1 und 2 Buchstabe b ArbGG (Arbeitsgerichtsgesetz) statthaft sowie form- und fristgerecht im Sinne von § 66 Absatz 1 Satz 1, 2 und 5 ArbGG, §§ 519, 520 Absatz 1 und 3 ZPO (Zivilprozessordnung) eingelegt und begründet worden.

37

II. Die Berufung ist auch begründet. Die Klägerin hat nach § 20 TV-L keinen Anspruch auf eine höhere Jahressonderzahlung für das Jahr 2015. Das beklagte Land hat die Jahressonderzahlung der Klägerin für 2015 zutreffend berechnet. Bemessungsgrundlage für die Höhe der Jahressonderzahlung ist nach § 20 Absatz 3 TV-L – anders als für die Kürzung der Jahressonderzahlung nach § 20 Absatz 4 TV-L – nur das am 1. Dezember bestehende, nach § 20 Absatz 1 TV-L den Anspruch auf die Jahressonderzahlung begründende Arbeitsverhältnis.

38

1. Nach § 20 Absatz 1 TV-L hat die Klägerin dem Grunde nach einen Anspruch auf eine Jahressonderzahlung für das Jahr 2015, da sie am 1. Dezember 2015 in einem Arbeitsverhältnis zu dem beklagten Land stand. Die Voraussetzungen für eine Kürzung der Jahressonderzahlung nach § 20 Absatz 4 TV-L lagen nicht vor, da die Klägerin in allen zwölf Monaten des Kalenderjahres 2015 einen Entgeltanspruch gegen das beklagte Land hatte und es insoweit nicht darauf ankommt, ob die Entgeltansprüche aus einem Arbeitsverhältnis oder mehreren nacheinander bestehenden Arbeitsverhältnissen herrühren (vergleiche dazu BAG (Bundesarbeitsgericht) 12. Dezember 2012 – 10 AZR 922/11 – Rn. (Randnummer) 9 ff.). Eine solche Kürzung hat das beklagte Land auch nicht vorgenommen.

39

2. Bestehen in einem Kalenderjahr nacheinander mehrere Arbeitsverhältnisse desselben oder derselben Arbeitnehmer*in zu demselben oder derselben Arbeitgeber*in bemisst sich die Jahressonderzahlung nach § 20 Absatz 3 TV-L nur nach dem am 1. Dezember bestehenden Arbeitsverhältnis, welches nach § 20 Absatz 1 TV-L den Grund für den Anspruch bildet (ebenso Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese TV-L Stand: April 2020 § 20 Rn. 81b; Litschen ua (und andere)/Dahl, KomTVöD (Kommentar zum Tarifvertrag öffentlicher Dienst – Verwaltung) Stand: März 2020 § 20 Rn. 17). Das ergibt sich aus der Auslegung der Tarifnorm.

40

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts folgt die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Auszugehen ist zunächst vom Tarifwortlaut. Zu erforschen ist der maßgebliche Sinn der Erklärung, ohne am Buchstaben zu haften. Dabei sind der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und damit der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm mit zu berücksichtigen, soweit sie in den tariflichen Normen ihren Niederschlag gefunden haben. Auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang ist abzustellen. Verbleiben noch Zweifel, können weitere Kriterien berücksichtigt werden. Im Zweifel ist die Tarifauslegung zu wählen, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Lösung führt (siehe zum Beispiel BAG 20. Juni 2018 – 4 AZR 339/17 – Rn. 19 mwN (mit weiteren Nachweisen)).

41

b) In Anwendung dieser Grundsätze ist § 20 Absatz 3 TV-L dahin auszulegen, dass sich die Höhe der zu zahlenden Jahressonderzahlung nach dem am 1. Dezember bestehenden Arbeitsverhältnis richtet.

42

aa) Der Wortlaut der Tarifnorm, von dem vorrangig auszugehen ist, führt zu keinem eindeutigen Ergebnis.

43

(1) § 20 Absatz 3 Satz 1 TVöD stellt als Bemessungsgrundlage für die Höhe der Jahressonderzahlung nach § 20 Absatz 2 TV-L grundsätzlich auf das in den Kalendermonaten Juli, August und September durchschnittlich gezahlte monatliche Entgelt ab, wobei es nicht darauf ankommt, ob das Entgelt in den jeweiligen Monaten tatsächlich gezahlt worden ist, sondern darauf, welches Entgelt dem oder der Arbeitnehmer*in für die jeweiligen Monate zusteht (vergleiche BAG 16. November 2011
10 AZR 549/10 -; BeckOK (Beck´scher Online-Kommentar) TV-L/Schwill Stand: 1. September 2019 § 20 TV-L Jahressonderzahlung Rn. 21b). Dem Wortlaut des § 20 Absatz 3 Satz 1 TV-L ist dabei nicht zu entnehmen, ob auf das Entgelt aus dem am 1. Dezember bestehenden und nach § 20 Absatz 1 TV-L anspruchsbegründenden Arbeitsverhältnis abzustellen ist oder ob auch das Entgelt aus einem früheren beendeten Arbeitsverhältnis zu berücksichtigen ist. Zwar könnte der Umstand, dass § 20 Absatz 3 Satz 1 TV-L keine ausdrückliche Beschränkung auf das am 1. Dezember bestehende Arbeitsverhältnis beispielsweise durch den Zusatz „aus dem Arbeitsverhältnis nach Absatz 1“ enthält, darauf hindeuten, dass es bei mehreren nacheinander bestehenden Arbeitsverhältnissen innerhalb eines Kalenderjahres nicht darauf ankommt, aus welchem der Arbeitsverhältnisse der Entgeltanspruch stammt (vergleiche BAG 12. Dezember 2012 – 10 AZR 922/11 – Rn. 11). Das ist jedoch nicht zwingend. Denn eine eindeutige Regelung, dass das in den Kalendermonaten Juli, August und September durchschnittlich gezahlte Entgelt lediglich aus „einem“ Arbeitsverhältnis stammen muss, fehlt ebenfalls.

44

(2) § 20 Absatz 3 Satz 3 TV-L bestimmt, dass in den Fällen, in denen das am 1. Dezember bestehende Arbeitsverhältnis nach dem 31. August begonnen hat, an die Stelle des Bemessungszeitraums von Juli bis September nach § 20 Absatz 3 Satz 1 TV-L der erste volle Kalendermonat des Arbeitsverhältnisses und an Stelle des Bemessungssatzes der Entgeltgruppe am 1. September nach § 20 Absatz 3 Satz 2 TV-L die Entgeltgruppe des ersten Tages des nach dem 31. August begründeten Arbeitsverhältnis tritt. Das gilt auch dann, wenn dem am 1. Dezember bestehenden Arbeitsverhältnis in dem Kalenderjahr ein weiteres beendetes Arbeitsverhältnis vorausgegangen ist (vergleiche dazu BAG 22. März 2017 – 10 AZR 623/15 – Rn. 14 ff.) Die Regelung betrifft jedoch nicht den Fall, dass das am 1. Dezember bestehende Arbeitsverhältnis – wie hier – vor dem 1. September, also nicht nach dem 31. August begonnen hat.

45

(3) Auch die Protokollerklärung zu § 20 Absatz 3 TV-L enthält keinen eindeutigen Hinweis, auf welches Arbeitsverhältnis oder welche Arbeitsverhältnisse abzustellen ist. Nach Satz 1 der Protokollerklärung sind bei der Berechnung des durchschnittlich gezahlten monatlichen Entgelts die gezahlten Entgelte der drei Monate zu addieren und durch drei zu teilen; dies gilt auch bei einer Änderung des Beschäftigungsumfangs. Auf den ersten Blick könnte Letzteres darauf hindeuten, dass nach dem Willen der Tarifvertragsparteien bei der Bemessung der Jahressonderzahlung jedes in den Zeitraum von Juli bis September fallende Arbeitsverhältnis zu berücksichtigen ist. Jedoch kann es zu einer Änderung des Beschäftigungsumfangs nicht nur bei der Neubegründung eines Arbeitsverhältnisses kommen, sondern auch im bestehenden Arbeitsverhältnis. Ob auf die Monate Juli bis September auch dann abzustellen ist, wenn sich nicht nur der Beschäftigungsumfang, sondern auch die Beschäftigungsgrundlage geändert hat, dazu verhält sich die Protokollerklärung nicht.

46

bb) Gesamtzusammenhang und Systematik sprechen hingegen dafür, dass es nur auf das am 1. Dezember bestehende Arbeitsverhältnis ankommt.

47

(1) Nach § 20 Absatz 1 TV-L haben Beschäftigte Anspruch auf eine Jahressonderzahlung, wenn sie am 1. Dezember in einem Arbeitsverhältnis stehen (vergleiche zu der Stichtagsregelung BAG 12. Dezember 2012 – 10 AZR 718/11 – Rn. 11 ff.). Dabei ist es für die Erfüllung dieser (einzigen) Tatbestandsvoraussetzung unerheblich, ob bereits vorher ein Arbeitsverhältnis bestanden hat, ob das am 1. Dezember bestehende Arbeitsverhältnis befristet oder unbefristet ist, ob es gegebenenfalls noch im Dezember des Jahres endet oder bereits gekündigt ist. Besteht das Arbeitsverhältnis zum Stichtag, entsteht grundsätzlich ein Anspruch auf eine volle Jahressonderzahlung. Eine Kürzung des Anspruchs ist in § 20 Absatz 4
TV-L nur in den Fällen vorgesehen, in denen ein oder eine Beschäftigte*r in einem Kalendermonat des Jahres keinen Anspruch auf Entgelt oder Fortzahlung des Entgelts nach § 21 TV-L hatte (vergleiche zum Ganzen BAG 22. März 2017 – 10 AZR 623/15 – Rn. 17 mwN).

48

Das bedeutet, dass nach dem Willen der Tarifvertragsparteien kein Anspruch auf eine Jahressonderzahlung bestehen soll, wenn ein Arbeitsverhältnis, unabhängig davon, wann es begründet worden ist, vor dem Stichtag 1. Dezember geendet hat. Dass die Tarifvertragsparteien einen nicht bestehenden Anspruch aus einem beendeten Arbeitsverhältnis neu entstehen lassen wollten, wenn im Laufe des Kalenderjahres ein weiteres Arbeitsverhältnis begründet wird, ist fernliegend. Ebenso ist es fernliegend, dass ein beendetes Arbeitsverhältnis einen Anspruch auf Jahressonderzahlung aus dem am 1. Dezember bestehenden Arbeitsverhältnis beinträchtigen können soll. Dazu könnte es aber, je nachdem, in welchem der Arbeitsverhältnisse der oder die Beschäftigte mehr verdient hat, kommen, wenn bei der Bemessung der Jahressonderzahlung nicht nur das Entgelt aus dem anspruchsbegründenden Arbeitsverhältnis zu berücksichtigen wäre, sondern gegebenenfalls auch das aus einem vorangegangenen beendeten Arbeitsverhältnis.

49

(2) Die Höhe der Jahressonderzahlung ist nach § 20 Absatz 2 TV-L – anders als früher nach dem Tarifvertrag über eine Zuwendung für Angestellte (TV Zuwendung) – nicht nur von der Höhe der Vergütung des oder der jeweiligen Beschäftigten (Bemessungsgrundlage) abhängig, sondern hinsichtlich des Bemessungssatzes zusätzlich nach Entgeltgruppen gestaffelt. Es bedarf deshalb nicht nur der Bestimmung des Referenzzeitraums zur Ermittlung der zugrunde zu legenden Vergütungshöhe, sondern auch des Zeitpunkts für die Ermittlung der für den Bemessungssatz maßgeblichen Entgeltgruppe. Beides ist in § 20 Absatz 3 TV-L festgelegt. Dabei stellt die Norm für den Regelfall nicht auf den Stichtag 1. Dezember ab, sondern nach § 20 Absatz 3 Satz 1 und 2 TV-L auf die durchschnittliche Vergütung in den Monaten Juli bis September und die Eingruppierung am 1. September. Aus diesen beiden Faktoren berechnet sich die konkrete Höhe der Sonderzahlung. § 20 Absatz 3 Satz 3 TV-L regelt eine Ausnahme hiervon für Beschäftigte, „deren Arbeitsverhältnis nach dem 31. August begonnen hat“. Für diese wird der erste volle Kalendermonat des Bestehens des Arbeitsverhältnisses als Bemessungsgrundlage herangezogen und für den Bemessungssatz ist die Entgeltgruppe des Einstellungstags maßgeblich (BAG 22. März 2017 – 10 AZR 623/15 – Rn. 18 f.). Mangels anderer Anhaltspunkte liegt es dabei nahe, dass § 20 Absatz 3 Satz 3 TV-L mit dem Begriff des Arbeitsverhältnisses das Arbeitsverhältnis meint, das nach § 20 Absatz 1 TV-L den Anspruch auf die Jahressonderzahlung begründet (BAG 22. März 2017 – 10 AZR 623/15 – Rn. 19; ähnlich bereits BAG 12. Dezember 2012 – 10 AZR 922/11 – Rn. 17).

50

Wenn aber die Tarifvertragsparteien in § 20 Absatz 3 Satz 3 TV-L für die Bemessung der Jahressonderzahlung auf das anspruchsbegründende Arbeitsverhältnis abstellen, spricht dies dafür, dass dies auch für den in § 20 Absatz 3 Satz 1 und 2 TV-L geregelten Normalfall, dass das anspruchsbegründende Arbeitsverhältnis vor dem 1. September begründet wurde, gelten soll. Denn in der Regelung kommt der Gedanke zum Ausdruck, dass für die Jahressonderzahlung maßgeblich sein soll, was zwischen den Arbeitsvertragsparteien aktuell vereinbart ist.

51

(3) Außerdem haben die Tarifvertragsparteien, indem sie in § 20 Absatz 3 Satz 1 und 2 TV-L für die Bemessung der Jahressonderzahlung einen Referenzzeitraum in der zweiten Jahreshälfte festgelegt haben, zum Ausdruck gebracht, dass sich die Höhe der Jahressonderzahlung nicht am zufälligen Bestand am für den Anspruch maßgeblichen Stichtag 1. Dezember orientieren, sondern das anspruchsbegründende Arbeitsverhältnis abbilden soll. Zugleich haben sie aber auch darauf verzichtet, das gesamte Kalenderjahr exakt nach Umfang der Arbeitsleistung und Eingruppierung heranzuziehen. (vergleiche BAG 22. März 2017 – 10 AZR 623/15 – Rn. 22).

52

(4) § 20 Absatz 4 TV-L, der in bestimmten Fällen die Möglichkeit der Kürzung des Anspruchs (Zwölftelung) vorsieht, steht dem nicht entgegen. Denn im Unterschied zu den Absätzen 2 und 3 stellt die Vorschrift nicht auf „das Arbeitsverhältnis“ ab, sondern auf einen Anspruch des oder der Beschäftigten auf Entgelt oder Entgeltfortzahlung in den einzelnen Kalendermonaten (vergleiche BAG 22. März 2017 – 10 AZR 623/15 – Rn. 20).

53

cc) Nach § 20 Absatz 3 TV-L kommt es auch nicht darauf an, ob sich das anspruchsbegründende Arbeitsverhältnis unmittelbar an das vorausgegangene, im laufenden Kalenderjahr beendete Arbeitsverhältnis anschloss oder zwischen beiden Arbeitsverhältnissen zumindest ein enger sachlicher Zusammenhang bestand oder nicht (vergleiche BAG 22 März 2017 – 10 AZR 623/15 – Rn. 24 ff.).

54

3. Die der Klägerin nach § 20 Absatz 1 und 2 in Verbindung mit dem Absatz 3 Satz 1 und 2 TV-L unter Berücksichtigung ihrer Vergütung für August und September 2015 zustehende Jahressonderzahlung hat das beklagte Land nach den hier maßgeblichen Regelungen für das Tarifgebiet Ost zutreffend nach der Berechnungsregel im Satz 2 der Protokollerklärung zu § 20 Absatz 3 TV-L berechnet und der Klägerin ausgezahlt. Hiergegen hat die Klägerin auch keine Einwendungen erhoben.

55

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Absatz 1 ZPO. Danach hat die Klägerin als unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

56

IV. Die Revision ist nach § 72 Absatz 2 Nr. 1 ArbGG wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.

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Einseitige Kündigungsmöglichkeit unwirksam

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Die Vereinbarung einer einseitigen Kündigungsmöglichkeit für die Arbeitgeberseite etwa zur Mitte der Vertragsbindungsdauer in einem auf die Dauer von 5 Jahren geschlossenen Arbeitsvertrag verstößt gegen § 622 Abs. 6 BGB analog. Die Unwirksamkeit dieser Klausel und die dadurch bedingte Regelungslücke in dem vom Arbeitnehmer (Jurist) erstellten Arbeitsvertrag kann ggf. im Wege ergänzender Vertragsauslegung dahingehend geschlossen werden, dass für beide Seiten eine Kündigungsmöglichkeit als bestehend angenommen wird.
Erklärt sich der Arbeitnehmer bei Ankündigung der Ausübung des Kündigungsrechts sofort auch schriftlich bereit, den Kündigungstermin (hier: 31.12.2015) um 2 Monate zu verlegen, so kann er sich nicht darauf berufen, nur er habe den Text, betreffend die Verlegung des Kündigungstermines unterzeichnet, während im Arbeitsvertrag eine doppelte Schriftformklausel enthalten sei. Der Arbeitnehmer handelt treuwidrig, wenn er die Arbeitgeberin nicht auf die auch von ihr erforderliche Unterzeichnung der Erklärung (doppelte Schriftformklausel), die der Arbeitnehmer angesichts der durch ihn erfolgten Abfassung des Vertrages kennt oder zumindest kennen muss, hinweist.
Eine schriftliche Kündigungserklärung, die in den Hausbriefkasten des Empfängers eingeworfen wird, geht diesem am selben Tage zu, wenn er diese abends aus dem Hausbriefkasten entnimmt. Auf die Frage der üblichen Postlaufzeiten kommt es dann nicht an.

Urteil des LAG München vom 17.12.2019, Aktenzeichen: 6 Sa 543/18 (Leitsätze)

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VonRA Moegelin

Vereinbarung von Weiterbeschäftigung für den Arbeitnehmer

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Über einen im Bestandsstreit hilfsweise gestellten Antrag auf vorläufige Weiterbeschäftigung treffen die Parteien nur dann eine bei der Streitwertfestsetzung nach § 45 Abs. 4 iVm Abs. 1 Satz 2 GKG zu berücksichtigende Regelung, wenn ein über den Entlassungstermin der angegriffenen Kündigung hinausgehender Bestand des Arbeitsverhältnisses verabredet wurde und der vereinbarte spätere Beendigungszeitpunkt bei Vergleichsabschluss bzw. Ablauf der Widerrufsfrist noch nicht verstrichen ist. (Leitsatz)

Volltext des Beschlusses des LAG Nürnberg vom 04.08.2020 – 2 Ta 84/20:

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Klägervertreter wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 18.03.2020, Az. 10 Ca 767/20, abgeändert.
2. Der Gegenstandswert für das Verfahren wird auf 5.988,06 € und für den Vergleich auf 7474,46 € festgesetzt.
3. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe

A.
1
Die Parteien stritten im Wege der Kündigungsschutzklage um die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen, Kündigung vom 27.01.2020, um Weiterbeschäftigung und um Zustimmung zur Verringerung der wöchentlichen Arbeitszeit auf 34 Stunden.
2
Die Klägerin war bei der Beklagten seit 16.01.2017 als Produktionshelferin beschäftigt. Das monatliche Bruttoeinkommen betrug 1.486,40 €. Arbeitsvertraglich war eine Arbeitszeit von monatlich 140 Stunden in Monaten mit 20 Arbeitstagen, 147 Stunden in Monaten mit 21 Arbeitstagen, 154 Stunden in Monaten mit 22 Arbeitstagen und 161 Stunden in Monaten mit 23 Arbeitstagen vereinbart. Die Klägerin begehrte die Verringerung der wöchentlichen Arbeitszeit auf 34 Stunden.
3
Das Verfahren endete durch Abschluss eines Vergleichs mit Ablauf der Widerrufsfrist am 02.04.2020. Darin einigten sich die Parteien u.a. auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf Grund der ordentlichen Kündigung zum 29.02.2020 und die Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses mit bestimmten Beurteilungen.
4
Mit Beschluss vom 18.03.2020 setzte das Arbeitsgericht den Gegenstandswert für das Verfahren auf 5.945,60 € (= vier Monatsgehälter) und für den Vergleich auf 7.432,- € (= fünf Monatsgehälter) fest. Den Kündigungsschutzantrag bewertete das Arbeitsgericht dabei mit drei Monatsgehältern, den Teilzeitantrag mit einem Monatsgehalt und die Einigung über das Zeugnis im Vergleich ebenfalls mit einem Monatsgehalt. Den Weiterbeschäftigungsantrag bewertete das Arbeitsgericht nicht.
5
Mit Schriftsatz vom 06.04.2020 legten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin hiergegen Beschwerde ein. Der Teilzeitanspruch sei mit drei Monatsgehältern zu bewerten, der Weiterbeschäftigungsanspruch mit einem Monatsgehalt.
6
Mit Beschluss vom 26.05.2020 half das Arbeitsgericht der Beschwerde nicht ab und legte das Verfahren dem Landesarbeitsgericht Nürnberg zur Entscheidung vor. Wegen der Einzelheiten wird auf den ausführlich begründeten Beschluss Bezug genommen (Blatt 52 der Akten).
7
Das Landesarbeitsgericht gab den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme bis letztendlich zum 03.08.2020. Die Klägervertreten hielten mit Schriftsatz vom 03.08.2020 an ihrer Auffassung fest (Blatt 64 – 66 der Akten). Die übrigen Beteiligten gaben keine inhaltliche Stellungnahme ab.
B.
I.
8
Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist statthaft, § 68 Abs. 1 GKG, denn sie richtet sich gegen einen Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühr gemäß § 63 Abs. 2 GKG festgesetzt worden ist. Dies gilt auch für die Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts (LAG Nürnberg 28.05.2020 – 2 Ta 76/20 juris; 24.02.2016 – 4 Ta 16/16 juris mwN). Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 200,- €. Die Beschwerde ist innerhalb der in § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG bestimmten Frist eingelegt worden, § 68 Abs. 1 Satz 3 GKG. Der Klägervertreter kann aus eigenem Recht Beschwerde einlegen, § 32 Abs. 2 RVG.
II.
9
Die Beschwerde ist zum Teil begründet. Im vorliegenden Fall haben die Parteien auch eine Einigung über den Weiterbeschäftigungsantrag getroffen, so dass er mit einem Monatsgehalt zu bewerten war. Der Teilzeitantrag ist mit dem Wert des dreijährigen Unterschiedsbetrags (= 1.528,86 €) zu bewerten, da dieser Wert zwischen einem und drei Monatsgehältern liegt. Im Übrigen hat das Arbeitsgericht die Gegenstandswerte für das Verfahren und den Vergleich zutreffend festgesetzt.
10
Bei der Wertfestsetzung folgt die seit 01.01.2020 für Streitwertbeschwerden allein zuständige Kammer 2 des Landesarbeitsgerichts Nürnberg grundsätzlich den Vorschlägen der auf Ebene der Landesarbeitsgerichte eingerichteten Streitwertkommission. Diese sind im jeweils aktuellen Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichtsbarkeit niedergelegt (derzeitige Fassung vom 09.02.2018, NZA 2018, 498). Der Streitwertkatalog entfaltet zwar keine Bindungswirkung. Er stellt aber aus Sicht des erkennenden Gerichts eine ausgewogene mit den gesetzlichen Vorgaben übereinstimmende Orientierung für die Arbeitsgerichte dar. Im Einzelnen gilt folgendes:
11
1. Den Wert für die Kündigungsschutzklage hat das Arbeitsgericht zutreffend mit drei Monatsgehältern festgesetzt. Nach Ziff. I Nr. 21.1 Streitwertkatalog 2018 für die Arbeitsgerichtsbarkeit ist eine außerordentliche Kündigung, die hilfsweise als ordentliche erklärt wird (einschließlich Umdeutung nach § 140 BGB), höchstens mit der Vergütung für ein Vierteljahr zu bewerten, unabhängig davon, ob sie in einem oder mehreren Schreiben erklärt werden (vgl. z.B. LAG Düsseldorf 07.05.2018 – 4 Ta 124/18 mwN; GMP/Künzl ArbGG, 9.Aufl. § 12 ArbGG Rn 109). Einwendungen hat die Beschwerdeführerin insoweit auch nicht erhoben.
12
2. Der Weiterbeschäftigungsantrag war im vorliegenden Fall nicht zu bewerten.
13
a. Nach ständiger Rechtsprechung des LAG Nürnberg (z.B. 19.03.2020 – 2 Ta 15/20; 08.07.2016 – 4 Ta 78/16) und anderer Landesarbeitsgerichte ist der Antrag auf vorläufige Weiterbeschäftigung streitwerterhöhend nur dann gemäß § 45 Abs. 4 iVm. Abs. 1 Satz 2 GKG zu berücksichtigen, wenn über ihn entschieden worden ist, wenn der Antrag in einem Vergleich sachlich mitgeregelt wird und dieser eine Regelung über ihn enthält oder wenn der Antrag ausdrücklich als unbedingter Hauptantrag gestellt worden ist (vgl. BAG 13.08.2014 – 2 AZR 871/14 Rn 4, juris; 30.08.2011 – 2 AZR 668/11, juris; LAG Niedersachsen 24.01.2020 – 8 Ta 13/20 Rn 7 mit zahlreichen Nachweisen, juris). Dies deckt sich auch mit Ziff. I Nr. 18 des Streitwertkatalogs für die Arbeitsgerichtsbarkeit. Im Zweifel ist der Weiterbeschäftigungsantrag im wohlverstandenen Kosteninteresse der Partei, dem der Rechtsanwalt verpflichtet ist, als Hilfsantrag auszulegen (LAG Nürnberg 19.03.2020 – 2 Ta 15/20; LAG Niedersachsen 24.01.2020 – 8 Ta 13/20).
14
b. Der Weiterbeschäftigungsantrag ist nicht ausdrücklich als unbedingter Hauptantrag gestellt worden. Da das Verfahren durch Vergleich endete, erging über ihn auch keine Entscheidung.
15
c. Der Weiterbeschäftigungsantrag fiel wertmäßig auch nicht wegen der Erledigung des Rechtsstreits durch Vergleich gem. § 45 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 GKG an. Denn ihn betreffend haben die Parteien im Vergleich keine Vereinbarung getroffen, die mit einer gerichtlichen Entscheidung im Rahmen des § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG vergleichbar ist (vgl. BAG 13.08.2014 – 2 AZR 871/12). Dies wäre nämlich nur dann der Fall, wenn ein über den Entlassungstermin der angegriffenen Kündigung hinausgehender Bestand des Arbeitsverhältnisses verabredet wurde (vgl. LAG Nürnberg 19.03.2020 – 2 Ta 15/20) und der vereinbarte spätere Beendigungszeitpunkt bei Vergleichsabschluss bzw. Ablauf der Widerrufsfrist noch nicht verstrichen ist. Denn eine tatsächliche Beschäftigung ist nur für die Zukunft regelbar (LAG Baden-Württemberg 30.12.2015 – 5 Ta 71/15; LAG Köln 23.06.2016 – 4 Ta 118/16).
16
Nach Ziffer 1 des Vergleichs wurde das Arbeitsverhältnis zwar nicht durch die angegriffene außerordentliche Kündigung zum 27.01.2020, sondern erst durch die ordentliche Kündigung zum 29.02.2020 beendet, also zu einem um mehr als einen Monat späteren Termin als dem beabsichtigten Entlassungstermin. Der Vergleich wurde jedoch erst nach dem vereinbarten Beendigungszeitpunkt abgeschlossen bzw. rechtswirksam.
17
3. Der Teilzeitantrag ist mit 1.528,86 € zu bewerten. Der Werte des Verfahrens und des Vergleichs erhöhen sich deshalb um jeweils 42,46 €.
18
a. Für die Bemessung des Gegenstandswertes bei einem Teilzeitbegehren eines Arbeitnehmers sind wegen der Vergleichbarkeit mit einer Änderungsschutzklage die Regeln über die Bemessung des Streitwertes bei einer Änderungskündigung heranzuziehen. Denn ebenso wie es bei der Änderungsschutzklage um den Inhaltsschutz des Arbeitsverhältnisses geht, will der Arbeitnehmer mit seinem Wunsch auf Reduzierung der Arbeitszeit in den Inhalt des Arbeitsverhältnisses eingreifen. Für die Streitwertfestsetzung ist die Klage des Arbeitnehmers auf Herabsetzung der Arbeitszeit daher lediglich das Gegenteil einer Klage, mit der er sich gegen eine Herabsetzung seiner Arbeitszeit durch eine Änderungskündigung des Arbeitgebers wehrt (LAG Nürnberg 04.02.2013 – 2 Ta 5/13 n.v.; LAG Nürnberg 08.12.2008 – 4 Ta 148/08 juris; LAG Hamburg 16.03.2011 – 7 Ta 4/11 mit zahlreichen weiteren Nachweisen).
19
Änderungsschutzklagen sind als Streitigkeiten um wiederkehrende Leistungen gemäß § 42 Abs. 2 Satz 1 GKG regelmäßig mit dem dreifachen Jahresbetrag der wiederkehrenden Leistung zu bemessen. Bezieht sich das Teilzeitbegehren auf eine kürzere Laufzeit als drei Jahre (im vorliegenden Fall elf Monate), so ist dieser Zeitraum maßgeblich (§ 42 Abs. 1 Satz 1 letzter Halbsatz GKG). Gleichzeitig ist dabei allerdings zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen die in § 42 Abs. 2 GKG geregelte Streitwertobergrenze für Bestandsschutzstreitigkeiten zu beachten. Denn es wäre nicht zu rechtfertigen, dass der Streitwert einer bloßen Änderungsschutzklage den Wert einer Bestandsschutzklage, für die die Kappungsgrenze des § 42 Abs. 2 GKG gilt, übersteigen könnte. Der Wert könnte sonst in den Fällen, in denen es um den Verlust des gesamten Arbeitsverhältnisses geht, niedriger sein, als bei einem Streit lediglich um die Modalitäten des Arbeitsvertrages (LAG Nürnberg 04.02.2013 – 2 Ta 5/13 n.v.; LAG Hamburg 16.03.2011 – 7 Ta 4/11 m.w.N.).
20
Dem entsprechen auch die Empfehlungen des aktuellen Streitwertkatalogs. Nach Ziff. I Nr. 8 Streitwertkatalog 2018 richtet sich die Bewertung eines Antrags auf Arbeitszeitveränderung nach Ziff. I Nr. 4, also der Bewertung für Änderungskündigung und dem sonstigen Streit über den Inhalt des Arbeitsverhältnisses. Nach Ziff. I Nr. 4.2. beträgt der Wert der Änderungskündigung mit Vergütungsdifferenz oder sonstigen messbaren wirtschaftlichen Nachteilen die 3-fache Jahresdifferenz, mindestens eine Monatsvergütung, höchstens die Vergütung für ein Vierteljahr.
21
b. Mit ihrem Antrag auf Reduzierung der Arbeitszeit auf 34 Stunden in der Woche begehrt die Klägerin eine Reduzierung ihrer vertraglichen wöchentlichen Arbeitszeit um eine Stunde. Denn die Umrechnung der arbeitsvertraglich vereinbarten monatlichen Arbeitszeit ergibt eine wöchentliche Arbeitszeit von 35 Stunden. Ausgehend vom angegebenen Monatseinkommen (1.486,40 €) betrug der Stundenlohn 9,80 € brutto. Der Wert der 3-fachen Jahresdifferenz liegt bei 1.528,80 € (9,80 € × 52 Wochen × 3 Jahre). Dies ist die wirtschaftlich messbare Differenz. Da dieser Wert zwischen einem Monatsentgelt und dem Vierteljahresentgelt liegt, ist er für die Wertfestsetzung maßgebend.
22
4. Bei der Festsetzung des Vergleichswertes hat das Arbeitsgericht die Einigung über die Erteilung eines „guten“ qualifizierten Zeugnisses mit der Leistungsbewertung „stets zu unserer vollen Zufriedenheit“ und der Verhaltensbeurteilung „stets einwandfrei“ zutreffend mit einem Monatsgehalt bewertet (Ziff. I Nr. 25.1.3 iVm Nr. 29.3 Streitwertkatalog).
C.
23
Die Entscheidung konnte ohne mündliche Verhandlung durch den Vorsitzenden alleine ergehen, § 78 Satz 3 ArbGG.
24
Für eine Kostenentscheidung bestand kein Anlass, da das Beschwerdeverfahren gebührenfrei ist und eine Kostenerstattung nicht stattfindet, § 68 Abs. 3 GKG.

Vorinstanz:
ArbG Nürnberg, Beschluss vom 18.03.2020 – 10 Ca 767/20
Fundstelle:
BeckRS 2020, 19886

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VonRA Moegelin

Vereinbarung einer Gewinnbeteiligung -EBIT

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Vereinbaren Arbeitsvertragsparteien eine Gewinnbeteiligung des Mitarbeiters, die sich nach dem Jahresgewinn richten soll und wird dieser mit der Kennzahl EBIT vertraglich definiert, ist hierunter zunächst dem Wortlaut gemäß nichts anderes zu verstehen als eben „Earnings before interest and taxes“ bzw. „Gewinn vor Zinsen und vor Steuern“. 2. Da es sich bei dem Begriff des EBIT um eine sog. NON-GAAP-Steuerungskennzahl handelt, also um eine nicht standardisierte und normativ vorgegebene Kennzahl, lässt sie je nach unternehmensindividueller Festlegung Bereinigungen, insbesondere um sog. außergewöhnliche Ereignisse und Einmaleffekte zu. Ob solche Bereinigungen vorzunehmen sind, um beispielsweise den operativen Gewinn (besser) abbilden zu können, hängt von der jeweiligen unternehmensindividuellen Entscheidung und dem mit der Kennzahl EBIT verfolgten Zweck ab. 3. Ob einer vertraglichen Gewinnbeteiligung, die an die Kennzahl EBIT anknüpft, ein wie auch immer bereinigtes EBIT oder die Ausgangskennzahl zugrunde zu legen ist, ist im Wege der Auslegung der Vereinbarung zu bestimmen. Ausgangspunkt der Auslegung ist dabei, wenn der Vertrag Einschränkungen oder Korrekturen nicht erwähnt, dem Wortlaut gemäß das unbereinigte EBIT. (Leitsätze)

Volltext des Urteils des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf -3 Sa 197/19 vom 03.03.2020:

Tenor

I.Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 24.01.2019 – Az.: 1 Ca 2004/2. – teilweise abgeändert und die Beklagte verurteilt, an den Kläger weitere GBP 66.666,00 brutto zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.09.2018 zu zahlen.

II.Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

III.Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

IV.Die Revision wird nicht zugelassen.

1

T A T B E S T A N D:
2

Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz noch über den Anspruch des Klägers auf Zahlung einer Gewinnbeteiligung für das Jahr 2017 in Höhe von GBP 66.666,00 brutto nebst Zinsen sowie über einen im Wege der Hilfsaufrechnung und weiter hilfsweise im Wege einer Anschlussberufung von der Beklagten geltend gemachten Gegenanspruch auf Zahlung von GBP 33.333,33 nebst Zinsen.
3

Die Beklagte ist Hersteller und Anbieter von Transportkältemaschinen und seit dem Jahr 2015 Teil des amerikanischen Konzerns J. S..
4

Der am 21.12.1954 geborene Kläger war vom 01.09.1985 bis zum 31.03.1993 und vom 01.10.1994 bis zum 30.06.2018 bei der Beklagten beschäftigt. Seit dem 01.10.1994 war er für die G. UK Ltd. in Großbritannien als „Director of Company“ auf der Grundlage des Anstellungsvertrags vom 09.06.1998 (Blatt 35 ff. der Akte) sowie des „Amendment to the Employment Agreement“ vom 14.04.1999 (Blatt 44 ff. der Akte, im folgenden „Änderungsvertrag“) tätig.
5

Unter § 9 Ziffer 6 des Anstellungsvertrages haben die Parteien vereinbart:
6

„Die Gesellschaft ist berechtigt, den Mitarbeiter nach erfolgter Kündigung unter Fortzahlung der zu erwartenden Bezüge ganz oder auch zeitweise zu beurlauben. Alle Urlaubsansprüche sind hiermit abgegolten. Ab diesem Zeitpunkt entfallen mit sofortiger Wirkung die Nutzung des Dienstwagens und die Gebührenübernahme für das Telefon, ohne dass ein Anspruch auf eine Ausgleichszahlung besteht. Nimmt der Mitarbeiter nach vorheriger Zustimmung durch die Geschäftsleitung G. während der bezahlten Freistellung eine andere Tätigkeit auf, entfällt mit sofortiger Wirkung die Zahlung der Bezüge.“
7

Unter § 1 des in englischer Sprache verfassten Änderungsvertrages haben die Parteien unter „Salary“ ein Fixgehalt (§ 1.1) sowie einen „Profit Share“ (§ 1.2) vereinbart. Wörtlich heißt es unter § 1.2 des Änderungsvertrages wie folgt:
8

„In addition and as of July 1, 1999, the Managing Director shall receive a compensation in the form of a percentage of the annual profits of the company (EBIT), payable after the adoption of the respective annual accounts of G. UK Ltd. (the „Profit Share”). Such profits shall be calculated taking the Profit Share itself into account. The following scale shall be applied for the determination of the Managing Director´s profit share:
9
EBIT TGBP Profit Share
0-150 15 %
151-250 12 %
251-350 10 %
351-500 8 %
in excess of 500 6 %
10

Each respective percentage rate shall be applied only to the earnings exceeding those of the respective lower profit range.
11

The maximum profit share to be earned by the Managing Director throughout the duration of this Agreement shall amount to GBP 100,000.00 p.a.”
12

In deutscher Übersetzung bedeutet dies:
13

„Zusätzlich und mit Wirkung vom 1. Juli 1999 erhält der Geschäftsführer eine Vergütung in Form eines Prozentsatzes des Jahresgewinns der Gesellschaft (EBIT), zahlbar nach der Feststellung des jeweiligen Jahresabschlusses der G. UK Ltd. (die „Gewinnbeteiligung“). Der Jahresgewinn wird unter Berücksichtigung der Gewinnbeteiligung selbst berechnet. Der folgende Maßstab findet für die Berechnung der Gewinnbeteiligung des Geschäftsführers Anwendung:
14
EBIT TGBP Gewinnbeteiligung
0-150 15 %
151-250 12 %
251-350 10 %
351-500 8 %
in excess of 500 6 %
15

Der jeweilige Prozentsatz wird nur auf die die jeweils niedrigere Gewinnspanne übersteigenden Gewinne angewandt.
16

Die maximale Gewinnbeteiligung, die der Geschäftsführer während der Laufzeit dieser Vereinbarung verdienen kann, beträgt GBP 100.000,00 pro Jahr.“
17

Der maximale „Profit Share“ in Höhe von GBP 100.000,- kommt demnach bei einem EBIT in Höhe von GBP 1.225.000,- zum Tragen.
18

Für das Geschäftsjahr 2017 ist an den Kläger die Zahlung eines „Profit Share“ in Höhe von GBP 33.333,- erfolgt. Diese war zuvor von ihm durch Auszahlungsanweisungen an den Payroll-Dienstleister N. Ltd. namens der G. UK Ltd. selbst veranlasst worden, und zwar im Januar und Februar 2017 bereits mit Teilbeträgen von jeweils GBP 1.800,-, im März 2017 in Höhe von GBP 1.850,- sowie mit Anweisung vom 12.04.2017 (Anlage B6, Blatt 371 ff. der Akte) in Höhe weiterer GBP 27.833,-. Die Zahlung wurde von N. weisungsgemäß ausgeführt und der letztgenannte Betrag am 28.04.2017 an den Kläger gezahlt. Die Abrechnung hierzu (Anlage BK18, Blatt 703 der Akte) weist oben links die G. UK Ltd. aus, an keiner Stelle jedoch findet sich ein Hinweis auf die Beklagte.
19

Der Kläger kündigte sein Arbeitsverhältnis mit E-Mail vom 27.12.2016 und nachfolgend mit Schreiben vom 13.04.2017 zum 30.06.2018. Mit E-Mail vom 12.04.2017 (Anlage K6, Blatt 73 ff. der Akte) wurde er mit Wirkung ab 17.04.2017 bis zum 31.12.2017 unwiderruflich freigestellt; unter dem 29.05.2017 wurde die Freistellung bis zum 30.06.2018 verlängert. Mit Gesellschafterbeschluss vom 12.10.2017 wurde der Kläger als „Director of company“ abberufen.
20

Die G. UK Ltd. wurde infolge des Kaufs durch J. S. liquidiert, ihr Geschäftsbetrieb wurde veräußert und auf die J. S. European Sales Ltd. (IRESA) übertragen. Der am 26.09.2018 festgestellte Jahresabschluss der G. UK Ltd., wegen dessen Einzelheiten auf die Anlage B4 (Blatt 355 ff. der Akte) Bezug genommen wird, weist einen Gewinn („Profit“) vor Steuern und Zinsen von GBP 5.093.155,- aus. Enthalten sind darin GBP 5.150.143,- als Erlös aus der Veräußerung des Geschäftsbetriebes („Profit on sale of operation“), so dass sich ohne Berücksichtigung dieser Position rechnerisch ein Verlust vor Steuern und Zinsen in Höhe von GBP 56.988,- ergäbe. Ob der Erlös auf der Veräußerung des Geschäftsbetriebes der G. UK Ltd. bei der Berechnung des EBIT im Sinne des Änderungsvertrages der Parteien vom 14.04.1999 zu berücksichtigen ist, ist zwischen den Parteien streitig.
21

Mit seiner am 14.08.2018 vor dem Arbeitsgericht Essen erhobenen und der Beklagten am 23.08.2018 zugestellten Klage hat der Kläger erstinstanzlich die Auszahlung der an die Beklagte gezahlten Kapitallebensversicherungen, die bis zum Geschäftsjahr 2009/2011 zu seinen Gunsten abgeschlossen worden waren, die Übertragung der Rückdeckungsversicherungen und für das Geschäftsjahr 2017 einen „Profit Share“ in Höhe von GBP 66.666,- € brutto sowie verschiedene Auskunftsansprüche geltend gemacht. Soweit für das Berufungsverfahren noch von Interesse hat er erstinstanzlich die Ansicht vertreten, dass ihm schon nach dem festgestellten Jahresabschluss der G. UK Ltd. für das Jahr 2017 der maximale Profit Share von GBP 100.000,- brutto zustehe. Denn aus diesem ergebe sich der maßgebliche EBIT mit GBP 5.093.155,-. Seiner Ansicht nach berechne sich der EBIT aus dem Jahresüberschuss zzgl. Steueraufwand abzüglich der Steuererträge zzgl. des Zinsaufwands und sonstigen Finanzaufwands und abzüglich der Zins- und sonstigen Finanzerträge. Der EBIT sei nicht gleichzusetzen mit einem operativen Gewinn, denn wenn sie das gewollt hätten, hätten die Parteien keinen „profit“, sondern einen „operating profit“ vereinbart. Außergewöhnliche Erträge seien deshalb bei dem EBIT zu berücksichtigen; diese würden nur bei einem „bereinigten EBIT“ nicht berücksichtigt. Jedenfalls sei dem Kläger durch die Freistellung ab 17.04.2017 die Möglichkeit genommen worden, einen höheren EBIT zu erzielen. Dabei weist der Kläger darauf hin, dass die Beklagte mit der G. UK Ltd. eine veränderte Provisionsabrechnung vereinbart habe. Während der aktiven Tätigkeit des Klägers sei eine Rohertragsmarge erwirtschaftet worden, die nie unter 49,2% gelegen habe (Umsatzerlös – Herstellungs-/Bezugskosten). Nach seiner Freistellung sei die G. UK Ltd. nur noch auf eine Ertragsmarge von 13,2% gekommen. Diese Änderung der Ertragsgrundlage sei ohne Beschluss des Director Board Meetings erfolgt. Im Übrigen sei für das Geschäftsjahr 2017 aufgrund der Gewinne, die während der Tätigkeit des Klägers erzielt worden seien, davon auszugehen, dass der EBIT mehr als GBP 1.225.000 betragen hätte. In den 10 Jahren vor 2017 seien durchschnittlich 400 Maschineneinheiten in UK und Irland durch die G. UK Ltd. für die Beklagte verkauft und hierfür Verkaufsprovisionen erzielt worden. Zu Ende März 2017 seien bereits 294 Maschineneinheiten verkauft worden, am 12.04.2017 175 Maschinen geliefert und weitere 135 verkauft worden, d.h. insgesamt 310 Maschineneinheiten. Es habe weitere mündliche Aufträge über 70 Maschineneinheiten gegeben. Der Gewinn vor der Freistellung sei mit demjenigen der Vorjahre daher vergleichbar gewesen. Der bereits ausgezahlte „Profit Share“ in Höhe von GBP 33.333,- stehe ihm in jedem Falle zu. Dieser Betrag sei als Vorauszahlung von ihm berechtigterweise gegenüber der N. Ltd. angewiesen und daraufhin an ihn gezahlt worden. Dass auf den „Profit Share“ Vorauszahlungen geleistet würden, sei jahrelang gelebte Praxis gewesen. Bis Mai 2017 sei der Kläger der einzig Zeichnungsberechtigte gegenüber der N. Ltd. gewesen. Dass er sich mit den Mitarbeitern Candice Bosteels und Poulain habe abstimmen sollen, sei der ausdrückliche Wunsch des Geschäftsführers der Beklagten gewesen, wie sich aus der E-Mail vom 28.02.2017 ergebe (Anlage K28, Blatt 370 der Akte).
22

Der Kläger hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,
23

1.die Beklagte zu verurteilen, an ihn GBP 59.848,01 und Euro 199.945,22 zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 01. Juli 2018 zu zahlen;
24

hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, an ihn zum 21. Dezember 2019 (der Vollendung seines 65. Lebensjahres) GBP 59.848,01 und EUR 199.945,22 zu zahlen;
25

2.die Beklagte zu verurteilen,
26

a)ihm Auskunft zu erteilen über die von ihr erzielten Zinsen für die in Ziffer 1 genannten Beträge (von der HDI über die Kapitallebensversicherungen des Klägers gezahlte Ablaufleistungen) und diese Auskunft durch Vorlage der Kontoauszüge und Bankauskunft zu belegen;
27

b)gegebenenfalls die Richtigkeit und Vollständigkeit der Auskünfte gemäß Ziffer 2a) eidesstattlich zu versichern;
28

c)die sich aus der Auskunft ergebenden Zinsen zuzüglich Verzugszinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 01. Juli 2018 an den Kläger auszuzahlen;
29

3.die Beklagte zu verurteilen, an ihn GBP 66.666,- brutto zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01. April 2018 zu zahlen;
30

4.die Beklagte zu verurteilen, ihm eine Gehaltsabrechnung für den Monat April 2018, das Formular Expense and Benefits P11 D für das (britische) Steuerjahr 06. April 2017 bis 05. April 2018 sowie das Formular P45 (Details of employee leaving work) zu erteilen;
31

5.die Beklagte zu verurteilen, ihm hinsichtlich der bei der HDI von der Beklagten zugunsten des Klägers abgeschlossenen Rückdeckungsversicherungen 40-013105307 und 40-013183101 jeweils
32

a)Auskunft über Zeitpunkt und Höhe der von der Beklagten geleisteten Beitragszahlungen zu erteilen und diese Auskunft durch entsprechende Unterlagen (Kontoauszüge der Beklagten der Aufstellung der HDI) zu belegen;
33

b)Auskunft über die Wertstellung zum Stichtag 30. Juni 2018 zu geben, diese Auskunft durch entsprechende Unterlagen der HDI zu belegen und zusammen mit dieser entsprechend belegten Auskunft ein Angebot auf Übertragung der Versicherung auf den Kläger mittels HDI-Formular zur Änderung der Versicherungsnehmerstellung unter ausdrücklicher Nennung des Übertragungsdatums 30. Juni 2018 zu unterbreiten;
34

c)dem Kläger den Versicherungsschein zu übergeben, hilfsweise schriftlich zu versichern, dass die Beklagte nicht im Besitz des Versicherungsscheins ist.
35

Die Beklagte hat beantragt,
36

1.die Klage abzuweisen;
37

2.hilfsweise für den Fall der Klageabweisung des Klageantrages zu 3. den Kläger im Wege der Widerklage zu verurteilen, an sie GBP 33.333,33 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz pro Jahr seit dem 29. April 2017 zu zahlen.
38

Der Kläger hat wiederum beantragt,
39

die Widerklage abzuweisen.
40

Die Beklagte hat, soweit für das Berufungsverfahren von Interesse, die Ansicht vertreten, dem Kläger stehe der geltend gemachte „Profit Share“ für 2017 nicht zu. Sie hat behauptet, die Parteien seien sich darüber einig gewesen, dass der Kläger während der Freistellung keinen „Profit Share“ erhalten solle. Insbesondere habe der Kläger aber auch nicht darlegen können, dass die G. UK Ltd. im Jahr 2017 einen EBIT erwirtschaftet habe, der zu einem maximalen Bonus in Höhe von GBP 100.000,- geführt hätte. Im Gegenteil habe die G. UK Ltd. gar keinen positiven EBIT im Jahr 2017 erwirtschaftet. Hierzu hat die Beklagte auf den als Anlage B4 eingereichten Jahresabschluss verwiesen. Der dort ausgewiesene Gewinn in Höhe von GBP 5.226.574 komme nur zustande, weil Steuererträge in Höhe von GBP 135.834, Zinsforderungen in Höhe von GBP 1.600 sowie außerordentliche Erträge aus der Veräußerung des Geschäftsbetriebs in Höhe von 5.150.143 hinzugerechnet und Zinsverpflichtungen in Höhe von GBP 4.015 abgezogen würden. Außergewöhnliche Gewinne, wie die Veräußerung des Geschäftsbetriebes seien beim EBIT jedoch nicht zu berücksichtigen. Dieser sei auf ein operatives Ergebnis gerichtet und gleichzusetzen mit dem operativen Gewinn. Der Jahresüberschuss sei deshalb nicht nur um Steuern und Zinsen zu bereinigen, sondern auch um das so genannte außerordentliche Ergebnis. Damit aber habe der EBIT GBP -56.988 betragen, so dass dem Kläger keinerlei Profit Share für 2017 zustehe. Die Beklagte hat weiter vorgetragen, dass der Betrieb der G. UK Ltd. im Jahr 2017 nahezu eingestellt worden sei. Neben dem bereits im April 2017 freigestellten Kläger seien nur seine Ehefrau, bis zum 04.08.2017 Herr C., bis zum 05.06.2017 Herr C. und bis 2018 Herr D. beschäftigt gewesen. Die Beklagte hat behauptet, dass Anhaltspunkte bestünden, dass Anlass der Eigenkündigung des Klägers begonnene interne Ermittlungen gewesen seien. Das nehme sie deshalb an, weil der Kläger sich geweigert habe, eine Erklärung – eingereicht als Blatt 185 f. der Akte – zu unterschreiben. Durch seine Eigenkündigung habe der Kläger eine berechtigte verhaltensbedingte Kündigung der Beklagten vereitelt, die ausweislich der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen zum Wegfall des „Profit Shares“ geführt hätte. Die Beklagte hat ferner behauptet, dass der Kläger am Tag der Benachrichtigung über die Freistellung eigenmächtig initiiert hätte, an ihn einen „Profit Share“ im Umfang von GBP 33.333,33 auszuschütten. Er habe am 12.04.2017 durch Unterzeichnung und Auszahlungsanweisung an die N. Ltd. eine Zahlung von GBP 37.383 brutto an sich selbst veranlasst, die sich zusammensetze aus der commission 2017, dem salary sowie der CarAllowance. Zum Zeitpunkt der Freistellung, welche dem Kläger per E-Mail vom 12.04.2017 mitgeteilt worden sei, sei er nicht mehr berechtigt gewesen, eine Anweisung an die externe Lohnbuchhaltung N. zu erteilen. Dies habe der Kläger auch gewusst. Er habe auch bewusst keine Einwilligung zu dieser Anweisung durch den Geschäftsführer erbeten. Eine Fälligkeit des „Profit Share“ habe zu diesem Zeitpunkt nicht bestanden. Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, insoweit stehe ihr selbst für den Fall der Begründetheit der Klageforderung zum Antrag Ziffer 3. ein Rückzahlungsanspruch zu und hat diesen im Wege der Hilfsaufrechnung gegen die Klageforderung gestellt. Für den Fall der Klageabweisung hinsichtlich des Antrages Ziffer 3. hat sie den Widerklageantrag gestellt. Da der Kläger sich zu Unrecht den Profit Share für 2017 teilweise bereits habe auszahlen lassen, ein Anspruch auf einen „Profit Share“ unter Berücksichtigung des erwirtschafteten EBIT aber gar nicht bestehe, sei er dem Widerklageantrag gemäß zur Rückzahlung der GBP 33.333,33 zu verurteilen.
41

Mit Urteil vom 24.01.2019 hat das Arbeitsgericht Essen der Klage in weiten Teilen stattgegeben, jedoch den Klageantrag Ziffer 3. ebenso wie die Widerklage abgewiesen und diesbezüglich zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dem Kläger stehe der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung eines Profit Share für 2017 in Höhe von GBP 66.666,- nicht zu. Der Anspruch sei zwar noch nicht infolge der Freistellung des Klägers weggefallen, denn diese werde erkennbar auf § 9 Ziffer 6 des Arbeitsvertrages gestützt. Hier sei aber eindeutig geregelt, dass die Freistellung unter Fortzahlung der zu erwartenden Bezüge erfolge. Entfallen solle nur die Erlaubnis zur Nutzung des Dienstwagens sowie die Übernahme der Telefongebühren, ein Wegfall des Profit Share sei hingegen nicht vorgesehen. Dem entspreche auch die Mitteilung im Freistellungsschreiben, dass nicht nur das monatliche Grundgehalt, sondern auch alle weiteren vertraglichen „benefits“ wie üblich gezahlt würden. Der Anspruch sei ferner nicht durch die Freistellung unmöglich geworden, denn der Profit Share sei nicht von persönlichen Zielen oder Leistungen abhängig, sondern allein vom Unternehmensgewinn der G. UK Ltd. Daher sei die Frage, ob der Kläger gearbeitet habe, für die Entstehung seines Anspruchs gemäß § 1.2 des Änderungsvertrages irrelevant. Dies ergebe sich insbesondere auch aus § 1.3 des Änderungsvertrages, nach welchem nur im Falle einer verhaltensbedingten Kündigung der Profit Share entfallen solle, im Übrigen bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Laufe eines Geschäftsjahrs aber ein anteiliger Anspruch entstehe. Soweit die Beklagte darüber hinaus pauschal behaupte, die Parteien hätten vereinbart, dass dem Kläger während der Freistellung kein Profit Share gezahlt würde, sei dieser Vortrag nicht nur unsubstantiiert, sondern widerspreche auch der Korrespondenz und den vertraglichen Vereinbarungen. Gleichwohl bestehe allerdings kein Anspruch des Kläger auf die geltend gemachte Gewinnbeteiligung für 2017, da die G. UK Ltd. in diesem Jahr keinen EBIT in Höhe von mehr als 1.225.000 GBP erzielt habe.
42

Im Gegenteil sei nach dem Jahresabschluss ein „Operating Loss“ in Höhe von minus 56.988 GBP zu verzeichnen. Nur aufgrund der – unstreitig – außergewöhnlichen Einnahme wegen der Veräußerung des Geschäftsbetriebs habe sich nach Abzug bzw. Hinzurechnung von Zinsen und Erträgen ein positiver „Profit before Taxation“ in Höhe von GBP 5.090.740,- ergeben. Nach Auffassung des Arbeitsgerichts entspreche der dem Profit Share zugrunde liegende Wert des EBIT aber dem „Operation Profit“ ohne außergewöhnliche Einnahmen bzw. Verluste, so dass mangels positivem Ergebnis kein weiterer Anspruch des Klägers auf Zahlung eines Profit Share bestehe. Der EBIT (earnings before interests and taxes) entspreche dem Betriebsergebnis, das der Messung der operativen Kernleistung diene. Der EBIT spiegele die Rentabilität der Geschäftstätigkeit wieder und ermögliche so auch einen Vergleich zu anderen Unternehmen. Insofern ergebe er sich auf der Grundlage des Umsatzes (vorliegend der Verkaufserlöse), von denen die Kosten der verkauften Waren sowie die Betriebskosten (Löhne, Nebenkosten, Grundsteuern, Abschreibungen) abgezogen würden. Die Rentabilität des Unternehmens werde nicht durch außergewöhnliche Gewinne oder Verluste – wie vorliegend den Verkauf des Betriebes – dargestellt. Der Wert des Betriebes sei vielmehr Folge der Rentabilität. Der EBIT entspreche damit vorliegend dem „Operation Profit“. Dieser Auslegung entspreche auch der Sinn und Zweck der Gewinnbeteiligung gemäß § 1.2 des Änderungsvertrages. Der Kläger als Geschäftsführer der G. UK Ltd. solle von dem mittels seiner Leitung erzielten operativen Gewinn und damit der Rentabilität des Unternehmens pro Geschäftsjahr profitieren. Die Beteiligung an dem operativen Gewinn führe zu der Belohnung seiner Tätigkeit und schaffe dementsprechend auch einen Leistungsanreiz. Die Berücksichtigung außergewöhnlicher Verluste sowie Gewinne würde dem Anreiz- und Belohnungsgedanken nicht entsprechen. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem Einwand des Klägers, der Wert des Betriebes ergebe sich aufgrund seiner Tätigkeit und spiegele die durch seine Arbeit geschaffene Rentabilität wider. Denn hierdurch würde letztendlich die Beteiligung am Unternehmensergebnis doppelt entlohnt, zum einen durch Beteiligung am operativen Gewinn, zum anderen durch Beteiligung am Verkauf des durch die Rentabilität sich ergebenden Verkaufswertes. Auch im Wege des Schadenersatzes stehe dem Kläger der Zahlungsanspruch nicht zu. Selbst wenn durch die Einstellung des operativen Geschäfts der G. UK Ltd. ein Gewinn nicht mehr erzielt worden und dadurch eine Gewinnbeteiligung des Klägers vereitelt worden sei, habe der Kläger nicht darlegen können, dass ihm hierdurch ein Schaden in Höhe der geltend gemachten GBP 66.666,- entstanden sei und im Falle der Fortführung des Betriebs ein EBIT in Höhe von zumindest GBP 1.225.000,- erzielt worden wäre, so dass ihm eine Beteiligung in Höhe von GBP 100.000,- zugestanden hätte. Die hilfsweise erhobene Widerklage der Beklagten sei ebenfalls unbegründet. Sie habe keinen Anspruch gegen den Kläger auf Rückzahlung des bereits gezahlten Profit Share in Höhe von GBP 33.333,33 brutto, denn dass dem Kläger in dieser Höhe eine ihm nicht zustehende Vergütung gezahlt worden sei, welche die Beklagte gem. § 812 BGB heraus verlangen könne, habe sie nicht darlegen können. Es bestehe zwar kein Anspruch des Klägers gemäß § 1.2 des Änderungsvertrages auf Zahlung eines Profit Share. Allerdings bestehe ein Schadenersatzanspruch gemäß §§ 275, 283, 252 BGB, weil die Beklagte ab April 2017 durch Abzug der Mitarbeiter den operativen Geschäftsbetrieb eingestellt habe. Damit habe sie einen operativen Gewinn und eine sich hieraus errechnende Gewinnbeteiligung des Klägers unmöglich gemacht. Zwar könne der Kläger nicht darlegen, dass ihm hierdurch unter Berücksichtigung eines hypothetischen Geschehensablaufs eine Gewinnbeteiligung in Höhe von weiteren GBP 66.666,- entgangen sei. Allerdings ergebe sich aus den unstreitig erzielten Gewinnen der Vorjahre, die zumindest eine Höhe von GBP 500.000,- erreicht hätten, dass bei normalem Verlauf eines Geschäftsjahrs mit einer Gewinnbeteiligung in Höhe von zumindest GBP 33.333,33 hätte gerechnet werden können. Insofern könne das Gericht nicht erkennen, dass die bisherige Zahlung auf die Gewinnbeteiligung an den Kläger ohne Rechtsgrund erfolgt wäre. Etwas anderes ergäbe sich auch nicht aus dem Vortrag der Beklagten, es liege ein verhaltensbedingter Kündigungsgrund vor, so dass ein Anspruch des Klägers auf einen Profit Share bereits gemäß § 1.3 des Änderungsvertrages nicht bestehe. Denn die Beklagte trage nicht ansatzweise vor, welche Pflichtverletzungen dem Kläger vorgeworfen würden, die zu einer berechtigten Kündigung geführt hätten.
43

Das Urteil des Arbeitsgerichts ist den Prozessbevollmächtigten beider Parteien am 20.02.2019 zugestellt worden. Der Kläger hat mit am 19.03.2019 bei dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf eingegangenem Anwaltsschriftsatz Berufung eingelegt, die er – nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 23.05.2019 – mit am 23.05.2019 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenem Anwaltsschriftsatz begründet hat. Die Berufungsbegründung ist wiederum der Beklagten über ihre Prozessbevollmächtigten am 30.05.2019 zugestellt worden, die – nach Verlängerung der Berufungserwiderungsfrist bis zum 31.07.2019 – mit am 31.07.2019 bei Gericht eingegangenem Anwaltsschriftsatz Hilfsanschlussberufung eingelegt hat.
44

Der Kläger verfolgt sein Klageziel hinsichtlich des Klageantrages Ziffer 3. unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens weiter. Er rügt eine fehlerhafte Rechtsanwendung des Arbeitsgerichts hinsichtlich der Auslegung des Änderungsvertrages und des dort verwendeten Begriffs „EBIT“. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts ergebe sich der geltend gemachte Gewinnbeteiligungsanspruch für 2017 sehr wohl aus § 1.2 des Änderungsvertrages. Unter Berücksichtigung des Veräußerungserlöses für den Verkauf des Geschäftsbetriebes der G. UK Ltd. ergebe sich unstreitig ein positives EBIT von weit mehr als den für die maximale Gewinnbeteiligung erforderlichen mindestens GBP 1.225.000,-. Bereits die Auslegung nach dem objekitven Empfängerhorizont ergebe aber, dass außergewöhnliche Gewinne und Verluste beim EBIT Berücksichtigung zu finden hätten. Die Auslegung des Arbeitsgerichts blende den Wortlaut der vertraglichen Regelung aus. Der verwendete Begriff des EBIT bedeute nichts anderes als „earnings before interests and taxes“, also „Betriebsergebnis ohne Berücksichtigung des Finanzergebnisses und der Ertragssteuern“. Im Betriebsergebnis seien schon dem Wortlaut nach alle, auch die außergewöhnlichen Erträge enthalten. Hätten die Parteien tatsächlich allein den operativen Gewinn berücksichtigen wollen, hätte es einer entsprechenden Regelung und Ergänzung im Sinne von „operating profit“ bedurft, die im Vertrag aber gerade an keiner Stelle vorgenommen worden sei. Auch der Sinn und Zweck der vertraglichen Regelung spreche deutlich für die Lesart des Klägers. Dieser bestehe unter anderem auch darin, eine klare und einfach anwendbare Regelung zu schaffen. Würde man außergewöhnliche Gewinne und damit auf der Kehrseite auch außergewöhnliche Verluste aus der Berechnung des „profits“ entgegen des Wortlauts herausnehmen wollen, stellte sich bereits im jeweiligen Einzelfall die Frage, welcher Betrag noch der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit zuzurechnen sei und bei welchem es sich um einen außergewöhnlichen Ertrag oder Verlust handele. Der Sinn und Zweck der Gewinnbeteiligung liege entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts im Unterschied zu einer Umsatzbeteiligung auch nicht primär in einer Anreiz- und Belohnungsfunktion. Denn bei z.B. außergewöhnlichen Verlusten, die einen operativen Gewinn zunichte machten, gebe es immer noch Umsatzprovisionen. Die Gefahr einer doppelten Belohnung des Klägers bei der Berücksichtigung des Veräußerungserlöses bestehe wiederum angesichts der Kappungsgrenze im Änderungsvertrag nicht in der vom Arbeitsgericht beschriebenen Weise. Darüber hinaus, so behauptet der Kläger, entspreche die von ihm vertretene Auslegung dem ausdrücklichen Parteiwillen, denn bei Vertragsschluss seien er und der damalige Geschäftsführer der Beklagten, Herr Q. H., sich einig gewesen, dass unter „annual profits of the company (EBIT)“ jedweder Gewinn der G. UK Ltd. habe fallen sollen. Zumindest sei diese Auslegung aber, da es sich bei den Regelungen des Änderungsvertrages um allgemeine Geschäftsbedingungen handele, nach § 305c Abs. 2 BGB zugrunde zu legen. Sähe man all dies anders, dann stehe der Anspruch dem Kläger jedenfalls aufgrund des Annahmeverzugs der Beklagten infolge der Freistellung zu. Die Hilfsaufrechnung der Beklagten sei ebenso unbegründet wie ihre mit der Anschlussberufung weiterverfolgte Hilfswiderklage. Insoweit wiederholt der Kläger seinen bereits erstinstanzlichen Vortrag dazu, dass er durchaus berechtigt gewesen sei, die Auszahlungsanordnungen gegenüber der N. Ltd. als Geschäftsführer der G. UK Ltd. und einziger gegenüber N. seinerzeit Zeichnungsberechtigter vorzunehmen. Im Übrigen bestreitet der Kläger jedenfalls aber die Aktivlegitimation der Beklagten. Die Zahlungen, die er erhalten habe, seien als Zahlungen der G. UK Ltd. ausgewiesen gewesen. Ferner erhebt er gegenüber dem Rückforderungsanspruch der Beklagten die dolo-agit-Einrede, da selbst unterstellt, sie könne wegen einer vor Fälligkeit erfolgten Zahlung an den Kläger die Summe zurückfordern, sie jedoch gleichwohl dann nunmehr seit Feststellung des Jahresabschlusses der G. UK Ltd. zur vollständigen Zahlung der Gewinnbeteiligung in Höhe von GBP 100.000,- verpflichtet sei und mithin den Betrag von GBP 33.333,33 gleich wieder an den Kläger auskehren müsste. Hilfsweise hat er mit Schriftsatz vom 21.02.2020 die Klage auf Zahlung vom GBP 33.333,- brutto erweitert und hält die Klageerweiterung auch ohne Zustimmung der Beklagten für zulässig.
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Der Kläger beantragt,
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1.das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 24.01.2019 – 1 Ca 2004/2. – teilweise abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn GBP 66.666,- brutto zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.04.2018 zu zahlen;
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2.die Hilfsanschlussberufung der Beklagten zurückzuweisen;
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3.hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, an ihn den Teil-Restbetrag des Profit Share für 2017 in Höhe von GBP 33.333,- brutto zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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1.die Berufung zurückzuweisen;
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2.hilfsweise für den Fall der Verwerfung oder Zurückweisung der Berufung im Wege der Anschlussberufung, das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 24.01.2019 – 1 Ca 2004/2. – teilweise abzuändern und den Kläger widerklagend zu verurteilen, an sie GBP 33.333,33 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.04.2017 zu zahlen.
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Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens hinsichtlich der Abweisung des Klageantrages Ziffer 3. Unverändert ist sie der Ansicht, dem Kläger stehe eine Gewinnbeteiligung für 2017 unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu. Die Ausführungen des Klägers zur Auslegung des Änderungsvertrags beruhten auf einem fehlerhaften Verständnis des Begriffs EBIT. Hierzu verweist die Beklagte auf die von ihr bereits erstinstanzlich vorgelegten Erläuterungen des Instituts der Wirtschaftsprüfer e.V. („IDW“, Anlage B1, Blatt 325 ff. der Akte). Danach sei Sinn und Zweck alternativer Steuerungskennzahlen wie des EBIT, den Unternehmenserfolg frei von einmaligen, nicht wiederkehrenden oder sonstigen verzerrenden Effekten zu betrachten. Sie zeigten demgemäß ausschließlich das operative Ergebnis an. Dem widerspreche es, außerordentliche Erträge wie den Verkaufserlös im vorliegenden Fall einzubeziehen. Vielmehr sei der Jahresüberschuss um solche außerordentlichen Ergebnisse zu bereinigen. Das gelte erst recht im vorliegenden Fall, da die Veräußerung des Geschäftsbetriebs der G. UK Ltd. ein rein konzerninterner Vorgang gewesen sei. Es habe weder einen externen Käufer noch einen Verkaufserlös gegeben, vielmehr sei es infolge der internen Liquidation der G. UK Ltd. innerhalb des J. S. Konzerns nur zu einer konzerninternen Vermögensverschiebung gekommen. Diese könne keine Grundlage für einen Profit Share des Klägers sein. Hierbei sei zu beachten, dass die Auslegung des Änderungsvertrages nach dem objektiven Empfängerhorizont und bezogen auf das erkennbare Verständnis und die Interessenlage der Parteien bei Vertragsschluss im Jahr 1999 zu erfolgen habe. Damals sei ein solcher außerordentlicher Vorgang wie hier die konzerninterne Vermögensverschiebung jedoch in keiner Weise absehbar gewesen. Folge man mithin der von der Beklagten vertretenen Auslegung des Begriffs EBIT, sei bei der G. UK Ltd. für das Jahr 2017 ein operativer Verlust zu verzeichnen, weshalb dem Kläger eben auch keinerlei Profit Share zustehe. Entgegen der Ansicht des Klägers bestehe über diese auch durch Sinn und Zweck sowie Gesamtzusammenhang der Regelung unterstützte Auslegung kein Zweifel. Denn der Kläger sei nach § 1 des Anstellungsvertrages und der dortigen Aufgabenbeschreibung auf rein operativer Ebene tätig gewesen, weshalb es fernliegend sei anzunehmen, im Rahmen der im Änderungsvertrag geregelten Gewinnbeteiligung hätten nunmehr auch andere als die sich aus der operativen Tätigkeit des gewöhnlichen Geschäftsbetriebes ergebenden Erträge honoriert werden sollen. Mit dem Änderungsvertrag sei zudem unter anderem § 2 Ziffer 3 des Anstellungsvertrages ersetzt worden, der bislang eine Provisionsregelung enthalten habe, die gleichfalls vom wirtschaftlichen Erfolg und also dem operativen Ergebnis der G. UK Ltd. abhängig gewesen sei. Es sei damit fernliegend anzunehmen, dass mit dem Begriff EBIT nicht mehr allein der operative Gewinn gemeint gewesen sei. Die Regelung des § 305c Abs. 2 BGB finde im Übrigen auch deshalb keine Anwendung, da der Änderungsvertrag seinerzeit einzig auf Initiative des Klägers zustande gekommen sei und mithin keine AGB enthalte. Annahmeverzugs- oder Schadensersatzansprüche des Klägers bestreitet die Beklagte ebenfalls weiterhin zu Grund und Höhe. Demgegenüber stehe ihr allerdings weiterhin ein Rückzahlungsanspruch in Höhe von GBP 33.333,33 nebst Zinsen seit 29.04.2017 wegen der eigenmächtigen Auszahlungsanordnung des Klägers zu. Durch Unterzeichnung und Versendung der Auszahlungsanordnung gemäß Anlage B6 an N. habe sich der Kläger am 12.04.2017 selbst eine Bonuszahlung für das Jahr 2017 in Höhe von angeblich GBP 27.883,- gewähren lassen. Die Auszahlung sei durch N. auftragsgemäß ausgeführt worden. Der Kläger habe aber infolge der unstreitigen Freistellung weder zum Zeitpunkt der Anweisung eine Berechtigung zu derselben gehabt noch habe ihm der Betrag überhaupt und erst recht – selbst unterstellt, er hätte einen Bonusanspruch gehabt – mangels Fälligkeit zu diesem Zeitpunkt zugestanden. Zudem hätte der Kläger vertragliche Ansprüche ausschließlich gegenüber seiner Vertragspartnerin, der Beklagten, geltend machen können. Ein etwaiger Anspruch auf Zahlung des Profit Share hätte also seitens der Beklagten und nicht wie geschehen durch die G. UK Ltd. veranlasst werden dürfen. Hilfsweise für den Fall der Zulässigkeit und Begründetheit der Berufung erklärt die Beklagte daher erneut die Aufrechnung mit einer Gegenforderung in Höhe von GBP 33.333,33 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 29.04.2017 und beruft sich hilfsweise für den Fall der Verwerfung oder Zurückweisung der Berufung auf ihre Anschlussberufung, der dann stattzugeben sei. Sie sei insoweit aktivlegitimiert, denn nicht nur die N. Ltd. , sondern auch die G. UK Ltd. sei lediglich Zahlstelle für die Beklagte gewesen. Die von dem Kläger in Auftrag gegebene Vergütungszahlung sei somit eine solche, die unmittelbar zu Lasten der Beklagten in Auftrag gegeben worden sei. Der dolo-agit-Einrede des Klägers, die die Beklagte für nicht gerechtfertigt hält, hält sie hilfsweise ihrerseits den Vorwurf treuwidrigen Verhaltens des Klägers entgegen. Schließlich ist sie der Ansicht, die hilfsweise Klageerweiterung vom 21.02.2020, zu der sie ihre Zustimmung ausdrücklich verweigert, sei unzulässig. Sie sei verspätet und auch nicht sachdienlich. Dazu, dass sie auch nicht begründet wäre, nimmt die Beklagte Bezug auf ihre Ausführungen zur Berufung im Übrigen.
53

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze beider Parteien nebst Anlagen in erster und zweiter Instanz sowie auf die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.
54

E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E:
55

I.
56

Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist statthaft gemäß § 64 Abs. 1, Abs. 2 lit. b) ArbGG. Ferner ist sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
57

II.
58

Die Berufung ist bis auf einen Teil des Zinsanspruchs vollständig begründet. Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung von GBP 66.666,- brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zwar nicht seit dem 01.04.2018, aber seit dem 26.09.2018 zu.
59

1. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung des mit der Klage verfolgten Teils des Profit Share für das Jahr 2017 in Höhe von GBP 66.666,- brutto aus § 1 Ziffer 2 des Änderungsvertrages vom 14.04.1999. Das ergibt die Auslegung der zitierten vertraglichen Regelung der Parteien in Verbindung mit den insoweit unstreitigen Feststellungen im Jahresabschluss der G. UK Ltd. für das Jahr 2017.
60

a. Die Auslegung von Verträgen hat, soweit es sich nicht um allgemeine Geschäftsbedingungen handelt, nach §§ 133, 157 BGB zu erfolgen. Nach §§ 133, 157 BGB sind Willenserklärungen und Verträge so auszulegen, wie die Parteien sie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen mussten, wobei vom Wortlaut auszugehen ist. Zur Ermittlung des wirklichen Willens der Parteien sind auch die außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. Vor allem sind die bestehende Interessenlage und der mit dem Rechtsgeschäft verfolgte Zweck zu berücksichtigen (BAG vom 03.07.2019 – 4 AZR 312/2., juris, Rz. 21; BAG vom 19.12.2018 – 7 AZR 70/17, juris, Rz. 23; BAG vom 23.06.2016 – 8 AZR 757/14, juris, Rz. 19; BAG vom 10.12.2014 – 10 AZR 63/14, juris, Rz. 21). Im Zweifel ist der Auslegung der Vorzug zu geben, die zu einem vernünftigen und widerspruchsfreien Ergebnis führt, das den Interessen beider Vertragspartner gerecht wird (BAG vom 19.12.2018 – 7 AZR 70/17, juris, Rz. 23; BAG vom 17.05.2017 – 7 AZR 301/15, juris, Rz. 16; BAG vom 14.12.2016 – 7 AZR 797/14, juris, Rz. 31; BAG vom 21.01.2014 – 3 AZR 362/11, juris, Rz. 57; BAG vom 25.04.2013 – 8 AZR 453/12, juris, Rz. 22; BAG vom 09.12.2008 – 3 AZR 431/07, juris, Rz. 15).
61

Demgegenüber sind Allgemeine Geschäftsbedingungen nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden. Dabei sind nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen (BAG vom 19.11.2019 – 3 AZR 332/2., juris, Rz. 19). Verbleiben nach Ausschöpfung der anerkannten Auslegungsmethoden nicht behebbare Zweifel, gehen diese nach § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten des Klauselverwenders.
62

b. Es kann hier mit den Ausführungen der Beklagten angenommen werden, dass auf die Regelungen des Änderungsvertrages die Auslegungsregeln nach §§ 133, 157 BGB für einzelvertragliche Abreden außerhalb des Anwendungsbereichs der §§ 305 ff. BGB anzuwenden sind und keine allgemeinen Geschäftsbedingungen in Rede stehen. Denn gerade auch in Anwendung dieser Auslegungsregeln ergibt sich, dass die Gewinnbeteiligung in § 1 Ziffer 2 des Änderungsvertrages nicht allein auf einen operativen Gewinn abstellt.
63

Schon der Wortlaut spricht für eine Auslegung im Sinne des von dem Kläger vorgetragenen Verständnisses, dass nämlich unter „Jahresgewinn“ bzw. „annual profits“ der G. UK Ltd., aus dem sich prozentual die Gewinnbeteiligung berechnet, der sich aus dem festgestellten Jahresabschluss der G. UK Ltd. ergebende Gewinn vor Steuern und Zinsen zu verstehen ist. Dass ein um außerordentliche Erträge und Verluste bereinigter Gewinn mit den „annual profits“ gemeint sein sollte, ergibt sich an keiner Stelle aus dem Wortlaut und im Übrigen auch nicht aus dem Gesamtzusammenhang der Regelung des § 1 Ziffer 2 des Änderungsvertrages. Die Parteien haben den Begriff des Jahresgewinns mit dem Klammerzusatz „EBIT“ konkretisiert. Der Begriff „EBIT“ bedeutet zunächst einmal nichts anderes als eben wörtlich „Earnings before interest and taxes“, auf deutsch also „Gewinn vor Zinsen und vor Steuern“ (Duden Wirtschaft von A bis Z: Grundlagenwissen für Schule und Studium, Beruf und Alltag, 6. Auflage, „EBIT / EBITDA“; Schäfer, BC 2010, 111; vgl. auch Kapitza in Salamon, Entgeltgestaltung, K63).
64

Zutreffend ist, und dies ergibt sich sowohl aus dem von der Beklagten mit der Anlage B1 (Blatt 325 ff. der Akte) vorgelegten Positionspapier des Instituts der Wirtschaftsprüfer e.V. (dort auf Seite 15, Blatt 328 der Akte) als auch aus der von dem Kläger mit der Anlage BK13 (Blatt 670 ff. der Akte) vorgelegten fachlichen Stellungnahme der RLT Ruhrmann Tieben & Partner Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft mbB vom 22.10.2019 (dort auf Seite 2 ff., Blatt 671 ff. der Akte) und auch aus der Literatur im Übrigen (vgl. Schäfer, BC 2010, 111, 112), dass die Kennzahl EBIT zwar zunächst eine klar definierbare Größe darstellt, es allerdings darüber hinaus keine allgemein akzeptierte, abschließende Inhaltsdefinition gibt, sondern abhängig von dem Aussagezweck, den ein Unternehmen mit der Kennzahl verfolgt, Korrekturen bzw. „Bereinigungen“ – insbesondere auch um außerordentliche Ereignisse – vorgenommen werden können (Schäfer, BC 2010, 111, 112). Es handelt sich insoweit um eine sogenannte NON-GAAP-Steuerungskennzahl, also eine nicht standardisierte und normativ vorgegebene Kennzahl, sondern eine solche, die ausgehend von einer Jahresabschlusskennzahl unternehmensindividuell festgelegte Bereinigungen zulässt. Diese Bereinigungen können dann unter anderem insbesondere dazu dienen, das operative Ergebnis anzuzeigen. Nichts anderes ergibt sich aus Seite 15 des von der Beklagten zum Begriffsverständnis vorgelegten und als Referenz angegebenen IDW-Positionspapiers der Anlage B1. Lediglich soweit die Beklagte selbst daraus das Verständnis ableiten möchte, der Begriff EBIT sei ausschließlich im Sinne eines operativen Gewinns zu verstehen, ergibt sich das weder aus dem Wortlaut des Begriffs EBIT noch aus dem IDW-Positionspapier. Gleiches gilt für ein Wortverständnis im Sinne eines bereinigten Gewinns. Ob solche Bereinigungen bzw. Korrekturen vorgenommen werden, ist vielmehr Sache der jeweiligen Unternehmen und abhängig vom mit der Kennzahl jeweils verfolgten Zweck.
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Damit bleibt aber festzuhalten, dass der Wortlaut des annual profits ebenso wie der diesen „profit“ konkretisierende Begriff EBIT selbst zunächst einmal klar ist, nämlich nichts anderes als Gewinn vor Zinsen und Steuern bedeutet. Unklarheiten können dann allenfalls aufkommen, soweit diese Kennzahl nun Korrekturen bzw. Bereinigungen unterworfen werden soll, weil dann geklärt werden müsste, welcher Art diese sein sollen. Dabei kann eine Bereinigung des EBIT dann dahingehend erfolgen, dass außerordentliche Ereignisse herausgerechnet werden, um so den operativen Gewinn zu kennzeichnen. Das ergibt sich dann aber schon nicht mehr aus dem Begriffsverständnis des EBIT selbst, sondern ist abhängig von dessen unternehmensindividueller Ausgestaltung. Um einen Begriff zu „bereinigen“, muss man ihn eben in bestimmter Weise bearbeiten, so dass sich sein Inhalt im Ergebnis von dem Inhalt des Ursprungsbegriffs unterscheidet (LAG Köln vom 20.05.2010 – 7 Sa 1530/09, juris, Rz. 26).
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Wird der Ursprungsbegriff im Kontext eines größeren Zusammenhangs ohne jeden erläuternden Zusatz verwendet, wird für den objektiven Leser nicht erkennbar, dass der Begriff nicht in seinem ursprünglichen Inhalt, sondern in einer bearbeiteten bzw. „bereinigten“ Form verstanden werden soll (LAG Köln vom 20.05.2010 – 7 Sa 1530/09, juris, Rz. 26). So ist es auch im vorliegenden Fall. Denn ein erläuternder Zusatz dahin, dass der annual profit, also der Jahresgewinn sich nicht allein aus dem EBIT ergeben sollte, sondern zusätzliche Bereinigungen um Einmaleffekte oder generell außerordentliche Ereignisse wie hier im Konkreten 2017 den Verkaufserlös aus der Veräußerung des Geschäftsbetriebs der G. UK Ltd. vorzunehmen wären, findet sich im Vertragstext des Änderungsvertrages nicht. Dafür hätte es lediglich eines ergänzenden Satzes oder auch nur eines einzigen ergänzenden Wortes wie „operating profit“ bedurft, welches aber keine Verwendung im Vertragstext gefunden hat. Dabei ist dem Vertrag durchaus zu entnehmen, dass die Parteien Korrekturnotwendigkeiten gesehen und dann auch geregelt haben. Denn in § 1 Ziffer 2 Satz 2 des Änderungsvertrages haben sie geregelt, dass der Jahresgewinn unter Berücksichtigung der Gewinnbeteiligung selbst zu berechnen ist, insoweit also eine Bereinigung stattzufinden hat. Wenn andere Bereinigungen nicht geregelt werden, ist davon auszugehen, dass diese auch nicht dem Parteiwillen entsprachen.
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Dieses Auslegungsergebnis entspricht der wohlverstandenen Interessenlage der Parteien bei Vertragsschluss, denn es führt zu einer einfachen, praktikablen und ebenso klaren wie damit rechtssicheren Berechnung des Jahresgewinns als Bemessungsgrundlage für die Gewinnbeteiligung des Klägers. Ohne über die ausdrücklich im Vertrag geregelte Bereinigung um die Gewinnbeteiligung selbst hinausgehende weitere Bereinigungen lässt sich unmittelbar aus dem festgestellten Jahresabschluss der G. UK Ltd. ablesen, wie hoch der Gewinn vor Zinsen und Steuern ist. Bei einer zusätzlich „bereinigten“ Begriffsverwendung hingegen wäre zunächst zu hinterfragen, in welcher Weise und woraufhin eine Bereinigung vorgenommen werden müsste (vgl. auch insoweit LAG Köln vom 20.05.2010 – 7 Sa 1530/09, juris, Rz. 27).
68

Entgegen der Ansicht sowohl des Arbeitsgerichts als auch der Beklagten entspricht dieses Auslegungsergebnis zudem durchaus dem Sinn und Zweck einer Gewinnbeteiligung. Mit dieser soll der Kläger als Geschäftsführer der G. UK Ltd. unabhängig vom operativen Ergebnis mit Wohl und Wehe der Gesellschaft verbunden werden. Hierfür und für die Messung der Leistungsfähigkeit der Unternehmensleitung leistet die Messgröße EBIT durchaus einen bedeutsamen Beitrag, während sie ohne weitere Bereinigungen für die operative Steuerung und Überwachung des Unternehmenserfolges nur begrenzt geeignet ist (vgl. Schäfer, BC 2010, 111). Es macht durchaus Sinn, den Geschäftsführer einer Gesellschaft über die Schmälerung oder sogar den kompletten Verlust seiner Gewinnbeteiligung beispielsweise an außerordentlichen Verlusten durch hohe Rechtsverteidigungskosten und/oder Schadensersatzzahlungen zu beteiligen, wenn die Gesellschaft sich außergewöhnlich risikobehafteten Haftungsansprüchen Dritter ausgesetzt sehen sollte; insoweit muss nur das Beispiel der Monsanto-Haftungsprozesse genannt werden. In solchen Fällen kann der Jahresgewinn im Sinne des Änderungsvertrages selbst bei erheblichem operativem Gewinn so sehr reduziert werden, dass eine Gewinnbeteiligung darunter leidet. Es dürfte im wohlverstandenen Interesse der Beklagten liegen, insoweit eben keine Bereinigung um außergewöhnliche Ereignisse, hier Verluste vorzunehmen, sondern dem Kläger keine oder nur eine geringere Gewinnbeteiligung zahlen zu müssen, wenn das Unternehmen zwar im gewöhnlichen Geschäftsbetrieb operativ profitabel war, aufgrund außergewöhnlicher Verluste aber keinen oder einen deutlich niedrigeren Gewinn erwirtschaftet hat. Ebenso liegt dann aber auch im wohlverstandenen Interesse beider Parteien, den Kläger an außerordentlichen Erträgen wie dem Verkaufserlös aus der Veräußerung des Geschäftsbetriebes zu beteiligen. Er ist als Geschäftsführer der G. UK Ltd. eben mit beidem verbunden, mit Wohl und Wehe der Gewinnentwicklung des Unternehmens. Seine Verantwortung geht über das operative Geschäft hinaus, das zeigt auch die von der Beklagten insoweit erwähnte Regelung des § 1 des Anstellungsvertrages. Denn die Sicherstellung des wirtschaftlichen Erfolgs der G. UK Ltd. und das Erstellen von Planungen können, müssen aber nicht allein einen Bezug zum operativen Geschäftsbetrieb haben; sie gehen darüber hinaus. Das entspricht der ganzheitlichen Verantwortung der Geschäftsführung. Dann macht es aber auch absolut Sinn, deren Gewinnbeteiligung nicht allein am operativen Geschäftsergebnis festzumachen, sondern am Jahresgewinn im Sinne des insoweit unbereinigten EBIT.
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Zu einer doppelten Begünstigung des Klägers führt dies entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts nicht. Zum einen ist ohnehin schon nicht ersichtlich, geschweige denn von einer der Parteien konkret dargelegt, sondern wohl eher Spekulation, woraus diese hier resultieren sollte. Zum anderen wurde für den Fall einer aus ihrer Sicht möglicherweise übermäßigen Beteiligung des Klägers am Unternehmensgewinn von den Vertragsparteien durch die Kappungsgrenze von GBP 100.000,- in § 1 Ziffer 2 des Änderungsvertrages bereits Vorsorge getroffen. Auch das spricht gegen die Annahme, es hätten noch weitere Beschränkungen gewollt sein können, die nicht ausdrücklich in dem ganz offensichtlich gut durchdachten Vertragstext niedergelegt worden sind.
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Der Hinweis der Beklagten, die Gewinnbeteiligung des Klägers in § 1 Ziffer 2 des Änderungsvertrages sei an die Stelle der vorherigen Provisionsregelung unter § 2 Ziffer 3 des Anstellungsvertrages getreten, ist zutreffend. Ihr Einwand, daraus sei zu folgern, dass die Regelung im Änderungsvertrag auf den operativen Gewinn der G. UK Ltd. gerichtet sein müsse, hingegen ist unschlüssig. Die Parteien haben mit dem Änderungsvertrag eine Provisionsregelung durch eine gänzlich anders ausgestaltete und in sich abschließend geregelte Gewinnbeteiligung ersetzt. Damit können Aspekte der früheren Provisionsregelung keinen Erkenntnisgewinn für die Auslegung der Neuregelung zur Gewinnbeteiligung beisteuern.
71

Der Hinweis der Beklagten auf die konzerninterne Liquidation der G. UK Ltd. und darauf, dass ein Veräußerungserlös innerhalb des Konzerns jedenfalls nicht berücksichtigungsfähig sei und auch von den Vertragsparteien 1999 sicherlich nicht bedacht worden sei, überzeugt nicht. Die Vertragsparteien haben mit der Regelung zur Gewinnbeteiligung wie bereits aufgezeigt eine Verknüpfung der Verdienstmöglichkeiten des Klägers als Geschäftsführer der G. UK Ltd. mit dem gesamten Wohl und Wehe der Gesellschaft vorgenommen, wie es sich in der aus dem – mit Ausnahme der Regelung zu § 1 Ziffer 2 Satz 2 des Änderungsvertrages – unbereinigten EBIT ergebenden Kennzahl widerspiegelt. Damit haben sie erkennbar eine Regelung für alle künftig eintretenden Fallkonstellationen getroffen, gleichgültig, ob und zu welchem Anteil diese die operative Geschäftstätigkeit oder außergewöhnliche Gewinn- oder Verlustszenarien prägen. Es ist in keiner Weise ersichtlich, dass und warum bestimmte außergewöhnliche Gewinn- oder Verlustszenarien dabei hätten ausgeschlossen werden sollen und das gilt auch für eine konzerninterne Veräußerung des Geschäftsbetriebs der G. UK Ltd.
72

Nähme man entgegen der Ansicht der Beklagten und mit der Ansicht des Klägers an, dass es sich bei den Regelungen des Änderungsvertrages um allgemeine Geschäftsbedingungen handelte, wäre das Auslegungsergebnis im Übrigen kein anderes. Hinzu käme aber, dass dann selbst für den Fall, dass man entgegen der vorstehenden Ausführungen nicht bereits im Wege der Auslegung mittels anerkannter Auslegungsmethoden zu diesem Ergebnis käme, jedenfalls die Auslegung des Begriffs EBIT in Anwendung der Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB in dem von dem Kläger beschriebenen Sinne vorzunehmen wäre.
73

Dass schließlich die erstinstanzlichen Einwendungen der Beklagten im Hinblick auf die Freistellung des Klägers, eine angebliche Vereinbarung zum Wegfall des Profit Share für 2017 und dessen angebliche Verfehlungen sowie einen Wegfall des Anspruchs nach § 1 Ziffer 3 des Änderungsvertrages unerheblich sind, hat bereits das Arbeitsgericht in jeder Hinsicht zutreffend herausgearbeitet und festgestellt. Auf die diesbezüglichen Ausführungen, denen die Beklagte im Berufungsverfahren auch nicht mehr entgegengetreten ist, nimmt die Berufungskammer zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug.
74

Weitere, erhebliche Einwendungen hat die Beklagte nicht vorgebracht. Insbesondere hat sie hinsichtlich der Auslegung des § 1 Ziffer 2 des Änderungsvertrages nicht etwa konkrete Behauptungen zum tatsächlichen und etwa von dem hier dargelegten Auslegungsergebnis abweichenden Parteiwillen aufgestellt. Demgegenüber hat der Kläger konkret behauptet, so wie hier ausgelegt sei die Regelung unter § 1 Ziffer 2 des Änderungsvertrages von ihm und dem damaligen Gesellschafter-Geschäftsführer der Beklagten bei Unterzeichnung des Änderungsvertrages auch gewollt gewesen. Dem insoweit vorgebrachten Beweisangebot des Klägers braucht nicht mehr nachgegangen zu werden, denn die Berufung hat bereits mit den übrigen, auf die Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont ausgerichteten Argumenten Erfolg.
75

c. Nach dem am 26.09.2018 festgestellten Jahresabschluss der G. UK Ltd. beträgt deren Gewinn vor Zinsen und Steuern bei der hier vorgenommenen Auslegung des Begriffs EBIT unstreitig GBP 5.093.155. Unter Bereinigung gemäß § 1 Ziffer 2 Satz 2 des Änderungsvertrages um die Gewinnbeteiligung von GBP 100.000,- beträgt der Jahresgewinn immer noch deutlich mehr als die nach § 1 Ziffer 2 des Änderungsvertrages erforderliche Summe von GBP 1.225.000,- , weshalb dem Kläger der Höchstbetrag der Gewinnbeteiligung für 2017 zusteht. Hiervon hat er unter Berücksichtigung der bereits erhaltenen Zahlungen in Höhe von GBP 33.333,- brutto verbleibende GBP 66.666,- brutto mit der Klage zu Recht geltend gemacht.
76

2. Die hilfsweise erklärte, zulässige Aufrechnung der Beklagten ist nicht begründet. Das folgt bereits daraus, dass sie ihre Aktivlegitimation hinsichtlich des hier geltend gemachten und zur Aufrechnung gestellten Zahlungsanspruchs in Höhe von GBP 33.333,33 nebst Zinsen weder schlüssig dargelegt noch nachgewiesen hat.
77

Wie vom Kläger zu Recht gerügt und der Beklagten auch von der Berufungskammer vorgehalten, ergibt sich aus ihrem eigenen Vorbringen und der von ihr vorgelegten Anlage B6, dass der Kläger als Geschäftsführer der G. UK Ltd. eine Zahlungsanweisung in deren Namen an die N. Ltd. als Zahlstelle erteilt hat. Diese ist unstreitig weisungsgemäß ausgeführt worden. Auf der entsprechenden Abrechnung vom 28.04.2017 (Anlage BK18, Blatt 703 der Akte) erscheint oben links allein die G. UK Ltd. Diese ist, wie es der weisungsgemäßen Ausführung der Anweisung durch die N. Ltd. entspricht, mithin Leistender der in der Abrechnung aufgeführten Zahlungen, darunter GBP 27.883,- „Commission“. Für die früheren Teilzahlungen aus Januar bis März 2017 gilt nichts anderes.
78

Damit steht dann unstreitig aber allein fest, dass die N. Ltd. die hier streitigen Zahlungen weisungsgemäß auf Anweisung des Klägers als Geschäftsführer der G. UK Ltd. in deren Namen erbracht hat und damit zunächst auch allein erkennbar auf deren Kosten. Dass die G. UK Ltd. wiederum, wie der Beklagtenvertreter in der mündlichen Berufungsverhandlung am 03.03.2020 behauptet hat, allein Zahlstelle der Beklagten gewesen wäre, wird weder irgendwie näher erläutert noch hierfür trotz streitiger Aktivlegitimation der Beklagten Beweis angetreten.
79

Damit ist jedoch selbst bei unterstellt ansonsten gegebenen Anspruchsvoraussetzungen weder ein Bereicherungsanspruch der Beklagten begründbar, da nicht erkennbar ist, inwiefern die hier streitigen Zahlungen durch deren Leistung und/oder auf deren Kosten erfolgt wären, noch ein Schadensersatzanspruch, da ein Schaden der Beklagten gleichfalls nicht begründet worden ist. Ob und in welchem Umfang aufgrund welcher Umstände nämlich durch die Zahlungen der G. UK Ltd. das Vermögen der Beklagten gemindert worden wäre, ist nicht ansatzweise nachvollziehbar dargelegt und unter Beweis gestellt worden.
80

3. Da der Zahlungsanspruch des Klägers auch nicht infolge der Aufrechnung der Beklagten erloschen ist, verbleibt es bei der erfolgreich mit der Berufung geltend gemachten Hauptforderung auf Zahlung von GBP 66.666,- brutto aus § 1 Ziffer 2 des Änderungsvertrages. Diese ist lediglich – und insoweit unterliegt die Berufung teilweise der Zurückweisung – nicht bereits seit 01.04.2018 zu verzinsen, sondern erst ab 26.09.2018. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB. Danach stehen dem Kläger Zinsen auf die Hauptforderung auch ohne Verzug der Beklagten ab Rechtshängigkeit zu, nicht jedoch vor Fälligkeit (§ 291 Satz 1 Halbsatz 2 BGB). Rechtshängigkeit der Klage bestand hier zwar bereits ab 23.08.2018, zu jenem Zeitpunkt war die Forderung aber noch nicht fällig. Denn Fälligkeit des Anspruchs auf die Gewinnbeteiligung trat nach § 1 Ziffer 2 Satz 1 des Änderungsvertrages erst nach der Feststellung des Jahresabschlusses der G. UK Ltd. ein. Diese erfolgte am 26.09.2018. Erst ab diesem Zeitpunkt können daher Zinsen nach §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB verlangt werden.
81

III.
82

Die nur hilfsweise erhobene Anschlussberufung der Beklagten ist nicht zur Entscheidung angefallen, da die Bedingung der Verwerfung oder Zurückweisung der Berufung nicht eingetreten ist. Mit der Bedingung hat die Beklagte erkennbar die Verwerfung oder Zurückweisung der Berufung mit dem verfolgten Hauptanspruch gemeint, denn nur dann und insoweit würde ihre Widerklage relevant. Die teilweise Zurückweisung der Berufung im Zinsausspruch löst den Bedingungseintritt mithin nicht aus.
83

Sähe man dies anders, wäre die mit der Anschlussberufung verfolgte Hilfswiderklage aus den zuvor zur hilfsweise erklärten Aufrechnung genannten Gründen aber ebenso unbegründet wie diese, denn es wird damit jeweils derselbe Anspruch verfolgt und wie aufgezeigt fehlt der Beklagten hierfür schon die Aktivlegitimation.
84

IV.
85

Ebenfalls mangels Bedingungseintritts nicht zur Entscheidung angefallen ist die hilfsweise Klageerweiterung des Klägers, so dass weder Ausführungen zu deren Zulässigkeit noch zu deren Begründetheit veranlasst sind.
86

V.
87

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 525, 91, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Danach hat die Beklagte die Kosten des gesamten Rechtsstreits zu tragen, denn in der Berufung ist sie bis auf einen Teil der Nebenforderung vollständig unterlegen und hinsichtlich der von dem Kläger in erster Instanz verfolgten Ansprüche liegt nunmehr lediglich noch eine im Verhältnis zu den übrigen und erfolgreich verfolgten Ansprüchen geringfügige Zuvielforderung vor, die keine höheren Kosten verursacht hat, da mit ihr insbesondere kein Gebührensprung ausgelöst worden ist.
88

VI.
89

Die Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 1 ArbGG. Ein Zulassungsgrund nach § 72 Abs. 2 ArbGG liegt nicht vor, insbesondere betrifft die Entscheidung weder entscheidungsrelevante Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne von § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG noch liegt eine Divergenz im Sinne von § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG vor.
90

RECHTSMITTELBELEHRUNG
91

Gegen dieses Urteil ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.
92

Wegen der Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde wird auf § 72a ArbGG verwiesen.
93

Klein Winter Weilbier
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Essen, 1 Ca 2004/18

Share
VonRA Moegelin

Pflicht des Werkunternehmers zur Vorleistung

Share

Ein Werkunternehmer ist nur soweit zur Vorleistung verpflichtet, wie es sich aus der Natur des jeweiligen Vertrags ergibt. Ist er mit der Herstellung eines übergabefähigen Werks beauftragt, so schuldet er dessen Übergabe im Zweifel nicht als Vorleistung, sondern nur Zug um Zug gegen Zahlung seiner Vergütung. Ist ein Werkunternehmer mit der Bestandsaufnahme oder der Begutachtung eines Bauvorhabens beauftragt, hat er seine Dokumentation bzw. sein Gutachten nur Zug um Zug gegen seine Vergütung dem Besteller zu übergeben. Ist der Unternehmer zu dieser Übergabe wegen eines Streits um seine Vergütung nicht bereit, kann sie der Besteller jedenfalls in begründeten Einzelfällen im Wege einer einstweiligen Verfügung erzwingen. (Leitsatz)

Volltext des Urteils des Kammergerichts Berlin vom 18.08.2020 – KG 21 U 1036/20:

Tenor

I.

Auf die Berufung der Verfügungsklägerin wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 23. April 2020 wie folgt abgeändert:

1.

Der Verfügungsbeklagte wird verpflichtet, den A4-Ordner xxx mit einer Fotodokumentation von je zwei bis vier unbeschrifteten Farbfotos auf 450 bis 500 Blatt (A 4) zum Bauvorhaben Hotel S., Aufstockung Halle 4, an die Verfügungsklägerin herauszugeben.

2.

Die Vollziehung dieser einstweiligen Verfügung ist davon abhängig, dass die Verfügungsklägerin zuvor eine Sicherheit von 30.000,00 € leistet.

II.

Der Verfügungsbeklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.

1

Die Verfügungsklägerin (im Folgenden: Klägerin) ist Eigentümerin eines verpachteten Hotels in Berlin. 2017 wollte sie ein dazu gehörendes Gebäude aufstocken lassen. Mit der Planung beauftragte sie die I. GmbH. Deren Geschäftsführer unterzeichnete im Namen der Klägerin einen Bauvertrag mit der M. GmbH (im Folgenden: M.) als Generalunternehmerin über die erforderlichen Bauleistungen. Die M. unterzeichnete den Vertrag nicht, erbrachte aber Leistungen und stellte Abschlagsrechnungen, die die Klägerin bezahlte. Im November 2018 gerieten die Klägerin und die M. in Streit über die Vergütung, die M. stellte die Bauarbeiten ein.

2

Im Juni 2019 beauftragte die Klägerin den Verfügungsbeklagten (im Folgenden: Beklagten) mit der Prüfung der Rechnungen der M., wobei der genaue Umfang dieses Auftrags zwischen den Parteien umstritten ist. Für seine Tätigkeit stellte der Beklagte der Klägerin am 20. August 2019 eine Rechnung über 10.734,78 € (einschließlich Umsatzsteuer), die die Klägerin bezahlte. Ein schriftliches Arbeitsergebnis hat die Klägerin bis heute nicht erhalten. Sodann entschied sich die Klägerin, die von der M. eingestellten Bauarbeiten durch ein anderes Unternehmen fortführen zu lassen. Um den von der M. erreichten Leistungsstand ggf. nachweisen zu können, beauftragte die Klägerin den Beklagten am 13. September 2019 mündlich mit der Dokumentation des Bauzustands und eventueller Mängel. Der Beklagte fertigte darauf eine Fotodokumentation an, die er in einem Aktenordner zusammenstellte. Diesen Ordner legte er dem Geschäftsführer der Klägerin bei einem Treffen im Januar 2020 vor. Da die Fotografien noch nicht beschriftet waren, sollte der Beklagte dies nachholen und dann den Ordner übergeben, was er in der Folgezeit allerdings nicht tat.

3

Ebenfalls noch im Januar 2020 erhob die M. Klage gegen die hiesige Klägerin auf Sicherheitsleistung für ihre umstrittene Vergütung aus dem Bauvorhaben in Höhe von rund 500.000,00 €. Mit Anwaltsschreiben vom 18. Februar 2020 forderte die Klägerin den Beklagten auf, ihr bis zum 24. Februar 2020 u.a. die Fotodokumentation über das Bauvorhaben zu übergeben, um sich gegen die Klage verteidigen zu können. Der Beklagte kam dem innerhalb der Frist nicht nach. Bei einem Gespräch mit dem Geschäftsführer der Klägerin am 3. März 2020 erklärte der Beklagte, den Ordner nur nach Ausgleich einer Rechnung über 25.401,93 € (einschließlich Umsatzsteuer) zu übergeben. Dazu war der Geschäftsführer der Klägerin nicht bereit, da ihm diese Vergütung überhöht erschien. Am 23. April 2020 erklärte der Geschäftsführer der Klägerin die Kündigung des Vertrags mit dem Beklagten.

4

Bereits am 10. März 2020 hat die Klägerin beim Landgericht Berlin eine einstweilige Verfügung auf Herausgabe der Fotodokumentation beantragt. Die Eilbedürftigkeit hat die Klägerin damit begründet, dass sie die Fotodokumentation dringend zur Verteidigung gegen die anhängige Klage der M. benötige. Mit Beschluss vom 11. März 2020 hat das Landgericht die einstweilige Verfügung erlassen, allerdings mit der Maßgabe, dass sie nur nach vorheriger Sicherheitsleistung in Höhe von 30.000,00 € vollzogen werden darf. Die Klägerin hat die Sicherheit erbracht, die einstweilige Verfügung aber noch nicht mit Erfolg vollstreckt. Auf den Widerspruch des Beklagten hat das Landgericht Berlin mit Urteil vom 23. April 2020 seine einstweilige Verfügung wieder aufgehoben und den Antrag der Klägerin zurückgewiesen. Diese Entscheidung hat es im Wesentlichen auf die Erwägung gestützt, die beantragte auf Herausgabe gerichtete einstweilige Verfügung nehme dem Beklagten in unzulässiger Weise sein Zurückbehaltungsrecht an der Fotodokumentation, das ihm als Druckmittel verbleiben müsse, um die Erfüllung seines Vergütungsanspruchs zu erzwingen.

5

Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit der Berufung, zu deren Begründung sie ihr bisheriges Vorbringen vertieft.

6

Sie beantragt,

7

das Urteil des Landgerichts dahin abzuändern, dass eine einstweilige Verfügung mit dem folgenden Inhalt erlassen wird:

1.

8

Der Beklagte hat den A4-Ordner xxx mit einer Fotodokumentation von je zwei bis vier unbeschrifteten Farbfotos auf 450 bis 500 Blatt (A 4) zum Bauvorhaben Hotel S., Aufstockung Halle 4, an die Verfügungsklägerin herauszugeben.

2.

9

Die Vollziehung der einstweiligen Verfügung ist davon abhängig, dass die Klägerin zuvor eine Sicherheit in Höhe von 30.000,00 € leistet.

10

Der Beklagte beantragt,

11

die Berufung zurückzuweisen.

II.

12

Die zulässige Berufung hat Erfolg. Das Landgericht hat den Antrag der Klägerin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zu Unrecht zurückgewiesen; tatsächlich hat die Klägerin Anspruch auf Erlass der begehrten Eilmaßnahme.

13

1. Verfügungsanspruch

14

Der Klägerin steht ein zu sichernder Anspruch auf Herausgabe der Fotodokumentation aus § 631 Abs. 1 BGB zu.

a)

15

Die Parteien haben am 13. September 2019 mündlich einen Werkvertrag geschlossen bzw. einen bestehenden Vertrag erweitert, wonach der Beklagte unter anderem den Leistungsstand dokumentieren sollte, den die M. bis zur Einstellung ihrer Leistungen erreicht hatte. Bei einem solchen Vertrag steht für die Klägerin erkennbar das Ziel im Vordergrund, dass der Beklagte die begehrte Dokumentation erstellt und ihr übermittelt, um dieses Ergebnis sodann für ihre Zwecke verwenden zu können. Damit ist der Beklagte nicht nur zur Entfaltung einer Tätigkeit verpflichtet, sondern dazu, dem Auftraggeber einen konkreten, gegenständlich fassbaren Erfolg zu verschaffen, nämlich (unter anderem) die besagte Fotodokumentation. Somit handelt es sich bei dem Vertrag zwischen den Parteien um einen Werkvertrag, auch wenn sich die Leistung des Beklagten nicht wie im Fall der Planung oder Überwachung eines Bauvorhabens in einem Gebäude verkörpern sollte (vgl. zu dem ähnlichen Fall eines Vertrages über ein Gutachten BGH, Urteil vom 10. November 1994, III ZR 50/94, BGHZ 127, 378; Urteil vom 26. Oktober 1978, VII ZR 249/77, BGHZ 72, 257; Sprau in: Palandt, BGB, 79. Auflage, 2020, vor § 631 BGB, Rn. 27).

b)

16

Spätestens bei Abschluss des Vertrags hat der Beklagte der Klägerin die beauftragte Dokumentation in geeigneter Form zu übergeben. Wenn die Klägerin wie vorliegend einen Ausdruck in Papier wünscht und die Parteien nichts Abweichendes vereinbart haben, dann schuldet er die Übergabe in dieser Form. Dass der Beklagte die beauftragte Dokumentation unstreitig noch nicht fertiggestellt hat (es fehlen zumindest noch Beschriftungen), ist unerheblich, da die Klägerin den Vertrag jedenfalls am 23. April 2020 „außerordentlich mit sofortiger Wirkung, hilfsweise ordentlich“ gekündigt hat. Nach der Kündigung des Vertrags ist der Unternehmer verpflichtet, auch ein noch nicht fertiggestelltes Werk in dem erreichten Zustand dem Besteller zu übergeben.

c)

17

Dieser zu sichernde Anspruch der Klägerin auf Herausgabe der Fotodokumentation besteht fort, insbesondere ist er nicht durch Erfüllung (§ 362 Abs. 1 BGB) erloschen.

18

Ob und inwieweit der Anspruch einredebehaftet ist, ist nicht für das Bestehen eines Verfügungsanspruchs, sondern nur für einen Verfügungsgrund von Relevanz (dazu sogleich unter Ziff. 2).

19

2. Verfügungsgrund

20

Es besteht auch ein Grund für den Erlass der von der Klägerin begehrten Eilmaßnahmen (Verfügungsgrund).

a)

21

Die Klägerin hat glaubhaft dargelegt, die vom Beklagten angefertigte Dokumentation zu benötigen, um sich gegen die Klage der M. verteidigen zu können. Wird ein Werkbesteller von einem gekündigten Bauunternehmer auf Vergütung in Anspruch genommen, dann kann eine Fotodokumentation des von diesem erreichten Leistungsstands für die Rechtsverteidigung des Bestellers von Bedeutung sein. Dies gilt auch, wenn die Klage wie im vorliegenden Fall auf eine Sicherheitsleistung nach § 648a a.F. BGB gerichtet ist, für deren Höhe es, anders als bei dem Anspruch eines Bauunternehmers auf eine Sicherungshypothek (§ 648 BGB a.F.) grundsätzlich nicht auf den vom Unternehmer erreichten Leistungsstand, sondern nur die vereinbarte Vergütung ankommt. Denn da der Bauvertrag zwischen der Klägerin und der M. gekündigt ist, senkt sich der Sicherungsanspruch der M. zumindest auf die große Kündigungsvergütung ab (BGH, Urteil vom 6. März 2014, VII ZR 349/12, BGHZ 200, 274; KG, Urteil vom 26. Juli 2019, 21 U 3/19), die um den Betrag der kündigungsbedingt ersparten Aufwendungen unter der vollen vereinbarten Vergütung liegt. Auch wenn der M. im Sicherungsprozess die schlüssige Erstdarlegung ihrer ersparten Aufwendungen obliegt, fällt der Beklagten die Darlegung zu, dass diese Aufwendungen höher sind als von der M. vorgetragen und die beanspruchte Kündigungsvergütung somit geringer als begehrt. Eine solche Darlegung kann grundsätzlich mit einer Fotodokumentation über den vom Unternehmer erreichten Leistungsstand belegt werden, zumal im Sicherungsprozess eine vollständige Beweisaufnahme zu unterbleiben hat und das Gericht die Höhe der Sicherheit im Streitfall gemäß § 287 Abs. 1 ZPO zu schätzen hat, wobei es sich im Wesentlichen auf das Parteivorbringen stützen muss (BGH, Urteil vom 6. März 2014, VII ZR 349/12, BGHZ 200, 274; KG, Urteil vom 26. Juli 2019, 21 U 3/19; Urteil vom 15. Juni 2018, 21 U 140/17). Alles Weitere hängt natürlich vom Einzelfall ab. Für den Verfügungsgrund der Klägerin genügt es indes, dass die Fotodokumentation für ihre Beweisführung im Parallelprozess jedenfalls abstrakt geeignet ist.

b)

22

Der Verfügungsgrund entfällt nicht deshalb, weil durch die von der Klägerin begehrte Herausgabeverfügung zu weitgehend in die Rechte des Beklagten eingegriffen würde. Zwar stellt der Erlass dieser Verfügung in der Tat einen solchen Eingriff dar, er ist aber dadurch gerechtfertigt, dass im vorliegenden Fall und unter Berücksichtigung der konkreten Ausgestaltung der gerichtlichen Entscheidung die Interessen der Klägerin vorrangig gegenüber denjenigen des Beklagten sind. Insbesondere steht dem Erlass der Verfügung nicht das angebliche Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache entgegen. Wenn die bei der Prüfung des Verfügungsgrunds anzustellende Interessenabwägung ergibt, dass die Interessen des Klägers vorrangig gegenüber denjenigen des Beklagten sind, folgt es aus dem verfassungsrechtlichen Gebot effektiven Rechtsschutzes, dass das Gericht die beantragte einstweilige Verfügung erlässt, während das gegenläufige Interesse der Beklagtenseite auf Beibehaltung des status quo zurückzutreten hat (KG, Urteil vom 20. August 2019, 21 W 17/19; Urteil vom 5. Dezember 2017, 21 U 109/17) Den Interessen des Beklagten hat das Gericht vielmehr bei der Ausgestaltung der Eilmaßnahme gemäß § 938 Abs. 1 ZPO Rechnung zu tragen.

aa)

23

Bei einem Verfügungsanspruch, dessen eilige Durchsetzung für den Kläger von objektiv nachvollziehbarer Bedeutung ist, kann bereits dann ein Verfügungsgrund gegeben sein, wenn auch unter den eingeschränkten Erkenntnismöglichkeiten des einstweiligen Rechtsschutzes erkennbar ist, dass dieser Anspruch einredefrei besteht. Denn dann mag die Vollziehung einer einstweiligen Verfügung zwar Fakten schaffen, es kann aber mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden, dass diese Fakten der Rechtslage widersprechen (KG, Urteil vom 20. August 2019, 21 W 17/19; Urteil vom 5. Dezember 2017, 21 U 109/17; Urteil vom 4. Oktober 2017, 21 U 79/17).

24

Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall allerdings nicht erfüllt. Denn gegenwärtig lässt es sich nicht mit hinreichender Sicherheit ausschließen, dass der Anspruch der Klägerin auf Herausgabe der Fotodokumentation einredefrei ist. Vielmehr ist es möglich, dass der Beklagte nur Zug um Zug gegen Zahlung einer noch offenen Vergütung aus dem Vertrag vom 13. September 2019 zur Übergabe der Fotodokumentation verpflichtet ist (§ 320 Abs. 1 BGB).

(1)

25

Der Beklagte ist insoweit nicht zur Vorleistung verpflichtet. Denn die Vorleistungspflicht eines Werkunternehmers besteht nicht uneingeschränkt, sondern reicht nur so weit, wie es sich aus der Natur des Vertrages ergibt. Danach ist der Unternehmer verpflichtet, das in Auftrag gegebene Werk herzustellen und dem Besteller zu übergeben (§ 631 Abs. 1 BGB), während sein Vergütungsanspruch erst „bei“ Abnahme des Werks fällig ist (§ 641 Abs. 1 BGB). Somit ist der Unternehmer mit der Herstellung des Werks vorleistungspflichtig, denn erst nachdem er sie abgeschlossen hat, ist der Besteller zur Abnahme und Zahlung der Vergütung verpflichtet. Der Anspruch des Unternehmers auf Abschlagszahlungen (§ 632a BGB) ändert diese Vorleistungspflicht nicht, sondern schwächt sie nur ab. Wenn das Werk als bewegliche Sache oder geistige Leistung auf einem digitalen Speichermedium oder als Ausdruck übergeben werden kann, schuldet der Unternehmer nach der Abnahme diese Übergabe aber nicht mehr als Vorleistung, sondern nur Zug um Zug gegen Zahlung der Vergütung. Dies bringt das Gesetz darin zum Ausdruck, dass die Vergütung nach § 641 Abs. 1 BGB „bei der Abnahme“ und nicht etwa „nach der Übergabe“ des Werks fällig ist (§ 641 Abs. 1 BGB) und folgt auch daraus, dass der Werkvertrag ein gegenseitiger Vertrag ist, bei dem im Zweifel keine Partei vorleistungspflichtig ist (§ 320 Abs. 1 BGB). Im Interesse einer ausgewogenen Rechtsposition beider Parteien ist somit im Zweifel von der Gleichrangigkeit der gegenseitigen Vertragspflichten auszugehen (vgl. Peters in: Staudinger, BGB, Bearbeitung 2019, § 641 BGB, Rn. 3 ff; a.A. insoweit OLG Hamm BauR 2000, 295 sowie Kniffka/Koeble/Jurgeleit/Sacher, Kompendium des Baurechts, 5. Auflage, 2020, Teil 11, Rn. 230 m.w.N.).

26

Anders verhält es sich in der Regel bei einem Bauvertrag, wenn die Werkleistung mit dem im Besitz des Bestellers befindlichen Grundstück verbunden ist, sodass es nach ihrer Abnahme keiner weiteren Übergabe an den Besteller bedarf, die der Unternehmer noch Zug um Zug gegen die Vergütung zurückbehalten könnte.

27

Wie bei einem beweglichen Werk verhält es sich wiederum bei einem Bauträgervertrag, bei dem der Bauträger nicht nur die bezugsfertige Herstellung der Wohneinheit, sondern auch deren Übergabe schuldet, die er nur Zug um Zug gegen Zahlung der Bezugsfertigkeitsrate zu bewirken hat (§ 3 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 MaBV, vgl. KG, Urteil vom 15. Mai 2018, 21 U 90/17).

(2)

28

Somit hat der Beklagte die Fotodokumentation der Klägerin auch nach der Kündigung des Vertrags nicht als Vorleistung, sondern nur Zug um Zug gegen Zahlung der noch offenen Vergütung zu übergeben (§ 320 Abs. 1 BGB, a.A. a.A. OLG Hamm BauR 2000, 295 sowie Kniffka/Koeble/Jurgeleit/Sacher, Kompendium des Baurechts, 5. Auflage, 2020, Teil 11, Rn. 230 m.w.N.).

29

Damit ist die Einredefreiheit des Verfügungsanspruchs im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht zweifelsfrei feststellbar. Denn der Beklagte beansprucht hierfür noch eine Vergütung von rund 25.000,00 €, während die Klägerin allenfalls zur Zahlung weiterer 3.000,00 € bereit ist. Zwar ist es durchaus möglich, dass der Beklagte keinen weiteren Vergütungsanspruch gegen die Klägerin hat. Es liegt nahe, den Auftrag über die Erstellung der Baudokumentation und den vorangegangenen über die Prüfung der Rechnungen der M. als ein einheitliches Vertragsverhältnis anzusehen, auf das die Klägerin bereits rund 10.000,00 € gezahlt hat, während sie bis zum heutigen Tag keine einzige Leistung des Beklagten in den Händen hält. Dabei erscheinen jedenfalls die bei der Akte befindlichen Rechnungen und Stundenzettel des Beklagten vage und undurchsichtig, sodass es ihm möglicherweise nicht gelingen wird, einen Vergütungsanspruch nachzuweisen, der die Zahlungen übersteigt, die er bislang erhalten hat. Ob dem wirklich so ist, ist aber zwischen den Parteien streitig und lässt sich im vorliegenden Verfahren nicht abschließend klären, dafür bedarf es eines Hauptsacheverfahrens.

30

Insoweit ist die Rechtslage hier anders als bei einer gegen einen Bauträger auf Herausgabe einer Wohneinheit gerichteten einstweiligen Verfügung. Die Wohneinheit ist zwar ebenfalls wie die Fotodokumentation nur Zug um Zug gegen Zahlung einer Vergütung zu übergeben, diese Vergütung haben die Parteien aber im Bauträgervertrag einvernehmlich beziffert. Somit kann die Einredefreiheit des Herausgabeanspruchs im einstweiligen Rechtsschutz festgestellt werden, wenn der Erwerber diese Vergütung (bis zur Bezugsfertigkeitsrate) vollständig geleistet hat und nur unzweifelhaft feststellbare Abzüge vorgenommen hat, etwa für eine Erfüllungssicherheit oder eine Vertragsstrafe, (KG, Urteil vom 20. August 2019, 21 W 17/19; Urteil vom 5. Dezember 2017, 21 U 109/17; Urteil vom 4. Oktober 2017, 21 U 79/17). Demgegenüber fehlt es im vorliegenden Fall an einer einvernehmlichen Bezifferung der Zug um Zug gegen Übergabe der Dokumentation zu leistenden Vergütung, sodass nicht ohne Weiteres überprüft werden kann, ob die Klägerin eine ausreichende Zahlung an den Beklagten geleistet hat, um seine Einrede nach § 320 Abs. 1 BGB auszuschließen.

bb)

31

Die Einrede des Beklagten gegenüber dem Verfügungsanspruch entfällt auch nicht aufgrund der Ausgestaltung der einstweiligen Verfügung durch den Senat. Dem wäre so, wenn sich das Recht des Beklagten, die Herausgabe der Fotodokumentation bis zur Bezahlung seiner der Höhe nach unklaren Vergütung zu verweigern, aus § 273 BGB ergäbe. Dann könnte die Klägerin dieses Zurückbehaltungsrechts durch eine Sicherheitsleistung ablösen, die für den vom Beklagten beanspruchten Betrag auskömmlich ist, vgl. § 273 Abs. 3 BGB. Dies beabsichtigt die Klägerin auch durch ihren Verfügungsantrag, der auf eine entsprechende Anordnung durch das Gericht abzielt. Die vom Beklagten geltend gemachte Einrede des nicht erfüllten Betrages aus § 320 Abs. 1 BGB kann aber nicht auf diese Weise abgelöst werden, da § 273 Abs. 3 BGB auf sie nicht anwendbar ist (vgl. § 320 Abs. 1 S. 3 BGB). Hintergrund dieser gesetzlichen Regelung ist, dass sich die Funktion des Zurückbehaltungsrechts aus § 273 BGB darin erschöpft, dem Schuldner eine Sicherheit für eines eigenen entgegengesetzten Anspruch zu verschaffen, während ihm die Einrede aus § 320 darüber hinaus auch ein Druckmittel für dessen Durchsetzung verschaffen soll (vgl. Grüneberg in: Palandt, BGB, 79. Auflage, 2020, § 320 BGB, Rn. 13 sowie § 273 BGB, Rn. 25).

cc)

32

Obgleich die Klägerin eine auf Herausgabe gerichtete einstweilige Verfügung begehrt und nicht bereits mit den eingeschränkten Erkenntnismitteln des einstweiligen Rechtsschutzes festgestellt werden kann, dass der Verfügungsanspruch einredefrei besteht, ist für ihr Anliegen dennoch ein Verfügungsgrund gegeben, weil jedenfalls im vorliegenden Einzelfall ihr Interesse an der Durchsetzung ihres Anspruchs bedeutsamer ist als das Interesse des Beklagten, diese Herausgabe weiter zu verweigern (in ähnlichen Fällen im Ergebnis ebenso OLG Karlsruhe, Beschluss vom 18. März 2019, 10 U 13/18; KG, Urteil vom 8. November 2005, 7 U 45/05; OLG Hamm BauR 2000, 295 sowie Kniffka/Koeble/Jurgeleit/Sacher, Kompendium des Baurechts, 5. Auflage, 2020, Teil 11, Rn. 230 m.w.N.). Die Klägerin hat glaubhaft dargelegt, dass es für sie wegen der gegen sie geführten Klage von Bedeutung ist, zeitnah über die Fotodokumentation zu verfügen, auf deren Herausgabe sie einen vertraglichen Anspruch hat. Zwar hat der Beklagte ebenso ein Interesse, die vertraglich vereinbarte Vergütung zu erhalten, dabei ist aber auch zu beachten, dass ihm die Klägerin für die Rechnungsprüfung bereits über 10.000,00 € gezahlt hat, ohne dass er ihr bislang Resultate seiner Arbeit übergeben hätte. Angesichts seiner nicht ohne Weiteres nachvollziehbaren Abrechnung, erscheint es dem Senat auch nicht als ausgeschlossen, dass ein sich noch anschließendes Hauptverfahren keine weitere Vergütung zu seinen Gunsten erbringen wird. Und wenn doch ein solcher Anspruch bestehen sollte, wäre der Beklagte hierfür durch die vom Senat angeordnete Sicherheit in Höhe von 30.000,00 € gesichert. Unter Berücksichtigung dieser Sicherheitsleistung wird die Klägerin einen Betrag von insgesamt 40.000,00 € an den Beklagten gezahlt bzw. hinterlegt haben, um eine Fotodokumentation für ihr Bauvorhaben im Umfang eines Aktenordners zu erhalten. Damit dürfte das Vergütungsinteresse des Beklagten hinreichend gewahrt sein. Tatsächlich erscheint dem Senat die von ihm angeordnete Sicherheitsleistung sogar für deutlich überhöht, eine Absenkung kommt aber nicht in Betracht, weil der Senat an den Berufungsantrag der Klägerin gebunden ist.

33

Soweit in der Rechtsprechung mitunter eine „Existenzgefährdung“ oder eine „existenzielle Notlage“ für eine auf Herausgabe gerichtete einstweilige Verfügung gefordert wird (vgl. z.B. OLG Bremen, Beschluss vom 2. Oktober 2019, 1 W 23/19: im Leitsatz wird das Wort „Existenzgefahr“ bzw. „existenzielle Notlage“ gleich dreimal wiederholt) hält der Senat das für überzogen. Die Funktion von effektivem Rechtsschutz ist es, sichere Lebensbedingungen für den Einzelnen und ein funktionierendes Wirtschaftssystem sicher zu stellen. Deshalb dürfen die staatlichen Gerichte nicht erst dann einstweiligen Rechtsschutz gewähren, wenn die Existenz einer Partei auf dem Spiel steht, auch unterhalb dieser Schwelle kann sie einen berechtigten Anspruch auf gerichtliche Hilfe haben, etwa im Fall nicht existenzbedrohenden, aber gleichwohl schikanösen Verhaltens der Gegenseite. Entscheidend ist primär, ob sich für einen Streit eine einstweilige Regelung finden lässt, die die Interessen beider Parteien – das Beschleunigungsinteresse der einen und das Beharrungsinteresse der anderen Seite – in sinnvoller Weise ausgleicht. Ob dies möglich ist, hängt vom Einzelfall ab, aber keineswegs davon, dass sich eine Seite in einer „existenziellen Notlage“ befindet. Im vorliegenden Fall ist ein solcher Ausgleich durch Erlass der einstweiligen Verfügung möglich und geboten.

3.

34

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

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