Monatsarchiv 25. Juli 2023

VonRA Moegelin

Zumutbare Nachforschungspflicht vor öffentlicher Zustellung

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Der Nachforschungspflicht vor öffentlicher Zustellung ist nachgekommen beim Nutzen bekannter Email-Adressen oder Telefonnummern, um nach der zustellungsfähigen Anschrift zu fragen. Es ist unzumutbar, den Kläger mit der Nachfragepflicht bei unbekannten ehemaligen Nachbarn des Beklagten zu belasten.

Volltext des Beschlusses des Landgerichts Neuruppin vom 09.07.2023 – 4 T 33/23:

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Amtsgerichts
Oranienburg vom 08.05.2023, Az. 21 C 64/23, aufgehoben.
2. Die Zustellung der Klageschrift vom 22.12.2022 ist durch öffentliche Bekanntmachung
(öffentliche Zustellung) zu bewirken.
3. Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

Die sofortige Beschwerde des Klägers vom 11.05.2023 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Oranienburg vom 08.05.2023, mit dem der Antrag des Klägers auf öffentliche Zustellung der Klageschrift vom 22.12.2022 abgelehnt worden ist, hat Erfolg.

Die Beschwerde ist zulässig, weil nach § 569 ZPO form- und fristgerecht eingelegt worden.

Sie ist auch begründet. Der Kläger hat die Voraussetzungen für eine öffentliche Zustellung nach § 185 Nr. 1 ZPO, gemessen an den Umständen des vorliegenden Einzelfalls, hinreichend dargelegt.

Die öffentliche Zustellung einer Klage gemäß § 185 Nr. 1 ZPO kommt erst dann in Betracht, wenn sowohl der Aufenthaltsort einer Person unbekannt als auch eine Zustellung an einen Vertreter oder Zustellungsbevollmächtigten nicht möglich ist. Dabei muss der Aufenthaltsort nicht nur dem Gegner und dem Gericht, sondern allgemein unbekannt sein (BGH, NJW 2002, 827). Da die öffentliche Zustellung einer Klageschrift unmittelbar das rechtliche Gehör und die Rechtsverfolgungs- und Rechtsverteidigungsmöglichkeiten der Partei berührt, gelten hier strenge
Anforderungen (BGH NJW 2012, 1645 Rn. 23 m.w.N., beck-online). Hintergrund ist, dass nach Art. 103 Abs. 1 GG dem Beklagten grundsätzlich Gelegenheit gegeben werden muss, sich zu dem der gerichtlichen Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt vor deren Erlass zu äußern
(BVerfG NJW 1988, 2361, beck-online).

Zutreffend verweist der Beschwerdeführer allerdings darauf, dass es Grenzen für die Nachforschungsobliegenheiten geben muss, weil anderenfalls eine öffentliche Zustellung niemals bewilligt werden könnte. Voraussetzung ist deshalb, dass eine Anschrift, unter der der
Zustellungsadressat zu erreichen ist, dem Gericht bzw. dem die Zustellung Veranlassenden weder bekannt noch mit zumutbaren Mitteln in Erfahrung zu bringen ist. Teilweise fordert die Rechtsprechung hierfür Recherchen „im gesamten bisherigen Lebenskreis“, wie sie eine
„verständige, an der wirtschaftlich sinnvollen Durchsetzung berechtigter Ansprüche interessierte Partei“ vornehmen würde, wenn es die öffentliche Zustellung nicht gäbe (vgl. OLG Frankfurt a. M. BeckRS 2006, 04805; OLG Celle MDR 2007, 170).

Zu pauschal ist jedenfalls die Aussage, dass in der Regel eine Anfrage bei dem letzten Einwohnermeldeamt und der Poststelle genüge, wenn diese ergebnislos verlaufen und Zustellungen zurückgelangen mit dem Vermerk „Empfänger unbekannt.“ Derartige Angaben können zwar für Zustellungen eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses an den Schuldner genügen. Dies ist jedoch damit zu begründen, dass die Anforderungen im Vollstreckungsverfahren weniger streng sind, wenn der Adressat infolge des vorangegangenen Verfahrens, das zu dem Titel geführt hat, mit einer Maßnahme gegen sich rechnen musste oder die Zustellung an ihn keine Voraussetzung für die Wirksamkeit der gerichtlichen Vollstreckungsmaßnahme ist (§ 829 Abs. 3 ZPO). Im Erkenntnisverfahren, vor allem bei Verfahrenseinleitung, sind die Anforderungen deshalb streng (BGH NJW-RR 2019, 294 Rn. 16; MüKoZPO/Häublein/Müller, 6. Aufl. 2020, ZPO § 185). Es ist erforderlich, dass der begünstigte Beteiligte alle der Sache nach geeigneten und ihm zumutbaren Nachforschungen anstellt, um den Aufenthalt des Zustellungsadressaten zu ermitteln, und deren Ergebnis gegenüber dem Gericht darlegt (BGH, NJW 2012, 3582).

Dies hat der Kläger getan. Er hat nicht nur eine ergebnislose Anfrage an das Einwohnermeldeamt gestellt und auf den postalischen Vermerk der Unzustellbarkeit wegen „unbekannt verzogen“ verwiesen. Er – der Kläger – hat darüber hinaus den gesamten mit dem Beklagten geführten
E-Mail-Kontakt zur Akte gereicht. Aus diesem geht hervor, dass noch von Februar bis Juli 2022 eine wechselseitige Korrespondenz zwischen den Parteien vorhanden war, die u.a. die Forderung der ausstehenden Rechtsanwaltsgebühren sowie die dahingehende Einräumung einer Ratenzahlung zum Gegenstand hatte und mit der Ankündigung des Klägers endete, dass er den Beklagten verklagen werde. Nach dem 04.07.2022 brach der Kontakt zunächst ab. Mit E-Mail vom 24.04.2023 forderte der Kläger den Beklagten sodann auf, bis zum 02.05.2023 seine derzeitige Adresse mitzuteilen, um eine öffentliche Zustellung der nunmehr eingereichten Klage zu vermeiden. Dabei war eine Unzustellbarkeitsmitteilung hinsichtlich einer der gesendeten E-Mails nicht zu verzeichnen. Eine Rückmeldung des Beklagten erfolgte nicht.

Dies reicht für die Anordnung der öffentlichen Zustellung im vorliegenden Einzelfall aus.

Der Kläger ist der ihm obliegenden weitergehende Nachforschungspflicht nachgekommen, denn das Nutzen bekannter Email-Adressen oder Telefonnummern, um nach der zustellungsfähigen Anschrift zu fragen, stellt eine zumutbare und deshalb erforderliche Nachforschungshandlung dar (vgl. BGH NJW-RR 2014, 377 Rn. 4; OLG Frankfurt a. M. NJW 2009, 2543 (2544); OLG Zweibrücken BeckRS 2017, 134717 Rn. 10; OLG Köln BeckRS 2011, 05618; BSG BeckRS 2012, 74812).

Darüber hinaus gehende Nachforschungen sind vom Kläger nicht zu verlangen. Die dazu grundsätzlich in Betracht kommenden persönlichen Nachfragen beim ehemaligen Arbeitgeber, bei dem letzten Vermieter oder bei Hausgenossen und Verwandten des Zustellungsadressaten
(vgl. OLG Bamberg, Beschluss vom 23.5.2017 – 2 WF 145/17, NJOZ 2018, 50 m.w.N., beck-online; MüKoZPO/Häublein/Müller, 6. Aufl. 2020, ZPO § 185 Rn. 9) sind im hier zu beurteilenden Einzelfall weder zielführend noch zumutbar. Ausweislich des Akteninhalts ist der ehemaligen Arbeitgeber des Beklagten wegen Insolvenz nicht mehr existent, jedenfalls ist das Arbeitsverhältnis zum Beklagten beendet. Anhaltspunkte,
die auf die Person des Vermieters, eines Mitbewohners, eines Verwandten oder auf das kontoführende Institut des Beklagten schließen lassen, sind ebenfalls nicht erkennbar. Dies gilt umso mehr angesichts des Umstands, dass es sich bei dem Namen des Beklagten „Christian
Schmidt“ um einen sehr häufig auftretenden, unauffälligen Namen handelt, was eine Nachforschung im hiesigen Fall deutlich erschwert. Dementsprechend stellt es sich im Ergebnis hier auch als unzumutbar dar, den Kläger mit der Nachfragepflicht bei unbekannten ehemaligen Nachbarn des Beklagten zu belasten.

Es genügt vielmehr, dass der Antragsteller über die ihm bekannte E-Mail-Adresse des Beklagten diesem am 04.07.2022 eine Klage ankündigte, woraufhin sich der Beklagte nochmals per E-Mail äußerte, und sodann am 24.04.2023 an dieselbe E-Mail-Adresse des Beklagten die Aufforderung sandte, zur Vermeidung der öffentlichen Zustellung die aktuelle Adresse mitzuteilen. Dennoch ließ der Beklagte die E-Mail unbeantwortet und zwar im Bewusstsein des für ihn bestehenden Risikos des drohenden endgültigen Rechtsverlusts im Falle einer rechtswirksamen öffentlichen Zustellung. Mehr ist dem Antragsteller nicht zumutbar. Weitere geeignete Maßnahmen zur Ermittlung des Aufenthaltes des Beklagten sind nach der Aktenlage nicht ersichtlich (vgl. OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 3. 12. 2008 – 19 U 120/08; OLG Zweibrücken Beschluss vom 08.12.2017 – 4 W 64/17, BeckRS 2017, 134717 Rn. 5-13, beck-online).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Der Bestimmung eines Beschwerdewertes
bedarf es nicht, weil eine Festgebühr bestimmt ist (KV 1812 Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG).

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VonRA Moegelin

Verwirkung des Anspruchs auf Zeugnisberichtigung

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Der Arbeitgeber hat kein schutzwürdiges Vertrauen auf den Bestand des erteilten Zeugnisses, wenn er den Arbeitnehmer böswillig mit „ungenügend“ beurteilt hat und der Arbeitnehmer das Zeugnis als „sittenwidrig“, „unterirdisch“ und von vorsätzlicher Schädigungsabsicht getragen beanstandet hat. Das gilt auch dann, wenn zwischen Beanstandung und Klageerhebung zwei Jahre liegen. (Leitsatz)

Volltext des Urteils des LAG Baden-Württemberg vom 31.5.2023 – 4 Sa 54/22:

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 12. Juli 2022 (18 Ca 5712/21) abgeändert.

1. Die Beklagte verurteilt, das dem Kläger unter dem Datum 29. Juni 2018 erteilte Arbeitszeugnis zu berichtigen und dem Kläger auf einem für Zeugnisse üblichen Briefbogen der Beklagten ohne Adressfeld unter dem Datum 31. März 2019 neu zu erteilen mit folgendem Inhalt:

Herr … , geboren am … , war vom … bis … in unserem Unternehmen tätig.

Die … ist eine Tochtergesellschaft der seit .. bestehenden … . Der weltweit tätige Konzern … produziert in Asien, Europa und in den USA … . Seit … vertreibt die … unter anderem kundenspezifische … .

Herr … war zunächst als Vertriebsingenieur im Außendienst bei uns tätig. Diese Aufgabe verrichtete er selbstständig, zielstrebig und sorgfältig. Er zeigte durchweg Einsatzbereitschaft und Eigeninitiative. Er arbeitete routiniert und effizient und erzielte gute Lösungen.

Im Zeitraum von … bis … konnten wir ihn dann aufgrund der gezeigten guten Leistungen als Mitarbeiter im Produktmarketing einsetzen. Herr … erfüllte seine Aufgaben im Produktmarketing stets zuverlässig und sehr gründlich. Aufgrund seiner Fachkenntnisse erzielte er stets gute Ergebnisse.

Seit … war Herr … dann als Produkt und Sales Engineer tätig. Zudem war er Produktsicherheitsbeauftragter für den Kunden … .

Im Einzelnen erstreckte sich das Aufgabengebiet von Herrn … als Produkt & Sales Engineer schwerpunktmäßig auf die folgenden Bereiche:

· Betreuung der Kunden in seinem Verantwortungsbereich

· Ausarbeiten von Angebotsvorschlägen in Abstimmung mit tangierten Abteilungen

· Führen von Preisverhandlungen bis zum vereinbarten Limit

· Interne und externe Koordination und Leitung von Projekten: Produktqualifizierung nach Markt- und Kundenanforderungen

· Angebotsverfolgung bis zur Auftragserteilung

· Erreichen der geplanten und vereinbarten Budgets

· Regelmäßiges Reporting an Management und Marketing

· Regelmäßiges Berichtswesen z.B. Monatsbericht, Markt-, Wettbewerbs- und Technikentwicklungen

· Erarbeitung von Kundenvereinbarungen (Skonto, Boni, Rabatte)

· Durchführung von zeitlich begrenzten Sonderaufgaben auf Weisung des Vorgesetzten

· Abhaltung von technischen Schulungen und Produktschulungen

· Technische Unterstützung der Vertriebsaußendienstmitarbeiter

· Umsetzung von Werbemaßnahmen, Durchführung von Messeauftritten

· Produktsicherheitsbeauftragter (PSB) für …

Herr … verfügt über umfassende Fachkenntnisse, die er auf dem Laufenden hielt, kontinuierlich ausbaute und mit Erfolg zum Nutzen unseres Unternehmens einzusetzen wusste. Die ihm vorgegebenen Ziel- und Budgetvorgaben hat Herr … stets eingehalten. Herr … zeigte ein hohes Maß an Initiative und Engagement. Er arbeitete selbstständig und kannte sich in allen Prozessen des Unternehmens gut aus. Bei seiner Arbeit ging Herr … planvoll, strukturiert und mit Organisationsgeschick vor. Seine Arbeitsergebnisse waren gut, sowohl in qualitativer als auch in quantitativer Hinsicht. Aufgrund seiner Analysefähigkeit gelangte er zu sicheren Urteilen und zu zutreffenden, praxisgerechten Lösungen. Auch in komplexen Situationen und unter Zeitdruck behielt Herr … den Überblick und agierte dabei souverän und ausgeglichen. Er war ein belastbarer und zuverlässiger Mitarbeiter. Die ihm übertragenen Aufgaben erledigte Herr … zu unserer vollen Zufriedenheit.

Sein persönliches Verhalten gegenüber Vorgesetzten, Kollegen sowie gegenüber unseren Geschäftspartnern und Kunden war einwandfrei.

Herr … scheidet zum 31. März 2019 auf seinen eigenen Wunsch aus unserem Unternehmen aus, um sich einer neuen beruflichen Aufgabe zu widmen.

…, den 31. März 2019

Unterschrift des Geschäftsführers oder des Personalleiters

2. Im Ãœbrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

III. Die Kosten des Rechtsstreits haben die Parteien je zur Hälfte zu tragen.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Berichtigung des Arbeitszeugnisses des Klägers.
2

Der Kläger war bei der Beklagten beschäftigt von … bis 31. März 2019. Der Kläger war zuerst tätig als Vertriebsingenieur/Sales Engineer, anschließend als Mitarbeiter im Bereich Produktmarketing und zuletzt seit … als Produkt & Sales Engineer. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund einer Eigenkündigung des Klägers. Dem gingen mehrere erfolglose Versuche der Beklagten voraus, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger durch Arbeitgeberkündigungen zu beenden (außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung vom 24. Oktober 2016, ArbG Stuttgart 6. April 2017 – 4 Ca 7111/16 -, LAG Baden-Württemberg 27. Oktober 2017 – 7 Sa 27/17 -; außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigungen vom 20. Juni 2018, 22. November 2018 und 19. Dezember 2018, ArbG Stuttgart 23. Mai 2019 – 21 Ca 3921/18 -, LAG Baden-Württemberg 2. Januar 2020 – 2 Sa 50/19 -).
3

Mit Schreiben vom 30. Juli 2019 übersandte die Beklagte dem Kläger ein auf den 29. Juli 2018 datiertes Zeugnis (Bl. 19 bis 20 der arbeitsgerichtlichen Akte). Der Kläger beanstandete dieses Zeugnis mit Rechtsanwaltsschreiben vom 28. August 2019 (Bl. 21 bis 22 der arbeitsgerichtlichen Akte) als „völlig inakzeptabel“. Er beanstandete einzelne Punkte in der Tätigkeitsbeschreibung. Er begehrte eine Leistungs- und Verhaltensbeurteilung mit „sehr gut bis gut“.
4

Mit Schreiben vom 17. September 2019 übersandte die Beklagte dem Kläger ein in der Tätigkeitsbeschreibung leicht korrigiertes Zeugnis (Bl. 24 bis 25 der arbeitsgerichtlichen Akte) mit folgendem Inhalt:

5

Herr … trat am … in die … im Bereich … als Vertriebsingenieur / Sales Engineer ein. Im Zeitraum von … bis … war er im Bereich Produktmarketing tätig. Seit dem … wurde er als Produkt & Sales Engineer beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endet zum 29. Juni 2018.

6

Die … ist eine Tochtergesellschaft der seit … bestehenden … . Der weltweit tätige Konzern … produziert in Asien, Europa und in den USA … . Seit … vertreibt die … unter anderem kundenspezifische … .

7

Im Einzelnen erstreckte sich das Aufgabengebiet von Herrn … als Produkt & Sales Engineer schwerpunktmäßig auf die folgenden Bereiche:

8

· Betreuung der Kunden in seinem Verantwortungsbereich

9

· Ausarbeiten von Angebotsvorschlägen in Abstimmung mit tangierten Abteilungen

10

· Führen von Preisverhandlungen bis zum vereinbarten Limit

11

· Interne und externe Koordination und Leitung von Projekten: Produktqualifizierung nach Markt- und Kundenanforderungen

12

· Angebotsverfolgung bis zur Auftragserteilung

13

· Erreichen der geplanten und vereinbarten Budgets

14

· Regelmäßiges Reporting an Management und Marketing

15

· Regelmäßiges Berichtswesen z.B. Monatsbericht, Markt-, Wettbewerbs- und Technikentwicklungen

16

· Erarbeitung von Kundenvereinbarungen (Skonto, Boni, Rabatte)

17

· Durchführung von zeitlich begrenzten Sonderaufgaben auf Weisung des Vorgesetzten

18

· Abhaltung von technischen Schulungen und Produktschulungen

19

· Technische Unterstützung der Vertriebsaußendienstmitarbeiter

20

· Umsetzung von Werbemaßnahmen, Durchführung von Messeauftritten

21

· Produktsicherheitsbeauftragter (PSB) für …

22

Während seiner Tätigkeit als Vertriebsingenieur im Außendienst von … bis … zeigte Herr … eine zufriedenstellende Einsatzbereitschaft und eine jederzeit hinreichende Eigeninitiative. Er arbeitete routiniert und effizient und erzielte gute Lösungen. Herr … arbeitete als Vertriebsingenieur selbständig, zielstrebig und sorgfältig.

23

Nach etwa zweijähriger Tätigkeit wechselte Herr … Im … In den Bereich Produktmarketing. Herr … erfüllte seine Aufgaben Im Produktmarketing stets zuverlässig und sehr gründlich, Er besitzt gründliche Kenntnisse, mit Hilfe derer er stets gute Ergebnisse erzielte. Sein Verhallen gegenüber Vorgesetzten, Kollegen und Mitarbeitern in dieser Zelt war stets höflich und korrekt.

24

Nachdem Herr … zum … auf die Position eines Produkt & Sales Engineers gewechselt hatte, stellte sich im September … heraus, dass er bereits drei Jahre zuvor, noch während seiner Tätigkeit im Produktmarketing, eine kundenspezifische und daher streng vertrauliche, zutiefst technische Zeichnung an einen direkten Konkurrenten übermittelt hatte. Nach diesseitiger Auffassung enthält diese Zeichnung unbedingt geheim zu haltende Informationen und Betriebsgeheimnisse und hätte unter keinen Umständen an jemand anderen als den in der Zeichnung benannten Kunden herausgegeben werden dürfen. Nachdem dieser Vorfall bekannt und aufgeklärt wurde, wurde Herr … noch im September … unverzüglich freigestellt. Seitdem wurde er lediglich Im Rahmen sogenannter Prozessbeschäftigungen weiterbeschäftigt.

25

Herr … erbrachte während seiner Tätigkeit als Produkt & Sales Engineer für unser Unternehmen eine insgesamt schwache Leistung. Zwar zeigte er Im Großen und Ganzen Interesse an seinen Aufgaben. Es war ihm indes nicht möglich, diese zu unserer Zufriedenheit zu erfüllen. Herr … war dem mit seinem Tätigkeitsbereich verbundenen Arbeitsumfang sowie den Herausforderungen der einzelnen Aufgaben nicht gewachsen. Insbesondere in Phasen erhöhten Arbeitsanfalls zeigte sich, dass Herr … nicht belastbar war.

26

Aufgrund seiner nur geringen Leistungsfähigkeit und seines Verhaltens Im Rahmen seiner zuletzt ausgeübten Tätigkeit konnte Herr … sich nicht in die Betriebsgemeinschaft einfügen. Sein Verhältnis zu Kollegen und Vorgesetzten war daher von Spannungen geprägt.

27

Die vormals gezeigten Leistungen von Herrn … wurden durch seinen leichtfertigen Umgang mit vertraulichen Informationen und seine diesbezüglich bis heute fehlende Einsichtsfähigkeit für unser Unternehmen vollständig entwertet.

28

Das Arbeitsverhältnis endet zum 29. Juni 2018.

29

…, den 29. Juni 2018

30

i.V. …

31

Leiter Personal …
32

Der Kläger ließ dieses Zeugnis über seinen Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 2. Oktober 2019 (Bl. 26 bis 27 der arbeitsgerichtlichen Akte) erneut beanstanden. In diesem Schreiben heißt es auszugsweise:

33

Das von Ihrer Mandantin erteilte Arbeitszeugnis ist weiter vollkommen „unterirdisch“ und entspricht ganz offensichtlich nicht den gesetzlichen Anforderungen. Ihre Mandantin schädigt damit unseren Mandanten vorsätzlich und sittenwidrig, weil sie in Kauf nimmt, dass unser Mandant durch die Erteilung eines rechtswidrigen Arbeitszeugnisses schwere Nachteile im beruflichen Fortkommen erleidet.

34

Unser Mandant wird die entsprechenden Schlussfolgerungen daraus ziehen und Ihre Mandantin für dieses massive Fehlverhalten verantwortlich machen.

35

Unserem Mandanten ist dadurch bereits ein jetzt finanzieller Schaden entstanden. Ihre Mandantin wird aufgefordert, die entsprechenden anwaltlichen Gebühren, die unserem Mandanten entstanden sind, im Wege des Schadensersatzes gemäß § 826 BGB auszugleichen.
36

Die Beklagte ließ den Vorwurf der sittenwidrigen Schädigungsabsicht mit Rechtsanwaltsschriftsatz vom 18. Oktober 2019 (Bl. 28 der arbeitsgerichtlichen Akte) zurückweisen. Sie lehnte die Leistung von Schadenersatz ab.
37

Am 14. Oktober 2021 erhob der Kläger die vorliegende Klage beim Arbeitsgericht.
38

Der Kläger meinte, dass erteilte Zeugnis sei „unterirdisch“ und nicht erfüllungsgeeignet, weshalb die Beklagte zu Korrekturen verpflichtet sei wie beantragt. Das Zeugnis sei von Böswilligkeit und Schädigungsabsicht geprägt. Der Kläger habe gearbeitet wie in der Antragstellung dargestellt.
39

Explizit beanstandete der Kläger, dass das genannte Beendigungsdatum 29. Juni 2018 falsch sei und noch von einem vorangegangenen Kündigungsschutzprozess geprägt sei. Es sei das richtige Beendigungsdatum 31. März 2019 aufzunehmen.
40

Unabhängig davon, dass er keine technischen Zeichnungen verbotenerweise an Dritte übermittelt habe, er von diesem Vorwurf durch die Urteile in den Kündigungsschutzverfahren rehabilitiert wurde, hätte die Aufnahme solcher Vorwürfe in einem Zeugnis auch nichts zu suchen und sei deshalb zu entfernen.
41

Der Kläger beantragte:

42

Die Beklagte wird verurteilt, ihm auf dem bei ihr für Arbeitszeugnisse üblichen Briefkopf ein wohlwollendes, berufsförderndes und qualifiziertes Arbeitszeugnis mit folgendem Text zu erteilen:

43

„Zeugnis

44

Herr … , geboren am … , war vom …. bis 31. März 2019 in unserem Unternehmen tätig. Herr … war bei uns zunächst mit großem Erfolg als Vertriebsingenieur im Außendienst bei uns tätig, im Zeitraum von … bis … konnten wir ihn dann aufgrund der gezeigten sehr guten Leistungen als Mitarbeiter im Produkt Marketing einsetzen. Seit … war Herr … dann als Produkt und Sales Engineer mit eigener Projektverantwortung tätig. Zudem war er Produktsicherheitsbeauftragter für den Kunden ….

45

Die … ist eine Tochtergesellschaft der seit … bestehenden … . Der weltweit tätige Konzern … produziert in Asien, Europa und in den USA … . Seit … vertreibt die … zudem … nach kundenspezifischen Anforderungen.

46

Die wesentlichen Aufgaben und Verantwortlichkeiten von Herrn … als

47

Produkt & Sales Engineer waren:

48

· interne und externe Koordination und Leitung von Projekten, einschließlich der Produktqualifizierung nach Markt- und Kundenanforderungen

49

· umfassende Betreuung der Kunden

50

· Ausarbeiten von Angebotsvorschlägen

51

· Führen von Preisverhandlungen

52

· Angebotsverfolgung bis zur Auftragserteilung

53

· Erreichen der geplanten und vereinbarten Budgets

54

· regelmäßiges Reporting an Management und Marketing

55

· regelmäßiges Berichtswesen, z.B. Erstellen von Monatsberichten, Erstellen von Berichten über Markt-, Wettbewerbs- und Technikentwicklungen

56

· Erarbeitung von Kundenvereinbarungen (Skonti, Boni, Rabatte)

57

· Durchführung von Sonderaufgaben wie Produktsicherheitsbeauftragter für …

58

· Abhaltung von technischen Schulungen und Produktschulungen

59

· technische Unterstützung der Vertriebsaußendienstmitarbeiter

60

· Umsetzung von Werbemaßnahmen, Durchführung von Messeauftritten

61

Herr … verfügt über ausgezeichnete und umfassende Fachkenntnisse, die er stets auf dem Laufenden hielt, kontinuierlich weiter ausbaute und immer mit großem Erfolg zum Nutzen unseres Unternehmens einzusetzen wusste. Die ihm vorgegebenen Ziel- und Budgetvorgaben hat Herr … stets eingehalten und regelmäßig sogar übererfüllt. Herr … zeigte stets ein hohes Maß an Initiative und Engagement. Er arbeitete stets sehr selbstständig und kannte sich in allen Prozessen des Unternehmens gut aus. Bei seiner Arbeit ging Herr … immer äußerst planvoll, strukturiert und mit hohem Organisationsgeschick vor. Seine Arbeitsergebnisse waren immer gut, sowohl in qualitativer als auch in quantitativer Hinsicht. Aufgrund seiner Analysefähigkeit gelangte er immer zu sicheren Urteilen und zu zutreffenden, praxisgerechten Lösungen. Auch in komplexen Situationen und unter Zeitdruck behielt Herr … immer den Überblick und agierte dabei stets souverän und ausgeglichen. Herr … war stets bereit, neue Aufgaben und Verantwortung zu übernehmen, auch über die übliche Arbeitszeit hinaus. Er war ein immer belastbarer und zuverlässiger Mitarbeiter.

62

Die ihm übertragenen Aufgaben erledigte Herr … stets zu unserer vollen Zufriedenheit.

63

Sein persönliches Verhalten gegenüber Vorgesetzten, Kollegen sowie gegenüber unseren Geschäftspartnern und Kunden war stets einwandfrei. Herr … war aufgrund seines immer kollegialen und zuvorkommenden Auftretens und seiner tadellosen Umgangsformen bei allen Gesprächspartnern, gleich ob intern oder extern, sehr geschätzt.

64

Herr … scheidet zum 31. März 2019 auf seinen eigenen Wunsch aus unserem Unternehmen aus, um sich einer neuen beruflichen Aufgabe zu widmen. Wir bedauern seinen Entschluss, danken ihm für die langjährige, immer konstruktive und sehr gute Zusammenarbeit und wünschen ihm für seine berufliche wie private Zukunft weiterhin alles Gute und viel Erfolg.

65

…, den 31. März 2019

66

…

67

Leiter Personal …“
68

Die Beklagte beantragt,

69

die Klage abzuweisen.
70

Die Beklagte beanstandete, es sei der Klage schon nicht zu entnehmen, was an dem angegriffenen Zeugnis falsch sein soll, zumal die Tätigkeitsbeschreibung auf Rüge des Klägers teilweise abgeändert worden sei. Der Kläger käme seiner Darlegungs- und Beweislast nicht nach.
71

Im Übrigen berief sich die Beklagte auf Verwirkung, weil der Kläger nach seiner letzten Beanstandung vom 2. Oktober 2019 zwei Jahre untätig geblieben sei.
72

Das Arbeitsgericht wies die Klage mit Urteil vom 12. Juli 2022 ab. Es schloss sich der Argumentation der Beklagten an und hielt den Anspruch des Klägers auf Berichtigung des Zeugnisses für verwirkt.
73

Dieses Urteil wurde dem Kläger am 23. August 2022 zugestellt. Hiergegen richtet sich die vorliegende Berufung des Klägers, die am 19. September 2022 beim Landesarbeitsgericht einging und innerhalb der bis 23. November 2022 verlängerten Begründungsfrist am 23. November 2022 begründet wurde.
74

Der Kläger rügt im Wesentlichen eine Verletzung materiellen Rechts.
75

Er meint, die Annahme des Arbeitsgerichts, dass der Berichtigungsanspruch verwirkt sei, sei rechtsfehlerhaft. Es fehle jedenfalls an einem Umstandsmoment. Angesichts der deutlichen klägerischen Beanstandungen und des „unterirdischen“ und schlicht auf Provokation angelegten Inhalts des Zeugnisses habe die Beklagte nicht davon ausgehen können, dass er den Anspruch auf Erteilung eines zutreffenden Zeugnisses nicht mehr verfolgen werde.
76

Der Kläger beantragt:

77

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 12. Juli 2022 – 18 Ca 5712/21 – wie folgt abgeändert:

78

Die Beklagte wird verurteilt, ihm auf dem bei ihr für Arbeitszeugnisse üblichen Briefkopf ein wohlwollendes, berufsförderndes und qualifiziertes Arbeitszeugnis mit folgendem Text zu erteilen:

79

„Zeugnis

80

Herr …, geboren am … , war vom … bis 31. März 2019 in unserem Unternehmen tätig. Herr … war bei uns zunächst mit großem Erfolg als Vertriebsingenieur im Außendienst bei uns tätig, im Zeitraum von … bis … konnten wir ihn dann aufgrund der gezeigten sehr guten Leistungen als Mitarbeiter im Produkt Marketing einsetzen. Seit … war Herr … dann als Produkt und Sales Engineer mit eigener Projektverantwortung tätig. Zudem war er Produktsicherheitsbeauftragter für den Kunden ….

81

Die … ist eine Tochtergesellschaft der seit … bestehenden … . Der weltweit tätige Konzern … produziert in Asien, Europa und in den USA … . Seit … vertreibt die … zudem … nach kundenspezifischen Anforderungen.

82

Die wesentlichen Aufgaben und Verantwortlichkeiten von Herrn … als

83

Produkt & Sales Engineer waren:

84

· interne und externe Koordination und Leitung von Projekten, einschließlich der Produktqualifizierung nach Markt- und Kundenanforderungen

85

· umfassende Betreuung der Kunden

86

· Ausarbeiten von Angebotsvorschlägen

87

· Führen von Preisverhandlungen

88

· Angebotsverfolgung bis zur Auftragserteilung

89

· Erreichen der geplanten und vereinbarten Budgets

90

· regelmäßiges Reporting an Management und Marketing

91

· regelmäßiges Berichtswesen, z.B. Erstellen von Monatsberichten, Erstellen von Berichten über Markt-, Wettbewerbs- und Technikentwicklungen

92

· Erarbeitung von Kundenvereinbarungen (Skonti, Boni, Rabatte)

93

· Durchführung von Sonderaufgaben wie Produktsicherheitsbeauftragter für …

94

· Abhaltung von technischen Schulungen und Produktschulungen

95

· technische Unterstützung der Vertriebsaußendienstmitarbeiter

96

· Umsetzung von Werbemaßnahmen, Durchführung von Messeauftritten

97

Herr … verfügt über ausgezeichnete und umfassende Fachkenntnisse, die er stets auf dem Laufenden hielt, kontinuierlich weiter ausbaute und immer mit großem Erfolg zum Nutzen unseres Unternehmens einzusetzen wusste. Die ihm vorgegebenen Ziel- und Budgetvorgaben hat Herr … stets eingehalten und regelmäßig sogar übererfüllt. Herr … zeigte stets ein hohes Maß an Initiative und Engagement. Er arbeitete stets sehr selbstständig und kannte sich in allen Prozessen des Unternehmens gut aus. Bei seiner Arbeit ging Herr … immer äußerst planvoll, strukturiert und mit hohem Organisationsgeschick vor. Seine Arbeitsergebnisse waren immer gut, sowohl in qualitativer als auch in quantitativer Hinsicht. Aufgrund seiner Analysefähigkeit gelangte er immer zu sicheren Urteilen und zu zutreffenden, praxisgerechten Lösungen. Auch in komplexen Situationen und unter Zeitdruck behielt Herr … immer den Überblick und agierte dabei stets souverän und ausgeglichen. Herr … war stets bereit, neue Aufgaben und Verantwortung zu übernehmen, auch über die übliche Arbeitszeit hinaus. Er war ein immer belastbarer und zuverlässiger Mitarbeiter.

98

Die ihm übertragenen Aufgaben erledigte Herr … stets zu unserer vollen Zufriedenheit.

99

Sein persönliches Verhalten gegenüber Vorgesetzten, Kollegen sowie gegenüber unseren Geschäftspartnern und Kunden war stets einwandfrei. Herr … war aufgrund seines immer kollegialen und zuvorkommenden Auftretens und seiner tadellosen Umgangsformen bei allen Gesprächspartnern, gleich ob intern oder extern, sehr geschätzt.

100

Herr … scheidet zum 31. März 2019 auf seinen eigenen Wunsch aus unserem Unternehmen aus, um sich einer neuen beruflichen Aufgabe zu widmen. Wir bedauern seinen Entschluss, danken ihm für die langjährige, immer konstruktive und sehr gute Zusammenarbeit und wünschen ihm für seine berufliche wie private Zukunft weiterhin alles Gute und viel Erfolg.

101

…, den 31. März 2019

102

…

103

Leiter Personal …“
104

Die Beklagte beantragt,

105

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
106

Die Beklagte verteidigt im Wesentlichen das arbeitsgerichtliche Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.
107

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird gemäß § 64 Abs. 6 ArbGG iVm. § 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schrift-sätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.

Entscheidungsgründe

108

Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und begründete und auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers ist im Umfang der Tenorierung zumindest teilweise begründet, im Übrigen unbegründet.

I.

109

Dem Kläger steht ein Anspruch zu auf Erteilung eines inhaltlich zutreffenden Zeugnisses aus § 109 Abs. 1 und 2 GewO. Dieser Anspruch ist entgegen der Auffassung der Beklagten und des Arbeitsgerichts nicht verwirkt. Inhaltlich kann der Kläger jedoch nur ein „durchschnittliches“ Zeugnis beanspruchen. Soweit er darüber hinaus vor allem eine „sehr gute bis gute“ Leistungs- und Verhaltensbeurteilung begehrt, war die Klage abzuweisen.
110

1. Beanstandet ein Arbeitnehmer, dass das ihm erteilte Zeugnis den Anforderungen des § 109 Abs. 1 GewO nicht entspricht, kann er dessen Berichtigung oder Ergänzung beanspruchen. Mit einer Klage auf Berichtigung oder Ergänzung eines erteilten Arbeitszeugnisses macht der Arbeitnehmer weiterhin die Erfüllung seines Zeugnisanspruchs geltend und keinen dem Gesetz fremden Berichtigungs- oder Ergänzungsanspruch (BAG 27. April 2021 – 9 AZR 262/20 -).
111

2. Dieser Anspruch des Klägers ist nicht verwirkt.
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a) Die Verwirkung ist ein Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung. Sie setzt voraus, dass der Berechtigte ein Recht längere Zeit nicht geltend macht, obwohl er dazu in der Lage war (Zeitmoment) und der Verpflichtete sich mit Rücksicht auf das gesamte Verhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte und sich darauf eingerichtet hat, dieser werde sein Recht auch künftig nicht mehr geltend machen (Umstandsmoment). Der Berechtigte muss dabei unter Umständen untätig gewesen sein, die den Eindruck erwecken konnten, dass er sein Recht nicht mehr geltend machen wolle, so dass der Verpflichtete sich darauf einstellen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden. Die Inanspruchnahme von Vertrauen setzt die Kenntnis des Schuldners von einem möglichen Anspruch gegen ihn voraus. Fehlt es hieran, kann der Schuldner auf das Ausbleiben einer entsprechenden Forderung allenfalls allgemein, nicht aber konkret hinsichtlich eines bestimmten Anspruchs vertrauen. Den Schutz vor unbekannten Forderungen hat das Verjährungsrecht zu gewährleisten, nicht aber Treu und Glauben (BAG 17. August 2021 – 1 AZR 175/20 -).
113

b) Die Voraussetzungen der Verwirkung liegen nicht vor.
114

aa) Es kann zwar vom Vorliegen eines Zeitmoments ausgegangen werden, das geeignet wäre, eine Verwirkung zu begründen.
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(1) Bei der Festlegung des Zeitmoments ist zu berücksichtigen, dass ein Zeugnis, wenn es seine Funktion im Arbeitsleben erfüllen soll, alsbald nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses verlangt und erteilt werden muss (LAG Hamm 3. Juli 2002 – 3 Sa 248/02 -).
116

Deshalb wird das Zeitmoment in der Rechtsprechungspraxis schon nach relativ kurzer Zeit als erfüllt betrachtet, z.B. bereits nach fünf Monaten (BAG 17. Oktober 1972 – 1 AZR 86/72 -; Hessisches LAG 31. März 1999 – 2 Sa 570/96 -), elf Monaten (LAG Düsseldorf 11. November 1994 – 17 Sa 1158/94 -) zwölf Monaten (LAG Köln 8. Februar 2000 – 13 Sa 1050/99 -) oder 15 Monaten (LAG Hamm 3. Juli 2002 – 3 Sa 248/02 -).
117

(2) Vorliegend sind seit der letzten Beanstandung des Zeugnisses durch den Kläger mit Schreiben vom 2. Oktober 2019 und der Antwort der Beklagten vom 18. Oktober 2019 bis zur Klageerhebung immerhin zwei Jahre vergangen. Das Zeitmoment ist gegeben.
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bb) Es fehlt jedoch am gebotenen Umstandsmoment. Die Beklagte konnte nicht darauf vertrauen, dass der Kläger seinen Anspruch auf eine Zeugnisberichtigung fallengelassen hätte.
119

(1) Es ist nicht so, dass der Kläger das beanstandete Zeugnis hingenommen hätte und kommentarlos zwei Jahre zugewartet hätte, bis er dann die Beklagte mit einer Klage überraschte, wie die Beklagte glauben machen möchte. Vielmehr hat der Kläger zeitnah nach der Erteilung des Zeugnisses dieses mit harschen Worten zurückgewiesen. Schon in seinem ersten Schreiben beanstandete der Kläger, dass das Zeugnis „völlig inakzeptabel“ sei. Er verlangte von der Beklagten, wieder „zu einer sachlichen Auseinandersetzung zurückzukehren“ und dem Kläger ein wohlwollendes Zeugnis zu erteilen. Der Ton der Beanstandung wurde mit Schreiben vom 2. Oktober 2019 verschärft. Der Kläger machte der Beklagten deutlich, dass er das erteilte Zeugnis weiterhin für „vollkommen unterirdisch“ halte, das „ganz offensichtlich nicht den gesetzlichen Anforderungen“ entspreche. Der Kläger warf der Beklagten vor, ihn mit dem Zeugnis „vorsätzlich und sittenwidrig“ schädigen zu wollen. Angesichts des drastischen Vorwurfs der sittenwidrigen Schädigung wird die Beklagte schwerlich ein Vertrauen aufgebaut haben können, dass der Kläger von einer Weiterverfolgung seiner Ansprüche Abstand nehmen werde, ungeachtet dessen, dass die Beklagte den Vorwurf einer sittenwidrigen Schädigungsabsicht mit Schreiben vom 18. Oktober 2019 von sich wies.
120

(2) Erschwerend kommt hinzu, dass der Vorwurf der Schädigungsabsicht auch sehr naheliegt. Schon die 3. Kammer des Landesarbeitsgerichts erkannte mit Urteil vom 2. Januar 2020 (3 Sa 50/19) im Kündigungsschutzprozess eine „seltene Hartnäckigkeit und Bösartigkeit“, mit der die Beklagte versuchte, ein „kündigungsrelevantes Fehlverhalten des Klägers zu konstruieren“. Dies setzt sich vorliegend fort. Das erteilte Zeugnis dürfte allenfalls der Schulnote „ungenügend“ entsprechen. Die Beklagte hat es erkennbar darauf angelegt, dem Zeugnis die Tauglichkeit zu entziehen, dem Kläger als Grundlage für künftige Bewerbungen zu dienen. Das weiß die Beklagte auch. Die Beklagte unterzog sich deshalb auch weder schriftsätzlich, noch im Berufungstermin der Mühe, das Zeugnis inhaltlich zu verteidigen. Die Beklagte mag von der Hoffnung getragen gewesen sein, wegen dieses Zeugnisses nicht mehr weiter in Anspruch genommen zu werden, nicht aber von einem schutzwürdigen Vertrauen.
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(3) Das Vertrauen der Beklagten wird auch nicht deshalb schutzwürdig, weil der Kläger mit Schreiben vom 2. Oktober 2019 bereits auf eine Berichtigung des Zeugnisses verzichtet hätte und sich nur noch auf einen Schadensersatzanspruch beschränkt hätte. Die Interpretation dieses Schreibens durch die Beklagte ist unzutreffend. Das Schreiben vom 2. Oktober 2019 knüpft an das vorangegangene Schreiben vom 28. August 2019 an, mit welchem die Berichtigung auch im Hinblick auf die Leistungs- und Verhaltensbeurteilung begehrt wurde. Wenn der Kläger dann ausführen lässt, dass das berichtigte Zeugnis „weiter“ „vollkommen unterirdisch“ sei, ergibt sich zwangsläufig, dass das geänderte Zeugnis weiterhin nicht für erfüllungsgeeignet gehalten wird, somit an dem Berichtigungsbegehren festgehalten wird. Nur weil der Kläger zugleich die Gebühren für die Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe als Schadenersatz geltend machte, kann nicht angenommen werden, dass der Kläger von seinem eigentlichen Begehren Abstand genommen hätte und nunmehr nur noch „dulden und liquidieren“ wollte.
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(4) Die Tatsache, dass der Kläger das Arbeitsverhältnis letztlich selbst beendet hat, weil er auch ohne ein Zeugnis der Beklagten eine Anschlussbeschäftigung gefunden hatte, ist nicht geeignet, bei der Beklagten einen Vertrauenstatbestand zu begründen, dass sich der Kläger dauerhaft damit abgefunden hat, von der Beklagten kein angemessenes Zeugnis mehr zu erhalten. Der Kläger weist zutreffend darauf hin, dass das Zeugnis, zumal nach einer 14-jährigen Berufstätigkeit bei der Beklagten, nicht nur den Zweck hat, erstmalig nach dem Ausscheiden bei der Beklagten eine Anschlussbeschäftigung zu finden. Vielmehr dient das Zeugnis auch als Bewerbungsgrundlage für alle weiteren künftigen Bewerbungen und ist für die Dokumentation der Berufsbiografie des Kläger unerlässlich.
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cc) Dieses Ergebnis steht auch nicht in Widerspruch zu den von der Beklagten herangezogenen Rechtsprechungsbeispielen. Die vorliegende Fallgestaltung ist schlicht anders gelagert und nicht vergleichbar.
124

(1) In der Entscheidung des BAG vom 17. Oktober 1972 (1 AZR 86/72) ging es primär um eine Zahlungsklage des Arbeitgebers aus einem Darlehensvertrag. In diesem Rechtsstreit erhob der Arbeitnehmer eine Widerklage auf Schadenersatz wegen eines nicht ordnungsgemäß ausgestellten Zeugnisses, welche er mit einer Widerklage auf Zeugnisberichtigung verband. Nur wegen dieser Verknüpfung zwischen Schadenersatz- und Berichtigungsklage erkannte das BAG, dass der Berichtigungsanspruch früher hätte geltend gemacht werden müssen, wenn der Arbeitnehmer beabsichtigt, wegen einer Fehlerhaftigkeit des Zeugnisses den Arbeitgeber auf Schadenersatz in Anspruch zu nehmen. Man soll also nicht den Arbeitgeber mit einer Schadensersatzklage „überraschen“ können, wenn man vorher das erteilte Zeugnis nicht moniert hat. Das ist mit dem vorliegenden Rechtsstreit nicht vergleichbar.
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(2) Das LAG Düsseldorf (11. November 1994 – 17 Sa 1158/94 -) sah in einem elfmonatigen Zuwarten lediglich das Zeitmoment als erfüllt an. Das Umstandsmoment entnahm es daraus, dass der dortige Arbeitnehmer eine sprachlich unmögliche Beurteilung verlangte. Das in dieser Entscheidung herangezogene Umstandsmoment ist mit etwaigen Umstandsmomenten des vorliegenden Falles nicht vergleichbar.
126

(3) Das Hessische LAG hat in seiner Entscheidung vom 31. März 1999 (2 Sa 570/96) das Umstandsmoment daraus entnommen, dass der Arbeitnehmer, obwohl ihm auf seine Beanstandung ein geändertes Zeugnis mit überdurchschnittlicher Beurteilung zugeleitet wurde, über fünf Monate zugewartet hat. Vorliegend wurde dem Kläger aber zu keinem Zeitpunkt ein überdurchschnittliches Zeugnis erteilt, sondern nur ein ungenügendes.
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(4) In dem Fall, der der Entscheidung des LAG Hamm vom 3. Juli 2002 (3 Sa 248/02) zugrunde lag, hat der Arbeitnehmer erstmalig nach 15 Monaten das ihm erteilte unterdurchschnittliche Zeugnis beanstandet. Dies unterscheidet sich vom vorliegenden Fall insoweit, als der Kläger zeitnah nach der Erteilung das Zeugnis zweimal beanstandete.
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(5) Der Fall des LAG Köln vom 8. Februar 2000 (13 Sa 1050/99) hat zwar leichte Parallelen zum vorliegenden Fall, weil auch dort der Arbeitnehmer nach einer Beanstandung des Zeugnisses für zwölf Monate untätig geblieben ist. Der Unterschied liegt aber darin, dass im Fall des LAG Köln der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber eine Frist gesetzt hat mit Androhung einer Klage. Im vorliegenden Rechtsstreit setzte der Kläger dagegen kein Zeitfenster, in welchem er gegen die Beklagte vorzugehen beabsichtigte.
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3. Der Inhalt des erteilten Zeugnisses ist zu berichtigen.
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a) Es ist dabei von folgenden Grundsätzen auszugehen:
131

aa) Der Arbeitnehmer hat bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses Anspruch nach § 109 Abs. 1 Satz 1 GewO auf ein schriftliches Zeugnis, das nach § 109 Abs. 1 Satz 2 GewO Angaben zu Art und Dauer der Tätigkeit (einfaches Zeugnis) enthalten muss. Der Arbeitnehmer kann gemäß § 109 Abs. 1 Satz 3 GewO verlangen, dass sich die Angaben darüber hinaus auf Leistung und Verhalten im Arbeitsverhältnis (qualifiziertes Zeugnis) erstrecken. § 109 Abs. 2 GewO sieht vor, dass das Zeugnis klar und verständlich formuliert sein muss und keine Merkmale oder Formulierungen enthalten darf, die den Zweck haben, eine andere als aus der äußeren Form oder dem Wortlaut ersichtliche Aussage über den Arbeitnehmer zu treffen. Sowohl der gesetzlich geschuldete Inhalt des Zeugnisses als auch dessen äußere Form richten sich nach den mit ihm verfolgten Zwecken. Ein qualifiziertes Zeugnis enthält gemäß § 109 Abs. 1 Satz 3 GewO Angaben über Leistung und Verhalten des Arbeitnehmers. Es dient dem Arbeitnehmer regelmäßig als Bewerbungsunterlage und dadurch Dritten, insbesondere möglichen künftigen Arbeitgebern, als Grundlage für die Personalauswahl. Dem Arbeitnehmer gibt es zugleich Aufschluss darüber, wie der Arbeitgeber sein Verhalten und seine Leistung beurteilt. Daraus ergeben sich als inhaltliche Anforderungen das Gebot der Zeugniswahrheit und das in § 109 Abs. 2 GewO auch ausdrücklich normierte Gebot der Zeugnisklarheit. Auch seiner äußeren Form nach muss ein Zeugnis den Anforderungen entsprechen, wie sie im Geschäftsleben an ein Arbeitszeugnis gestellt und vom Leser als selbstverständlich erwartet werden (BAG 27. April 2021 – 9 AZR 262/20 -). Hinzu tritt der Wohlwollensgrundsatz, wonach das Fortkommen des Arbeitnehmers durch den Zeugnisinhalt nicht unnötig erschwert werden darf. Dieser ist wiederum durch die Wahrheitspflicht begrenzt. Ein Zeugnis muss nur im Rahmen der Wahrheit wohlwollend sein (BAG 18. November 2014 – 9 AZR 584/13 -). Adressat des Zeugnisses ist ein größerer Personenkreis, der nicht zwangsläufig über ein einheitliches Verständnis verfügt. Dementsprechend ist als maßgeblicher objektiver Empfängerhorizont auf den Eindruck und Erkenntniswert eines durchschnittlich Beteiligten oder Angehörigen des vom Zeugnis angesprochenen Personenkreises abzustellen. Zur Beurteilung von Inhalt und äußerer Form des Zeugnisses ist auf die Sicht eines objektiven und damit unbefangenen Arbeitgebers mit Berufs- und Branchenkenntnissen abzustellen. Entscheidend ist, wie ein solcher Zeugnisleser das Zeugnis auffassen muss. Der Arbeitgeber erfüllt den Zeugnisanspruch eines Arbeitnehmers nach § 109 GewO durch Erteilung eines Zeugnisses, das nach Form und Inhalt den gesetzlichen Anforderungen entspricht. Ihm obliegt es grundsätzlich, das Zeugnis im Einzelnen zu verfassen. Formulierungen und Ausdrucksweise stehen in seinem pflichtgemäßen Ermessen. Maßstab ist dabei ein wohlwollender verständiger Arbeitgeber. Der Arbeitgeber hat insoweit einen Beurteilungsspielraum (BAG 27. April 2021 – 9 AZR 262/20 -).
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bb) Die Darlegungs- und Beweislast in Bezug auf die Leistungs- und Verhaltensbeurteilung erfolgt entlang der Trennlinie einer Durchschnittsbeurteilung, die bei der Leistungsbeurteilung innerhalb der sogenannten Zufriedenheitsskala mit „zur vollen Zufriedenheit“ ausgedrückt wird. Begehrt der Arbeitnehmer eine überdurchschnittliche Beurteilung, hat er die behauptete überdurchschnittliche Leistung und das überdurchschnittliche Verhalten darzulegen und zu beweisen. Will der Arbeitgeber den Arbeitnehmer unterdurchschnittlich beurteilen, trägt er insoweit die Darlegungs- und Beweislast (BAG 27. April 2021 – 9 AZR 262/20 -; BAG 18. November 2014 – 9 AZR 584/13 -).
133

cc) Die Formulierungshoheit obliegt zwar grundsätzlich dem Arbeitgeber, gebunden durch ein pflichtgemäßes Ermessen (BAG 27. April 2021 – 9 AZR 262/20 -; BAG 14. Februar 2017 – 9 AZB 49/16 -). Im Rahmen eines Rechtsstreits ist das Gericht bei seiner Entscheidung jedoch weder an die Formulierung des erteilten Zeugnisses noch an die des Klageantrags gebunden. Ein Zeugnis und dessen Formulierungen müssen regelmäßig im Zusammenhang des gesamten Inhalts betrachtet werden. Es handelt sich um ein einheitliches Ganzes, dessen Teile nicht ohne Gefahr der Sinnentstellung auseinandergerissen werden können. Die Gerichte sind deshalb gehalten, das gesamte Zeugnis zu überprüfen, und berechtigt, es ohne Verstoß gegen § 308 ZPO unter Umständen selbst neu zu formulieren (BAG 27. April 2021 – 9 AZR 262/20 -).
134

b) In Anwendung dieser Grundsätze waren folgende Änderungen vorzunehmen, wobei sich die Kammer teilweise am erteilten Zeugnis und teilweise am klägerischen Antrag orientiert hat und von der Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, zur Meidung von Sinnentstellungen Umformulierungen vorzunehmen.
135

aa) Das Beendigungsdatum war auf das zutreffende Beendigungsdatum 31. März 2019 zu korrigieren. Damit korrespondiert auch eine Änderung des Ausstellungsdatums.
136

bb) Die Tätigkeitsbeschreibung musste dem erteilten Zeugnis entnommen werden. Die Beklagte änderte auf Beanstandung des Klägers vom 28. August 2019 die Tätigkeitsbeschreibung teilweise und gab zu erkennen, dass sie weitergehende Änderungen nicht für gerechtfertigt erachtete. Der Kläger hielt zu den von ihm begehrten Ergänzungen der Tätigkeitsbeschreibung keinerlei Tatsachenvortrag. Ohne jegliche Begründung kann dem Klagebegehren jedoch nicht entsprochen werden.
137

cc) Die gegen den Kläger im Zeugnis erhobenen Vorwürfe eines Geheimnisverrats haben – zumal in dieser Ausführlichkeit – in einem Zeugnis nichts zu suchen. Außerdem hielt die Beklagte zu diesem Vortrag auch keinen substantiierten Tatsachenvortrag. Die Vorwürfe wurden außerdem in den Kündigungsschutzverfahren entkräftet.
138

dd) Die Leistungsbeurteilung des Klägers konnte mangels jeglicher Begründung und Tatsachendarlegungen nur auf eine durchschnittliche Beurteilung korrigiert werden. Der Kläger wurde auf den Begründungsmangel mit Verfügung vom 16. Mai 2023 ausdrücklich hingewiesen. Ergänzender Tatsachenvortrag erfolgte nicht.
139

Auf der anderen Seite verteidigte die Beklagte auch die erteilte ungenügende Leistungsbeurteilung nicht. Auch sie hielt keinerlei Tatsachenvortrag.
140

In Erkenntnis der Fehlerhaftigkeit des Zeugnisses konnte dem Kläger deshalb nur die durchschnittliche Gesamtbeurteilung „zur vollen Zufriedenheit“ zugesprochen werden.
141

ee) Die Leistungsbeurteilung hatte sich jedoch nicht auf eine bloße Gesamtbeurteilung zu beschränken.
142

(1) Das Arbeitszeugnis als individuelle Beurteilung der beruflichen Verwendbarkeit des Arbeitnehmers muss dem Zeugnisleser Auskunft über Leistung und Verhalten des Arbeitnehmers im Arbeitsverhältnis geben. Im Rahmen der Leistungsbeurteilung hat der Arbeitgeber die Art und Weise darzustellen, in der der Arbeitnehmer die ihm übertragenen Aufgaben erledigt hat. Dies erfolgt regelmäßig anhand von Bewertungskriterien wie Fähigkeiten, Kenntnisse, Fertigkeiten, Geschicklichkeit und Sorgfalt sowie Einsatzfreude und Einstellung zur Arbeit. Bei den Angaben über das Verhalten von Beschäftigten ist insbesondere ihr Verhältnis gegenüber Mitarbeitern und Vorgesetzten sowie ihr Einfügen in den betrieblichen Arbeitsablauf zu beurteilen (BAG 27. April 2021 – 9 AZR 262/20 -).
143

(2) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze wurden die genannten Kriterien unter Zugrundelegung der klägerischen Antragstellung und unter Weglassung der besonderen Steigerungsmerkmale, die die Beurteilung zu einer überdurchschnittlichen gemacht hätten, in eine durchschnittliche Beurteilung korrigiert.
144

ff) Für die Verhaltensbeurteilung gilt das für die Leistungsbeurteilung Dargelegte entsprechend.
145

gg) Da § 109 Abs. 1 GewO keinen Anspruch auf eine Schlussformulierung gibt, mit welcher Dank, Bedauern und gute Wünsche ausgedrückt werden (BAG 25. Januar 2022 – 9 AZR 146/21 -; BAG 18. November 2014 – 9 AZR 584/13 -), wurde diese weggelassen.

II.

146

1. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. Der Unterliegensanteil wurde auf 50 Prozent geschätzt.
147

2. Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG liegen nicht vor.

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VonRA Moegelin

Anscheinsbeweis der Arbeitsunfähigkeit in der Kündigungsfrist

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Das Arbeitsgericht Hildesheim hat entschieden, dass in der Regel keine Erschütterung des Anscheinsbeweises einer nur für die Dauer der Kündigungsfrist ärztlich bescheinigten Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers im Falle der Kündigung durch den Arbeitgeber gegeben ist.

Volltext der Pressemitteilung vom 04.07.2023:

Die Parteien streiten über Entgeltfortzahlungsansprüche aus dem beendeten Arbeitsverhältnis.

Der Kläger war vom 16.03.2021 bis 31.05.2022 Arbeitnehmer der Beklagten, die ihn zuletzt am 21.04.2022 beschäftigte. Er meldete sich am 02.05.2022 krank und legte nachfolgende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen seines behandelnden Arztes für den Zeitraum ab dem 02.05.2022 bis zum 31.05.2022 mit unterschiedlichen Diagnosen vor. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 02.05.2022, dem Kläger zugegangen am 03.05.2022, ordentlich zum 31.05.2022 und verweigerte wegen der Koinzidenz der Krankschreibung und der Kündigung die Entgeltfortzahlung.

Das Arbeitsgericht Hildesheim gab der Klage mit Urteil vom 26.10.2022 (AZ 2 Ca 190/22) mit der Begründung statt, dass der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht durch die Arbeitgeberin erschüttert worden sei.

Die hiergegen eingelegte Berufung der Arbeitgeberin beim Landesarbeitsgericht Niedersachsen blieb erfolglos. Dieses führte in seinem Urteil vom 08.03.2023 (AZ 8 Sa 859/22) aus:

Der Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung könne auch dadurch erschüttert werden, dass der Arbeitnehmer sich im Falle des Erhalts einer arbeitgeberseitigen Kündigung unmittelbar zeitlich nachfolgend – „postwendend“ – krankmeldet bzw. eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung einreicht. Dies gelte insbesondere dann, wenn lückenlos der gesamte Zeitraum der Kündigungsfrist – auch durch mehrere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen – abgedeckt werde. Melde sich zunächst der Arbeitnehmer krank und erhalte er erst sodann eine arbeitgeberseitige Kündigung, fehle es an dem für die Erschütterung des Beweiswertes der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung notwendigen Kausalzusammenhang. Allein die Tatsache, dass ein Arbeitnehmer bis zur Beendigung eines Arbeitsverhältnisses arbeitsunfähig krankgeschrieben ist, am unmittelbar darauffolgenden Tag gesundet und bei einem anderen Arbeitgeber zu arbeiten beginnt, erschüttert in der Regel ohne Hinzutreten weiterer Umstände den Beweiswert von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nicht.
Zugelassene Revision ist derzeit beim BAG zum Aktenzeichen 5 AZR 137/23 anhängig.

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VonRA Moegelin

Kündigung wegen antisemitischer Äußerungen

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Die verhaltensbedingte Kündigung der Redakteurin eines Senders wurde vom LAG Berlin-Brandenburg für unwirksam erklärt. Es besteht schon kein verhaltensbedingter Kündigungsgrund. Obendrein ist die Personalratsanhörung nicht ordnungsgemäß, und zwar bewusst falsch erfolgt.

Volltext der Pressemitteilung Nr. 23 vom 29.06.2023 des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg – 23 Sa 1107/22:

Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat die Kündigung einer Gehobenen Redakteurin in der Redaktion „Middle East“ des Senders Deutsche Welle, der antisemitische und israelfeindliche Veröffentlichungen für einen arabischen Sender vor ihrer Beschäftigung bei der Deutschen Welle vorgeworfen wurden, für unwirksam erachtet (Pressemitteilungen Nr. 13/23, 17/23 und 19/23 vom 02., 10. und 24.05.2023). Es hat damit die arbeitsgerichtliche Entscheidung bestätigt.

Im November 2021 hatte die Süddeutsche Zeitung in ihrem Beitrag „Ein Sender schaut weg“ über frühere antisemitische Äußerungen der Redakteurin berichtet. Nach Recherche durch ein Expertenteam hat der Sender das Arbeitsverhältnis der Redakteurin im Februar 2022 außerordentlich und hilfsweise ordentlich zum 30.06.2022 gekündigt. Das Landesarbeitsgericht ist davon ausgegangen, dass die früheren Veröffentlichungen der Redakteurin für den arabischen Sender als israelfeindlich und antisemitisch zu beurteilen und mit den von der Deutschen Welle vertretenen Werten nicht zu vereinbaren sind. Es liege aber keine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung vor, da die Veröffentlichungen überwiegend zeitlich vor Beginn der vorausgegangenen freien Mitarbeit der Redakteurin seit dem Jahr 2017 und sämtlich vor Beginn des Arbeitsverhältnisses bei der Deutschen Welle seit dem Jahr 2021 lagen. Der Sender hatte im Berufungsverfahren zur Begründung der Kündigung zunächst maßgeblich geltend gemacht, die Redakteurin habe im Arbeitsverhältnis an ihren früher veröffentlichten israelfeindlichen und antisemitischen Äußerungen festgehalten, indem sie diese noch bis zur Kündigung im Februar 2022 auf ihrem privaten Twitter-Account verlinkt habe. Entsprechend hatte der Sender auch den Personalrat zur beabsichtigten Kündigung informiert. Die Redakteurin hat eine Verlinkung ihrer früheren Veröffentlichungen auf Twitter durchgehend bestritten. Unmittelbar vor Beginn der zu dieser Frage anberaumten Beweisaufnahme hat der Sender dann erklärt, er halte seine Behauptung zur Verlinkung der Beiträge auf Twitter und sein Beweisangebot nicht mehr aufrecht, und hat die gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses zum 30.06.2022 gegen Zahlung einer Abfindung beantragt.

Das Landesarbeitsgericht hat die außerordentliche Kündigung und die hilfsweise ordentliche Kündigung insgesamt für unwirksam erachtet und dies damit begründet, dass kein verhaltensbedingter Kündigungsgrund bestehe und die Personalratsanhörung nicht ordnungsgemäß, sondern vielmehr bewusst falsch erfolgt sei. Das Arbeitsverhältnis könne nach den Regelungen im Kündigungsschutzgesetz dann nicht gerichtlich aufgelöst werden, wenn die Kündigung auch wegen einer nicht ordnungsgemäß erfolgten Personalratsanhörung unwirksam sei. Das bis zum 30.06.2023 befristete Arbeitsverhältnis der Redakteurin endet daher unter keinem Aspekt vorzeitig.

Das Landesarbeitsgericht hat die Revision zum Bundesarbeitsgericht nicht zugelassen. Gegen diese Entscheidung kann die Deutsche Welle Nichtzulassungsbeschwerde bei dem Bundesarbeitsgericht erheben.

Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 28.06.2023, Aktenzeichen 23 Sa 1107/22.

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