Monatsarchiv 7. November 2014

VonRA Moegelin

Bahn AG verliert vor Gericht – GDL-Streik rechtmäßig

Share

Es war ein mehr als 6-stündiger Verhandlungsmarathon vor dem Arbeitsgericht Frankfurt, in dem sich die Richterin redlich um eine gütliche Einigung mühte. Umsonst. Am Ende musste ein Urteil her. Der Sieger heißt GDL. Der Streik ist rechtmäßig. Hiergegen kann die Bahn AG Rechtsmittel einlegen. Dann würde es morgen vor dem Landesandarbeitsgericht weitergehen.

in der Verhandlung heute am 06.11.14 hat die Deutsche Bahn AG ihre Argumente wie folgt vorgebracht: Die Forderungen der GDL würden ein rechtswidriges Ziel verfolgen. Lokführer mit langer Berufserfahrung (mehr als 25 Jahre) sollen mehr verdienen, dies würde der Rechtssprechung entgegenstehen. Daher sei der Streik wegen „Altersdiskriminierung“ rechtswidrig.

Zusätzlich gefährde dieser Streik Menschenleben, wenn Intensiv-Schwestern in den Krankenhäusern nicht rechtzeitig am Arbeitsplatz sein können. Dies sei eine Gefährdung des Allgemeinwohls und mache daher den Streik rechtswidrig. Desweiteren gehe es der GDL hier um die „Vernichtung“ der Konkurrenz-Gewerkschaften EVG und Verdi und zudem der Bahn AG. Die Unverhältnismäßigkeit ergebe sich nach Ansicht des DB-Amwalts auch aus den Unannehmlichkeiten für die Bürger in Hinblick auf die Ferien, Feierlichkeiten zum Tag der deutschen Einheit und überhaupt wegen der hohen Kosten die der Streik verursacht von rund 100 Millionen Euro pro Streiktag für die deutsche Wirtschaft und ebenso dür die Bahn AG. Es gehe also nicht um die Beschneidung der Rechte der GDL, sondern darum die unverhältnismäßigen Belastungen des Streiks zu vermeiden. Die Deutsche Bahn habe keine Möglichkeit, auf den Streik durch Auslagerung oder ähnliches zu reagieren.

Der GDL-Anwalt hält entgegen, dass noch Züge, private Bahnen und Busse fahren und insoweit der Streik doch nicht so schwerwiegend sei wie behauptet. Weselsky, der selbst das Wort ergreift, wird gleich zurechtgewiesen von der Richterin, da er die Diskussion nicht noch eskalieren müsse durch seinen Vorwurf, die Bahn habe ihn als Terroristen bezeichnet. Das leite er aus dem Wort „Geiselhaft“ ab. Aber nicht nur Terroristen können Geiseln nehmen, meint die Richterin.

Die Richterin versucht eine gütliche Einigung zu erreichen. Gemäß ihrem Vorschlag soll versucht werden, sämtliche Konfliktpunkte auch mit der konkurrierenden Gewerkschaft EVG in einer Mediation zu klären. Die Einbindung der EVG und des Arbeitgeberverbands sei nach Ansicht des Gerichts unerlässlich.

Die Bahn AG erklärt sein Einverständnis mit dem Vorschlag des Gerichts. Herr Weselsky lehnt ledoch ab, was die Richterin erzürnt. Sie will sich damit nicht abfinden und versucht Herrn Weselsky erneut und eindringlich von ihrem Vorschlag zu überzeugen. Nach nochmaliger, unmissverständlicher Ablehnung fragt die Richterin, was denn korrigiert werden müsse. Nach einigem Hin und Her wegen Einzelheiten des Vergleichstextes und Unruhe im Gerichtssaal unter den Zuhörern geht es nach einer Verhandlungspause weiter. Von fünf Punkten des Vergleichs ist anscheinend nur noch einer strittig. Offensichtlich geht es um den Punkt der Tarifpluralität. Am Ende scheitert ein Vergleich und das Gericht muss eine Entscheidung treffen. Das Urteil geht zugunsten der GDL aus. Das letzte Wort wird das Landesarbeitsgericht haben, wenn die Bahn AG in die nächste Instanz geht.

Quelle: Tweets aus dem Gerichtssal vom Live-Blog der FAZ:

http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/streiks-bei-bahn-und-lufthansa/bahnstreik-live-blog-tipps-alternativen-13248882.html

Share
VonRA Moegelin

Nichtiges „Anlernverhältnis“ ist als faktischer Arbeitsvertrag zu behandeln mit der Pflicht zur Zahlung der üblichen Vergütung

Share

Dem Bundesarbeitsgericht lag ein Fall zugrunde, in dem ein so genannter „Anlernvertrag“ geschlossen wurde. Der beklagte Malermeister hatte mit seiner Auszubildenen, nachdem es nicht zum Abschluss eines Berufsausbildungsverhältnisses gekommen war, den so bezeichneten „Anlernvertrag“ im Beruf „Maler- und Lackierer“ geschlossen und eine Vergütung vereinbart, die deutlich hinter der für Arbeitnehmer üblichen Mindestvergütung zurückblieb. Hiergegen wendet sich die (nunmehr ehemalige) Auszubildene mit ihrer Klage auf Zahlung der üblichen Vergütung.

Nach § 4 Abs. 2 Berufsbildungsgesetz ist die Ausbildung für einen anerkannten Ausbildungsberuf nur nach der Ausbildungsordnung zulässig. Die Ausbildung hat grundsätzlich in einem Berufsausbildungsverhältnis stattzufinden. Soll ein solches nicht vereinbart werden, kann statt dessen auch ein Arbeitsverhältnis begründet werden. Es ist jedoch unzulässig, die Ausbildung in einem anderen Vertragsverhältnis nach § 26 Berufsbildungsgesetz, etwa einem „Anlernverhältnis“, durchzuführen. Derartige Verträge sind wegen des Gesetzesverstoßes insgesamt nach § 134 BGB nichtig. Trotzdem eingegangene „Anlernverhältnisse“ sind für den Zeitraum ihrer Durchführung entsprechend den Regeln über das Arbeitsverhältnis auf fehlerhafter Vertragsgrundlage (sog. faktisches Arbeitsverhältnis) wie ein Arbeitsverhältnis zu behandeln. Zu zahlen ist die im Sinne von § 612 Abs. 2 BGB für Arbeitsverhältnisse übliche Vergütung (BAG, Urteil vom 27. Juli 2010 – 3 AZR 317/08).

Ob sich der Arbeitgeber ohne Weiteres vorzeitig aus dem Rechtsverhältnis lösen kann oder ob dies wegen des Schutzzwecks des Berufsbildungsgesetzes nicht möglich ist, wofür nach Ansicht des BAG einiges spricht, lag nicht zur Entscheidung vor.

Im Wesentlichen erfolglos war damit die Revision des beklagten Malermeisters, der nun die übliche Entlohnung zu zahlen hat.

Share
VonRA Moegelin

„Weisungsgebundener“ Telefon-Sex der Mitarbeiterin einer Erotik-Hotline führt zur Versicherungspflicht

Share

Das Stuttgarter Landessozialgericht hat die Tätigkeit einer 59-jährigen Mitarbeiterin einer Erotik-Hotline als sozialversicherungspflichtige Beschäftigung qualifiziert. Der in Mannheim ansässige Betreiber der Hotline, der die Frau als „freie Mitarbeiterin“ beschäftigt hatte, unterlag auch in zweiter Instanz (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 18.02.2014 – L 11 R 3323/12).

Die Frage, ob die Mitarbeiterin sozialversicherungspflichtig beschäftigt ist, richtet sich nach dem Grad ihrer Weisungsgebundenheit. Nicht entscheidend ist die Bezeichnung als „Freier-Mitarbeiter-Vertrag“, sondern die tatsächliche Ausgestaltung des Rechtsverhältnisses.  Auch die Anmeldung eines eigenen Gewerbes seitens des Mitarbeiters ist nicht aussagekräftig.  Nach den Feststellungen des Gerichts hatte sich die Mitarbeiterin an einen Dienstplan zu halten und teilweise wurde sogar bei den Gesprächen mit den Kunden angeordnet, was genau für sie zu sagen hatte.  Das spricht nach zutreffender Einordnung des Gerichts für eine abhängige Tätigkeit

Einzelheiten siehe Pressemitteilung des LSG Baden-Württemberg vom 18.02.14:

Zum Aufgabengebiet der 59-Jährigen gehörten Flirtgespräche, Telefonsex und Partnervermittlung. Sie arbeitete von zu Hause aus, musste ihre Arbeitszeiten aber im Voraus in einen Online-Stundenplan der Hotline eintragen. Gegenüber den Kunden rechnete der Betreiber ab; die Mitarbeiterin stellte wiederum der Hotline monatlich eine Rechnung. Die Abrechnung erfolgte nach einer Vergütungstabelle des Betreibers je nach Dauer der geführten Telefongespräche. Für besonders lange Telefonate wurden zusätzliche Boni gezahlt.

Der für die Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status zuständige Rentenversi-cherungsträger beurteilte die im Feststellungsbescheid als „Telefon Operator“ bezeichnete Tätigkeit als versicherungspflichtig. Es habe sich nicht um eine selbständige Tätigkeit, sondern um ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis gehandelt, für das Sozialversicherungsbeiträge entrichtet werden müssten. Die Mitarbeiterin hatte das Verfahren selbst angestrengt, und die Feststellung der Sozialversicherungspflicht beantragt. Der Betreiber habe immer mehr Anweisungen gegeben, begründete die Frau ihren Antrag. Teilweise habe sie sogar während der Telefonate Vorgaben erhalten, welche Sätze sie zu den Kunden zu sagen habe.

Die Richter des 11. Senats bestätigten den Bescheid der Deutschen Rentenversicherung Bund und wiesen die Berufung des Hotline-Betreibers gegen die erstinstanzliche Entscheidung des Sozialgerichts Mannheim zurück. Die Mitarbeiterin sei schon bei der Gestaltung ihrer Arbeitszeit nicht völlig frei gewesen, sondern habe sich an den Online-Dienstplan halten müssen. Dessen Einhaltung sei von dem Betreiber kontrolliert und für Verstöße Strafen angedroht worden. Auch im Übrigen habe der Hotline-Betreiber die Tätigkeit der Telefonistin durch eine Vielzahl von Einzelanweisungen gesteuert und bis ins Einzelne kontrolliert. Dass die Mitarbeiterin ein eigenes Gewerbe angemeldet habe, sei demgegenüber nicht aussagekräftig. Das Gesamtbild spreche vielmehr für eine abhängige Beschäftigung.

Share
VonRA Moegelin

Diskriminierung bei der taz – Schadensersatz für männlichen Volontariats-Bewerber

Share

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verbietet Diskriminierung unter anderem wegen des Geschlechts. Deswegen können auch Männer Opfer von geschlechtsbezogener Diskriminierung sein. Bei Stellenanzeigen muss ein Arbeitgeber daher sehr genau überlegen, wie er die Anzeige ausschreibt.

Die Beklagte engagiert sich unter anderem für die Förderung des journalistischen Nachwuchses. Zu diesem Zweck vergibt sie auch Volontariatsstellen bei der  „taz.die tageszeitung“. Bei der taz wurde eine journalistische Volontariatsstelle ausschließlich für eine Frau mit Migrationshintergrund ausgeschrieben. Die Bewerbung von Männern – unter ihnen die des Klägers – wurden von vornherein abgelehnt. Der abgelehnte Bewerber hat die Beklagte daraufhin auf Zahlung einer Entschädigung nach dem AGG in Anspruch genommen. Sie ist der Meinung, die Benachteiligung von Männern sei erforderlich, um den Anteil von Frauen in Führungspositionen im Journalismus zu erhöhen.

Das Arbeitsgericht Berlin hat der Klage entsprochen und die Beklagte zur Zahlung einer Entschädigung von drei Monatsgehältern verurteilt. Die Beklagte habe den Kläger bei der Besetzung der Stelle wegen seines Geschlechts in unzulässiger Weise benachteiligt. Es sei nicht statthaft, die Bewerbung von Männern ausnahmslos auszuschließen. Auch sei die Maßnahme nicht geeignet, den Anteil von Frauen in Führungspositionen zu erhöhen, da es lediglich um die Besetzung einer Volontariatsstelle gehe (Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 05.06.2014 – 42 Ca 1530/14).

Share
VonRA Moegelin

Deutsche Bahn AG will mit einstweiliger Verfügung GDL-Streik verbieten lassen

Share

Beim Arbeitsgericht Frankfurt will die Deutsche Bahn AG mit einer einstweiligen Verfügung den seit 5. November laufenden Streik der GDL verbieten lassen. Voraussetzung für ein Verbot ist ein Verstoß gegen den „ultima-ratio“-Grundsatz, also Unverhältnismäßigkeit. In ähnlich gelagerten Fällen -zuletzt am 21.10.14- ist die Lufthansa gescheitert, einen Streik durch einstweilige Verfügung zu unterbinden.

Diese Entscheidung macht deutlich, wie hoch die Rechtsprechung die Hürden in Anbetracht des verfassungsrechtlich geschützten Streikrecht an ein Verbot gelegt hat. Daher dürfte es jetzt für das Gericht keine Rolle spielen, dass die GDL zuvor ein Schlichtungsverfahren abgelehnt hat und möglicherweise auch machtpolitische Erwägungen eine Rolle spielen. Denn die GDL konkurriert mit der Gewerkschaft EVG.

All das zusammen betrachtet lässt nicht mit absoluter Sicherheit ausschließen, dass das Gericht zur Ansicht kommt, dass die GDL diesmal zu weit gegangen ist. Eine Überraschung wäre es in Anbetracht der strengen Rechtsprechung zum Streikrecht allerdings schon. Die Entscheidung wird in Kürze -wahrscheinlich noch am 06.11.14- zu erwarten sein, da es sich um ein gerichtliches Eilverfahren handelt.

Share
VonRA Moegelin

Kachelmann darf Ex-Freundin nicht als Kriminelle bezeichnen – OLG Karlsruhe 6 U 152/13

Share

Wetter-Moderator Jörg Kachelmann ist es vom Oberlandesgericht Karlsruhe untersagt worden, seine Ex-Freundin die ihn der Vergewaltigung bezichtigt hat, als „Kriminelle“ zu bezeichnen. Damit hat das OLG das erstinstanzliche Urteil des LG Mannheim unter der Maßgabe bestätigt, dass sich das ausgesprochene Verbot auf die konkret beanstandeten Äußerungen bezieht. Kachelmann hatte die Klägerin in den Medien in zwei Äußerungen als „Kriminelle“ bzw. als „Kriminelle aus Schwetzingen“ bezeichnet. Mit der Klage hat die Klägerin die Unterlassung dieser Äußerungen verlangt und jetzt auch in 2. Instanz obsiegt. Die Revision zum Bundesgerichtshof wurde nicht zugelassen.

Die Ex-Freundin von Kachelmannhat im Februar 2010 gegen ihn, mit dem sie zuvor mehrere Jahre lang liiert war, Strafanzeige wegen schwerer Vergewaltigung erstattet. Im Zuge des Ermittlungsverfahrens wurde der Beklagte am 20. März 2010 vorläufig festgenommen und befand sich vom 21.03. bis zum 29.07.2010 in Untersuchungshaft. Die von großer Medienaufmerksamkeit begleitete Hauptverhandlung dauerte über 44 Verhandlungstage von Anfang September 2010 bis Ende Mai 2011. Der Beklagte wurde von den gegen ihn gerichteten Vorwürfen freigesprochen, weil keine für eine Verurteilung ausreichende Gewissheit gewonnen werden konnte, dass der Vergewaltigungsvorwurf zutreffend war. Das freisprechende Urteil ist rechtskräftig.

Nach dem Freispruch haben sich Beide in den Medien über die Angelegenheit geäußert. Dabei haben beide an ihrer ursprünglichen Sachdarstellung festgehalten.

Nach Auffassung des OLG Karlsruhe handelte es sich in beiden Fällen bei der gebotenen Berücksichtigung des jeweiligen Kontexts um komplexe Äußerungen, in denen der Beklagte einerseits die Unrichtigkeit des von der Klägerin gegen ihn erhobenen Vorwurfs bekräftigt und damit eine Tatsachenbehauptung aufstellt, andererseits eine stark abwertende Beurteilung der Klägerin zum Ausdruck bringt. Die Frage der Rechtmäßigkeit des mit der Bezeichnung als „Kriminelle“ einhergehenden Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht beurteilt sich anhand einer Abwägung der jeweiligen grundrechtlich geschützten Positionen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls. In der Konstellation des vorliegenden Falles hat der Senat den Beklagten für berechtigt gehalten, den Tatvorwurf der Vergewaltigung in öffentlichen Äußerungen als unzutreffend zu bezeichnen, obwohl damit notwendigerweise der Vorwurf der falschen Beschuldigung durch die Klägerin verbunden ist, den der Beklagte seinerseits nicht bewiesen hat. Er hat den Beklagten aber nicht für berechtigt erachtet, die Klägerin mit der Bezeichnung als „Kriminelle (aus Schwetzingen)“ persönlich herabzuwürdigen; in der gegebenen Situation, in der nicht nur zugunsten des Beklagten, sondern auch zugunsten der Klägerin die Unschuldsvermutung gelte, sei gegenüber derartigen Zuspitzungen Zurückhaltung geboten (Pressemitteilung des OLG Karlsruhe vom 31.10.14 – 6 U 152/13).

Share
Blogverzeichnis TopBlogs.de das Original - Blogverzeichnis | Blog Top Liste Blogverzeichnis Bloggerei.de