Monatsarchiv 30. Juni 2024

VonRA Moegelin

Minderheitenschutz bei Betriebsratswahl

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Die Zusammensetzung eines Betriebsrats verstößt gegen gesetzliche Vorgaben zum Minderheitenschutz im folgenden Fall: Das Betriebsverfassungsgesetz nebst Wahlordnung kann nicht dahingehend ausgelegt werden, dass nur das „dritte Geschlecht“ davon profitiert, das im Verhältnis von Frauen und Männern in der Minderheit befindliche „dritte Geschlecht“ hingegen gar nicht mit Mindestsitzen berücksichtigt wird.

Volltext der Pressemitteilung Nr. 13/24 des Arbeitsgerichts Berlin vom 28.06.2024:

Das Arbeitsgericht Berlin hat am 7. Mai 2024 die Betriebsratswahl bei einem Anbieter von Software für E-Commerce-Unternehmen für unwirksam erklärt, weil die Zusammensetzung des Betriebsrats gegen gesetzliche Vorgaben zum Minderheitenschutz verstieß.

Im Betrieb der Arbeitgeberin waren ausweislich der Wählerliste 45 Personen weiblichen Geschlechts, 56 Personen männlichen Geschlechts und 17 Personen diversen Geschlechts wahlberechtigt zu den anstehenden Betriebsratswahlen. Der zu wählende Betriebsrat sollte aus sieben Personen bestehen. Es standen zwei Listen zur Wahl. Liste I umfasste drei kandidierende Personen, wobei an erster und zweiter Stelle Männer und an dritter Stelle eine Frau stand. Liste II umfasste elf Personen, darunter an letzter Stelle eine Frau und auf den Plätzen zwei und drei Personen diversen Geschlechts. Im Wahlausschreiben gab der Wahlvorstand an, es müsse sich mindestens eine Person der Minderheitengruppe divers unter den zu wählenden Betriebsratsmitgliedern befinden. In seiner Niederschrift über das Wahlergebnis stellte er fest, es seien wegen des gesetzlich vorgesehenen Schutzes des Minderheitengeschlechts aus Liste I zwei Männer und aus Liste II drei Männer und zwei Personen diversen Geschlechts gewählt worden.

Das Arbeitsgericht hat die Wahl für unwirksam erklärt, weil ein Verstoß gegen wesentliche Vorschriften des Wahlrechts und des Wahlverfahrens vorliege. Die Vorschriften aus dem Betriebsverfassungsgesetz und der dazugehörigen Wahlordnung über den Minderheitenschutz könnten nicht so ausgelegt werden, dass gegebenenfalls nur das dritte Geschlecht hiervon profitiere, das im Verhältnis von Frauen und Männern in der Minderheit befindliche Geschlecht hingegen gar nicht mit Mindestsitzen berücksichtigt werde. Dafür sprächen die Entstehungsgeschichte des § 15 Absatz 2 Betriebsverfassungsgesetz sowie die Gesetzessystematik. Es könne auch nicht ausgeschlossen werden, dass das Wahlergebnis ohne den fehlerhaften Hinweis auf den zu wahrenden Minderheitenschutz im Wahlausschreiben anders ausgegangen wäre.

Gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts kann vom Betriebsrat Beschwerde zum Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg eingelegt werden.

Arbeitsgericht Berlin, Beschluss vom 7. Mai 2024, Aktenzeichen 36 BV 10794/23

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VonRA Moegelin

Kündigung eines Redakteurs wegen Antisemitismus

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Die fristlose Kündigung eines Redakteurs bei der Deutschen Welle wegen antisemitischer Äußerungen ist wirksam, da sie nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt sind.

Volltext der Pressemitteilung Nr. 11/24 des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg -5 Sa 894/23 vom 12.06.2024:

Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat – anders als noch das Arbeitsgericht Berlin – entschieden, dass die fristlose Kündigung eines in der arabischen Redaktion der Deutschen Welle beschäftigten gehobenen Redakteurs wirksam ist.

Der seit 2005 zunächst als freier Mitarbeiter beschäftigte Redakteur hatte im Zeitraum von 2014 bis 2019 auf seinen privaten Facebook- und Twitterkonten Äußerungen zu Israel und Palästina veröffentlicht, die nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts antisemitischen Charakter hatten und das Existenzrecht Israels in Abrede stellten. Im Jahr 2021 schloss er ein befristetes Arbeitsverhältnis mit der Deutschen Welle ab. Nachdem die Deutsche Welle aufgrund von Presseberichten über angeblich antisemitische Äußerungen anderer Beschäftigter der arabischen Redaktion eine externe Untersuchung veranlasst hatte, löschte er 2022 einige dieser Veröffentlichungen.

Das Landesarbeitsgericht ist davon ausgegangen, dass der Redakteur als sogenannter Tendenzträger verpflichtet war, sowohl bei seiner Arbeitsleistung als auch im außerbetrieblichen Bereich nicht gegen die Tendenz, das heißt die grundsätzlichen Zielsetzungen, der Deutschen Welle zu verstoßen. Dazu gehörten die Grundsätze, das Existenzrecht Israels nicht in Frage zu stellen und sich gegen Antisemitismus sowie jegliche Versuche, diesen zu verbreiten, einzusetzen. Da derartige Äußerungen eines Redakteurs auch im privaten Bereich geeignet seien, den Ruf der Deutschen Welle als Stimme der Bundesrepublik Deutschland im Ausland zu schädigen, liege eine schwerwiegende Verletzung vertraglicher Nebenpflichten vor, die zum Ausspruch einer fristlosen Kündigung berechtigten. Auch wenn der Redakteur nach Begründung des Arbeitsverhältnisses keine zu beanstandenden Äußerungen mehr veröffentlicht habe, hätten sich die zuvor getätigten und auch nach Begründung des Arbeitsverhältnisses noch öffentlich abrufbaren Äußerungen weiter ausgewirkt. Da der Redakteur aufgrund der Rundfunkfreiheit der Deutschen Welle gemäß Artikel 5 Absatz 1 Satz 2 Grundgesetz gehalten sei, die Tendenz der Deutschen Welle zu wahren, könne er sich für antisemitische und das Existenzrecht Israels leugnende Äußerungen auch nicht mit Erfolg auf seine Meinungsfreiheit (Artikel 5 Absatz 1 Satz 1 Grundgesetz) berufen.

Das Landesarbeitsgericht hat die Revision zum Bundesarbeitsgericht nicht zugelassen. Hiergegen kann der Kläger Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesarbeitsgericht erheben.

Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 4. April 2024, Aktenzeichen 5 Sa 894/23

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VonRA Moegelin

Arbeitgeberzuschuss für Arbeiter im Bergbau

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Das LAG Düsseldorf hat entschieden, dass nach dem Ende des Steinkohlenbergbaus ehemalige Bergleute keinen Arbeitgeberzuschuss zum Austausch der Kohleöfen erhalten.

Volltext der Pressemitteilung Nr. 8/2024 vom 17.05.2024 des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf:

Nach dem Ende des Steinkohlenbergbaus klagen mehr als 100 ehemalige Bergleute gegen ihren ehemaligen Arbeitgeber auf einen Zuschuss zur Umrüstung ihrer Kohleöfen.

Einer der klagenden Bergleute war bei der Beklagten, die Steinkohlenbergwerke betrieb, beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fanden die Tarifverträge für den Ibbenbührener Steinkohlenbergbau Anwendung. Aufgrund der tarifvertraglichen Vorschriften erhielten ausgeschiedene Arbeiter jährlich zweieinhalb, Angestellte drei Tonnen Steinkohle (sog. Hausbrand) oder – wahlweise – die Zahlung einer Energiebeihilfe. Anlässlich der bevorstehenden Einstellung des Steinkohlenbergbaus in Deutschland vereinbarten die Tarifvertragsparteien im Jahr 2015, dass die Belieferung mit Kohle bis zum 31.12.2018 eingestellt und nur noch die Energiebeihilfe gezahlt wird. Zudem regelten sie, dass die Energiebeihilfe für ausgeschiedene Arbeitnehmer mit einer Einmalzahlung abgefunden werden durfte. Von diesem Abfindungsrecht machte die Beklagte Gebrauch. Dass die Einstellung der Hausbrandbelieferung rechtens war und in welcher Höhe dem Kläger deshalb eine Abfindung zusteht, ist von dem Landesarbeitsgericht Hamm (9 Sa 1148/17) bereits rechtskräftig entschieden worden. Der Kläger meint, dass die Beklagte ihm unabhängig davon aus der allgemeinen Fürsorgepflicht die Kosten für die Umrüstung seines Heizsystems zu erstatten habe. Hierzu sei er wegen der massiv gestiegenen Preise für (Import-)Kohle gezwungen. Da die Beklagte trotz mangelnder Wettbewerbsfähigkeit und hoher Subventionen jahrelang weiter die Hausbrandkohle geliefert habe, habe er im Vertrauen darauf, dass es hierbei bleiben werde, Dispositionen für die Anschaffung eines Ofens getroffen.

Die Klage war vor dem Landesarbeitsgericht ebenso wie vor dem Arbeitsgericht erfolglos. Ein auf die allgemeine Fürsorgepflicht gestützter Anspruch scheidet schon deshalb aus, weil durch die tarifvertragliche Vereinbarung in 2015 eine Konkretisierung der Fürsorgepflicht erfolgt und damit eine abschließende Regelung getroffen worden ist. Im Übrigen konnten die Bergleute angesichts des langjährigen politischen Prozesses zum Steinkohlenausstieg nicht darauf vertrauen, dass die Belieferung auch nach dem Ende des deutschen Steinkohlenbergbaus fortgesetzt werden würde. Für die zwischenzeitlich eingetretenen Veränderungen auf dem Heizungsmarkt muss die Beklagte nicht einstehen.

Das Landesarbeitsgericht hat die Revision nicht zugelassen.

Die 6. und die 12. Kammer des Landesarbeitsgerichts haben heute 57 gleichgelagerte Berufungsverfahren entschieden. Weitere Verfahren werden am 24.05.2024 verhandelt.

Landesarbeitsgericht Düsseldorf – 12 Sa 1016/23
Arbeitsgericht Essen, Urteil vom 12.06.2023 – 6 Ca 2275/23

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