„ein Kind“… „7 Jahre alt!“ – Bewerbung abgelehnt

VonRA Moegelin

„ein Kind“… „7 Jahre alt!“ – Bewerbung abgelehnt

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magiaaron-Mischievous-BoyEin Radiosender suchte für eine Vollzeitstelle eine Buchhaltungskraft mit abgeschlossener kaufmännischer Ausbildung. Die Klägerin bewarb sich auf diese Stelle und wies im beigefügten Lebenslauf auf ihre Ausbildungen als Verwaltungsfachfrau und zur Bürokauffrau hin. Außerdem gab sie dort an „Familienstand: verheiratet, ein Kind“. Hierauf erhielt sie eine Absage. Auf dem zurückgesandten Lebenslauf war der Angabe zum Familienstand hinzugefügt „7 Jahre alt!“. Dies und die von der Klägerin stammende Angabe „ein Kind“ war unterstrichen.

Die Klägerin sieht sich als Mutter eines schulpflichtigen Kindes, die eine Vollzeitbeschäftigung anstrebt, benachteiligt. Die Notiz der Beklagten auf ihrem Lebenslauf spreche dafür, dass der beklagte Radiosender Vollzeittätigkeit und die Betreuung eines siebenjährigen Kindes nicht oder nur schlecht für vereinbar halte. Die Beklagte hat eine Entschädigung wegen einer Benachteiligung aufgrund des Geschlechts abgelehnt. Sie hat darauf verwiesen, eine junge verheiratete Frau eingestellt zu haben, die über eine höhere Qualifikation verfüge.

Das Landesarbeitsgericht hat der Klägerin wegen mittelbarer Benachteiligung eine Entschädigung von 3.000,00 € zugesprochen. Die hiergegen gerichtete Revision hatte Erfolg.

Bei einer mittelbaren Benachteiligung wegen des Geschlechts kann die besondere Benachteiligung des einen Geschlechts durch ein dem Anschein nach neutrales Kriterium mit einem Verweis auf statistische Erhebungen dargelegt werden. Die herangezogene Statistik muss aussagekräftig, dh. für die umstrittene Fallkonstellation gültig sein (BAG, Urteil vom 18. September 2014 – 8 AZR 753/13).

Das LAG hat eine Statistik herangezogen, und zwar einen sogenannten Mikrozensus 2010 des Statistischen Bundesamtes, und zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht. Der Mikrozensus untersucht nach Ansicht des BAG nur, aufgeteilt in Lebensformen, die jeweilige Quote der Beschäftigung und in diesem Zusammenhang auch die Verteilung auf die Geschlechter. Vorliegend gehe es jedoch nicht um eine Beschäftigung, sondern um eine angestrebte Beschäftigung, also um die Frage der Behandlung von Bewerbungen. Für den Anteil von Ehefrauen mit Kind an der Gesamtzahl der Vollbeschäftigten lasse der Mikrozensus keine Aussagen für den Fall der Klägerin zu. Auf eine mittelbare Benachteiligung konnte der Anspruch der Klägerin daher nicht gestützt werden.

Eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts iSd. § 3 Abs. 1 Satz 2 AGG liegt nicht vor, weil die Klägerin bei ihrer Bewerbung wegen ihrer „Mutterschaft“ ungünstiger behandelt worden wäre. Unter „Mutterschaft“ ist nur der besondere Schutz der Frau im Zusammenhang mit einer kurz bevorstehenden oder gerade erfolgten Entbindung zu verstehen. Die Betreuung eines bereits siebenjährigen Kindes durch ihre Mutter fällt daher nicht in den Schutzbereich von § 3 Abs. 1 Satz 2 AGG.

Eine arbeitgeberseitige handschriftliche Anmerkung oder Äußerung „ein Kind 7 Jahre alt!“ auf dem Lebenslauf einer Frau kann von dem Verbot unmittelbarer Benachteiligung erfasst sein. Die Beklagte hat die Klägerin mit der Bewerbungsablehnung benachteiligt. Eine solche Benachteiligung liegt nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG vor, wenn eine Person eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Im Verhältnis zur tatsächlich eingestellten, erfolgreichen Person wurde die Klägerin weniger günstig behandelt. Zwischen der benachteiligenden Behandlung und einem durch § 1 AGG verbotenen Anknüpfungsmerkmal muss ein Kausalzusammenhang bestehen.

Eine arbeitgeberseitige handschriftliche Anmerkung „ein Kind 7 Jahre alt!“, kann an sich auf einem Lebenslauf bezüglich der in § 1 AGG genannten Gründe neutral sein, wenn sie bei allen sich bewerbenden Eltern gemacht würde, unabhängig vom Geschlecht und aus einer Motivation heraus, die mit dem AGG offensichtlich in Einklang steht, § 5 AGG. Dies etwa bei einem Arbeitgeber, der sich besonders für die berufliche Entwicklung von Eltern stark macht und bevorzugt diese bei Einstellungen berücksichtigt. Wird dagegen eine solche Anmerkung nur auf Lebensläufen weiblicher Elternteile gemacht, liegt darin eine direkte Benachteiligung „als Frau“, wenn die Äußerung auf die herkömmliche Rollenverteilung zwischen Männern und Frauen bezogen ist und die Problematik der Vereinbarung von Kinderbetreuung und Berufstätigkeit demgemäß nur als Einstellungshindernis für Frauen und Mütter negativ in den Blick genommen wird.

Das Landesarbeitsgericht als Tatsachengericht wird zu prüfen haben, ob in dem Verhalten der Beklagten nicht eine unmittelbare Benachteiligung der Klägerin als Frau zu sehen ist, was eine Auslegung des Vermerks auf dem zurückgesandten Lebenslauf erfordert. Ob die Anmerkung der Beklagten auf dem zurückgesandten Lebenslauf für die Personalauswahl und die Ablehnung der Bewerbung der Klägerin in diesem Sinne Teil des Motivbündels war, obliegt der Beurteilung durch das LAG.

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