Monatsarchiv 20. März 2015

VonRA Moegelin

Anspruch auf Erholungsurlaub trotz unbezahltem Sonderurlaub

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07-Juli-goin-on-a-summer-holidayIm hier zugrunde liegenden Fall hatte das BAG über die Abgeltung von 15 Tagen gesetzlichen Urlaub aus dem Jahr 2011 von 1.846 € zu entscheiden. Die Klägerin war bei der beklagten Universitätsklinik seit August 2002 als Krankenschwester beschäftigt. Vom 1. Januar 2011 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des 30. September 2011 hatte sie unbezahlten Sonderurlaub und verlangte danach die Urlaubsabgeltung. Die Beklagte meint, sie sei befugt, die Abgeltung wegen eines von den Parteien vereinbarten Sonderurlaubs, in der das Arbeitsverhältnis nach ihrer Ansicht ruhte, zu kürzen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage der Krankenschwester abgewiesen. Auf ihre Berufung hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und der Klage stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Revision des beklagten Arbeitgebers hat das BAG zurückgewiesen.

Vereinbaren die Arbeitsvertragsparteien unbezahlten Sonderurlaub, hindert die Suspendierung der wechselseitigen Hauptpflichten aus dem Arbeitsverhältnis grundsätzlich nicht das Entstehen gesetzlicher Urlaubsansprüche (BAG, Urteil vom 6. Mai 2014 – 9 AZR 678/12).

Für das Entstehen des Urlaubsanspruchs ist nach dem Bundesurlaubsgesetz allein das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses Voraussetzung. Der Urlaubsanspruch nach den §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG steht nach der Rechtsprechung nicht unter der Bedingung, dass der Arbeitnehmer im Bezugszeitraum eine Arbeitsleistung erbracht hat, so dass auch dann Urlaubsansprüche entstehen, wenn das Arbeitsverhältnis ruht und das Ruhen des Arbeitsverhältnisses darauf zurückzuführen ist, dass der Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen seine Verpflichtung zur Arbeitsleistung nicht erfüllen kann. Dabei kommt es nach Ansicht des BAG nicht darauf an, dass das Ruhen des Arbeitsverhältnisses aufgrund eines Antrags der Klägerin vereinbart wurde.

Allerdings sehen spezialgesetzliche Regelungen für den Arbeitgeber die Möglichkeit der Kürzung des Urlaubs bei Elternzeit (§ 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG) oder Wehrdienst (§ 4 Abs. 1 Satz 1 ArbPlSchG) vor. Eine Kürzungsregelung beim Ruhen des Arbeitsverhältnisses während einer Pflegezeit (§§ 3, 4 PflegeZG) findet sich dagegen nicht. Hier ist es aber zum Ruhen des Arbeitsverhältnisses aufgrund einer Vereinbarung der Arbeitsvertragsparteien gekommen. Dies hinderte im einschlägigen Fall weder das Entstehen des gesetzlichen Urlaubsanspruchs noch war der Arbeitgeber zur Kürzung des gesetzlichen Urlaubs berechtigt, z.B. wegen Pflegezeit.

Volltext des Urteils des Bundesarbeitsgerichts: BAG, Urteil vom 6. Mai 2014 – 9 AZR 678/12

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VonRA Moegelin

Wahrung der Rügefrist wegen Betriebsrentenanpassung

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caution-old-dudeEin ausgeschiedener Arbeitnehmer der eine Betriebsrente bezieht, kann die Überprüfung von Anpassungen des ehemaligen Arbeitgebers verlangen.Nach § 16 Abs. 1 BetrAVG hat der Arbeitgeber alle drei Jahre eine Anpassung der laufenden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zu prüfen und hierüber nach billigem Ermessen zu entscheiden; dabei sind insbesondere die Belange des Versorgungsempfängers und die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers zu berücksichtigen. Das BAG hatte zu entscheiden, unter welchen Voraussetzungen eine fristwahrende Geltendmachung der Rüge zu erfolgen hat.

Der Kläger bezieht seit 1993 eine Betriebsrente. Die Beklagte passte die Betriebsrente des Klägers zum Anpassungsstichtag 1. Juli 2008 unter Berufung auf die reallohnbezogene Obergrenze auf monatlich 1.452,83 Euro an. Mit der per Telefax am 27. Juni 2011 sowie im Original am 28. Juni 2011 beim Arbeitsgericht eingegangenen und der Beklagten am 6. Juli 2011 zugestellten Klage hat der Kläger die Anpassungsentscheidung der Beklagten angegriffen und die Zahlung einer höheren Betriebsrente verlangt. Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben.

Die Revision der Beklagten hatte vor dem Dritten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg.

Hält der Versorgungsberechtigte die Anpassungsentscheidung des Arbeitgebers für unrichtig, muss er dies vor dem nächsten Anpassungsstichtag dem Arbeitgeber gegenüber wenigstens außergerichtlich geltend machen. Eine Klage, die zwar innerhalb dieser Frist bei Gericht eingeht, dem Arbeitgeber aber erst danach zugestellt wird, wahrt die Frist nicht. § 16 BetrAVG fordert einen tatsächlichen Zugang der Rüge beim Arbeitgeber innerhalb der Rügefrist (Bundesarbeitsgericht Urteil vom 21. Oktober 2014 – 3 AZR 690/12).

Der Kläger kann nicht verlangen, dass die Beklagte an ihn ab dem 1. Juli 2008 eine höhere Betriebsrente zahlt, da er die von der Beklagten zu diesem Anpassungsstichtag getroffene Anpassungsentscheidung nicht fristgerecht bis zum 30. Juni 2011 gerügt hat. Zwar ist die auf Zahlung einer höheren Betriebsrente gerichtete Klage vor Ablauf der Rügefrist beim Arbeitsgericht eingegangen. Sie wurde der Beklagten jedoch erst danach und damit verspätet zugestellt. Aus § 167 ZPO folgt nichts anderes. Die Auslegung von § 16 BetrAVG ergibt, dass die Rüge einer unzutreffenden Anpassungsentscheidung dem Arbeitgeber bis zum Ablauf des Tages zugegangen sein muss, der dem folgenden Anpassungsstichtag vorangeht. Der Arbeitgeber muss, um seine wirtschaftliche Lage zuverlässig beurteilen zu können, bereits am jeweils aktuellen Anpassungsstichtag wissen, ob und in wie vielen Fällen eine vorangegangene Anpassungsentscheidung gerügt wurde.

Volltext des Urteils des Bundesarbeitsgerichts: BAG, Urteil vom 21. Oktober 2014 – 3 AZR 690/12

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VonRA Moegelin

Vorzeitige Wiederbestellung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft

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ProfitChartCurve-Simpletutorials_netDer BGH hatte zu entscheiden, unter welchen Voraussetzungen ein Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft vorzeitig wiederbestellt werden kann.

Der Kläger ist Mitglied des Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft, an der zwei Familienstämme beteiligt sind. Am Tag vor der Hauptversammlung vom 7. Juli 2007 beschloss der Aufsichtsrat, zwei Vorstandsmitglieder, die einem Familienstamm zuzurechnen waren, unter „einvernehmlicher Aufhebung“ ihrer noch bis zum Januar 2010 laufenden Bestellung für jeweils fünf Jahre bis Juli 2012 erneut zu Vorstandsmitgliedern zu bestellen.

Der für diesen Fall streitentscheidende § 84 Abs. 1 AktG (Bestellung und Abberufung des Vorstands) ist wie folgt gefasst:

„Vorstandsmitglieder bestellt der Aufsichtsrat auf höchstens fünf Jahre. Eine wiederholte Bestellung oder Verlängerung der Amtszeit, jeweils für höchstens fünf Jahre, ist zulässig. Sie bedarf eines erneuten Aufsichtsratsbeschlusses, der frühestens ein Jahr vor Ablauf der bisherigen Amtszeit gefaßt werden kann. Nur bei einer Bestellung auf weniger als fünf Jahre kann eine Verlängerung der Amtszeit ohne neuen Aufsichtsratsbeschluß vorgesehen werden, sofern dadurch die gesamte Amtszeit nicht mehr als fünf Jahre beträgt. Dies gilt sinngemäß für den Anstellungsvertrag; er kann jedoch vorsehen, daß er für den Fall einer Verlängerung der Amtszeit bis zu deren Ablauf weitergilt.“

Der Kläger hat beantragt festzustellen, dass die Aufsichtsratsbeschlüsse über die Wiederbestellung der beiden Vorstandsmitglieder nichtig sind. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht hat ihr stattgegeben. Nach seinen Feststellungen wurden die Beschlüsse über die vorzeitige Wiederbestellung für fünf Jahre vor dem Hintergrund von Streitigkeiten zwischen den Familienstämmen gefasst, um für den am nächsten Tag von der Hauptversammlung zu wählenden neuen Aufsichtsrat „vollendete Tatsachen“ zu schaffen.

Die Wiederbestellung eines Vorstandsmitglieds für (höchstens) fünf Jahre nach einverständlicher Amtsniederlegung früher als ein Jahr vor Ablauf der ursprünglichen Bestelldauer ist grundsätzlich zulässig und stellt auch dann, wenn für diese Vorgehensweise keine besonderen Gründe gegeben sind, keine unzulässige Umgehung des § 84 Abs. 1 Satz 3 AktG dar (Bundesgerichtshof, Urteil vom 17. 7. 2012 – II ZR 55/11).

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass nach § 84 Abs. 1 AktG eine Wiederbestellung des Vorstandsmitglieds für (höchstens) fünf Jahre nach einverständlicher Amtsniederlegung auch ohne besondere Gründe zulässig ist.

Eine – unzulässige – Gesetzesumgehung liegt dann vor, wenn der Zweck einer zwingenden Rechtsnorm dadurch vereitelt wird, dass andere rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten missbräuchlich verwendet werden. Diese Voraussetzungen sieht der BGH in Bezug auf § 84 Abs. 1 Satz 3 AktG als nicht erfüllt an.

Insbesondere der Sinn und Zweck des § 84 Abs. 1 AktG lassen diese Möglichkeit zu. Entscheidend ist für den BGH danach, dass der Aufsichtsrat sich nicht länger als nach § 84 Abs. 1 AktG zulässig bindet und mindestens alle fünf Jahre über die Verlängerung der Amtszeit des Vorstandsmitglieds eine Entscheidung trifft. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Dass der neue Aufsichtsrat durch die Entscheidung gebunden wird, macht sie nicht unzulässig. Denn der Aufsichtsrat in seiner jeweiligen personellen Zusammensetzung hat kein Recht, den Vorstand ohne Rücksicht auf die Laufzeit der Bestellungen mit Mitgliedern seines Vertrauens zu besetzen. Gründe, aus denen die Wiederbestellung im konkreten Fall rechtsmissbräuchlich hätte sein können, waren nicht ersichtlich.

Volltext des Urteils des Bundesgerichtshofs: BGH, Urteil vom 17. Juli 2012 – II ZR 55/11

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VonRA Moegelin

Entschädigung wegen diskriminierender Kündigung

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No-discrimination-20110805Eine Vertriebsmitarbeiterin -geschieden mit zwei Kindern- wurde erneut schwanger. Am 4. Juli 2011 bescheinigte ihr Gynäkologe ein sofortiges, generelles Beschäftigungsverbot iSd. § 3 MuSchG. Ihr Arbeitgeber soll verärgert reagiert haben und sie gedrängt haben, weiter zu arbeiten, was sie aber ablehnte. Bei einer späteren Untersuchung wurde festgestellt, dass die Leibesfrucht abgestorben war. Für den damit notwendigen Eingriff wurde die Klägerin für den 15. Juli 2011 ins Krankenhaus einbestellt. Darüber informierte die Klägerin noch am 14. Juli 2011 ihren Arbeitgeber und teilte mit, dass sie nach dem Eingriff wieder zur Verfügung stehe. Dieser verfasste noch am 14. Juli 2011 eine ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 15. August 2011 „aus betriebsbedingten Gründen“ und ließ diese am Abend desselben Tages in den Briefkasten der Klägerin einwerfen.

Ihre hiergegen gerichtete Kündigungsschutzklage war erfolgreich. Für die Revision noch von Bedeutung war ihr Verlangen nach einer angemessenen Entschädigung gemäß § 15 AGG für die Kündigung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wurde, jedoch den Betrag von 3.000,00 Euro nicht unterschreiten darf.

§ 15 AGG regelt wie folgt: (1) Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. (2) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen.

Bei diskriminierenden Kündigungen ist unbeschadet des § 2 Abs. 4 AGG ein Anspruch auf den Ersatz immaterieller Schäden nach § 15 Abs. 2 AGG grundsätzlich möglich. Die merkmalsbezogene Belastung in Zusammenhang mit dem Ausspruch einer Kündigung führt jedenfalls dann zu einem Entschädigungsanspruch, wenn sie über das Normalmaß hinausgeht (BAG, Urteil vom 12. Dezember 2013 – 8 AZR 838/12).

Der Klägerin steht Schadensersatz wegen Diskriminierung nach § 15 Abs. 2 AGG in Höhe von 3.000,00 € zu. Die Kündigung war nach Ansicht des BAG rechtswidrig, da betriebsbedingte Gründe ersichtlich nur vorgeschoben waren und sie tatsächlich jedoch wegen der Schwangerschaft erfolgte.

Nach den Feststellungen des Gerichts war ihr Arbeitgeber verärgert über das Beschäftigungsverbot wegen der Schwangerschaft und drängte die Klägerin zur Weiterarbeit. Damit ist der Kausalzusammenhang zwischen benachteiligender Behandlung und dem Merkmal „Schwangerschaft/Geschlecht“ des AGG gegeben, da die Benachteiligung an die Schwangerschaft anknüpft bzw. durch diese motiviert ist. Ausreichend ist für einen Ersatzanspruch nach dem AGG ist bereits die Vermutung der Benachteiligung. Besteht eine derartige Vermutung für die Benachteiligung wegen eines Grundes baruhend auf einer diskriminieren Benachteiligung, trägt nach die andere Partei (hier: der Arbeitgeber) die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat. Dieser Beweislast konnte der Arbeitgeber nicht nachkommen.

Darüber hinaus ist die Kündigung „zur Unzeit“ erklärt worden. Die Art der Treuwidrigkeit ist wiederum geschlechtsspezifisch diskriminierend. Der Arbeitgeber hätte Rücksicht nehmen müssen und ihr die Kündigung noch vor dem ihm bekannten Krankenhausaufenthalt zukommen lassen müssen.

Volltext des Urteils des Bundesarbeitsgerichts BAG, Urteil vom 12. Dezember 2013 – 8 AZR 838/12

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VonRA Moegelin

Interessenausgleich bei betriebsbedingter Kündigung

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job_interviewIm Fall von betriebsbedingten Kündigungen können Arbeitgeber und Betriebsrat -so wie im hier einschlägigen Fall- einen Interessenausgleich einschließlich einer darin enthaltenen Auswahlrichtlinie in Form einer Betriebsvereinbarung schließen.

Der 1970 geborene, unverheiratete Kläger war seit 1998 als Werkzeugmacher bei der Insolvenzschuldnerin, einem Unternehmen der Automobilzulieferindustrie, beschäftigt. Im Dezember 2009 wurde über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Der Beklagte und der Betriebsrat schlossen am 10. Februar 2010 einen von beiden unterschriebenen Interessenausgleich, der eine Auswahlrichtlinie und eine Namensliste enthielt. Der Kläger wies nach dem Punkteschema der Auswahlrichtlinie zwei Sozialpunkte mehr als der Arbeitnehmer Y auf, der der Vergleichs- und Altersgruppe des Klägers zugeordnet war. Die Namensliste nannte dennoch den Namen des Klägers. Von den sieben Arbeitsverhältnissen der Vergleichs- und Altersgruppe des Klägers wurde nur sein Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 12. Februar 2010 ordentlich zum 31. Mai 2010 gekündigt. Mit der Klage wendet sich der Kläger gegen die Kündigung. Er meint, die soziale Auswahl sei grob fehlerhaft, weil der Beklagte sein Arbeitsverhältnis und nicht das des Arbeitnehmers Y gekündigt habe. Die Auswahlrichtlinie räume dem Arbeitgeber keinen Beurteilungsspielraum ein.

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Sie haben angenommen, die Kündigung verstoße gegen die Auswahlrichtlinie. Die Sozialauswahl sei deshalb grob fehlerhaft. Die Revision des Beklagten hatte vor dem Sechsten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg.

Arbeitgeber und Betriebsrat können Auswahlrichtlinien im Sinn von § 1 Abs. 4 KSchG später oder zeitgleich – etwa bei Abschluss eines Interessenausgleichs mit Namensliste – ändern. Setzen sich die Betriebsparteien in einem bestimmten Punkt gemeinsam über die Auswahlrichtlinie hinweg, gilt die Namensliste (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24. Oktober 2013 – 6 AZR 854/11).

Das BAG erachtet die Namensliste zumindest dann maßgeblich, wenn Interessenausgleich und Auswahlrichtlinie von denselben Betriebsparteien herrühren. Und das war hier der Fall. Hier sind sowohl der Interessenausgleich als Gesamtheit der getroffenen Regelungen als auch die Auswahlrichtlinie und die Namensliste im Besonderen von beiden Betriebsparteien unterschrieben. Die Auswahlrichtlinie ist deswegen schon nach ihrem Wortlaut eine schriftformgerechte Betriebsvereinbarung iSv. § 77 Abs. 2 Satz 1 BetrVG. Sie bezeichnet sich selbst als Auswahlrichtlinie iSv. § 1 Abs. 4 KSchG iVm. § 95 BetrVG, nach der die sozialen Gesichtspunkte bei der Auswahl von Mitarbeitern zu den beabsichtigten Kündigungen zu werten sind.

Der Kläger hätte deshalb Tatsachen darlegen müssen, aus denen sich bei objektiver Betrachtung ergibt, dass die Gewichtung der Sozialkriterien bei seiner Auswahl zur Kündigung anstelle des Arbeitnehmers Y im Auswahlergebnis grob fehlerhaft gemäß § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO war. Eine solche grobe Fehlerhaftigkeit war nach den Feststellungen des Gerichts weder dargelegt noch ersichtlich. Vielmehr weist der Arbeitnehmer Y nur den verhältnismäßig geringfügigen Unterschied von zwei Punkten nach dem von der Namensliste insoweit aufgehobenen Punktesystem der Auswahlrichtlinie auf. Während auf den Kläger am Stichtag des 1. Februar 2010 51 Punkte entfielen, wies der Arbeitnehmer Y 49 Punkte auf. Solche geringfügigen Unterschiede können eine grobe Fehlerhaftigkeit des Auswahlergebnisses iSv. § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO jedenfalls für sich genommen nicht begründen (vgl. BAG, Urteil vom 18. Oktober 2012 – 6 AZR 289/11 – Rn. 49) Das Gesetz räumt den Betriebsparteien sowohl in § 1 Abs. 4 Var. 2 KSchG als auch in § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO einen weiten Spielraum bei der Gewichtung der Sozialkriterien ein. Die Betriebsparteien wichen in der Namensliste daher übereinstimmend und wirksam von der Auswahlrichtlinie ab.

Mit der vom LAG gegebenen Begründung konnte das BAG der Klage daher nicht stattgeben und hat die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das LAG zurückverwiesen. Auf der Grundlage des bisher festgestellten Sachverhalts steht noch nicht fest, ob die Kündigung wirksam ist.

Volltext des Urteils des Bundesarbeitsgerichts: BAG, Urteil vom 24. Oktober 2013 – 6 AZR 854/11

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VonRA Moegelin

Ãœbertragung einer Direktversicherung nach BetrAVG

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Roadsign_old_folksEin Arbeitgeber hatte in 1993 eine Direktversicherung zur Altersvorsorge für seinen Arbeitnehmer abgeschlossen. In 2008 kam es zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Mit seiner Klage verlangt er von seinem Arbeitgeber die Fortführung der Direktversicherung durch ihn zu ermöglichen.

Das Landesarbeitsgericht hat – unter Zurückweisung der Berufung des Klägers – auf die Berufung des beklagten Arbeitgebers die Klage abgewiesen. Das BAG hat die Revision zurückgewiesen.

Das BetrAVG begründet keinen Anspruch des Arbeitnehmers darauf, dass er die versicherungsrechtliche Lösung wählt und die dazu erforderlichen Erklärungen gegenüber dem Lebensversicherungsunternehmen abgibt, um die beitragspflichtige Fortführung der Direktversicherung zu ermöglichen (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 12. Februar 2013 – 3 AZR 99/11).

Bei der Direktversicherung eröffnet das BetrAVG dem Arbeitgeber zwei Wege, um die hier vorliegenden unverfallbare Versorgungsanwartschaften aufrechtzuerhalten. Zum Einen kann die für den Versorgungsfall vorgesehene fiktive Vollleistung zeitanteilig gekürzt werden. Zum Anderen kann an Stelle dieser ratierlichen Berechnung nach der sogenannten arbeitsvertraglichen Lösung der Arbeitgeber unter den in § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 bis Nr. 3, Satz 3  BetrAVG geregelten Voraussetzungen die sog. versicherungsrechtliche Lösung wählen. Die Wahl der versicherungsrechtlichen Lösung bewirkt, dass sich der Anspruch des Arbeitnehmers im Verhältnis zum Arbeitgeber auf die von dem Versicherer aufgrund des Versicherungsvertrags zu erbringende Versicherungsleistung beschränkt, dh. auf die Leistung, die sich aus der beitragsfreien Direktversicherung ergibt. Im hier entschiedenen Fall scheitert die Wahlmöglichkeit des beklagten Arbeitgebers jedenfalls daran, dass nach den Versicherungsbedingungenn für die Direktversicherung zwischen der Beklagten und der Lebensversicherungs-AG die Überschussanteile entgegen § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 BetrAVG nicht vom Beginn der Versicherung an zur Verbesserung der Versicherungsleistung zu verwenden waren, sondern alljährlich mit den fälligen Beiträgen verrechnet wurden. Eine solche Verrechnung dient nicht der Verbesserung der Versicherungsleistung, sondern kommt ausschließlich dem Arbeitgeber zugute.

Ein Anspruch des Klägers auf Wahl der versicherungsrechtlichen Lösung kann auch nicht aus einer Vereinbarung der Parteien hergeleitet werden. Zwar ist es grundsätzlich möglich, dass sich der Arbeitgeber arbeitsvertraglich aufgrund der Versorgungszusage zur Wahl einer bestimmten Lösung verpflichtet. Da durch einzelvertragliche Vereinbarung nicht zuungunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden darf, kann eine solche Vereinbarung allerdings nur dann wirksam getroffen werden, wenn entweder die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2  BetrAVG erfüllt sind oder der Arbeitgeber sich zusätzlich verpflichtet, im Versorgungsfall für die mögliche Differenz zwischen den sich nach der versicherungsrechtlichen Lösung ergebenden Ansprüchen und denjenigen Ansprüchen des Arbeitnehmers, die sich aufgrund der sog. arbeitsrechtlichen Lösung ergeben, aufzukommen. Eine solche Verpflichtung ist die Beklagte nicht eingegangen. Entgegen der Auffassung des Klägers ergibt die Auslegung von Nr. 5a Satz 2 der Versorgungsrichtlinien nicht, dass die Beklagte unabhängig von den im BetrAVG geregelten Voraussetzungen verpflichtet wäre, dem Kläger durch die Wahl der versicherungsrechtlichen Lösung die beitragspflichtige Fortführung der Direktversicherung zu ermöglichen.

Letztendlich lässt sich auch aus dem Gesichtspunkt der nachwirkenden Fürsorgepflicht kein Anspruch auf Ermöglichung der Fortsetzung der Direktversicherung durch Wahl der versicherungsrechtlichen Lösung und Abgabe der dazu erforderlichen Erklärungen herleiten. Der im BetrAVG festgeschriebene Grundsatz der Entscheidungsfreiheit steht eine nachwirkende Pflicht gemäß 241 Abs. 2 BGB zur Wahl einer bestimmten Lösung grundsätzlich entgegen. Im Übrigen wäre die Beklagte zur Wahl der versicherungsrechtlichen Lösung auch deshalb nicht verpflichtet, weil die im BetrAVG geregelten Voraussetzungen für die Wahlmöglichkeit nicht gegeben sind.

Aus dem BetrAVG ergibt sich demnach kein Anspruch des Klägers darauf, dass die Beklagte die versicherungsrechtliche Lösung wählt und die dazu erforderlichen Erklärungen gegenüber der Lebensversicherungs-AG abgibt, um ihm die beitragspflichtige Fortführung der Direktversicherung zu ermöglichen. Auch der hilfsweise geltend gemachte Schadensersatzanspruch greift nicht durch, da die beitragsfreie Fortführung der Direktversicherung nicht pflichtwidrig gewesen ist.

Volltext des Urteils des Bundesarbeitsgerichts: BAG, Urteil vom 12. Februar 2013 – 3 AZR 99/11

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