Schlagwort-Archiv Interessenausgleich

VonRA Moegelin

Unterrichtung des Betriebsrats bei einer Massenentlassung

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1305531477Im vorliegenden Fall dem das BAG zur Entscheidung vorlag, ging es um die Frage der Heilung einer fehlerhaften Unterrichtung des Betriebsrats bei einer Massenentlassung. Ab einer Zahl von mehr als 5 20 Arbeitnehmern die in einem Betrieb von mehr als 20 Arbeitnehmern gekündigt werden sollen, spricht man von einer Massenentlassung.

Nach § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3 KSchG muss sich die Unterrichtung des Betriebsrats im Rahmen des Konsultationsverfahrens auch auf die betroffenen Berufsgruppen beziehen. Bei einer beabsichtigten Entlassung aller Arbeitnehmer wegen Stilllegung des Betriebs kann eine unterbliebene Unterrichtung über die Berufsgruppen jedoch durch eine abschließende Stellungnahme des Betriebsrats geheilt werden. Dieser muss zu entnehmen sein, dass der Betriebsrat seinen Beratungsanspruch als erfüllt ansieht.

Die Klägerin war als Produktionsmitarbeiterin beschäftigt. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen ihrer Arbeitgeberin beschloss der beklagte Insolvenzverwalter die Stilllegung des Betriebs und unterrichtete den Betriebsrat über die beabsichtigte Kündigung aller Arbeitnehmer im Rahmen einer Massenentlassung. Dabei teilte er die betroffenen Berufsgruppen nicht mit. Dennoch bestätigte der Betriebsrat in dem am 23. Dezember 2013 abgeschlossenen Interessenausgleich, dass er vollständig unterrichtet worden sei und das Konsultationsverfahren nach abschließender Beratung beendet sei. Nach Erstattung der Massenentlassungsanzeige kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit Schreiben vom 27. Dezember 2013 zum 31. März 2014. Mit ihrer Klage wendet sich die Klägerin gegen diese Kündigung. Sie meint, die Kündigung sei wegen fehlerhafter Durchführung des Konsultationsverfahrens unwirksam. Die Angaben bezüglich der Berufsgruppen hätten zwingend erteilt werden müssen.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die Revision der Klägerin hatte vor dem Sechsten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Dabei konnte offen bleiben, ob die fehlende Information über die Berufsgruppen im Falle einer Betriebsstilllegung überhaupt nachteilige Rechtsfolgen für den Arbeitgeber bewirken kann. Die fehlerhafte Unterrichtung ist hier jedenfalls durch die abschließende Stellungnahme des Betriebsrats im Interessenausgleich geheilt worden.

(Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 9. Juni 2016 – 6 AZR 405/15; Pressemitteilung Nr. 30/16)

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VonRA Moegelin

Interessenausgleich bei betriebsbedingter Kündigung

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job_interviewIm Fall von betriebsbedingten Kündigungen können Arbeitgeber und Betriebsrat -so wie im hier einschlägigen Fall- einen Interessenausgleich einschließlich einer darin enthaltenen Auswahlrichtlinie in Form einer Betriebsvereinbarung schließen.

Der 1970 geborene, unverheiratete Kläger war seit 1998 als Werkzeugmacher bei der Insolvenzschuldnerin, einem Unternehmen der Automobilzulieferindustrie, beschäftigt. Im Dezember 2009 wurde über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Der Beklagte und der Betriebsrat schlossen am 10. Februar 2010 einen von beiden unterschriebenen Interessenausgleich, der eine Auswahlrichtlinie und eine Namensliste enthielt. Der Kläger wies nach dem Punkteschema der Auswahlrichtlinie zwei Sozialpunkte mehr als der Arbeitnehmer Y auf, der der Vergleichs- und Altersgruppe des Klägers zugeordnet war. Die Namensliste nannte dennoch den Namen des Klägers. Von den sieben Arbeitsverhältnissen der Vergleichs- und Altersgruppe des Klägers wurde nur sein Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 12. Februar 2010 ordentlich zum 31. Mai 2010 gekündigt. Mit der Klage wendet sich der Kläger gegen die Kündigung. Er meint, die soziale Auswahl sei grob fehlerhaft, weil der Beklagte sein Arbeitsverhältnis und nicht das des Arbeitnehmers Y gekündigt habe. Die Auswahlrichtlinie räume dem Arbeitgeber keinen Beurteilungsspielraum ein.

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Sie haben angenommen, die Kündigung verstoße gegen die Auswahlrichtlinie. Die Sozialauswahl sei deshalb grob fehlerhaft. Die Revision des Beklagten hatte vor dem Sechsten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg.

Arbeitgeber und Betriebsrat können Auswahlrichtlinien im Sinn von § 1 Abs. 4 KSchG später oder zeitgleich – etwa bei Abschluss eines Interessenausgleichs mit Namensliste – ändern. Setzen sich die Betriebsparteien in einem bestimmten Punkt gemeinsam über die Auswahlrichtlinie hinweg, gilt die Namensliste (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24. Oktober 2013 – 6 AZR 854/11).

Das BAG erachtet die Namensliste zumindest dann maßgeblich, wenn Interessenausgleich und Auswahlrichtlinie von denselben Betriebsparteien herrühren. Und das war hier der Fall. Hier sind sowohl der Interessenausgleich als Gesamtheit der getroffenen Regelungen als auch die Auswahlrichtlinie und die Namensliste im Besonderen von beiden Betriebsparteien unterschrieben. Die Auswahlrichtlinie ist deswegen schon nach ihrem Wortlaut eine schriftformgerechte Betriebsvereinbarung iSv. § 77 Abs. 2 Satz 1 BetrVG. Sie bezeichnet sich selbst als Auswahlrichtlinie iSv. § 1 Abs. 4 KSchG iVm. § 95 BetrVG, nach der die sozialen Gesichtspunkte bei der Auswahl von Mitarbeitern zu den beabsichtigten Kündigungen zu werten sind.

Der Kläger hätte deshalb Tatsachen darlegen müssen, aus denen sich bei objektiver Betrachtung ergibt, dass die Gewichtung der Sozialkriterien bei seiner Auswahl zur Kündigung anstelle des Arbeitnehmers Y im Auswahlergebnis grob fehlerhaft gemäß § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO war. Eine solche grobe Fehlerhaftigkeit war nach den Feststellungen des Gerichts weder dargelegt noch ersichtlich. Vielmehr weist der Arbeitnehmer Y nur den verhältnismäßig geringfügigen Unterschied von zwei Punkten nach dem von der Namensliste insoweit aufgehobenen Punktesystem der Auswahlrichtlinie auf. Während auf den Kläger am Stichtag des 1. Februar 2010 51 Punkte entfielen, wies der Arbeitnehmer Y 49 Punkte auf. Solche geringfügigen Unterschiede können eine grobe Fehlerhaftigkeit des Auswahlergebnisses iSv. § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO jedenfalls für sich genommen nicht begründen (vgl. BAG, Urteil vom 18. Oktober 2012 – 6 AZR 289/11 – Rn. 49) Das Gesetz räumt den Betriebsparteien sowohl in § 1 Abs. 4 Var. 2 KSchG als auch in § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO einen weiten Spielraum bei der Gewichtung der Sozialkriterien ein. Die Betriebsparteien wichen in der Namensliste daher übereinstimmend und wirksam von der Auswahlrichtlinie ab.

Mit der vom LAG gegebenen Begründung konnte das BAG der Klage daher nicht stattgeben und hat die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das LAG zurückverwiesen. Auf der Grundlage des bisher festgestellten Sachverhalts steht noch nicht fest, ob die Kündigung wirksam ist.

Volltext des Urteils des Bundesarbeitsgerichts: BAG, Urteil vom 24. Oktober 2013 – 6 AZR 854/11

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