Schlagwort-Archiv Kündigung

VonRA Moegelin

Unvollständige Unterrichtung über einen Betriebsübergang

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004-spreadsheet-documentDas Landesarbeitsgericht Düsseldorf hat entschieden, dass die unvollständige Unterrichtung über einen Betriebsübergang dazu führt, dass die Widerspruchsfrist nicht zu laufen beginnt.

Die Klägerin war seit dem 01.09.2004 bei der Beklagten, einem Gastronomie- und Cateringunternehmen als Sachbearbeiterin Administration beschäftigt und zwar in der Gastronomie eines Konzerthauses. Mit Schreiben 12.09.2014 informierte die Beklagte die Klägerin darüber, dass ihr Arbeitsverhältnis zum 01.09.2014 auf einen neuen Betreiber übergegangen sei und wies darin auf das Recht zum Widerspruch gegen den Betriebsübergang binnen einen Monats hin. Die Klägerin widersprach zunächst nicht und setzte ihre Tätigkeit bei dem neuen Betreiber fort. Dieser schloss die Gastronomie im Konzerthaus am 31.03.2015 und kündigte das Arbeitsverhältnis der Klägerin am 06.03.2015 zum 31.05.2015. Mit Schreiben vom 24.04.2015 widersprach die Klägerin gegenüber der Beklagten dem Betriebsübergang auf den neuen Betreiber. Daraufhin kündigte die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 28.04.2015 zum nächstzulässigen Termin. In der Berufungsinstanz stritten die Parteien nur noch darüber, ob das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit der Beklagten über den 01.09.2014 fortbestand und erst zum 31.08.2015 beendet worden ist.

Mit diesem Begehren hatte die Klägerin Erfolg. Die 1. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf ist ebenso wie das Arbeitsgericht Essen davon ausgegangen, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit der Beklagten erst durch deren Kündigung zum 31.08.2015 beendet worden ist. Der nachträgliche Widerspruch gegen den Betriebsübergang war trotz Ablauf der dafür vorgesehenen Monatsfrist wirksam und führte zum Fortbestand des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten über den 01.09.2014 hinaus. Die Widerspruchsfrist hatte nicht zu laufen begonnen, weil die Unterrichtung über den Betriebsübergang unvollständig war. Obwohl der Pachtvertrag, in den der neue Betreiber eintrat, bis zum 31.12.2014 befristet war, hieß es im Widerspruchsschreiben vom 12.09.2014, dass bis auf weiteres eine unveränderte Fortführung des Betriebs in dem Konzerthaus vorgesehen war. Dadurch wurde der Eindruck einer längerfristigen Beschäftigungsmöglichkeit erweckt, die so noch nicht gesichert war. Allenfalls bestand am 12.09.2014 ein dreimonatiger Verlängerungsvertrag des Pachtvertrags oder aber – so die Klägerin im Termin – selbst dieser war noch nicht geschlossen. Von all dem war in dem Informationsschreiben nicht die Rede. Trotz des Zeitablaufs hatte die Klägerin ihr Widerspruchsrecht nicht verwirkt und dessen Ausübung war nicht treuwidrig. Auf die Kündigung des neuen Betreibers zum 31.05.2015 konnte die Beklagte sich nicht berufen.

Das Landesarbeitsgericht hat die Revision für die Beklagte zugelassen.

(LAG Düsseldorf, Urteil vom 14.10.2015 – 1 Sa 733/15)

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VonRA Moegelin

Altersdiskriminierung durch Staffelung der Kündigungsfrist

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old_man01Das BAG hatte zu entscheiden, ob die Staffelung der Kündigungsfristen des § 622 Abs. 1 BGB das Verbot der mittelbaren Altersdiskriminierung verletzt. Die vom Arbeitgeber einzuhaltende gesetzliche Kündigungsfrist des § 622 Abs. 1 BGB beträgt vier Wochen zum Fünfzehnten oder Ende eines Kalendermonats und verlängert sich gemäß § 622 Abs. 2 Satz 1 BGB bei längerer Betriebszugehörigkeit in mehreren Stufen.

Die Beklagte betreibt eine Golfsportanlage und beschäftigt nicht mehr als zehn Arbeitnehmer. Das Kündigungsschutzgesetz fand auf das Arbeitsverhältnis der Parteien darum keine Anwendung. Die 1983 geborene Klägerin war seit Juli 2008 als Aushilfe bei der Beklagten beschäftigt. Mit Schreiben vom 20. Dezember 2011 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der Kündigungsfrist des § 622 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB zum 31. Januar 2012. Die Klägerin zieht die prinzipielle Wirksamkeit dieser Kündigung nicht in Zweifel. Sie ist jedoch der Auffassung, die Staffelung der Kündigungsfristen unter Berücksichtigung der Betriebszugehörigkeit begünstige ältere Arbeitnehmer, weil langjährig beschäftigte Arbeitnehmer naturgemäß älter seien. Jüngere Arbeitnehmer wie sie würden dagegen benachteiligt. Darin liege eine von der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (RL 2000/78/EG) untersagte mittelbare Diskriminierung wegen des Alters. Dies habe zur Folge, dass die in § 622 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 BGB vorgesehene längst mögliche Kündigungsfrist von sieben Monaten zum Ende eines Kalendermonats für alle Arbeitnehmer unabhängig von der tatsächlichen Dauer der Betriebszugehörigkeit gelten müsse. Darum habe das Arbeitsverhältnis erst mit dem 31. Juli 2012 geendet.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Auch die Revision der Klägerin hatte vor dem Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg.

Die vom Arbeitgeber einzuhaltende gesetzliche Kündigungsfrist des § 622 Abs. 1 BGB beträgt vier Wochen zum Fünfzehnten oder Ende eines Kalendermonats und verlängert sich gemäß § 622 Abs. 2 Satz 1 BGB bei längerer Betriebszugehörigkeit in mehreren Stufen. Diese Staffelung der Kündigungsfristen verletzt das Verbot der mittelbaren Altersdiskriminierung nicht (BAG, Urteil vom 18. September 2014 – 6 AZR 636/13).

Zwar führt die Differenzierung der Kündigungsfrist nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit zu einer mittelbaren Benachteiligung jüngerer Arbeitnehmer. Die Verlängerung der Kündigungsfristen durch § 622 Abs. 2 Satz 1 BGB verfolgt jedoch das rechtmäßige Ziel, länger beschäftigten und damit betriebstreuen, typischerweise älteren Arbeitnehmern durch längere Kündigungsfristen einen verbesserten Kündigungsschutz zu gewähren. Zur Erreichung dieses Ziels ist die Verlängerung auch in ihrer konkreten Staffelung angemessen und erforderlich iSd. Art. 2 Abs. 2 Buchst. b Ziff. i) RL 2000/78/EG. Darum liegt keine mittelbare Diskriminierung wegen des Alters vor.

(vgl. Pressemitteilung Nr. 44/14 des BAG)

Volltext des Urteils des Bundesarbeitsgericht Urteil vom 18. September 2014 – BAG 6 AZR 636/13

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VonRA Moegelin

Diskriminierende Kündigung einer Schwangeren durch Anwalt

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molumen-pregnancy-silhouet-1Auch einem Rechtsanwalt kann es passieren, dass er rechtlich unhaltbare Kündigungen ausspricht. Sogar im zweiten Anlauf hat es für einen Anwalt mit der Kündigung seiner schwangeren Angestellten nicht geklappt.

Der beklagte Rechtsanwalt, hatte die bei ihm beschäftigte Klägerin bereits während der Probezeit gekündigt. Diese Kündigung hatte das Arbeitsgericht in einem vorangegangenen Kündigungsschutzverfahren nach § 9 MuSchG für unwirksam erklärt, weil die Klägerin ihrem Arbeitgeber gleich nach der Kündigung unter Vorlage des Mutterpasses mitgeteilt hatte, dass sie schwanger sei und der Arbeitgeber keine Zustimmung der Arbeitsschutzbehörde zur Kündigung eingeholt hatte. Einige Monate später kündigte der Beklagte ein weiteres Mal ohne Zustimmung der Arbeitsschutzbehörde.

Das LAG hat der Kündigungsschutzklage stattgegeben. Die Kündigung einer schwangeren Frau ohne Zustimmung der Arbeitsschutzbehörde kann eine verbotene Benachteiligung wegen des Geschlechts gemäß § 1 AGG darstellen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer Geldentschädigung verpflichten (Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16.09.2015 – 23 Sa 1045/15).

Durch die erneute Kündigung sei die Klägerin wegen ihres Geschlechts benachteiligt. Der Einwand des Arbeitgebers, er habe angenommen, die Schwangerschaft sei bereits beendet, hat das Gericht für unberechtigt gehalten. Es hätten keine Anhaltspunkte für ein Ende der Schwangerschaft vorgelegen; auch sei die Klägerin nicht verpflichtet gewesen, den Arbeitgeber stets von dem Fortbestand der Schwangerschaft in Kenntnis zu setzen.

Das Landesarbeitsgericht hat die Revision an das Bundesarbeitsgericht nicht zugelassen. (vgl. Pressemitteilung Nr. 28/15 vom 16.09.2015)

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VonRA Moegelin

Urlaubsgewährung nach fristloser Kündigung

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1313315951Dem Bundesarbeitsgericht lag der Fall eines Arbeitnehmers zugrunde, der bei seinem Arbeitgeber dem 1. Oktober 1987 beschäftigt war. Mit Schreiben vom 19. Mai 2011 kündigte der Arbeitgeber (die spätere Beklagte) das Arbeitsverhältnis außerordentlich mit sofortiger Wirkung und hilfsweise fristgemäß zum 31. Dezember 2011. Im Kündigungsschreiben heißt es: „Im Falle der Wirksamkeit der hilfsweise fristgemäßen Kündigung werden Sie mit sofortiger Wirkung unter Anrechnung sämtlicher Urlaubs- und Überstundenansprüche unwiderruflich von der Erbringung Ihrer Arbeitsleistung freigestellt.“ Im Kündigungsrechtsstreit schlossen die Parteien einen Vergleich, in dem sie die wechselseitigen Ansprüche regelten.

Die gegen den Vergleich gerichtete Klage hat das Arbeitsgericht abgewiesen, mit der der Kläger die Abgeltung von 15,5 Urlaubstagen verlangt. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Revision der Beklagten hatte vor dem Neunten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg.

Kündigt ein Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis fristlos sowie hilfsweise ordentlich unter Wahrung der Kündigungsfrist und erklärt er im Kündigungsschreiben, dass der Arbeitnehmer für den Fall der Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung unter Anrechnung der Urlaubsansprüche von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt wird, wird der Anspruch des Arbeitnehmers auf bezahlten Erholungsurlaub nicht erfüllt, wenn die außerordentliche Kündigung unwirksam ist. Nach § 1 BUrlG setzt die Erfüllung des Anspruchs auf Erholungsurlaub neben der Freistellung von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung auch die Zahlung der Vergütung voraus. Deshalb gewährt ein Arbeitgeber durch die Freistellungserklärung in einem Kündigungsschreiben nur dann wirksam Urlaub, wenn er dem Arbeitnehmer die Urlaubsvergütung vor Antritt des Urlaubs zahlt oder vorbehaltlos zusagt.

Zwar hat die Beklagte mit der Freistellungserklärung im Kündigungsschreiben den Anspruch des Klägers auf bezahlten Erholungsurlaub mangels einer vorbehaltlosen Zusage von Urlaubsentgelt nicht erfüllt. Die Klage war jedoch abzuweisen, weil die Parteien in dem vor dem Arbeitsgericht geschlossenen Vergleich ihre Ansprüche abschließend regelten.

(vgl. Pressemitteilung Nr. 2/15 des BAG)

Volltext des Urteils des Bundesarbeitsgerichts vom 10. Februar 2015 – BAG 9 AZR 455/13

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VonRA Moegelin

Kündigung im Kleinbetrieb wegen Altersdiskriminierung

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caution-old-dudeDie Maßstäbe an eine „Diskriminierung“ werden heutzutage sehr niedrig angesetzt. So sei es diskriminierend für Frauen, wenn sie in Vorständen, Aufsichtsräten oder wo auch immer nicht mit mindestens 50 % vertreten sind. Und ein Arbeitgeber diskriminiert seinen Arbeitnehmer allen Ernstes wegen seines Alters, wenn er anmerkt, Betreffender sei „inzwischen pensionsberechtigt“. So sieht es das BAG in seiner Entscheidung, dem folgender Fall zugrunde lag.

Die am 20. Januar 1950 geborene Klägerin, war bei der beklagten Gemeinschaftspraxis seit dem 16. Dezember 1991 als Arzthelferin beschäftigt. In der Praxis waren im Jahr 2013 noch vier jüngere Arbeitnehmerinnen tätig. Die Klägerin war zuletzt überwiegend im Labor eingesetzt. Die Gesellschafter der Beklagten kündigten ihr Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 24. Mai 2013 zum 31. Dezember 2013 wegen Veränderungen im Laborbereich, welche eine Umstrukturierung der Praxis erforderten. Dabei führten sie an, die Klägerin sei „inzwischen pensionsberechtigt“. Den anderen Beschäftigten wurde nicht gekündigt. Mit ihrer Klage wendet sich die Klägerin gegen die Wirksamkeit der Kündigung und verlangt eine Entschädigung wegen Altersdiskriminierung. Das Kündigungsschreiben lasse eine Benachteiligung wegen ihres Alters vermuten. Nach Darstellung der Beklagten sollte die Kündigung lediglich freundlich und verbindlich formuliert werden. Die Kündigung sei wegen eines zu erwartenden Entfalls von 70 bis 80 % der abrechenbaren Laborleistungen erfolgt. Die Klägerin sei mit den übrigen Arzthelferinnen nicht vergleichbar, weil sie schlechter qualifiziert sei. Deshalb sei ihr gekündigt worden.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die Revision der Klägerin hatte jedoch Erfolg.

Die Kündigung verstößt nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG und sei deshalb unwirksam.

Ist bei einer Kündigung gegenüber einer Arbeitnehmerin aufgrund von ihr vorgetragener Indizien eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Lebensalters nach § 22 AGG zu vermuten und gelingt es dem Arbeitgeber nicht, diese Vermutung zu widerlegen, ist die Kündigung auch im Kleinbetrieb unwirksam (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23. Juli 2015 – 6 AZR 457/14).

Die Beklagte habe keinen ausreichenden Beweis dafür angeboten, dass die wegen der Erwähnung der „Pensionsberechtigung“ zu vermutende Altersdiskriminierung nicht vorliegt. Ob und ggf. in welcher Höhe der Klägerin der geltend gemachte Entschädigungsanspruch zusteht, kann noch nicht festgestellt werden. Die Sache wurde insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen (vgl. Pressemitteilung des BAG Nr. 37/15).

Dieses Urteil durchbricht den Grundsatz, dass ein Arbeitgeber im Kleinbetrieb eine Kündigung unter erleichterten Bedingungen erklären kann. Das KSchG gilt nicht, so dass lediglich Formvorschriften und Fristen zu beachten sind. Die Kündigung muss nicht begründet werden. Hätte der Arbeitgeber auf den Passus der „Pensionsberechtigung“ unterlassen, wäre das Urteil wohl anders ausgefallen, da die Arbeitnehmerin eine Diskriminierung wohl kaum hätte nachweisen können. Unabhängig davon befremdet die Wertung des BAG, wonach der Hinweis auf die „Pensionsberechtigung“ diskriminierend sein soll. Zum Zeitpunkt der Kündigung war die Arbeitnehmerin 63 Jahre alt. Die Pensionsberechtigung stellt sich daher als Tatsache dar. Es bedarf schon spitzfindiger formalistischer Verrenkungen, um die Darlegung einer Tatsache als diskriminierend hinzustellen. Im besten Fall kann es als Anknüpfungstatsache dienen, wonach ein Arbeitnehmer gehalten ist weitergehenden Vortrag zu leisten, der darauf hindeutet, dass die Pensionsberechtigung zum Anlass genommen wurde, allein wegen des aus Sicht des Arbeitgebers zu hohen Alters zu kündigen. Stattdessen obliegt es nach Ansicht des BAG dem Arbeitgeber zu beweisen, dass die Kündigung nicht allein wegen des Lebensalters erfolgte.

Die Auslegung des Begriffs „Diskriminierung“ geht also zu Lasten des Arbeitgebers, ebenso wie Beweislast zur Vermutung einer Diskriminierung, was gemäß § 22 AGG vom Gesetzgeber gewollt ist. Obendrein sieht das BAG als Rechtsfolge des Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG nicht nur Schadensersatz gemäß § 15, sondern auch die Unwirksamkeit der Kündigung. Das steht im klaren Widerspruch zu § 15 Abs. 6 AGG wonach ein Verstoß des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 keinen Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses begründet. Sinngemäß kann der Verstoß ebensowenig die Auflösung eines Beschäftigungsverhältnisses durch eine Kündigung verhindern. Grundsätzlich kann eine Kündigung im Kleinbetrieb wegen Sittenwidrigkeit und Verstoßes gegen das Maßregelungsverbot unwirksam sein. Das BAG hat sich jedoch ausdrücklich auf § 7 AGG bezogen. Klarheit wird es geben, sobald die Entscheidung im Volltext vorliegt.

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VonRA Moegelin

Kündigung wegen Herstellung privater Raubkopien

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ninja-deskDas BAG hatte über die außerordentliche Kündigung eines „IT-Verantwortlichen“ zu entscheiden, bei dessen Arbeitgeber es sich um das Land Sachsen-Anhalt handelt. Wie der Spiegel berichtet, war er beim Oberlandesgericht Naumburg beschäftigt. Kündigungsgrund war das unbefugte Kopieren auf dienstliche DVD- bzw. CD-Rohlinge von privat beschafften Bild- und Tonträgern während der Arbeitszeit unter Verwendung des dienstlichen Computers zum eigenen und kollegialen Gebrauch.

Zu den Aufgaben des IT-Verantwortlichen (dem späteren Kläger) gehörte unter anderem die Verwaltung des „ADV-Depots“. Mit ihr war die Bestellung des für die Datenverarbeitung benötigten Zubehörs – etwa von Datensicherungsbändern, CDs und DVDs – verbunden. Anfang März 2013 räumte der Leiter der Wachtmeisterei in einem Personalgespräch ein, den dienstlichen Farbdrucker seit längerer Zeit zur Herstellung sog. „CD-Cover“ genutzt zu haben. Bei einer Mitte März 2013 erfolgten Geschäftsprüfung wurden auf den Festplatten eines vom IT-Verantwortlichen (dem späteren Kläger) genutzten Rechners mehr als 6.400 E-Book-, Bild-, Audio- und Videodateien vorgefunden. Zudem war ein Programm installiert, das geeignet war, den Kopierschutz der Hersteller zu umgehen. Es stellte sich heraus, dass in der Zeit von Oktober 2010 bis März 2013 über 1.100 DVDs bearbeitet worden waren. Im gleichen Zeitraum waren etwa gleich viele DVD-Rohlinge von Seiten des Gerichts bestellt und geliefert worden. Bei näherer Untersuchung und Auswertung der vom Kläger benutzten Festplatten wurden Anfang April 2013 weitere (Audio-)Dateien aufgefunden. Der Kläger ließ sich im Verlauf der Ermittlungen dahin ein, alles, was auf dem Rechner bezüglich der DVDs sei, habe er „gemacht“. Er habe für andere Mitarbeiter „natürlich auch kopiert“. Die Äußerungen nahm er einige Tage später „ausdrücklich zurück“. Mit Schreiben vom 18. April 2013 erklärte das beklagte Land die außerordentliche fristlose, mit Schreiben vom 13. Mai 2013 hilfsweise die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses.

Die Vorinstanzen haben der Kündigungsschutzklage des Klägers stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Kündigungen seien schon deshalb unwirksam, weil unklar sei, welchen Tatbeitrag gerade der Kläger zu den in Rede stehenden Kopier- und Brennvorgängen geleistet habe. Zudem habe das beklagte Land durch lediglich eigene Ermittlungen – ohne Einschaltung der Strafverfolgungsbehörden – weder eine umfassende, den Kläger möglicherweise entlastende Aufklärung leisten, noch den Beginn der zweiwöchigen Frist für die Erklärung einer außerordentlichen Kündigung hemmen können. Im Ãœbrigen habe es gegenüber den anderen Beteiligten keine vergleichbaren Maßnahmen ergriffen und den Personalrat nicht ordnungsgemäß unterrichtet.

Die Revision des beklagten Landes hatte vor dem Bundesarbeitsgericht Erfolg. Unter Aufhebung des Urteils wurde die Sache zur weiteren Aufklärung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Eine (fristlose) Kündigung kommt auch dann in Betracht, wenn der Kläger nicht alle fraglichen Handlungen selbst vorgenommen, sondern dabei mit anderen Bediensteten zusammengewirkt oder das Herstellen von „Raubkopien“ durch diese bewusst ermöglicht hat. Aus dem Umstand, dass es ihm erlaubt gewesen sein mag, seinen dienstlichen Rechner für bestimmte andere private Zwecke zu nutzen, konnte er nicht schließen, ihm seien die behaupteten Kopier- und Brennvorgänge gestattet.

Die Anhörung des Personalrats war nach Ansicht des BAG ordnungsgemäß.

Die fristlose Kündigung ist ebenso wenig deshalb unwirksam, weil das beklagte Land Ermittlungen zunächst selbst angestellt und nicht sofort die Strafverfolgungsbehörden eingeschaltet hat. Ein solches Vorgehen ist dem Arbeitgeber grundsätzlich unbenommen. Solange er die Ermittlungen zügig durchführt, wird auch dadurch der Beginn der Frist des § 626 Abs. 2 BGB gehemmt.

Nicht entscheidend ist, welche Maßnahmen das beklagte Land gegenüber den anderen Bediensteten ergriffen hat. Der Gleichbehandlungsgrundsatz findet im Rahmen verhaltensbedingter Kündigungen grundsätzlich keine Anwendung. Im Übrigen ist nicht festgestellt, inwieweit sich die Sachverhalte unter Berücksichtigung der Einzelheiten und der Stellung der anderen Beschäftigten wirklich gleichen.

(Bundesarbeitsgericht Urteil vom 16. Juli 2015 – 2 AZR 85/15 / Pressemitteilung Nr. 36/15).

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