Schlagwort-Archiv Kündigung

VonRA Moegelin

Kündigung wegen Brötchen-Diebstahl

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pitr-bakery-bunsDie Entwendung von acht halben Brötchen veranlasste den Arbeitgeber -einen Krankenhausbetreiber- eine bei ihm angestellte Krankenschwester zu entlassen. Sie verfrühstückte die Brötchen mit ihren Kollegen. Betreffende Krankenschwester war ordentlich unkündbar, so dass nur eine Abmahnung oder eine außerordentliche Kündigung möglich war. Ihr Arbeitgeber entschied sich für die harte Variante und zwar die Kündigung. Der hiergegen gerichteten Kündigungsschutzklage gab das Arbeitsgericht Hamburg statt (Urteil des ArbG Hamburg – 27 Ca 87/15, vgl. Pressemitteilung vom 10.07.2015).

Dem lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im Pausenraum wurden im Kühlschrank belegte Brötchen gelagert, welche für externe Mitarbeiter (z.B. Rettungssanitäter) bestimmt waren. Eines Morgens entnahm die Krankenschwester und spätere Klägerin acht halbe belegte Brötchenhälften dem Kühlschrank, und stellte diese in den eigenen Pausenraum. Dort wurden sie von den eigenen Mitarbeitern verzehrt, jedenfalls eine Hälfte auch durch die Klägerin.

Dem Arbeitgeber gelangte die Sache zur Kenntnis. Bei einer Anhörung hierzu räumte die Krankenschwester die Entwendung umgehend ein, weil ihr eigenes Essen aus dem Kühlschrank gestohlen worden sei. Der Arbeitgeber kündigte ihr fristlos, hilfsweise mit sozialer Auslauffrist. Sie war seit 1991 angestellt. In ihren knapp 23 Dienstjahren ist es nicht zu Beanstandungen gekommen.

Das Gericht stellte klar, dass es sich bei der Entwendung der acht belegten Brötchenhälften um einen Diebstahl geringwertiger Sachen handelt, der grundsätzlich eine außerordentliche Kündigung rechtfertigt. Auch bei Handlungen, die gegen das Eigentum des Arbeitgebers gerichtet sind, sei eine Abmahnung nicht grundsätzlich entbehrlich. Vielmehr sei in Anbetracht der Umstände des Einzelfalls eine Prüfung erforderlich, ob durch eine Abmahnung verloren gegangenes Vertrauen wieder hergestellt werden kann. Dabei sei zugunsten des Arbeitnehmers zu berücksichtigen, ob er bei seiner Vertragspflichtverletzung offen oder heimlich gehandelt hat und wie er – angesprochen auf seine Verfehlung – mit den Vorwürfen umgeht. Das Arbeitsgericht hat es für die Krankenschwester positiv bewertet, dass sie die Verfehlung zugegeben hat. Zuvor hätte daher eine Abmahnung als milderes Mittel und zur Objektivierung der negativen Prognose ausgesprochen werden müssen. Die Kündigung stellte sich für das Arbeitsgericht Hamburg im Ergebnis als unverhältnismäßig und daher rechtswidrig dar.

Das Gericht orientiert sich an der sogenannten „Emmely“- Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG 2 AZR 541/09). Auch hier ging es um einen Diebstahl, bzw. eine Unterschlagung von Sachen geringen Wertes. In seiner Entscheidung hat das BAG klargestellt, dass eine außerordentliche Kündigung grundsätzlich zulässig ist. Es bedarf jedoch stets einer umfassenden, auf den Einzelfall bezogenen Prüfung und Interessenabwägung dahingehend, ob dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses trotz der Vertrauensstörung zumutbar ist oder nicht. Im „Emmely“-Fall hat die Interessenabwägung des BAG trotz der Straftat ergeben, dass eine Abmahnung statt einer Kündigung zu erteilen gewesen wäre.

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VonRA Moegelin

Kläger mit Haftbefehl gesucht

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johnny-automatic-vacant-prison-cellDas LAG BW hatte über eine Kündigungsschutzklage zu entscheiden, bei der es insgesamt zu 8 (acht) Wechseln des Prozessbevollmächtigten auf Klägerseite kam. Gegen den Kläger war während seiner Beschäftigung bei der Beklagten ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren wegen zahlreicher Vermögensdelikte anhängig, weshalb auf Antrag der Staatsanwaltschaft vom zuständigen Amtsgericht Haftbefehl gegen den Kläger erlassen wurde, der auch zum Zeitpunkt der Klageerhebung beim Arbeitsgericht bestand. Der Kläger wurde auf Grundlage dieses Haftbefehls aber erst nach Klageerhebung festgenommen und in Untersuchungshaft genommen. Im Laufe des arbeitsgerichtlichen Rechtsstreits wurde er wieder auf freien Fuß gesetzt.

Die beklagte Arbeitgeberin hatte Schwierigkeiten, dem Kläger die Kündigung zukommen zu lassen, unter anderem, weil der Briefkasten zugeklebt und das Namensschild des Klägers entfernt worden war. Zudem teilte der Kläger schon während des Arbeitsverhältnisses vier Adressen mit. Daher bestritt die Beklagte, dass der Kläger unter den bezeichneten Anschriften der Klageschrift wohnhaft sei.

Ausweislich der eingeholten Auskunft aus dem elektronischen Meldeportal war der Kläger unter der von ihm in der Klageschrift angegebenen Adresse weder als gemeldet, noch als gemeldet gewesen, verzeichnet.

Die Klage ist bereits unzulässig, weil der Kläger durchgehend unter falscher Adressangabe prozessierte. Seine Berufung war zurückzuweisen. Eine ursprünglich mit richtiger Adressangabe und eine damit zulässig eingelegte Klage wird nicht deshalb unzulässig, weil der Kläger, ohne dies dem Gericht mitzuteilen, einen Adresswechsel vorgenommen hat. Dies kann aber nicht auf einen Fall übertragen werden, in dem die Klage möglicherweise ursprünglich zulässig ohne richtige Adressangabe eingelegt wurde, der Kläger aber auch dann noch im Verborgenen bleibt, wenn der anerkannte triftige Grund für das Verbergen in Wegfall geraten ist (Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg. Urteil vom 20. Mai 2015 – 4 Sa 65/14).

Das LAG hält es für möglich, dass die Verschleierung der richtigen Anschrift durch den Kläger seinen Grund in dem zum Zeitpunkt der Klageerhebung bereits bestehenden Haftbefehl hatte. Dieser Grund dürfte aber spätestens seit der tatsächlichen Verhaftung entfallen sein. Der Kläger war dann wieder auf freiem Fuß, hat seine korrekte Anschrift aber weiterhin nicht offenbart.

Enthält schon die Klageschrift keine ladungsfähige Anschrift, ist die Klage jedenfalls dann unzulässig, wenn die Angabe der Adresse ohne Weiteres möglich ist und dieser Adressangabe kein schützenswertes Interesse entgegensteht. Die Notwendigkeit der Adressangabe in der Klageschrift ergibt sich auch aus der Notwendigkeit der Ermöglichung einer Kostenbeitreibung bei Kostenpflicht des Klägers im Unterliegensfalle. Der Kläger hat durch seine Adressangabe zu dokumentieren, dass er sich auch den möglichen Folgen einer Kostenpflicht stellen wird. Denn legte es ein Kläger darauf an, den Prozess aus dem Verborgenen zu führen, um sich dadurch einer möglichen Kostenpflicht zu entziehen, müsste von einem rechtsmissbräuchlichen Verhalten ausgegangen werden. Mit „aus dem Verborgenen“ gleichzusetzen ist die unzutreffende Angabe der Anschrift, die auf eine Rüge nicht behoben wird. Die Angabe einer ladungsfähigen Anschrift kann jedoch nicht verlangt werden, wenn sich der Kläger bei ihrer Nennung der konkreten Gefahr einer Verhaftung aussetzen würde, die Identität des Klägers feststeht und die Möglichkeit einer Zustellung an einen Zustellungs- oder Prozessbevollmächtigten sichergestellt ist. Dies ergibt sich aus dem Gebot des effektiven Rechtschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG unter Berücksichtigung dessen, dass es nach § 258 Abs. 5 StGB niemandem zugemutet werden kann, sich selbst der Strafvollziehung auszuliefern. Dieses schützenswerte Interesse entfällt aber mit der erfolgten Verhaftung.

Volltext des Urteils des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 20. Mai 2015: LAG BW 4 Sa 65/14

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VonRA Moegelin

Kündigung eines rechten Kindergärtners rechtens

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Swing-33Ein Horterzieher erhielt die fristlose Kündigung wegen seiner rechtsextremistischen Neigung. Nach den richterlichen Feststellungen soll er bei  Facebook eine gewalttätige Szene nachgestellt haben, wobei er  Kinderspielzeug aus dem Hort sowie einen Baseballschläger aus der Hooliganszene verwendet und dabei Kleidung der Marke „Thor Steinar“ getragen haben soll. In seinem Spind ist betreffender Baseballschläger gefunden worden. Nachweislich hat der Erzieher an NPD-Veranstaltungen teilgenommen. Gegenüber einer Arbeitskollegin soll er wie folgt geäußert haben: „Wenn es mein Sohn wäre, dann würde er Springerstiefel tragen und eine rote Binde am Arm„.

Das Arbeitsgericht Mannheim hat die Klage des Erziehers gegen die Kündigung der beklagten Stadt Mannheim abgewiesen. Auch die Medien haben hiervon berichtet.

Im öffentlichen Dienst kann sich ein Eignungsmangel für die geschuldete Tätigkeit aus begründeten Zweifeln an der Verfassungstreue ergeben, wenn durch den Loyalitätsverstoß eine konkrete Störung des Arbeitsverhältnisses eingetreten ist (Arbeitsgericht Mannheim, Urteil vom 19. Mai 2015 – 7 Ca 254/14).

Nach Ansicht des Gerichts liegt ein wichtiger personenbedingter Kündigungsgrund im Sinne des § 626 BGB vor. Aufgrund der fehlenden Eignung des Klägers für die Tätigkeit als Horterzieher, sei es der Stadt Mannheim nicht zumutbar, den Kläger auch nur einen Tag länger in der Kinderbetreuung einzusetzen.

Durch Inbezugnahme des Tarifvertrages des öffentlichen Dienstes unterliege der Kläger im hier entschiedenen Fall dem Grundsatz der Treue zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes politische Treuepflicht). Ihm müsse daher ein Mindestmaß an Verfassungstreue auferlegt werden, da er nicht davon ausgehen durfte, den Staat, die Verfassung oder deren Organe  beseitigen, beschimpfen oder verächtlich machen zu dürfen. Das gelte gleichermaßen für den dienstlichen wie den außerdienstlichen Bereich, wobei sich das Maß der Treuepflicht nach dem konkreten Aufgabenbereich bestimmt:

Das Gericht ging aufgrund der Tätigkeit des Klägers von einer gesteigerten Treuepflicht aus. Dem Kläger sind bei seiner Tätigkeit als Erzieher in einer staatlichen Einrichtung zahlreiche Kinder im Alter zwischen 6 und 14 Jahren zur Betreuung anvertraut. Der Bereich der Kindererziehung und Betreuung ist aus Sicht der Richter ein besonders sensibler Bereich, in dem erhöhte Maßstäbe anzulegen sind.

Nach Überzeugung des Gerichts ist die Weltanschauung des Klägers von rechtsradikalem Gedankengut geprägt. Hinzu komme eine dokumentierte Gewaltbereitschaft, weshalb die Stadt Mannheim begründete Zweifel an seiner Verfassungstreue haben musste. Nach Ansicht des Gerichts kann auch eine zugelassene Partei wie die NPD verfassungsfeindliche Ziele verfolgen, wovon bei der NPD auszugehen sei. In der Gesamtschau sah das Gericht ein rechtsextremistisches Weltbild des Klägers mit Bezug zum Arbeitsverhältnis als erwiesen an. Unter Berücksichtigung der Einschätzung des Erziehers als zu Gewalt neigendem Hooligan hat das Gericht im Ergebnis die Eignung des Klägers für den Beruf des Kindererziehers als nicht gegeben angesehen.

Es ist offen, ob der Erzieher in die Berufung gegangen ist. Dann wäre zu prüfen, ob gegebenenfalls eine Abmahnung als milderes Mittel zur Kündigung ausreichend gewesen wäre. Der Pressemitteilung kann das jedenfalls nicht entnommen werden, nicht mal, ob das Gericht eine Abmahnung überhaupt in Erwägung gezogen hat. Ebensowenig erschließt sich nicht die unterstellte Gewaltbereitschaft. Allein das Nachstellen einer gewalttätige Szene reicht nicht aus. Trotz der Zweifel an der richterlichen Würdigung ist zutreffend ein strenger Maßstab wegen des sensiblen Bereichs der Kindererziehung und Betreuung anzulegen. Die Äußerung des Erziehers gegenüber einer Arbeitskollegin „Wenn es mein Sohn wäre, dann würde er Springerstiefel tragen und eine rote Binde am Arm“ ist daher für sich betrachtet schon geeignet, wegen mangelnder Verfassungstreue die fristlose Kündigung in Ansehung des sensiblen Arbeitsbereichs zu rechtfertigen, soweit -z.B. wegen fehlender Reue oder Uneinsichtigkeit- eine Abmahnung nicht in Betracht kam. Auch hierzu können der Pressemitteilung keine richterlichen Feststellungen entnommen werden.

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VonRA Moegelin

Kündigung nach In-vitro-Fertilisation

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Mad_scientistEine Arbeitnehmerin die als Versicherungsvertreterin angestellt war, teilte ihrem Arbeitgeber mit, dass sie seit mehreren Jahren einen bisher unerfüllten Kinderwunsch hege und ein erneuter Versuch einer künstlichen Befruchtung anstehe. Der Embryonentransfer erfolgte am 24. Januar 2013. Am 31. Januar 2013 sprach ihr Arbeitgeber – ohne behördliche Zustimmung – eine ordentliche Kündigung aus. In der Folge besetzte er die Stelle mit einer älteren Arbeitnehmerin. Am 7. Februar 2013 wurde bei der Klägerin eine Schwangerschaft festgestellt. Hierüber informierte sie den Beklagten am 13. Februar 2013.

Die Klägerin hatte in allen Instanzen Erfolg. Die Kündigung war unwirksam und der Kündigungsschutzklage daher stattzugeben. Im Wesentlichen stützt das BAG seine Entscheidung auf folgende Erwägungen:

Die Kündigung verstößt gegen § 9 Abs. 1 Satz 1 MuSchG, wonach eine ohne behördliche Zustimmung ausgesprochene Kündigung gegenüber einer Frau während der Schwangerschaft unzulässig ist, wenn dem Arbeitgeber zur Zeit der Kündigung die Schwangerschaft bekannt war oder sie ihm innerhalb zweier Wochen nach Zugang der Kündigung mitgeteilt wird.

Die Klägerin genoss bei ihrem Zugang wegen des zuvor erfolgten Embryonentransfers den besonderen Kündigungsschutz des § 9 Abs. 1 Satz 1 MuSchG. Im Fall einer Schwangerschaft nach einer Befruchtung außerhalb des Körpers (In-vitro-Fertilisation) greift das mutterschutzrechtliche Kündigungsverbot bereits ab dem Zeitpunkt der Einsetzung der befruchteten Eizelle (sogenannter Embryonentransfer) und nicht erst mit ihrer erfolgreichen Einnistung (Nidation).

Die Kündigung verstößt zudem gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG iVm. §§ 1, 3 AGG. Der Europäische Gerichtshof hat mit Urteil vom 26. Februar 2008 (C-506/06) entschieden, es könne eine unmittelbare Diskriminierung wegen des Geschlechts vorliegen, wenn eine Kündigung hauptsächlich aus dem Grund ausgesprochen werde, dass die Arbeitnehmerin sich einer Behandlung zur In-vitro-Fertilisation unterzogen habe. Im Streitfall durfte das Landesarbeitsgericht nach den gesamten Umständen davon ausgehen, dass die Kündigung wegen der (beabsichtigten) Durchführung einer solchen Behandlung und der damit einhergehenden Möglichkeit einer Schwangerschaft erklärt wurde.

Volltext des Urteils des Bundesarbeitsgerichts: BAG, Urteil vom 26. März 2015 – BAG 2 AZR 237/14

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VonRA Moegelin

Die Beleidigung des Arbeitgebers als Verteidigungsstrategie vor Gericht

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Black_is_not_always_bad_v2Ein Arbeitnehmer bewies vor Gericht, dass es nicht immer eine gute Idee ist, auf anwaltliche Vertretung zu verzichten. Seine Verteidigungs-„Strategie“ bestand vor allem aus Verunglimpfungen des Arbeitgebers. Am Ende der zweiten Instanz zeigte sich, dass die Kündigung die zum Arbeitsgerichtsprozess führte, das Arbeitsverhältnis nicht beendet hatte, sondern erst die gerichtlichen Schriftsätze des Arbeitnehmers, mit denen er sich vor Gericht versuchte zu verteidigen.

Der Kläger ist als Kranführer für die beklagte Firma tätig. Mit Fax-Schreiben vom 11.02.2013, an seinen Vorgesetzten, Abteilungsleiter „M“, an einem innerhalb des Betriebs für mehrere Personen zugänglichen Fax-Anschluss gesandt, hat der Kläger sich über die Führungsqualitäten des Abteilungsleiters schriftlich wie folgt ausgelassen: „…Herr M., Sie sind mein Abteilungsleiter, nach der Zusammenarbeit in der Praxis musste ich sehr oft feststellen, wenn es um Entscheidungen geht, entziehen Sie sich aus der Verantwortung und rufen immer eine dritte Person. Sie schreien ihre Arbeitskollegen an, teilen Anweisungen in Worten mit, später sagen Sie, das Sie so was nicht gesagt haben. Bitte ich um schriftliche Mitteilung, Ihre Anweisungen, Antworten Sie mit drohenden Worten, Personalbüro, mit schriftlicher Abmahnung, Kündigungsdrohungen….Ich kann bestätigen … dass Sie Gastarbeiter und deren Kinder als zweite Klasse Menschen behandeln.…. als Personalführer fügen Sie Ihren Kollegen mehr Schaden an und entziehen Sie sich aus der Verantwor­tung. Bitte lesen Sie das Buch mit der ISBN: 978-3-499-61351-7 von Rowohlt Verlag, wie die Verantwortlichen Entscheidungen treffen….“

Nachdem wegen dieser Einlassungen ein Personalgespräch mit dem Kläger geführt wurde, erhielt er  schriftlich die fristlose Kündigung und mit einem weiteren Schreiben wurde das Arbeitsverhältnis ordentlich gekündigt.

Der Kläger hat sich hiergegen durch Einreichung einer Klage bei der Rechtsantragstelle des Arbeitsgerichts Saarbrücken zunächst selbst zur Wehr gesetzt. Im Verlauf des Rechtsstreits ließ er sich durch einen von ihm beauftragten Rechtsanwalt vertreten, dem aber entsprechend seiner dem Gericht gegenüber gefertigten Anzeige seitens des Klägers das Mandat entzogen wurde. Der Kläger seinerseits hatte bereits unter dem 10.04.2013, beim Arbeitsgericht Neunkirchen am 12.04.2013 eingegangen, einen eigenen siebenseitigen Schriftsatz mit Anlagen verfasst.

Er führte aus, dass bei einem Arbeitsunfall bei der Beklagten ein Mensch gestorben sei. Sodann zog der Kläger Parallelen zum Einsturz der Dachkonstruktion einer Eissporthalle in Bad Reichenhall und verwies darüber hinaus auf einen Flugtag in Remscheid sowie das Unglück beim Flugtag am 27.07.2002 in Lemberg. Nach seiner Ansicht sei es „immer das gleiche“. Wenn es zu spät sei, dann werde immer etwas unternommen, nicht jedoch vorher. Seine Verbesserungsvorschläge würden erst dann umgesetzt, wenn etwas passiert sei, nicht jedoch vorher. Konflikte würden nicht gelöst, vielmehr werde der Arbeitsplatz zum Mobbingplatz. Er solle an seine Abfindung denken, da man irgendetwas finden werde, ihm zu kündigen. Er solle sich nicht widersetzen, sondern tun, was ihm gesagt werde. Sodann ergänzte er seine Ausführungen mit dem Satz, dass die vorgesetzten Kollegen bewusst ausgesucht worden seien, um das „Personalführungswerkzeug der Angst“ in der Praxis umzusetzen. Und die Hierarchie bei der Beklagten sei von Kollegen besetzt, die ihre Macht missbrauchen. Danach werde wieder das „Personalführungsinstrument der Angst“ gebraucht.

Bei Konflikten sei es manchmal notwendig, sich an die Gewerkschaft zu wenden. Man sei als Arbeitnehmer dabei allerdings ein Tischtennisball, wobei sich der Vorgesetzte auf der linken Seite befinde und auf der rechten Seite der Betriebsrat mit der Gewerkschaft. Der Kläger bezeichnete dies als „dunkle Machenschaften“ der Arbeitnehmervertreter.

Nachdem dieser Schriftsatz der Beklagten zugegangen war, entschied sie sich am 25.04.2013 dazu, den Kläger erneut fristlos und hilfsweise fristgerecht zu kündigen.

Der Kläger verfasste unter dem 22.04.2013 einen weiteren Schriftsatz und führte unter anderem wie folgt aus: Bei dem Produktionsstandort der Beklagten in H. handele sich um ein Unternehmen mit durchgeführter Demokratie ohne Meinungsfreiheit. Das Vier-Augen-Prinzip sei das Schrecklichste eines Betriebsablaufs. Gebe es nämlich einen Fehler, würden die guten Freunde helfen, um den Fehler zu unterdrücken. Es sei wie ein Computer-Betriebssystem mit Virus, der schädlich für das System sei. Derjenige, der sich der Autorität nicht beuge, der also nicht immer der gute Kollege sei und alles unterschreibe, was von oben kommt, werde zum Mobbingopfer. Der Arbeitsplatz werde dann zum Mobbingplatz. Gegen eine ihm erteilte Leistungsbeurteilung für 2012 habe er deshalb keinen schriftlichen Widerspruch mehr eingelegt, da es sinnlos sei, immer wieder einen Anwalt zu beauftragen, wenn in einem Unternehmen die Demokratie nicht funktioniere und man unterdrückt werde mit Mobbingfällen. Auf der gleichen Seite setzte sich der Kläger mit sozialpsychologischen Aspekten auseinander, in dem er ausführte, dass es die Macht des sozialen Umfelds und weniger die Persönlichkeit eines Menschen sei, die zum üblen Verhalten führe.  Der Kläger stellte die Frage, was man aus Katastrophen wie dem ICE-Unglück von Eschede, der Explosion eines Kesselwagens in der BASF sowie dem Tankerunglück der Exxon-Valdez usw. lernen könne. Er habe seine Erkenntnisse aus dem Selbst-Studium angewendet mit der Folge, fristlos gekündigt worden zu sein. Der Kläger vertiefte diese Darstellung noch weiter, indem auch zu anderen Unfällen außerhalb des Betriebs der Beklagten (Einsturz des Daches einer Eissporthalle in Bad Reichenhall sowie Flugtagunglück und Zugunglück) Verbindungen hergestellt werden zur Arbeit mit den Lastkränen bei der Beklagten, wörtlich wie folgt: „Ein Bild sagt 1000 Worte, was dem Kollege Herr F., passiert ist wird uns auch passieren, keine Zivilcourage zeigen. Die Gefahren nicht mitteilen, wegschauen. Nach Professor Zimbardoist es die Macht der sozialen Umfelds, die zum üblen Verhalten führt“

Wegen dieses Schriftsatzes erhielt der Kläger am 07.05.2013 eine weitere fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung

Der Kläger verfasste einen weiterenSchriftsatz, und führte aus, dass Kollegen, die lange im Unternehmen gearbeitet hätten und den Abteilungsleiter M.gut kennen würden, sich jetzt aber im Ruhestand befänden, Geschichten erzählt hätten, dass dieser Vorgesetzte Gastarbeiter als Menschen zweiter Klasse behandelt habe.

Und wiederum erhielt der Kläger dafür eine fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung

Das Landgericht Saarland hat festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers durch die fristlos ausgesprochene außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 07.05.2013 aufgelöst worden ist. In Zusammenschau, insbesondere mit dem Inhalt des Fax-Schreibens vom 11.02.2013 und des Schriftsatzes vom 10.04.2013 erachtete das Gericht es für die Beklagte als unzumutbar, das Arbeitsverhältnis weiter fortzusetzen.

Grundsätzlich sind grobe Beleidigungen des Arbeitgebers oder anderer Betriebsangehöriger, insbesondere von Vorgesetzten durchaus geeignet, einen wichtigen Grund i.S.d. § 626 Abs.2 BGB darzustellen, soweit nach Form oder Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung damit verbunden ist. Die Ausübung der grundgesetzlich in Art. 5 Abs.1 GG garantierten Meinungsfreiheit wird durch den Schutz des Rechts der persönlichen Ehre anderer Personen gem. Art. 5 Abs.2 GG beschränkt und muss mit diesem in ein ausgeglichenes Verhältnis gebracht werden. In grobem Maße unsachliche Angriffe, die zur Untergrabung der Position eines Vorgesetzten führen können, muss der Arbeitgeber nicht mehr hinnehmen. Der Ausspruch mehrerer Kündigungen, die zwar rechtlich nicht zu Beendigung des Arbeitsverhältnisses geführt haben, kann im konkreten Einzelfall mit herangezogen werden als abmahnungsgleiche Warnung an den Arbeitnehmer, sein Verhalten für die Zukunft zu überdenken, um so einen späteren Kündigungsausspruch zu vermeiden (Landesarbeitsgericht Saarland, Urteil vom 16. Juli 2014 – 2 Sa 162/13).

Seine Entscheidung begründet das Gericht wie folgt: Nach Einreichung des gerichtlichen Schriftsatzes vom 22.04.2013 ist endgültig das Maß des noch durch mildere Mittel zu steuernden Verhaltens des Klägers in der Art seiner Kritikführung an direkten Vorgesetzten, Betriebsrat, Personalleitung und Arbeitgeber überschritten. Seine Kritik an der Einhaltung der Arbeitssicherheit erfolgt durch unpassende und plakative Vergleiche (z.B. eingestürzten Decke der Eissporthalle in Bad Reichenhall / ICE Unglück von Eschede). Der Kläger versteigt sich auch in der Folge in seinem Schreiben in eine ebenfalls durch Angabe von konkreten Tatsachen nicht näher belegte Anschuldigung, dass im Unternehmen die Demokratie nicht funktioniere, Auch hier zieht der Kläger wieder eine per­sönliche Schlussfolgerung, die sich in dieser Weise nicht aus von ihm vorgetragenen Sachverhalten belegen lässt. Er stellt vielmehr nur sinnentstellend verkürzt dar, dass er nach diesem Selbststudium das dort gelernte angewendet habe und daraufhin fristlos gekündigt worden sei. Zudem hat sich der Kläger ohne jegliche Darstellung eines hierzu passenden Beispiels dazu verstiegen, das Vier-Augen-Prinzip als das schädlichste eines Betriebsablaufes zu bezeichnen. Damit hat der Kläger einen ganz erheblichen Vorwurf gegen namentlich nicht näher gekennzeichnete Mitarbeiter der Beklagten erhoben, der geeignet ist, diese in ihrer Ehre zu kränken und deren Art und Weise des Umgangs mit Fehlern ggfls. sogar als ein strafrechtlich relevantes Verhalten im weitesten Sinne darzustellen. Diese Anschuldigungen muss sich ein Arbeitgeber jedenfalls dann nicht gefallen lassen, wenn sie nur pauschaliert in den Raum gestellt werden, ohne auch nur den geringsten Hinweis auf einen konkreten Einzelfall zu geben, aus welchem der Arbeitnehmer diesen geschilderten Eindruck glaubt zu Recht gewonnen haben zu dürfen.

Nimmt man diese insgesamt von mangelnder Sachlichkeit geprägte Darstellung, die geeignet ist, die Beklagte als Unternehmen wie auch einzelne ihrer Funktionsträger in Misskredit zu bringen, und die letztlich auch über das Maß der von der freien Meinungsäußerung gedeckten Formulierung von Kritik hinausgehende Angriffe auf die (Berufs-)Ehre beinhaltet, zu den Äußerungen im Fax-Schreiben vom 11.02.2013 und im Schriftsatz vom 10.04.2013 hinzu, ist die Fortführung des Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien auch nicht mehr bis zum Ablauf einer ordentlichen Kündigungsfrist zumutbar gewesen.

Die erstmals im Rahmen der Berufungsbegründung von seinem jetzigen Prozessbevollmächtigten vorgetragenen psychischen Erkrankung, wonach der Kläger nicht für die Inhalte und Tragweite seiner selbst verfassten Schreiben und Schriftsätze in gleicher Weise verantwortlich zu machen sei wie ein vergleichbarer Arbeitnehmer ohne schwere depressive Episode mit psychotischen Symptomen, ist schon unter Verspätungsgesichtspunkten nicht mehr zu verwerten ist.

Eine Abmahnung als milderes Mittel zur Kündigung kommt nicht in Betracht. Es kann daher nicht mehr davon ausgegangen werden, dass der Kläger sich durch den Ausspruch einer Abmahnung in seiner Haltung gegenüber seinem Vorgesetzten, dem Betriebsrat, der paritätischen Kommission, der Perso­nallei­tung oder gar dem beklagten Arbeitgeber selbst ändern würde. Es kann der Beklagten auch nicht weiter zugemutet werden, durch unsachliche Äußerungen in ein bestimmtes Licht gedrängt zu werden als Arbeitgeberin, die es mit der Arbeitssicherheit nicht so genau halte, anders denkende und aufmerksame Arbeitnehmer mit Mobbingverhalten unterdrücke und zudem dulde, dass Arbeitnehmer mit Migrationshintergrund von Vorgesetzten wie Menschen zweiter Klasse behandelt würden, wobei dabei vom Kläger auch noch Vergleiche zu nationalsozialistischen Verhaltensmustern herangezogen werden.

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VonRA Moegelin

Kündigung wegen Forderung nach Mindestlohn

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Anonymous-fire-1Wer den Mindestlohn fordert, kann schon mal gefeuert werden. So erging es einem Hausmeister, der aufgrund seines Arbeitsvertrages mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 14 Stunden bei einer Vergütung von monatlich 315,00 EUR beschäftigt war, was einen Stundenlohn von 5,19 € ergab. Er forderte von dem Arbeitgeber den gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 € worauf der Arbeitgeber eine Herabsetzung der Arbeitszeit auf monatlich 32 Stunden bei einer Monatsvergütung von 325,00 (Stundenlohn 10,15 EUR) anbot. Nachdem der Arbeitnehmer die Änderung der Vertragsbedingungen abgelehnt hatte, kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis.

Eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses ist unwirksam, wenn sie von dem Arbeitgeber als Reaktion auf eine Geltendmachung des gesetzlichen Mindestlohnes ausgesprochen wurde (Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 17.04.2015 – 28 Ca 2405/15).

Gemäß § 1 Abs. 1 Mindestlohngesetz (MiLoG) beträgt der Mindestlohn 8,50 €. Nach § 22 Abs. 1 MiLoG findet das Gesetz auf Arbeitsverhältnisse -wie das hier einschlägige- Anwendung.

Das Arbeitsgericht hat die Kündigung als eine verbotene Maßregelung angesehen. Das in § 612a BGB geregelte Benachteiligungsverbot soll den Arbeitnehmer in seiner Willensfreiheit bei der Entscheidung darüber schützen, ob er ein Recht ausüben will oder nicht. Diese Entscheidung soll er ohne Furcht vor wirtschaftlichen oder sonstigen Repressalien des Arbeitgebers treffen können.

Die Forderung des Hausmeisters nach dem gesetzlichen Mindestlohn bezahlt zu werden, ist zulässig. Nach § 612 a BGB darf der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer bei einer Maßnahme nicht deshalb benachteiligen, weil dieser in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. Der Arbeitgeber hat nach zutreffender Ansicht des Gerichts das Arbeitsverhältnis gekündigt weil der Hausmeister in zulässiger Weise das Recht auf den Mindestlohn gefordert hat und ihn damit benachteiligt. Die Kündigung ist daher unwirksam, so dass das Arbeitsverhältnis fortbesteht. Falls der Arbeitgeber zukünftig die Zahlung des Mindestlohns verweigern sollte, wäre dieser gesondert mit der Leistungsklage einzufordern.

Weitergehende Infos zum Maßregelungsverbot finden Sie hier.

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