Monatsarchiv 5. Februar 2015

VonRA Moegelin

Doppelzählung von Kindern bei Eingruppierung einer Kita-Leiterin

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guacapoyoDie Leiterin einer Kindertagesstätte und spätere Klägerin ist bei einer Gemeinde beschäftigt. Sie leitet einen Kindergarten der aus zwei Kindergruppen besteht. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme die Tarifverträge für den öffentlichen Dienst im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (TVöD-BT-V/VKA) Anwendung. Sie verlangt von ihrem Arbeitgeber, eine Gemeinde, die Vergütung nach der Entgeltgruppe S 10 TVöD-BT-V/VKA.

Die Betriebserlaubnis für den Kindergarten der beklagten Gemeinde regelt unter anderem :

„Die Erlaubnis gilt für 1 Vormittagsgruppe mit höchstens 25 Kindern von der Vollendung des dritten Lebensjahres bis zur Einschulung (Kindergarten) 1 Vormittagsgruppe, altersübergreifend mit höchstens 25 Kindern von der Vollendung des zweiten Lebensjahres bis zur Einschulung (Kindergarten) Sobald in der altersübergreifenden Vormittagsgruppe mehr als 3 Kinder anderer Altersgruppen betreut werden, ist die (…) zugelassene Höchstzahl (in Kindergärten höchstens 25 Kinder) je Kind im Alter bis zu drei Jahren um einen Platz zu verringern. „

Nach Ansicht der Klägerin habe die Gemeinde bei der Ermittlung der Durchschnittsbelegung nicht berücksichtigt, dass einige der vergebenen Plätze mit Kindern im Alter von unter drei Jahren belegt worden seien, die erhöhten Platz- und Betreuungsbedarf hätten. Nach einer Kita-VO würde jedes dieser Kinder doppelt zählen.

Die Kindergartenleiterin hat in allen Instanzen verloren. Auch ihre Revision wurde vom Bundesarbeitsgericht zurückgewiesen.

Gemäß TVöD-BT-V/VKA steigen die Anforderungen an die Leitung einer Kindertagesstätte, je mehr Kinder in der Einrichtung gleichzeitig betreut werden. Die Tarifregelung schließt damit nicht nur eine Doppelzählung der Plätze aus, sondern auch eine fiktive, nicht auf die tatsächlich vergebenen Plätze abstellende Berechnung. Weitere Kriterien, die sich auf die Eingruppierung der Leitung einer Kindertagesstätte auswirken können, z.B. die Schwierigkeit der Tätigkeit, sind nicht zu berücksichtigen (BAG, Urteil vom 11. Dezember 2013  – 4 AZR 493/12).

Der Klägerin wurde vom  BAG ein Anspruch auf ein Entgelt nach der Entgeltgruppe S 10 TVöD-BT-V/VKA verwehrt. Streitentscheidend ist die Durchschnittsbelegung der Kita. Ermittelt wurden vom Gericht 37,33 Plätze. Der Tarifwortlaut von TVöD-BT-V/VKA knüpft die Entgeltstaffelung bei der Leitung von Kindertagesstätten ausschließlich an die Zahl der vergebenen Plätze, nämlich an die Durchschnittsbelegung von mindestens 40 Plätzen. Entgegen der Auffassung der Klägerin ändern auch abweichende Bemessungsmaßstäbe aus anderen – nicht tariflichen – Regelungen an dieser Berechnung nichts. Eine mögliche Doppelzählung nach der niedersächsischen Kita-VO, die ggf. zu einer „Doppelzählung“ von Kindern unter drei Jahren bei der Personalbemessung führt, lässt sich nach Ansicht des BAG nicht auf die tariflichen Bewertungs- und Berechnungsmaßstäbe übertragen. Der tariflichen Bestimmung sei hierfür nichts zu entnehmen.

Die Eingruppierungsklage wurde daher vom BAG abgewiesen.

Volltext des Urteils des Bundesarbeitsgerichts: BAG, Urteil vom 11. Dezember 2013 – 4 AZR 493/12

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VonRA Moegelin

Personenbedingte Kündigung im öffentlichen Dienst

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Gerald-G-Police-manBei einer personenbedingten Kündigung hat der Arbeitgeber stets den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten. Dazu gehört die Prüfung, ob es im Betrieb freie Arbeitsplätze gibt, die eine Weiterbeschäftigung rechtfertigen.

Eine Wachpolizistin und spätere Klägerin beim Polizeipräsidenten in Berlin erhielt die ordentliche, personenbedingte Kündigung. Aus gesundheitlichen Gründen war sie zuletzt als Auskunftsassistentin (Pförtnerin) eingesetzt. Die Klägerin ist behindert und einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt.

Zuvor wurden die Gebäude der Berliner Polizei dem „Sondervermögen Immobilien“ des Landes zugeordnet. Die Stellen des in diesen Liegenschaften tätigen Personals – ua. Pförtner – wurden organisatorisch zum Landesbetrieb für Gebäudewirtschaft verlagert. Das Stammpersonal wurde dorthin versetzt, so auch die beim Polizeipräsidenten auf einer Planstelle als Pförtner beschäftigten Dienstkräfte. Die nicht auf einer Planstelle tätige Klägerin wurde nicht versetzt.

Rund einen Monat nachdem das beklagte Land den Personalrat und das Integrationsamt von seiner Kündigungsabsicht informierte, erschien im Intranet des beklagten Landes die Ausschreibung einer Dauerstelle als Empfangsdame/Schreibkraft beim Regierenden Bürgermeister/Senatskanzlei. Die Klägerin bewarb sich erfolglos. Alsbald danach erfolgte die Kündigung.

In allen Instanzen hat die Klägerin gewonnen. Das Bundesarbeitgericht hat die Revision zurückgewiesen.

Nach der Rechtsprechung ist eine aus Gründen in der Person des Arbeitnehmers ausgesprochene Kündigung entsprechend dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz unverhältnismäßig und damit rechtsunwirksam, wenn sie durch mildere Mittel vermieden werden kann, dh., wenn die Kündigung zur Beseitigung der eingetretenen Vertragsstörung nicht geeignet oder nicht erforderlich ist. Die Möglichkeit der anderweitigen Beschäftigung ist ein solches milderes Mittel. Wenn eine Umsetzungsmöglichkeit besteht, hat die Krankheit keine erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen zur Folge.

Das BAG lässt es dahinstehen, ob eine Weiterbeschäftigung in Bezug auf die Beschäftigungsmöglichkeit beim Regierenden Bürgermeister möglich war. Nach der Ansicht des BAG bestand jedenfall eine Möglichkeit der Weiterbeschäftigung als Auskunftsassistentin (Pförtnerin) beim Landesbetrieb, die von der Klägerin beim Polizeiüräsidenten ausgeübt wurde.

Der öffentliche Arbeitgeber muss eine über den Verwaltungszweig hinaus bestehende Weiterbeschäftigungsmöglichkeit dann kündigungsrechtlich zugerechnet werden, wenn er die bisherige Verwaltungsaufgabe und Verwaltungsorganisation einer Dienststelle aufgelöst hat, um vergleichbare Aufgaben in einem anderen Verwaltungsbereich auszuführen. Andernfalls könnte die öffentliche Hand durch Neuorganisation der Verwaltung und Zuweisung zu einem neuen Verwaltungszweig Dienststellen auflösen und die dort beschäftigten Mitarbeiter entlassen, obwohl deren anderweitige Verwendung im Rahmen derselben oder jedenfalls vergleichbarer Tätigkeiten möglich gewesen wäre (BAG, Urteil vom 10. Juni 2010 – 2 AZR 1020/08).

Es ist demnach zu vermeiden, dass Arbeitnehmer allein aufgrund einer Verschiebung von Zuständigkeiten aus dem Arbeitsverhältnis gedrängt werden könnten, obwohl sich weder am tatsächlichen Beschäftigungsbedarf noch am Arbeitsinhalt noch in der Person des Arbeitgebers irgendetwas geändert hat oder auch nur ändern soll.

Nach den Feststellungen des Gerichts sind die Zuständigkeiten für die von der Polizei genutzten Immobilien aufgrund eines Senatsbeschlusses von der Senatsverwaltung für Inneres auf den Landesbetrieb verlagert worden. Die Planstellen der Pförtner sind auf diese Weise von einem Verwaltungszweig auf einen anderen übertragen worden. Die Klägerin wurde, da sie trotz fünfjähriger Beschäftigung keine Planstelle innehatte, nicht zum Landesbetrieb versetzt, obwohl auch ihre Pförtnerstelle – ohne Änderung in Umfang und Inhalt – bei diesem weiterhin vorhanden ist. Damit muss das beklagte Land – auch unter dem Gesichtspunkt der Einheit des öffentlichen Dienstes – die unzweifelhaft gegebene Weiterbeschäftigungsmöglichkeit berücksichtigen.

Die Kündigung hat das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst, da sie ist sozial ungerechtfertigt

Volltext des Urteils des Bundesarbeitsgerichts: BAG, Urteil vom 10. Juni 2010 – 2 AZR 1020/08

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VonRA Moegelin

Geld hat man zu haben –Hartz-IV-Empfänger muss nach Kündigung aus der Wohnung raus

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HOME-SWEET-HOME-2Der BGH hat am 04.02.15 entschieden, dass der Vermieter zur außerordentlichen fristlosen Kündigung berechtigt ist, wenn der sozialhilfeberechtigte Mieter zur pünktlichen Zahlung der Miete nicht in der Lage ist, nachdem er zwar rechtzeitig einen Antrag auf Sozialhilfe gestellt hat, die zur Mietzahlung erforderlichen Unterkunftskosten jedoch nicht rechtzeitig bewilligt worden sind.

Der Vermieter als Kläger dieses Rechtstreits sieht die Tendenz einer Schieflage im Mietrecht, wenn man meint auf allen Ebenen dem armen Mieter helfen zu müssen.

Der Beklagte ist seit dem 1. Dezember 2010 Mieter einer 140 m² großen Wohnung des Klägers. Die monatliche Nettomiete beträgt 1.100 €, zuzüglich Betriebskosten in Höhe von 180 € und der Miete für die dazugehörige Garage in Höhe von 50 €.

Ab Oktober 2011 bezog der Beklagte vom zuständigen Jobcenter Leistungen nach dem SGB II. Seit Januar 2013 leitete er die für seine Wohnung erhaltenen Zahlungen des Jobcenters nicht mehr an den Kläger weiter. Der Kläger erklärte daraufhin wegen der hierdurch entstandenen Mietrückstände am 17. April 2013 die fristlose Kündigung und erhob im Juni 2013 Räumungsklage. Das Jobcenter Mettmann gab in der Folge aufgrund einer einstweiligen Anordnung des Sozialgerichts eine Verpflichtungserklärung gemäß § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB auf Übernahme der aufgelaufenen Mietschulden ab.

569 Abs. 3 BGB regelt wie folgt: „Ergänzend zu § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 gilt: (…) 2. Die Kündigung wird auch dann unwirksam, wenn der Vermieter spätestens bis zum Ablauf von zwei Monaten nach Eintritt der Rechtshängigkeit des Räumungsanspruchs hinsichtlich der fälligen Miete und der fälligen Entschädigung nach § 546a Abs. 1 befriedigt wird oder sich eine öffentliche Stelle zur Befriedigung verpflichtet. 2Dies gilt nicht, wenn der Kündigung vor nicht länger als zwei Jahren bereits eine nach Satz 1 unwirksam gewordene Kündigung vorausgegangen ist.“

Nachdem seit Juli 2013 das Sozialamt seines Wohnorts für den Beklagten zuständig geworden worden war, beantragte er bei diesem Sozialhilfe einschließlich der Übernahme der Wohnungskosten. Gegen die Ablehnung der Wohnungskostenübernahme erhob er Widerspruch und beantragte einstweiligen Rechtsschutz bei dem Sozialgericht. Dieses verpflichtete den Sozialhilfeträger schließlich im Wege einstweiliger Anordnung vom 30. April 2014 zur Zahlung der Mieten von September 2013 bis Juni 2014. In der Zwischenzeit hatte der Kläger, gestützt auf die rückständigen Mieten für die Monate Oktober 2013 bis März 2014, am 12. März 2014 erneut die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses erklärt.

Das Amtsgericht hat der Räumungsklage stattgegeben, die Berufung des Beklagten ist zurückgewiesen worden. Der Bundesgerichtshof hat auch die Revision zurückgewiesen.

Das Mietverhältnis der Parteien ist nach Ansicht des Gerichts durch die Kündigung vom 12. März 2014 wirksam beendet worden. Zu diesem Zeitpunkt war der Beklagte mit der Mietzahlung für die Monate Oktober 2013 bis März 2014 in Verzug. Der für die fristlose Kündigung erforderliche wichtige Grund im Sinne von § 543 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a BGB läge daher vor.

Nach dieser Norm kann jede Vertragspartei kann das Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos kündigen. Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor, wenn der Mieter –wie hier- für zwei aufeinander folgende Termine mit der Entrichtung der Miete, bzw. eines nicht unerheblichen Teils der Miete in Verzug ist.

Dem Verzugseintritt steht nicht entgegen, dass der Mieter, um die Miete entrichten zu können, auf Sozialleistungen angewiesen war und diese Leistungen rechtzeitig beantragt hatte. Zwar kommt der Schuldner nur in Verzug, wenn er das Ausbleiben der Leistung im Sinne von § 276 BGB zu vertreten hat. Bei Geldschulden befreien jedoch wirtschaftliche Schwierigkeiten den Schuldner auch dann nicht von den Folgen verspäteter Zahlung, wenn sie auf unverschuldeter Ursache beruhen. Vielmehr hat jedermann nach dem Prinzip der einer Geldschuld zugrunde liegenden unbeschränkten Vermögenshaftung („Geld hat man zu haben„) ohne Rücksicht auf ein Verschulden für seine finanzielle Leistungsfähigkeit einzustehen. Dieses Prinzip gilt auch für Mietschulden (Bundesgerichtshof, Urteil vom 4. Februar 2015 – VIII ZR 175/14).

Bei einer auf Zahlungsverzug gestützten Kündigung gemäß § 543 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 BGB müssen nach Maßgabe des BGH darüber hinaus nicht die in § 543 Abs. 1 BGB genannten zusätzlichen Abwägungskriterien beachtet werden. Vielmehr handelt es sich bei den in § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis Nr. 3 BGB aufgeführten Kündigungsgründen um gesetzlich typisierte Fälle der Unzumutbarkeit einer weiteren Fortsetzung des Mietverhältnisses. Soweit deren tatbestandliche Voraussetzungen erfüllt sind, ist danach grundsätzlich auch ein wichtiger Grund im Sinne von § 543 Abs. 1 BGB zur fristlosen Kündigung gegeben. Der Schutz des (nicht rechtzeitig zahlenden) Mieters vor dem Verlust der Wohnung wird vielmehr ausschließlich durch die einmalig innerhalb von zwei Jahren gewährte Schonfrist (§ 569 Abs. 3 BGB) sichergestellt.

Volltext des Urteils des Bundesgerichtshofs: BGH, Urteil vom 4. Februar 2015 – VIII ZR 175/14

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VonRA Moegelin

Keinen Kita-Platz bekommen – Schadensersatz

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CryingBaby-inkEs ist gesetzlich geregelt, dass ein einjähriges Kind bis es drei Jahre alt wird, Anspruch auf einen Kita-Platz hat. Drei Mütter, die keinen Kita-Platz bekamen, haben die Stadt Leipzig auf Zahlung von Verdienstausfall verklagt.

Das Landgericht Leipzig hatten in den  drei Fällen den Müttern ihren Verdienstausfall in voller eingeklagter Höhe zugesprochen

Nach § 24 Abs. 2 SGB VIII (Achtes Buch Sozialgesetzbuch – Kinder und Jugendhilfe -) hat ein einjähriges Kind bis es drei Jahre alt wird, Anspruch auf frühkindliche Förderung in einer Tageseinrichtung oder in Kindertagespflege. Diese Vorschrift ist am 1. August 2013 in Kraft getreten.

Kann der öffentliche Träger von Kindertagesstätten trotz entsprechender Bedarfsanmeldungen den Kindern keinen Kinderbetreuungsplatz zuweisen, ist hierin die Verletzung einer Amtspflicht zu sehen, was Schadensersatzansprüche zur Folge hat (Langericht Leipzig, Urteile vom 2. Februar 2015 – 7 O 1455/14 / 7 O 1928/14 /7 O 2439/14).

Die Verletzung einer Amtspflicht sei darin zu sehen, dass die Stadt Leipzig trotz entsprechender Bedarfsanmeldungen den Kindern keinen Kinderbetreuungsplatz zugewiesen hat.  Die Norm des § 24 SGB VIII gelte zwar zunächst nur gegenüber den Kindern als unmittelbar Anspruchsberechtigten, aber auf die sich auch – da drittschützend – die erwerbstätigen erziehungsberechtigten Eltern berufen können. Dies ergebe sich bereits aus dem Gesetz selbst, da Tageseinrichtungen den Eltern helfen sollen, Erwerbstätigkeit und Kindererziehung besser miteinander vereinbaren zu können.

Ein Verschulden der Stadt als Träger der öffentlichen Jugendhilfe sei schon allein darin zu sehen, dass ein Betreuungsplatz nicht zur Verfügung gestellt wurde. Das Gericht hat zwar anerkannt, dass die Stadt Leipzig dem gesetzlichen Auftrag aus Kinderförderungsgesetz und Sächsischem Kindertagesstättengesetz durch eine umfangreiche Kindertagesstättenplanung Rechnung getragen hat. Aber die Stadt könne sich nicht damit entlasten, dass die Freien Träger und privaten Investoren die nach dem Bedarfsplan der Stadt vorgesehenen Kindertagesplätze aus baulichen und planerischen Gründen nicht rechtzeitig zur Verfügung gestellt haben. Denn es sei auch Vorsorge für einen unvorhersehbaren Bedarf zu treffen. Dass die Stadt dem nachgekommen sei, sei aber nicht hinreichend im Prozess dargelegt worden.

Da ein Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht auf Zurverfügungstellen eines Betreuungsplatzes offensichtlich nicht dazu geführt hätte, dass die Kinder einen Platz in einer Kindertagesstätte tatsächlich dann auch erhalten hätten, könne den Müttern nicht vorgeworfen werden, nicht auf diesem Wege versucht zu haben, den Verdienstausfallschaden abzuwenden.

Soweit sich Eltern für einen Rechtsstreit entscheiden, empfiehlt sich nach zutreffender Ansicht von Rechtsanwältin Eibl, das Kind anderweitig unterzubringen, wobei wegen des Kindeswohls ein Wechsel der Stätten vermieden werden sollte und im Nachhinein Schadensersatz vom Träger zu fordern.

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VonRA Moegelin

Diskriminierung durch Kündigung wegen unzureichender Deutschkenntnisse

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primary-edu-languagesEin in Spanien aufgewachsener Angestellter eines Unternehmens der Automobilzulieferer-Industrie hält die Kündigung seines Arbeitsverhältniss für unwirksam, da er wegen seiner ethnischen Herkunft diskriminniert worden sein soll.

Zu seinen Hauptaufgaben zählten das Überwachen der automatischen Behälterfüllung, das Einpacken von Teilen sowie die Produktionskontrolle, jeweils nach mündlichen und schriftlichen Anweisungen. Er sollte ggf. Fehler und Störungen an den Produktionsanlagen und an den Produkten erkennen und melden. In einer am 30. Oktober 2001 erstellten und vom Kläger unterschriebenen Stellenbeschreibung war unter „Anforderungen an den Stelleninhaber“ auch die Kenntnis der deutschen Sprache in Wort und Schrift aufgeführt.

Die von ihm verlangten Prüfungskontrollen nahm der Kläger nur nach Augenschein, unspezifisch und nicht nach Maßgabe des vom Arbeitgeber vorgegebenen Prüfplans vor. Die Fehlercheckliste füllte er unvollständig aus. Zu der an sich vorgesehenen sogenannten messenden Prüfung war er nicht in der Lage. Sie wurde von einer dritten Person erledigt.

Bei internen Checks wurde festgestellt, dass der Kläger nicht in der Lage war, Arbeits- und Prüfanweisungen zu lesen und zu verstehen, da ihm die geforderten Deutschkenntnisse fehlten.Nach erfolgloser Aufforderung, seine Deutschkenntnisse zu verbessern, erhielt er die Kündigung.

Das Arbeitsgericht wies die hiergegen gerichtete Klage ab. In 2. Instanz erhielt der Arbeitnehmer Recht. Auf die Revision des beklagten Arbeitgebers wurde das Urteil des Arbeitsgerichts vom BAG wiederhergestellt.

Kann ein Arbeitnehmer keine Arbeitsanweisungen in  deutscher Sprache lesen, so kann eine ordentliche Kündigung gerechtfertigt sein. Es stellt keine nach § 3 Abs. 2 AGG verbotene mittelbare Benachteiligung wegen der ethnischen Herkunft dar, wenn der Arbeitgeber von seinen Arbeitnehmern die Kenntnis der deutschen Schriftsprache verlangt, soweit sie für deren Tätigkeit erforderlich ist. Der Arbeitgeber verfolgt ein im Sinne des Gesetzes legitimes, nicht diskriminierendes Ziel, wenn er – zB aus Gründen der Qualitätssicherung – schriftliche Arbeitsanweisungen einführt (BAG, Urteil vom 28. Januar 2010 – 2 AZR 764/08).

Hierzu führt das BAG wie folgt aus: Sieht man als Ziel des Verlangens nach deutscher Schriftsprache iSd. § 3 Abs. 2 AGG die möglichst optimale Erledigung der anfallenden Arbeit, so ist dieses Ziel rechtmäßig. Der Arbeitgeber hat ein durch Art. 12 GG geschütztes Recht, seiner unternehmerischen Tätigkeit so nachzugehen, dass er damit am Markt bestehen kann. Er darf auch die sich daraus ergebenden beruflichen Anforderungen an seine Mitarbeiter stellen. Wenn er dabei aus nicht willkürlichen Erwägungen schriftliche Arbeitsanweisungen gibt und Schriftkenntnisse voraussetzende Prüftätigkeiten seiner Arbeiter vorsieht, ist das nicht zu beanstanden. Es ist nicht Sinn der Diskriminierungsverbote, dem Arbeitgeber eine Arbeitsorganisation vorzuschreiben, die nach seiner Vorstellung zu schlechten Arbeitsergebnissen führt. Die Diskriminierungsverbote sollen vielmehr das wirtschaftliche Geschehen von sachlich nicht gerechtfertigten Entscheidungen freihalten.

Volltext des Urteils des Bundesarbeitsgerichts: BAG, Urteil vom 28. Januar 2010 – 2 AZR 764/08

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VonRA Moegelin

Anrechnung von Urlaub bei Freistellungserklärung

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Sunrise-Mountain-in-IndonesiaDas BAG hatte über die Auslegung einer Freistellungserklärung im Zusammenhang mit der Anrechnung von Urlaubstagen zu entscheiden.

Der Kläger ist bei der Beklagten, einem Bankunternehmen, als Angestellter mit einem jährlichen Urlaubsanspruch von 30 Arbeitstagen beschäftigt. Mit Schreiben vom 13. November 2006 erklärte die Beklagte die Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit Wirkung zum 31. März 2007. Mit Schreiben vom 13. November 2006 erklärte die Beklagte die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. März 2007. In dem Schreiben heißt es unter anderem wie folgt:

Sie werden ab sofort unter Anrechnung Ihrer Urlaubstage von Ihrer Arbeit unter Fortzahlung Ihrer Bezüge freigestellt.“

In dem nachfolgenden Kündigungsschutzprozess entschied das Arbeitsgericht mit rechtskräftigem Urteil, das Arbeitsverhältnis sei durch die Kündigung der Beklagten nicht beendet worden. Der Kläger macht Resturlaub aus dem Jahr 2007 geltend. Er vertritt die Auffassung, die Beklagte habe ihm während der Kündigungsfrist neben dem aus 2006 resultierenden Urlaub allenfalls 7,5 Tage Urlaub für das Jahr 2007 gewährt. Dies entspreche dem Teilurlaub, den er nach § 5 Abs. 1 Buchst. c BUrlG im Zeitraum vom 1. Januar bis zum 31. März 2007 erworben habe.

Sowohl das Arbeitsgericht als auch das Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Das Bundesarbeitsgericht hat jedoch die Entscheidung des LAG aufgehoben und der Klage stattgegeben.

Die Freistellung des Arbeitnehmers zum Zwecke der Gewährung von Erholungsurlaub erfolgt durch einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung des Arbeitgebers. Die Erklärung muss für den Arbeitnehmer hinreichend deutlich erkennen lassen, in welchem Umfang der Arbeitgeber die Urlaubsansprüche des Arbeitnehmers erfüllen will. Zweifel gehen zu Lasten des Arbeitgebers. Denn als Erklärender hat er es in der Hand, den Umfang der Freistellung eindeutig festzulegen (BAG, Urteil vom 17. Mai 2011 – 9 AZR 189/10).

Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG legt der Arbeitgeber den Urlaub zeitlich fest. Die Erklärung eines Arbeitgebers, einen Arbeitnehmer unter Anrechnung auf dessen Urlaubsansprüche nach der Kündigung von der Arbeitsleistung freizustellen, ist nach den §§ 133, 157 BGB aus Sicht des Arbeitnehmers auszulegen.

Im Streitfall konnte der Kläger nach Ansicht des BAG der Freistellungserklärung der Beklagten nicht mit hinreichender Sicherheit entnehmen, ob die Beklagte unter anderem den vollen Urlaubsanspruch für das Jahr 2007 oder lediglich den auf den Zeitraum vom 1. Januar bis zum 31. März 2007 entfallenden Teilurlaubsanspruch erfüllen wollte.

Hierzu führt das BAG wie folgt aus:

Die Freistellungserklärung lässt nicht hinreichend deutlich erkennen, ob die Beklagte dem Kläger neben dem Resturlaub für das Jahr 2006 den gesamten Jahresurlaub für 2007, den er am 1. Januar 2007 erwarb, oder lediglich den auf den Zeitraum vom 1. Januar bis zum 31. März 2007 entfallenden Teilurlaub gewähren wollte.

Mit der Freistellung erklärte die Beklagte auch die Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. März 2007. Sie brachte für den Kläger erkennbar zum Ausdruck, sie gehe davon aus, der Kläger werde mit Wirkung zum 31. März 2007 aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden und infolgedessen für das Jahr 2007 lediglich einen Teilurlaubsanspruch erwerben. Denn nach § 5 Abs. 1 Buchst. c BUrlG hat ein Arbeitnehmer, der nach erfüllter Wartezeit in der ersten Hälfte eines Kalenderjahrs aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet, lediglich Anspruch auf ein Zwölftel des Jahresurlaubs für jeden vollen Monat des Bestehens des Arbeitsverhältnisses. Auf der Grundlage eines arbeitsvertraglichen Gesamturlaubsanspruchs im Umfang von 30 Arbeitstagen sind dies unter Außerachtlassung der Rundungsvorschrift des § 5 Abs. 2 BUrlG 7,5 Arbeitstage (3 Monate x 1/12 von 30 Arbeitstagen). Unter diesen Umständen war für den Kläger nicht zweifelsfrei zu erkennen, ob die Beklagte über den in jedem Fall geschuldeten Teilurlaubsanspruch hinaus den ihrer Rechtsauffassung nach nicht geschuldeten Urlaub, der sich aus der Differenz zwischen dem Teilurlaub und dem gesamten Jahresurlaub ergibt, gewähren wollte. Dieser Zweifel geht zulasten der Beklagten. Ihr oblag es, durch eine eindeutige Erklärung gegenüber dem Kläger klarzustellen, dass sie unabhängig von der mit der Kündigung zum Ausdruck gebrachten Ansicht, der Kläger habe nur Anspruch auf den gemäß § 5 Abs. 1 Buchst. c BUrlG gekürzten Vollurlaub, vorsorglich dennoch den Anspruch des Klägers auf den vollen Jahresurlaub erfüllen wolle.

Im Zeitraum vom 8. Oktober bis zum 2. November 2007 erteilte die Beklagte dem Kläger für die Monate Juni bis Dezember anteilig 17, 5 Arbeitstage Urlaub und berechnete für die Zeit von Januar bis März 2007 je 2, 5 Urlaubstage, das sind insgesamt 7, 5 Urlaubstage, an. Der restliche Anspruch beträgt damit fünf Tage.

Volltext des Urteils des  Bundesarbeitsgerichts: BAG, Urteil vom 17. Mai 2011 – 9 AZR 189/10

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