Monatsarchiv 24. Januar 2015

VonRA Moegelin

„Brilliantenschieber im Café Kaiserhof“ von George Grosz ist national wertvolles Kulturgut

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addon-the-artistEin sowohl für den Kunstmarkt als auch für den Kunstliebhaber wichtiges Urteil hat das Verwaltungsgericht Berlin gefällt. Die Aquarell-Collage „Brilliantenschieber im Café Kaiserhof“ von George Grosz ist national wertvolles Kulturgut (Verwaltungsgericht Berlin, Urteil vom 22. Januar 2015 – 1 K 228.11). Die Entscheidung ist allerdings noch nicht rechtskräftig. Gegen das Urteil kann die Zulassung der Berufung beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg beantragt werden.

Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im Juni 2011 verfügte das Land Berlin die Aufnahme verschiedener Kunstwerke, die im Eigentum eines Berliner Galeristen stehen, in das Verzeichnis national wertvollen Kulturgutes. Betroffen waren u.a. die Werke „Belebte Straßenszene“, „Schönheit, Dich will ich preisen“ und „Brilliantenschieber im Cafe Kaiserhof“ von George Grosz, „Ertüchtigung“ von Hannah Höch, „Zwischen Bäumen stehendes Mädchen“ von Otto Mueller sowie „Zwei nackte Tanzende“ und „Mädchen auf violettem Sessel“ von Ernst Ludwig Kirchner. Mit der Verfügung verbunden ist ein grundsätzliches Verbot der Ausfuhr der Werke ins Ausland.

Das Verwaltungsgericht hat der hiergegen gerichteten Klage überwiegend stattgegeben. Keines der betreffenden Werke sei national wertvolles Kulturgut – bis auf die „Brilliantenschieber“ von Grosz.

Das Gericht begründete seine Entscheidung wie folgt: Für eine Eintragung nach dem Kulturschutzgesetz ist es erforderlich, dass mit einer etwaigen Abwanderung der Kunstwerke aus Deutschland ein wesentlicher Verlust für den deutschen Kulturbesitz einhergeht. Maßgebend hierfür ist die künstlerische Eigenart der Objekte, ihr (kunst)historischer Rang und ihr kultureller Wert, ihre Einzigartigkeit oder ihre Seltenheit und ihre Bedeutung für die kulturelle Entwicklung in Deutschland. Bei einer Gesamtschau lässt sich dies für sechs der sieben genannten Werke nicht feststellen. Das Gericht folgt bei seiner Entscheidung damit im Wesentlichen dem Gutachten einer Kunstsachverständigen, die das Gericht beauftragt hatte. Diese hatte nur das Werk „Brilliantenschieber im Cafe Kaiserhof“ als wichtiges Objekt von George Grosz, der ein Künstler von internationalem Rang sei, eingeordnet. Denn dieses Bild stammt aus einer sehr kleinen Werkserie, bei der Grosz erstmals Elemente von Collage und Aquarell miteinander verbunden und damit ein neues und zentrales Gestaltungsprinzip der Avantgarde entwickelt habe.

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VonRA Moegelin

Sondertarifvertrag für studentische Aushilfskräfte

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graduation01Das BAG hatte zu entscheiden, ob schlechtere Arbeitsbedingungen für Studenten aufgrund Tarifvertrages rechtens oder möglicherweise diskriminierend sind.

Der Kläger ist eingeschriebener Student. Er ist seit einigen Jahren auf einem Großflughafen auf der Grundlage eines Aushilfsarbeitsvertrages mit nicht von vornherein festgelegten, vom Bedarf abhängig gemachten Arbeitszeiten beschäftigt, wobei die konkreten Arbeitseinsätze im Einzelfall übereinstimmend festgelegt werden. Es ist lediglich für die Vorlesungszeit eine Höchstarbeitszeit von 19,5 und für die vorlesungsfreie Zeit von 38,5 Stunden vereinbart. Der beklagte Flughafenbetreiber ist im kommunalen Arbeitgeberverband organisiert, so dass er an die Tarifverträge für den öffentlichen Dienst im Bereich der kommunalen Arbeitgeberverbände (TVöD) tarifgebunden ist. Die Beklagte wendet dieses Tarifrecht nicht auf das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis an, obwohl dieser Mitglied der tarifschließenden Gewerkschaft ver.di ist. Sie beruft sich darauf, dass sie mit ver.di zum 1. August 2007 einen Haustarifvertrag für studentische aushilfsweise Beschäftigte abgeschlossen hat, der für diesen Personenkreis abweichende Arbeitsbedingungen vorsieht. U.a. ist das Entgelt gegenüber demjenigen, das die Beklagte nach dem TVöD für die entsprechende Tätigkeit zu zahlen hat, wohl geringer; die Bezugszeiträume zur Berechnung der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall sind wesentlich verlängert, wobei die Entgeltfortzahlung der Höhe nach begrenzt ist. Den Haustarifvertrag haben für ver.di deren Verhandlungsführer und eine stellvertretende Landesbezirksleiterin unterzeichnet. Einer Beschwerde des Klägers gegen diesen Tarifabschluss hat der Kontroll- und Beschwerdeausschuss der Gewerkschaft stattgegeben.

Die auf die Anwendbarkeit des TVöD für den Dienstleistungsbereich Flughäfen (TVöD-F) gerichtete Feststellungsklage blieb jedoch in allen Instanzen erfolglos. Die Revision des Klägers wurde vom Bundesarbeitsgericht zurückgewiesen.

Ein Tarifvertrag über Sonderregelungen für studentische aushilfsweise Beschäftigte, der gegenüber den „Normalbeschäftigten“ modifizierte, wohl teilweise deutlich abgesenkte Arbeitsbedingungen vorsieht, ist nicht allein deshalb als solcher unwirksam, weil einige, auch zentrale, Bestimmungen möglicherweise wegen Verstoßes gegen Gleichbehandlungsgebote oder Diskriminierungsverbote rechtsunwirksam sind. Nur wenn der Tarifvertrag den an einen ordnungsgemäß zustande gekommenen Vertrag zu stellenden Anforderungen nicht genügt oder seine Regelungen insgesamt unwirksam oder unanwendbar sind, kann der Tarifvertrag als solcher keine Geltung beanspruchen (BAG, Urteil vom 16. November 2011 – 4 AZR 856/09).

Dazu führt das BAG wie folgt aus: Der Haustarifvertrag wurde seitens ver.di von den für einen Tarifabschluss Vertretungsbefugten unterzeichnet. Etwaige Mängel bei der innerverbandlichen Willensbildung führten nicht zur Unwirksamkeit des Vereinbarten. Diese Rechtsfolge ergibt sich auch nicht aus einem durchschlagenden inhaltlichen Mangel des Tarifvertrages, weil dieser auch von Rechts wegen nicht zu beanstandende Regelungen enthält. Er verdrängt deshalb in seinem Anwendungsbereich den TVöD-F, dessen Anwendbarkeit der Kläger nicht verlangen kann. Das BAG  hatte angesichts des bei ihm allein anhängigen Feststellungsantrages nicht zu entscheiden, ob in einzelnen Bestimmungen des verdrängenden Tarifvertrages gegen Gleichbehandlungsgebote oder Diskriminierungsverbote verstoßen wird und welche Rechtsfolgen sich hieraus ergäben.

Volltext des Urteils des Bundesarbeitsgerichts: BAG, Urteil vom 16. November 2011 – 4 AZR 856/09

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VonRA Moegelin

Außerordentliche Kündigung eines Betriebsratsmitglieds

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Simon-Printer-on-fireAuch ein Betriebsratsmitglied kann gekündigt werden, allerdings ist dabei das Betriebsverfassungsgesetz zu beachten. Stimmt der Betriebsrat der Kündigung nicht zu, kann er die gerichtliche Ersetzung verlangen. Im Fall eines Betriebsrats der bei einem Krankenhaus angestellt war, beantragte der Arbeitgeber die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung. Grund sei der Verstoß gegen ein zuvor erteiltes Hausverbot gewesen und „vorsorglich zur Wahrung der Zwei-Wochen-Frist“. Die Rechtsbeschwerde erachtete das Bundesarbeitsgericht als begründet und verwies die Sache zur weiteren Tatsachenfeststellung an das Landesarbeitsgericht zurück.

Schon zuvor hatte die Arbeitgeberin die Betriebsratswahl angefochten. Das Arbeitsgericht erklärte die Wahl für unwirksam, was vom Landesarbeitsgericht bestätigt wurde. Noch bevor ihm der Beschluss des Gerichts zugestellt wurde, trat der Betriebsrat geschlossen zurück.

Endet das Amt des Betriebsratsmitglieds, hat sich der Antrag des Arbeitgebers auf Ersetzung der Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung erledigt und wird unzulässig. Keine Beendigung tritt ein, wenn sich an das Ende der Amtszeit, in der ein Antrag auf Zustimmungsersetzung gestellt wurde, ohne Unterbrechung eine neue Amtszeit des Betriebsratsmitglieds anschließt. Das ist hier der Fall, so dass  die Zustimmungsverweigerung durch den Betriebsrat weiterhin gilt und das gerichtliche Verfahren weitergeführt werden kann.

Der Sonderkündigungsschutz war auch nicht durch den Rücktritt des Betriebsrats unterbrochen worden. Der zurückgetretene Betriebsrat bleibt bis zur Wahl des neuen Betriebsrats im Amt. Die Mitglieder behalten den Sonderkündigungsschutz.

Hält der Arbeitgeber an seinem Zustimmungsersuchen gegenüber dem Betriebsrat nicht mehr fest, hat sich das Verfahren erledigt. Die Formulierung „vorsorglich zur Wahrung der Zwei-Wochen-Frist“ ist aber nicht in diesem Sinne zu verstehen.

Nach der Rechtsprechung lässt eine gegenüber dem Arbeitnehmer im Lauf des Zustimmungsersetzungsverfahrens auf diese Weise vorsorglich ausgesprochene Kündigung das Ersuchen um Zustimmung gegenüber dem Betriebsrat und den Fortgang des gerichtlichen Verfahrens auf Ersetzung der Zustimmung unberührt.

Im laufenden Zustimmungsersetzungsverfahren kann deshalb der Betriebsrat der Kündigung auch weiterhin all das entgegensetzen, was ihn schon bislang dazu bewogen hat, ihr seine Zustimmung zu versagen. Seine im Rahmen des Ersetzungsverfahrens ununterbrochen gegebene Möglichkeit der Einflussnahme auf die Kündigungsabsicht des Arbeitgebers ist um nichts geringer als sie es wäre, wenn dieser die zwischenzeitlich vorsorglich ausgesprochene Kündigung nicht erklärt hätte (BAG, Beschluss vom 27. Januar 2011 – 2 ABR 114/09). Einer neuen Anhörung nach § 102 Abs. 1 BetrVG und eines neuen Zustimmungsersuchens nach § 103 Abs. 1 BetrVG bedarf es für die Möglichkeit des Einwirkens auf den Arbeitgeber nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts deshalb nicht.

Volltext des Beschlusses des Bundesarbeitsgerichts: BAG, Beschluss vom 27. Januar 2011 – 2 ABR 114/09

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VonRA Moegelin

Pflicht des Piloten eine Mütze zu tragen

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philrich123-A380Auch bei Betriebsvereinbarungen ist der Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten. Hierauf beruft sich ein Pilot, der sich gegen das Tragen einer Mütze wendet. Er fühlt sich ungleich behandelt, da Pilotinnen keine Mütze tragen müssen.

Der Kläger ist bei der Beklagten als Flugzeugführer beschäftigt. Dort sind aufgrund eines Tarifvertrags nach § 117 Abs. 2 BetrVG für das fliegende Personal Personalvertretungen gebildet. Der Tarifvertrag ordnet die Geltung des betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes an. Nach einer „Betriebsvereinbarung Dienstbekleidung“ hat das Cockpitpersonal während des Flugeinsatzes eine Uniform zu tragen. Zu dieser gehört bei Piloten eine „Cockpit-Mütze“, die in dem der Öffentlichkeit zugänglichen Flughafenbereich getragen werden muss, während Pilotinnen hierüber frei entscheiden können. Bei ihnen gehört die „Cockpit-Mütze“ auch nicht zur Uniform. Der Kläger hat diese unterschiedliche Ausgestaltung für unwirksam gehalten. Die Beklagte hat sich zu deren Rechtfertigung auf das klassische Pilotenbild und die Frisurgestaltung weiblicher Cockpitmitglieder berufen.

Die auf die Feststellung gerichtete Klage des Piloten, nicht zum Tragen der „Cockpit-Mütze“ verpflichtet zu sein, wurde vom Bundesarbeitsgericht stattgegeben. Auf die Revision des Klägers wurde das Urteil des LAG Köln aufgehoben.

Arbeitgeber und Betriebsrat können in einer Betriebsvereinbarung das Tragen einer einheitlichen Dienstkleidung regeln. Wird die Dienstkleidung für Arbeitnehmergruppen unterschiedlich ausgestaltet, verlangt der betriebsverfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz, dass eine solche Differenzierung entsprechend dem Regelungszweck sachlich gerechtfertigt ist (BAG, Urteil vom 30. September 2014 – 1 AZR 1083/12).

Nach dem hier einschlägigen § 68 des Tarifvertrags „Personalvertretung für das Bordpersonal“ haben die Personalvertretung und die Arbeitgeberin bei Betriebsvereinbarungen den dort geregelten Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten. Dieser auf den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG zurückzuführende Gleichbehandlungsgrundsatz zielt darauf ab, eine Gleichbehandlung von Personen in vergleichbaren Sachverhalten sicherzustellen und eine gleichheitswidrige Gruppenbildung auszuschließen. Eine Gruppenbildung kann nach der Rechtsprechung auch dadurch erfolgen, dass für eine Arbeitnehmergruppe eine Regelung getroffen wird und für eine andere unterbleibt. Sind demgemäß für verschiedene Arbeitnehmergruppen unterschiedliche Pflichten vorgesehen, verlangt der Gleichheitssatz, dass diese Differenzierung sachlich gerechtfertigt ist.

Die unterschiedliche Ausgestaltung der Tragepflicht verstößt nach Ansicht des BAG gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz und ist unwirksam. Die einheitliche Dienstkleidung solle das Cockpitpersonal in der Öffentlichkeit als hervorgehobene Repräsentanten des beklagten Luftfahrtunternehmens kenntlich machen. Gemessen an diesem Regelungszweck sei eine unterschiedliche Behandlung nicht gerechtfertigt.

Weder das klassische Pilotenbild noch die Frisurgestaltung weiblicher Cockpitmitglieder können die Ungleichbehandlung rechtfertigen. Das BAG erachtet es zwar als zutreffend, dass Flugzeugführer in der Öffentlichkeit regelmäßig nur als solche wahrgenommen werden, wenn sie eine Cockpit-Mütze tragen. Die verbleibenden Uniformteile ermöglichen zwar die Zuordnung zum fliegenden Personal, nicht aber die von der Beklagten gewünschte Unterscheidung zwischen ihrem Cockpit- und Kabinenpersonal. Die Zuordnung von Pilotinnen zu den Flugzeugführern der Beklagten kann daher ebenfalls ohne das Anlegen einer repräsentativen Kopfbedeckung nicht erreicht werden. Dass auch die Frisurgestaltung von Pilotinnen einer solchen Tragepflicht grundsätzlich nicht entgegensteht, belege schon die entsprechende Regelung der Betriebsvereinbarung für die weiblichen Mitglieder des Kabinenpersonals. Dieses könne zwar außerhalb des Flugzeugs einen Hut tragen, sei aber gehalten, ihre Frisur „in Klassik und Eleganz“ dem Hut anzupassen.

Ob es sich überdies um eine Benachteiligung wegen des Geschlechts handelt, bedurfte keiner Entscheidung, da es darauf nicht ankam.

Volltext des Urteils des Bundesarbeitsgerichts: BAG, Urteil vom 30. September 2014 – 1 AZR 1083/12

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VonRA Moegelin

Unterlassungsanspruch zwischen Mietern wegen Rauchens auf dem Balkon

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johnny-automatic-skull-with-top-hat-and-cigarDer BGH hat Rechte von Mietern, die von rauchenden Mietern belästigt werden, gestärkt. Ein Mieter, der sich durch den von einem tiefer gelegenen Balkon aufsteigenden Zigarettenrauch im Gebrauch seiner Wohnung beeinträchtigt fühlte und zudem Gefahren für seine Gesundheit durch Passivrauchen befürchtete, verlangte von einem anderen Mieter, das Rauchen während bestimmter Zeiten zu unterlassen.

Die Parteien sind Mieter in einem Mehrfamilienhaus in Brandenburg. Die Kläger wohnen im ersten Stock, die Beklagten im Erdgeschoss. Die Balkone der Wohnungen liegen übereinander. Die Beklagten sind Raucher und nutzen den Balkon mehrmals am Tag zum Rauchen, wobei der Umfang des täglichen Zigarettenkonsums streitig ist. Die Kläger fühlen sich als Nichtraucher durch den von dem Balkon aufsteigenden Tabakrauch gestört und verlangen deshalb von den Beklagten, das Rauchen auf dem Balkon während bestimmter Stunden zu unterlassen.

Die ersten beiden Instanzen haben die Klage noch abgewiesen. Die Vorinstanzen sind der Meinung, dass ein Rauchverbot mit der durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützten Freiheit der Lebensführung nicht vereinbar sei; diese schließe die Entscheidung ein, unabhängig von zeitlichen und mengenmäßigen Vorgaben auf dem zur gemieteten Wohnung gehörenden Balkon zu rauchen.

Der Bundesgerichtshof hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Landgericht zurückverwiesen.

Einem Mieter steht gegenüber demjenigen, der ihn in seinem Besitz durch sog. Immissionen stört (zu diesen gehören Lärm, Gerüche, Ruß und eben auch Tabakrauch), grundsätzlich ein Unterlassungsanspruch zu. Das gilt auch im Verhältnis von Mietern untereinander. Der Abwehranspruch ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil das Rauchen eines Mieters im Verhältnis zu seinem Vermieter grundsätzlich zum vertragsgemäßen Gebrauch der Wohnung gehört. Denn vertragliche Vereinbarungen zwischen einem Mieter und seinem Vermieter rechtfertigen nicht die Störungen Dritter (BGH, Urteil vom 16. Januar 2015 – V ZR 110/14)

Der BGH stellt klar, dass der Abwehranspruch jedoch ausgeschlossen ist, wenn die mit dem Tabakrauch verbundenen Beeinträchtigungen nur unwesentlich sind. Das ist anzunehmen, wenn sie auf dem Balkon der Wohnung des sich gestört fühlenden Mieters nach dem Empfinden eines verständigen durchschnittlichen Menschen nicht als wesentliche Beeinträchtigung empfunden werden.

Weiterhin führt der BGH wie folgt aus: Liegt hingegen nach diesem Maßstab eine als störend empfundene – also wesentliche – Beeinträchtigung vor, besteht der Unterlassungsanspruch allerdings nicht uneingeschränkt. Es kollidieren zwei grundrechtlich geschützte Besitzrechte, die in einen angemessenen Ausgleich gebracht werden müssen. Einerseits steht dem Mieter das Recht auf eine von Belästigungen durch Tabakrauch freie Nutzung seiner Wohnung zu, anderseits hat der andere Mieter das Recht, seine Wohnung zur Verwirklichung seiner Lebensbedürfnisse – zu denen auch das Rauchen gehört – zu nutzen. Das Maß des zulässigen Gebrauchs und der hinzunehmenden Beeinträchtigungen ist nach dem Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme zu bestimmen. Im Allgemeinen wird dies auf eine Regelung nach Zeitabschnitten hinauslaufen. Dem Mieter sind Zeiträume freizuhalten, in denen er seinen Balkon unbeeinträchtigt von Rauchbelästigungen nutzen kann, während dem anderen Mieter Zeiten einzuräumen sind, in denen er auf dem Balkon rauchen darf. Die Bestimmung der konkreten Zeiträume hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.

Sollte die Geruchsbelästigung nur unwesentlich sein, kommt nach der Ansicht des BGH ein Abwehranspruch in Betracht, wenn Gefahren für die Gesundheit drohen. Immissionen, die die Gefahr gesundheitlicher Schäden begründen, sind grundsätzlich als eine wesentliche und damit nicht zu duldende Beeinträchtigung anzusehen. Bei der Einschätzung der Gefährlichkeit der Einwirkungen durch aufsteigenden Tabakrauch ist allerdings zu berücksichtigen, dass im Freien geraucht wird. Insoweit kommt den Nichtraucherschutzgesetzen des Bundes und der Länder, die das Rauchen im Freien grundsätzlich nicht verbieten, eine Indizwirkung dahingehend zu, dass mit dem Rauchen auf dem Balkon keine konkreten Gefahren für die Gesundheit anderer einhergehen. Nur wenn es dem Mieter gelingt, diese Annahme zu erschüttern, indem er nachweist, dass im konkreten Fall der fundierte Verdacht einer Gesundheitsbeeinträchtigung besteht, wird eine wesentliche Beeinträchtigung vorliegen und deshalb eine Gebrauchsregelung getroffen werden müssen.

Das Landgericht hat nunmehr Feststellungen dazu zu treffen, ob der Rauch auf dem Balkon der Kläger als störend wahrnehmbar ist oder – wenn das zu verneinen sein sollte – ob im konkreten Fall von dem Tabakrauch gesundheitliche Gefahren ausgehen, wie die Kläger unter Hinweis auf eine Feinstaubmessung behaupten.

Volltext des Urteils des Bundesgerichtshofs vom 16. Januar 2015: BGH V ZR 110/14

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VonRA Moegelin

Insolvenzsicherungsbeiträge bei Arbeitszeitflexibilisierung

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vultureWegen der Nichtzahlung von Sozialkassen- und Insolvenzsicherungsbeiträgen begehrt die zuständige  Einzugsstelle gerichtliche Klärung.  Ein Unternehmen des Gerüstbauerhandwerks und späterer Beklagter meint hierzu nicht verpflichtet zu sein.

Die einschlägigen Tarifverträge regeln insbesondere wie folgt:

„Zur Absicherung des Insolvenzrisikos hat der Arbeitgeber den Durchführungsbeginn der Arbeitszeitflexibilisierung und die Anzahl der betroffenen Arbeitnehmer der Kasse zu melden und bis zum 15. des Folgemonats, der auf den Beginn des Ausgleichszeitraums folgt, einen Betrag von 50,00 Euro pro Arbeitnehmer an die Kasse zu entrichten.“ … „Der Arbeitgeber kann innerhalb des Ausgleichszeitraums bis zu 150 Arbeitsstunden vor- und 30 Arbeitsstunden nacharbeiten lassen.“

Der Beklagte hat in Absprache mit ihren Arbeitnehmern ein von den tariflichen Vorgaben partiell abweichendes Modell der Arbeitszeitflexibilisierung anwendet. Die klagende Einzugsstelle hat die Auffassung vertreten, Arbeitszeit dürfe nur im Rahmen der tariflichen Vorgaben flexibilisiert werden. Die Beklagte sei daher zur Zahlung der Insolvenzsicherungsbeiträge verpflichtet. Dem ist das Bundesarbeitsgericht gefolgt.

Ein Arbeitgeber ist zur Zahlung eines Beitrags zur Absicherung des Insolvenzrisikos von Zeitguthaben an die Einzugsstelle von Sozialkassen- und Insolvenzsicherungsbeiträge aufgrund einer tariflichen Regelung verpflichtet, trotz eines nicht von der Regelung gedeckten Modells der Arbeitszeitflexibilisierung (BAG, Urteil vom 19. März 2014 – 10 AZR 750/13).

Die streitgegenständliche tarifliche Reglung erlaube einem Arbeitnehmer des beklagten Arbeitgeners, den aus umgewandeltem Zeitguthaben resultierenden Entgeltanspruch unmittelbar gegenüber der klagenden Kasse geltend zu machen, wenn der Arbeitgeber bei Anspruchsfälligkeit insolvent ist.

Die tarifliche geregelte Beitragpflicht gelte unmittelbar und zwingend. Abweichende Abmachungen seien gemäß § 4 Abs. 3 TVG nur zulässig, soweit sie durch den Tarifvertrag gestattet sind oder eine Änderung der Regelungen zugunsten des Arbeitnehmers enthalten. Dieses Modell der Arbeitszeitflexibilisierung ist nach Ansicht des BAG zwar eine nach § 4 Abs. 3 TVG  zulässige Abweichung gegenüber dem tariflichen Arbeitszeitmodell, diese bewirke jedoch nicht, dass etwaige Zeitguthaben nicht insolvenzgesichert sind und deshalb keine Insolvenzsicherungsbeiträge zu leisten sind. Eine Insolvenzsicherung sei zwar tariflich möglich, jedoch nicht im Betrieb des beklagten Arbeitgebers vorhanden. Bei diesem Modell der Arbeitszeitflexibilisierung tragen die Arbeitnehmer weiter gehende Insolvenzrisiken. Es sei weder ein Ausgleichszeitraum bestimmt noch überhaupt ein Ausgleich durch Freistunden vorgesehen. Damit hänge es bei drohender Insolvenz von der – zufällig – rechtzeitigen Geltendmachung ab, ob ein Zeitguthaben noch zur Auszahlung kommt. Zur Abdeckung des Insolvenzrisikos hat der Arbeitgeber die eingeklagten Versicherungsbeiträge an die klagende Sozialkasse zu zahlen. Die Revision des beklagten Arbeitgebers war daher zurückzuweisen.

Volltext des Urteils des Bundesarbeitsgerichts: BAG, Urteil vom 19. März 2014 – 10 AZR 750/13

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