Wegen der Nichtzahlung von Sozialkassen- und Insolvenzsicherungsbeiträgen begehrt die zuständige Einzugsstelle gerichtliche Klärung. Ein Unternehmen des Gerüstbauerhandwerks und späterer Beklagter meint hierzu nicht verpflichtet zu sein.
Die einschlägigen Tarifverträge regeln insbesondere wie folgt:
„Zur Absicherung des Insolvenzrisikos hat der Arbeitgeber den Durchführungsbeginn der Arbeitszeitflexibilisierung und die Anzahl der betroffenen Arbeitnehmer der Kasse zu melden und bis zum 15. des Folgemonats, der auf den Beginn des Ausgleichszeitraums folgt, einen Betrag von 50,00 Euro pro Arbeitnehmer an die Kasse zu entrichten.“ … „Der Arbeitgeber kann innerhalb des Ausgleichszeitraums bis zu 150 Arbeitsstunden vor- und 30 Arbeitsstunden nacharbeiten lassen.“
Der Beklagte hat in Absprache mit ihren Arbeitnehmern ein von den tariflichen Vorgaben partiell abweichendes Modell der Arbeitszeitflexibilisierung anwendet. Die klagende Einzugsstelle hat die Auffassung vertreten, Arbeitszeit dürfe nur im Rahmen der tariflichen Vorgaben flexibilisiert werden. Die Beklagte sei daher zur Zahlung der Insolvenzsicherungsbeiträge verpflichtet. Dem ist das Bundesarbeitsgericht gefolgt.
Ein Arbeitgeber ist zur Zahlung eines Beitrags zur Absicherung des Insolvenzrisikos von Zeitguthaben an die Einzugsstelle von Sozialkassen- und Insolvenzsicherungsbeiträge aufgrund einer tariflichen Regelung verpflichtet, trotz eines nicht von der Regelung gedeckten Modells der Arbeitszeitflexibilisierung (BAG, Urteil vom 19. März 2014 – 10 AZR 750/13).
Die streitgegenständliche tarifliche Reglung erlaube einem Arbeitnehmer des beklagten Arbeitgeners, den aus umgewandeltem Zeitguthaben resultierenden Entgeltanspruch unmittelbar gegenüber der klagenden Kasse geltend zu machen, wenn der Arbeitgeber bei Anspruchsfälligkeit insolvent ist.
Die tarifliche geregelte Beitragpflicht gelte unmittelbar und zwingend. Abweichende Abmachungen seien gemäß § 4 Abs. 3 TVG nur zulässig, soweit sie durch den Tarifvertrag gestattet sind oder eine Änderung der Regelungen zugunsten des Arbeitnehmers enthalten. Dieses Modell der Arbeitszeitflexibilisierung ist nach Ansicht des BAG zwar eine nach § 4 Abs. 3 TVG zulässige Abweichung gegenüber dem tariflichen Arbeitszeitmodell, diese bewirke jedoch nicht, dass etwaige Zeitguthaben nicht insolvenzgesichert sind und deshalb keine Insolvenzsicherungsbeiträge zu leisten sind. Eine Insolvenzsicherung sei zwar tariflich möglich, jedoch nicht im Betrieb des beklagten Arbeitgebers vorhanden. Bei diesem Modell der Arbeitszeitflexibilisierung tragen die Arbeitnehmer weiter gehende Insolvenzrisiken. Es sei weder ein Ausgleichszeitraum bestimmt noch überhaupt ein Ausgleich durch Freistunden vorgesehen. Damit hänge es bei drohender Insolvenz von der – zufällig – rechtzeitigen Geltendmachung ab, ob ein Zeitguthaben noch zur Auszahlung kommt. Zur Abdeckung des Insolvenzrisikos hat der Arbeitgeber die eingeklagten Versicherungsbeiträge an die klagende Sozialkasse zu zahlen. Die Revision des beklagten Arbeitgebers war daher zurückzuweisen.
Volltext des Urteils des Bundesarbeitsgerichts: BAG, Urteil vom 19. März 2014 – 10 AZR 750/13
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