Monatsarchiv 27. Januar 2015

VonRA Moegelin

Beendigung des Arbeitsverhältnisses kraft Gesetzes

Share

paragrafArbeitsverhältnisse enden vor allem durch Kündigung, Befristung oder vertraglich vereinbarte Aufhebung. Im hier beschriebenen Fall kam es zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses kraft Gesetzes. Betroffen waren die Mitarbeiter einer Betriebskrankenkasse.

Nachdem die „City-BKK“ und die „BKK-Heilberufe“ vom Bundesversicherungsamt geschlossen worden waren, erhielten sämtliche 400 bzw. 270 Beschäftigten die Mitteilung, ihre Arbeitsverhältnisse endeten zum jeweiligen Schließungszeitpunkt. Vorsorglich wurde den betreffenden Mitarbeitern zusätzlich noch die Kündigung erklärt. Hunderte von Beschäftigten haben gegen die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses Klage erhoben.

Eine Betriebskrankenkasse kann nach § 153 SGB V von der Aufsichtsbehörde geschlossen werden. In diesem Fall ist denjenigen Beschäftigten, deren Arbeitsverhältnis nicht durch ordentliche Kündigung beendet werden kann, beim Landesverband der Betriebskrankenkassen oder einer anderen Betriebskrankenkasse eine ihrer bisherigen Dienststellung vergleichbare, zumutbare Stellung anzubieten. Für Beschäftigte von Betriebskrankenkassen, deren Arbeitsverhältnis ordentlich gekündigt werden kann, gilt diese Regelung nicht. Nach § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V enden die Vertragsverhältnisse der Beschäftigten, „die nicht nach Absatz 3 untergebracht werden“, mit dem Tag der Schließung der Kasse.

In den ersten vier – von etwa 280 – Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht hat der Zweite Senat des Gerichts den Klagen stattgegeben. Den beiden Beschäftigten, deren Arbeitsverhältnis durch ordentliche Kündigung nicht beendet werden konnte, war eine zumutbare Stellung beim Landesverband oder einer anderen Betriebskrankenkasse nicht angeboten worden. Ihre Arbeitsverhältnisse haben aus diesem Grunde am Tag der Schließung nicht geendet. § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V ist dahin zu verstehen, dass die gesetzliche Anordnung der Beendigung des Arbeitsverhältnisses das Angebot einer zumutbaren Stellung im Sinne von § 164 Abs. 3 Satz 3 SGB V voraussetzt (BAG, Urteil vom 21. November 2013 – 2 AZR 474/12).

Auch die beiden Arbeitsverhältnisse, die durch ordentliche Kündigung beendet werden konnten, haben nach Ansicht des Bundearbeitsgerichts nicht mit dem Tag der Schließung geendet. Eine an Wortlaut, Entstehungsgeschichte und gesetzgeberischem Zweck orientierte Auslegung der einschlägigen Vorschriften ergibt, dass die gesetzliche Anordnung in § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V – da den betreffenden Arbeitnehmern eine zumutbare Stellung bei einer anderen Betriebskrankenkasse zuvor nicht angeboten worden sein muss – für solche Arbeitsverhältnisse nicht gilt. Sie unterliegen allein den Regelungen des Kündigungsschutzrechts. Die vorsorglich erklärten (außer-)ordentlichen Kündigungen waren in allen vier Fällen rechtsunwirksam. Bei Ablauf der Kündigungsfristen lagen dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung der Arbeitnehmer entgegengestanden hätten, nicht vor.

Volltext des Urteils des Bundesarbeitsgerichts: BAG, Urteil vom 21. November 2013 – 2 AZR 474/12

Share
VonRA Moegelin

Arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel als Gleichstellungsabrede

Share

Former-Sera-Hiroshima-chapterDas BAG hatte zu klären, wie arbeitsvertraglich vereinarte dynamische Verweisungen auf einen Tarifvertrag auszulegen sind, die vor dem Inkrafttreten der Schuldrechtsreform am 1. Januar 2002 vereinbart worden sind.

Die Parteien hatten im Jahr 1992 einen formularmäßigen Arbeitsvertrag unterzeichnet, in dem die Vergütung nach einer bestimmten Tarifgruppe des damals geltenden Tarifvertrages für den Einzelhandel Brandenburg vereinbart worden war.

Maßgeblich war folgende arbeitsvertragliche Regelung:

„§ 3  Gehalt: Der Angestellte erhält monatlich nachträglich ein Gehalt von brutto DM 1743, – + 200, – brutto übertarifl. Zulage, da stell. FL unter Vereinbarung der Tarifgruppe K 2 5. Bj. … Im übrigen richtet sich das Anstellungsverhältnis nach den jeweils geltenden Tarifverträgen der infrage kommenden Sparte. …“

Die beklagte Arbeitgeberin trat 1997 aus dem Arbeitgeberverband aus. Im März 2008 begehrte die Klägerin von der Beklagten die Zahlung entsprechend des aktuellen Tarifvertrages des Einzelhandels Brandenburg. Die Beklagte verweigerte dies, weil aus ihrer Sicht in der arbeitsvertraglichen Verweisungsklausel eine Gleichstellungsabrede zu sehen sei.

Die Klägerin macht mit ihrer Klage Vergütungsdifferenzen zwischen dem aktuellen Tarifentgelt und der an sie tatsächlich gezahlten Vergütung geltend. Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Die Revision der Klägerin blieb vor dem Bundesarbeitsgerichts erfolglos.

Eine vor dem 1. Januar 2002 arbeitsvertraglich vereinbarte dynamische Verweisung auf einen Tarifvertrag („Altvertrag“) ist gewöhnlich dann als Gleichstellungsabrede auszulegen, wenn sie auf den einschlägigen Tarifvertrag verweist, an den der Arbeitgeber zu diesem Zeitpunkt selbst gebunden ist. Endet seine Tarifgebundenheit zu einem späteren Zeitpunkt, entfällt die Dynamik der Verweisung. Der Tarifvertrag bleibt dann statisch in der zur Zeit des Wegfalls der Tarifgebundenheit geltenden Fassung Inhalt des Arbeitsvertrages. Diese Rechtsprechung hat das BAG für vertragliche Verweisungsklauseln, die nach dem Inkrafttreten der Schuldrechtsreform am 1. Januar 2002 vereinbart worden sind, aufgegeben (vgl. BAG, Urteil vom 18. April 2007 – 4 AZR 652/07). Es gewährt hinsichtlich sogenannter „Altverträge“ jedoch Vertrauensschutz, zu dessen zeitlicher Begrenzung kein Anlass besteht (BAG, Urteil vom 14. Dezember 2011 – 4 AZR 79/10).

Die Verweisungsklausel im betreffenden Arbeitsvertrag ist demnach als Gleichstellungsabrede auszulegen. In ihrer Gesamtheit nimmt sie hinreichend klar auf den zu jener Zeit geltenden Tarifvertrag für den Einzelhandel Brandenburg Bezug.  Es handelt sich somit um eine Verweisungsklausel, die vor dem 1. Januar 2002 vereinbart wurde.

Das BAG gewährt, wie zuvor angemerkt, Vertrauensschutz hinsichtlich seiner „alten“ Rechtsprechung, so dass es auch im vorliegenden Fall bei der früheren Auslegungsregel verbleibt. Endet demnach die Tarifgebundenheit des Arbeitgebers -wie hier- zu einem späteren Zeitpunkt, entfällt die Dynamik der Verweisung. Die Klägerin kann deshalb keine Vergütung nach dem aktuellen, höheren Tarifstand verlangen.

Volltext des Urteils des Bundesarbeitsgerichts: BAG, Urteil vom 14. Dezember 2011 – 4 AZR 79/10

Share
VonRA Moegelin

Künstlername für Prostituierte im Personalausweis

Share

putaDas VG Berlin hatte zu entscheiden, ob Sex für Geld „Kunst“ ist. Wenn dem so wäre, könnte eine Prostutuierte einen Künstlernamen im Ausweis führen.

Eine Prostituierte und spätere  Klägerin die einen Escortservice betreibt, engagiert sich zugleich öffentlich für die Rechte von Prostituierten. In der Öffentlichkeit tritt sie jeweils unter einem Pseudonym auf. Ihren an das Bezirksamt Pankow von Berlin gerichteten Antrag auf Eintragung dieses Namens als Künstlernamen in ihren Personalausweis lehnte die Behörde ab, weil die Klägerin keine künstlerische Tätigkeit ausübe und unter diesem Namen auch nicht öffentlich bekannt sei. Hiergegen wandte sich die Klägerin u.a. mit dem Argument, als Kultur- und Erotikbegleiterin arbeite sie mit ihrem Körper ebenso wie etwa eine Tänzerin. Sie schlüpfe in verschiedene Rollen wie eine Schauspielerin und beeinflusse dadurch die Wahrnehmung des Betrachters; so löse sie Affekte in ihm aus, wie dies auch andere Künstler täten. Als Advokatin für die politischen und sozialen Rechte von „Sexarbeitern“ sei sie auch bekannt.

Das Gericht wies die Klage ab. Prostituierte, die ihrer Tätigkeit unter einem Pseudonym nachgehen, können diesen Namen nicht als Künstlernamen im Personalausweis eintragen lassen. (Verwaltungsgericht Berlin, Urteil vom 20. Januar 2015 – VG 23 K 180.14).

Die Klägerin habe keinen Anspruch auf die begehrte Eintragung. Als Künstlername werde der Namen bezeichnet, unter dem ein Betroffener als Künstler auftrete. Daran fehle es hier. Beim künstlerischen Schaffen wirkten Intuition, Phantasie und Kunstverstand zusammen; dabei gehe es primär nicht um Mitteilung, sondern um den Ausdruck der individuellen Persönlichkeit des Künstlers. Auch wenn die Klägerin einer selbstbestimmten Tätigkeit nachgehe, handele es sich hierbei nicht um freie schöpferische Gestaltung, in der sie ihre Eindrücke, Erfahrungen und Erlebnisse zum Ausdruck bringe; im Mittelpunkt ihrer Dienstleistung stehe die Erfüllung der sexuellen Bedürfnisse ihrer Kunden. Ungeachtet dessen habe die Klägerin auch keinen allgemeinen Bekanntheitsgrad erreicht, der für die Eintragung eines Künstlernamens zwingend erforderlich sei. Tatsächlich wolle die Klägerin einen Berufsnamen bzw. ein Pseudonym führen, dessen Eintragung nach dem Gesetz nicht vorgesehen sei.

Auch in den Medien hat das Urteil für Resonanz gesorgt.

Gegen das Urteil kann die Zulassung der Berufung beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg beantragt werden.

Share
VonRA Moegelin

Belästigung von Kolleginnen – Kündigung wegen Stalking

Share

SMILE-1Ein Verwaltungsangestellter erhielt die Kündigung, da er Kolleginnen in einer Weise belästigt haben soll, die als Stalking bezeichnet werden kann. Er war beim beklagten Land seit 1989 beschäftigt. Im Jahr 2007 teilte das Land ihm als Ergebnis eines Verfahrens vor der Beschwerdestelle nach § 13 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes mit, dass eine Mitarbeiterin, die sich von ihm belästigt fühlte, weder dienstlich noch privat Kontakt mit ihm wünsche und dieser Wunsch vorbehaltlos zu respektieren sei. Eine unmittelbare Kontaktaufnahme mit der Mitarbeiterin habe „auf jeden Fall zur Vermeidung arbeitsrechtlicher Konsequenzen zu unterbleiben“.

Im Oktober 2009 wandte sich eine andere, als Leiharbeitnehmerin beschäftigte Mitarbeiterin an das beklagte Land und gab an, sie werde vom betreffenden Verwaltungsangestellten und späteren Kläger in unerträglicher Art und Weise belästigt und bedrängt. Nach näherer Befragung der Mitarbeiterin und Anhörung des Klägers kündigte das Land das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos. Es hat behauptet, der Kläger habe der Mitarbeiterin gegen deren ausdrücklich erklärten Willen zahlreiche E-Mails geschickt, habe sie ohne dienstlichen Anlass in ihrem Büro angerufen oder dort aufgesucht und sich wiederholt und zunehmend aufdringlich in ihr Privatleben eingemischt. Um sie zu weiterem privaten Kontakt mit ihm zu bewegen, habe er ihr unter anderem damit gedroht, er könne dafür sorgen, dass sie keine feste Anstellung beim Land bekomme.

Das Arbeitsgericht hat die Kündigungsschutzklage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Die Revision des beklagten Landes hatte vor dem Bundesarbeitsgericht Erfolg. Es hat die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das LAG zurückverwiesen.

Ein schwerwiegender Verstoß eines Arbeitnehmers gegen seine vertragliche Nebenpflicht, die Privatsphäre und den deutlichen Wunsch einer Arbeitskollegin zu respektieren, nicht-dienstliche Kontaktaufnahmen mit ihr zu unterlassen, kann die außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen. Ob es zuvor einer einschlägigen Abmahnung bedarf, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (BAG, Urteil vom 19. April 2012 – 2 AZR 258/11).

Es steht nach der Überzeugung des BAG noch nicht fest, ob ein wichtiger Grund für die Kündigung gemäß § 626 Abs. 1 BGB vorliegt. Das LAG habe zwar im Ergebnis zutreffend angenommen, dass der Kläger durch die Mitteilung aus dem Jahr 2007 nicht im Rechtssinne abgemahnt worden sei. Es habe aber nicht ausreichend geprüft, ob angesichts der Warnung durch das zuvor durchgeführte Beschwerdeverfahren und der übrigen Umstände eine Abmahnung entbehrlich war. Ob die Kündigung gerechtfertigt ist, konnte der Senat nicht selbst entscheiden. Das LAG hat keine dazu hinreichenden Feststellungen zum Sachverhalt getroffen.

Volltext des Urteils des Bundesarbeitsgerichts: BAG, Urteil vom 19. April 2012 – 2 AZR 258/11

Share
VonRA Moegelin

Diplomat darf wegen immunität Arbeitnehmerin ausbeuten

Share

flower-behind-barsDer akkreditierte Attaché der Botschaft des Königreichs S. soll seine mit Arbeitsvertrag angestellte Haushaltshilfe in ausbeuterischer Weise beschäftigt haben, vergleichbar mit einer Sklavin. Diese habe den Haushalt des Beklagten nicht verlassen dürfen und sei zur Arbeitsleistung an sieben Tagen in der Woche mit Arbeitszeiten von bis zu zwanzig Stunden am Tag angehalten worden; hierbei sei es ständig zu körperlichen Misshandlungen und Erniedrigungen seitens des Beklagten und seiner Familienangehörigen gekommen. Entgegen der vertraglichen Vereinbarung sei eine eigene Unterkunft nicht gewährt worden; ihre Rechtsvorgängerin habe vielmehr ohne Matratze und warme Kleidung mit einer dünnen Decke auf dem Boden des Kinderzimmers schlafen müssen. Die zugesagte Verpflegung habe aus Essensresten bestanden. Eine Vergütung habe ihre Rechtsvorgängerin bis zu ihrer Flucht nicht erhalten.

Die Haushaltshilfe und spätere Klägerin macht deswegen den Ausgleich von Entgeltansprüchen, Schmerzensgeld und Schadensersatz geltend. Ihre Klage wurde in 1. Instanz abgewiesen.

Das Berufungsgericht hat die Abweisung der Klage wegen der Immunität des Attachés bestätigt. Demnach sei die deutsche Gerichtsbarkeit gemäß § 18 GVG nicht zuständig. Die Verletzung der Rechte der Klägerin, unter anderem wegen der nicht möglichen Rechtsverfolgung in Deutschland wiegen nicht so schwer wie die diplomatischen Beziehungen Deutschlands zu den jeweils beteiligten Staaten (Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 9. November 2011 – 17 Sa 1468/11).

Die Mitglieder der in der Bundesrepublik Deutschland errichteten diplomatischen Missionen sind gemäß § 18 Satz 1 GVG nach Maßgabe des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen von der deutschen Gerichtsbarkeit befreit. Der beklagte Attaché genießt daher als Diplomat nach Ansicht des Gericht Immunität (auch) vor der Arbeitsgerichtsbarkeit.

Der Ausschluss des Zivilrechtswegs sei schließlich bei einer Abwägung der Belastungen der Partei, die ihre Ansprüche nicht gerichtlich geltend machen kann, mit den Vorteilen, die die Diplomatenimmunität für die Allgemeinheit mit sich bringt, verhältnismäßig. An der Sicherung der diplomatischen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland besteht angesichts ihrer Stellung in der internationalen Gemeinschaft ein überragendes Gemeinwohlinteresse, hinter dem das Interesse des Einzelnen, einen durch § 18 GVG geschützten Diplomaten zu verklagen, zurückstehen müsse. Dabei ist zum einen zu berücksichtigen, dass die Diplomatenimmunität nicht zu einem Anspruchsverlust führe. Der Diplomat genieße ferner im Entsendestaat keine Immunität gemäß Art. 31 Abs. 4 WÜD, d.h., ein gegen ihn gerichteter Anspruch könne dort gerichtlich geltend gemacht werden.

Das LAG hat wegen grundsätzlicher Bedeutung die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen.

Volltext des Urteils Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg: LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 9. November 2011 – 17 Sa 1468/11

Share
VonRA Moegelin

Außerordentliche Kündigung wegen Krankheit

Share

1315999512Bei langanhaltender Krankheit oder häufigen Kurzerkrankungen wird der Arbeitgeber üblicherweise eine fristgerechte Kündigung aussprechen. In der dem BAG vorliegenden Sache liegt der ungewöhnliche Fall einer außerordentlichen krankheitsbedingten Kündigung vor. Der Arbeitgeber ist ein Unternehmen der Stahlindustrie. Der wegen der Krankheit gekündigte Arbeitnehmer und spätere Kläger ist über 50 Jahre alt und schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 50.

Der Kläger arbeitete ursprünglich in der Kaltwalzwerk-Adjustage als Packer. Nach Vorlage eines ärztlichen Attests, dem zufolge er die Tätigkeit nicht mehr ausüben dürfe, wurde ihm leichtere Tätigkeitsbereiche zugewiesen. Zuletzt sollte er Reinigungsarbeiten durchführen. Mit der Begründung, die Tätigkeit tue ihm gesundheitlich nicht gut, bat der Kläger um Zuweisung einer anderen Aufgabe. Das lehnte die Beklagte – nach Einschaltung des Werksarztes – ebenso ab wie den Wunsch des Klägers nach einer erneuten gestuften Wiedereingliederung.

Mit Schreiben vom 10. Februar 2010 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien – mit Zustimmung des Integrationsamts sowie nach Anhörung des Betriebsrats und der Schwerbehindertenvertretung – außerordentlich mit einer Auslauffrist zum 30. September 2010.

Auf das Arbeitsverhältnis findet ein Tarifvertrag Anwendung, der insbesondere wie folgt regelt:

„§ 17. Einstellung, Kündigung

Einem Arbeitnehmer, der das 50. Lebensjahr vollendet hat und dem Betrieb oder Unternehmen mindestens 15 Jahre angehört, kann nur noch aus in der Person oder im Verhalten des Arbeitnehmers liegendem wichtigen Grund oder bei Vorliegen eines Sozialplans oder bei Zustimmung der Tarifvertragsparteien gekündigt werden. ..Im übrigen gelten für ordentliche Kündigungen die gesetzlichen Bestimmungen. Die gesetzlichen Bestimmungen über fristlose Kündigungen bleiben unberührt.“

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Auf die Revision des beklagten Arbeitgebers ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Ob das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung aufgelöst worden ist, steht nach Ansicht des BAG noch nicht fest.

Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit kann ein wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB sein. Regelmäßig ist dem Arbeitgeber aber die Einhaltung der Kündigungsfrist zuzumuten, und schon an eine ordentliche Kündigung wegen Arbeitsunfähigkeit ist ein strenger Maßstab anzulegen. Eine außerordentliche Kündigung kommt nach der Rechtsprechung nur in eng begrenzten Fällen in Betracht, etwa wenn die ordentliche Kündigung aufgrund tarifvertraglicher Vereinbarungen ausgeschlossen ist.

Die Auffassung des LAG weil der Beklagten als „milderes Mittel“ die ordentliche Kündigung zur Verfügung gestanden habe, hält das BAG für fehlgehend, weil § 17 des TV bei einem -wie hier- über 50-jährigen Mitarbeiter eine ordentliche Kündigung aus Gründen in der Person oder im Verhalten des Arbeitnehmers ausnahmslos ausschließe.

Die Sache ist nach den Feststellungen des BAG nicht entscheidungsreif. Das LAG hat nun Feststellungen zu treffen, ob im Kündigungszeitpunkt von einer dauernden Leistungsunfähigkeit des Klägers auszugehen war und ob die Möglichkeit eines Einsatzes auf einem anderen Arbeitsplatz gegeben war.

Ist der Leistungsaustausch auf Dauer umfassend gestört, weil der Arbeitnehmer aufgrund seiner Erkrankung auf unabsehbare Zeit keine Arbeitsleistung mehr erbringen wird, kann eine Kündigung aus wichtigem Grund gerechtfertigt sein. Deren Unwirksamkeit kann sich dann in der Regel nur noch aus der Abwägung der wechselseitigen Interessen ergeben (BAG, Urteil vom 20. März 2014 – 2 AZR 288/13).

Das Landesarbeitsgericht wird  zu berücksichtigen haben, dass nicht nur die dauerhafte Leistungsunfähigkeit ein wichtiger Grund für eine Kündigung sein kann. Auch häufige kürzere Erkrankungen können dazu führen, dass ein Einsatz des Arbeitnehmers nicht mehr sinnvoll und verlässlich geplant werden kann und dieser damit zur Förderung des Betriebszwecks praktisch nichts mehr beiträgt. Die Aufrechterhaltung eines solchermaßen sinnentleerten Arbeitsverhältnisses kann dem Arbeitgeber auch im Falle eines ordentlich nicht kündbaren Arbeitnehmers nach der Rechtsprechung unzumutbar sein.

Das BAG hält es zumindest nicht für ausgeschlossen, dass es der Beklagten aufgrund der zuletzt deutlich angewachsenen Fehlzeiten des Klägers in Verbindung mit einer stetigen Verschlechterung seines Gesundheitszustands, der Vielzahl ergebnislos verlaufener Wiedereingliederungsversuche und weiterer vom Kläger abgelehnter Tätigkeiten nach einem strengen Prüfungsmaßstab unzumutbar war, am Arbeitsverhältnis festzuhalten.

Volltext des Urteils des Bundesarbeitsgerichts: BAG, Urteil vom 20. März 2014  – 2 AZR 288/13

Share
Blogverzeichnis TopBlogs.de das Original - Blogverzeichnis | Blog Top Liste Blogverzeichnis Bloggerei.de