Monatsarchiv 27. Dezember 2014

VonRA Moegelin

Rücksichtslosem Raucher droht Zwangsvollstreckung

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No_smoking_Chinese_mascotFriedhelm Adolfs ist zu Recht vom LG Düsseldorf verurteilt worden, seine Wohnung zu räumen. Nach der Wertung des Gerichts hat er in schuldhafter vertragswidriger Weise in der Wohnung geraucht, nicht ausreichend gelüftet und die Aschenbecher nicht entleert, was zur Folge hatte, dass Zigarettenrauch in den Hausflur zog.

Die Kündigung der Vermieterin verstößt nicht gegen § 242 BGB (venire contra factum proprium) -, weil sie im Jahr 2008 mit dem Beklagten einen neuen Mietvertrag abgeschlossen hat, obwohl sie wusste, dass der Beklagte Raucher war und auch weiterhin in seiner Wohnung rauchen wollte. Zum vertragswidrigen Verhalten des Beklagten, nämlich dem unzureichenden Lüften und der unterlassenen Leerung von Aschenbechern, ist es aber erst später, nämlich ab dem Jahr 2011 gekommen.

Weiterer Vortrag des Beklagten, unter anderem, dass es ohnehin im Treppenhaus stinke, war verspätet und damit nicht zu berücksichtigen.

Die Revision zum Bundesgerichtshof wurde zugelassen. Der BGH hat einen Termin bestimmt für den 18.02.2015 unter die Sache unter dem AZ VIII ZR 186/14.

Möglicherweise wird Herr Adolfs schon in Kürze durch einen Gerichtsvollzieher aus seiner Wohnung entfernt, da die vom Gericht gesetzte Frist zur Räumung zum Ende des Jahres 2014 abläuft. Er glaubt sich in Sicherheit, da er die geforderte Sicherheitsleistung gezahlt habe. Die Vermieterin beabsichtige jedoch ebenfalls eine Sicherheitsleistung zu hinterlegen, so dass das Urteil dann vollstreckt werden könnte und möglicherweise noch vor dem Termin beim BGH eine Zwangsräumung möglich wäre. Unbeschadet hiervon wird die zu erwartende Entscheidung des BGH auf Interesse stoßen für die große Zahl von Rauchern die zur Miete wohnen.

Volltext des Urteils des Landgerichts Düsseldorf: LG Düsseldorf, Urteil vom 26. Juni 2014 – 21 S 240/13 U.

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VonRA Moegelin

Notarielles Schuldanerkenntnis wegen Unterschlagungen am Arbeitsplatz

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burglarEin angestellter Verkäufer im Getränkemarkt geriet bei seinem Arbeitgeber ins Zwielicht, weil durch Inventuren erhebliche Fehlbestände an Leergut aufgefallen waren. Deshalb nahm der Arbeitgeber Langzeitauswertungen vor und installierte Ende Juni 2006 eine für den Angestellten nicht erkennbare Videokamera über seinem Arbeitsplatz an der Getränkemarkt-Kasse. Nach Darstellung des später beklagten Arbeitgebers ergab die Videoauswertung Unterschlagungen des Klägers binnen dreier Arbeitstage in Höhe von 1.120 €. Die Kassenauswertung ergab für zwei Monate einen Schaden von über 10.000 €. Damit wurde der Kläger Ende Juli 2006 im Beisein der Betriebsratsvorsitzenden konfrontiert. Er gab zu, seit vier Jahren regelmäßig Geld genommen und dies mit fingierten Pfandbonzetteln verdeckt zu haben. Nach anfänglich kleinen täglichen Beträgen, die nicht aufgefallen seien, habe er zeitweise zwischen 500 € und 600 € täglich entnommen. Der Kläger bestätigte handschriftlich, innerhalb von vier Jahren einen Gesamtschaden von wenigstens 110.000 € verursacht zu haben. Später fuhr man zu einem Notar. Dort unterzeichnete der Kläger ein vom Notar formuliertes Schuldanerkenntnis wegen von ihm begangener vorsätzlicher unerlaubter Handlungen in Höhe von 113.750 € zuzüglich Zinsen. Ihm wurde eine monatliche Ratenzahlung in Höhe von 200 € eingeräumt. Er unterwarf sich der sofortigen Zwangsvollstreckung. Ende Dezember 2006 ließ der Kläger seine Willenserklärung im notariellen Schuldanerkenntnis aus allen Gesichtspunkten anfechten und verlangte klageweise die Urkunde wegen Sittenwidrigkeit des Rechtsgeschäfts heraus.

Seine hiergegen gerichtete Klage wurde abgewiesen. Die Revision hat das Bundesarbeitsgericht zurückgewiesen.

Gibt ein Arbeitnehmer zu, im Arbeitsverhältnis Unterschlagungen begangen zu haben, und unterzeichnet er vor einem Notar ein Schuldanerkenntnis, so kann er gegen dessen Wirksamkeit grundsätzlich nicht mit Erfolg einwenden, die Methoden zu seiner Ãœberführung seien unzulässig gewesen (BAG, Urteil vom 22. Juli 2010 – 8 AZR 144/09).

Einwände gegen die Höhe des von ihm verursachten Schadens oder gegen die Art und Weise, wie er überführt wurde, konnte der Kläger gegen das notarielle Schuldanerkenntnis nach Ansicht des BAG nicht ins Feld führen. Mit Unterzeichnung des Anerkenntnisses hat er solche bekannten Einwände aufgegeben. Der Inhalt der notariellen Urkunde stellt sich auch nicht als sittenwidrig dar. Zwar ist die Summe hoch, im Verhältnis zu dem vorausgegangenen Geständnis des Klägers und zu den Feststellungen, die die Beklagte gemacht hatte, ist der Schadensbetrag aber vorsichtig kalkuliert. Die Beklagte hat auch keine Geschäftsunerfahrenheit des Klägers ausgenutzt. Die Drohung mit einer Strafanzeige erscheint angesichts des vom Kläger selbst eingeräumten Sachverhalts nicht als unverhältnismäßig. Grundsätzlich kann ein unterzeichnetes notarielles Schuldanerkenntnis nicht erfolgreich mit den Argumenten angegriffen werden, die vor Unterschrift gegen die Forderung des Gegners hätten erhoben werden können.

Volltext des Urteils des Bundesarbeitsgerichts: BAG, Urteil vom 22. Juli 2010 – 8 AZR 144/09

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VonRA Moegelin

Aus falscher Frist einer Kündigung wird durch Umdeutung richtige Frist

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gaspistolBei der Klage eines Tankwarts wegen Lohn im Zusammenhang mit einer Kündigung seines Arbeitgebers ging es um die Frage der Einhaltung der Frist gemäß KSchG, wobei sein Lebensalter von besonderer Bedeutung war.

Der am 9. November 1972 geborene Kläger war seit dem 1. August 1995 als Mitarbeiter an einer Tankstelle beschäftigt. Im Frühjahr 2007 übernahm die Beklagte den Betrieb von einer Vorpächterin, für die der Kläger seit dem 1. Januar 1999 arbeitete. Mit Schreiben vom 22. April 2008 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 31. Juli 2008. Im November 2008 erhob der Kläger Klage auf Leistung der Annahmeverzugsvergütung für die Monate August und September 2008 mit der Begründung, die gesetzliche Kündigungsfrist betrage fünf Monate zum Monatsende, weil er insgesamt mehr als zwölf Jahre beschäftigt gewesen sei. § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB, der bestimmt, dass bei der Berechnung der Beschäftigungsdauer Zeiten, die vor der Vollendung des 25. Lebensjahrs liegen, nicht berücksichtigt werden, sei nicht anzuwenden. Die Vorschrift verstoße gegen das unionsrechtliche Verbot der Diskriminierung wegen des Alters.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Die Revision des beklagten Arbeitgebers war erfolgreich, obwohl die von ihm gewählte Kündigungsfrist zu kurz war.

Bei einer ordentlichen Arbeitgeberkündigung muss der Arbeitnehmer die Nichteinhaltung der objektiv richtigen Kündigungsfrist innerhalb der fristgebundenen Klage nach § 4 Satz 1 KSchG geltend machen, wenn sich die mit zu kurzer Frist ausgesprochene Kündigung nicht als eine solche mit der rechtlich gebotenen Frist auslegen lässt. Bedürfte die Kündigung der Umdeutung in eine Kündigung mit zutreffender Frist, gilt die mit zu kurzer Frist ausgesprochene Kündigung nach § 7 KSchG als rechtswirksam und beendet das Arbeitsverhältnis zum „falschen“ Termin, wenn die Kündigungsschutzklage nicht binnen drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung erhoben worden ist (BAG, Urteil vom 1. September 2010 – 5 AZR 700/09).

Die Beklagte berücksichtigte zum einen nur die Beschäftigungszeit des Klägers bei ihrer unmittelbaren Rechtsvorgängerin ab 1. Januar 1999. Der Kläger war aber bereits seit dem 1. August 1995 bei einer weiteren Rechtsvorgängerin der Beklagten beschäftigt. Schon die Berücksichtung der nach Vollendung des 25. Lebensjahrs des Klägers liegenden Beschäftigungszeit führte zu einer Kündigungsfrist von vier Monaten zum Monatsende (hier: 31. August 2008). Zudem darf § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht angewendet werden, weil eine derartige Regelung mit dem Recht der Europäischen Union unvereinbar ist (EuGH, Urteil vom 19. Januar 2010 – C-555/07 – Kücükdeveci). Die rechtlich gebotene Kündigungsfrist betrug deshalb fünf Monate zum Monatsende (hier: 30. September 2008).

Und dennoch war die Klage abzuweisen. Das BAG legte die ausdrücklich zum 31. Juli 2008 erklärte Kündigung der Beklagten weder nach ihrem Inhalt noch nach den sonstigen Umständen als eine Kündigung zum 30. September 2008 aus. Der Kläger hätte deshalb die unzutreffend angenommene Kündigungsfrist binnen drei Wochen nach Zugang der Kündigung gerichtlich geltend machen müssen (§ 4 Satz 1 KSchG). Da das nicht erfolgte, hat die Kündigung das Arbeitsverhältnis zum 31. Juli 2008 aufgelöst (§ 7 KSchG). Annahmeverzugsvergütung für die Monate August und September 2008 steht dem Kläger nicht zu.

Volltext des Urteils des Bundesarbeitsgerichts: BAG, Urteil vvom 1. September 2010 – 5 AZR 700/09

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VonRA Moegelin

Ersatzpflicht des Arbeitgebers wegen Asbestbelastung

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drunken_duck_Skull_and_BonesDie Sanierung eines mit Asbest belasteten öffentlichen Gebäudes kann zu Schadensersatzansprüchen führen, wenn die Arbeiter von ihrem Arbeitgeber nicht über die Gesundheitsgefahren aufgeklärt werden und es keine Schutzmaßnahmen gibt.

Im vorliegenden Fall war die Asbestkontamination des Gebäudes dem Bürgermeister der beklagten Stadt bekannt. Trotzdem ließ er bei der Stadt Angestellte und Zivildienstleistende diverse Sanierungsarbeiten durchführen. Eine besondere Aufklärung über die Art und Weise der durchzuführenden Tätigkeiten sowie die Anweisung zum Tragen von Schutzbekleidung und Atemschutzgeräten erfolgte nicht. Nach der Anzeige von Einem der beteiligten Zivildienstleistenden, stellte das Gewerbeaufsichtsamt fest, dass durch das Abkratzen und Abschaben der verbauten Sokalitverkleidungen eine extreme Exposition von Asbestfasern aus dem lockeren Faserverband bewirkt worden sei.

Einer der Mitarbeiter hat die Stadt verklagt und Festellung beantragt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche materiellen und immateriellen Schäden, welche er aufgrund der ausgeführten Arbeiten an den asbestfaserhaltigen Bauteilen erleidet, zu ersetzen. Dem Antrag des betroffenen Mitarbeiters wurde stattgegeben. Die Revision der beklagten Stadt wurde zurückgewiesen.

Die Beklagte haftet dem Kläger grundsätzlich für solche Schäden, die dieser aufgrund der Arbeiten an asbestfaserhaltigen Bauteilen erleidet, bzw. in Zukunft erleiden wird.

Der erforderliche Vorsatz des verantwortlichen Abteilungsleiters der Stadt war nach den Feststellungen des BAG gegeben: Er handelte mit Vorsatz in Bezug auf die Pflichtverletzung und in Bezug auf eine in Zukunft möglicherweise noch auftretende Gesundheitsschädigung des Klägers.

Der Vorsatz muss sich nach der Rechtsprechung zum einen auf die Verletzungshandlung beziehen. Zum anderen muss der Vorsatz aber auch den Verletzungserfolg umfassen. Allein der Verstoß gegen zugunsten von Arbeitnehmern bestehende Schutzpflichten indiziert noch keinen Vorsatz bezüglich der Herbeiführung eines Arbeitsunfalls. Die vorsätzliche Pflichtverletzung hinsichtlich einer ungewollten Unfallfolge ist demnach nicht mit einem gewollten Arbeitsunfall oder einer gewollten Berufskrankheit gleichzusetzen.

Einen allgemeinen Erfahrungssatz, dass derjenige, der vorsätzlich eine zugunsten des Arbeitnehmers bestehende Schutzvorschrift missachtet, eine Schädigung oder eine mögliche Berufskrankheit des Arbeitnehmers nicht billigend in Kauf nimmt, gibt es nicht. Zwar wird ein Arbeitgeber trotz eines Verstoßes gegen Arbeitsschutzvorschriften meistens darauf hoffen, es werde kein Unfall eintreten, wobei es aber stets auf die konkreten Umstände des Einzelfalles ankommt (BAG, Urteil vom 20. Juni 2013 – 8 AZR 471/12). Nach dem BAG ist dies naheliegend, wenn der Schädiger trotz starker Gefährdungslage er es dem Zufall überlässt, ob sich die von ihm erkannte Gefahr verwirklicht wird oder nicht, ohne auf einen glücklichen Ausgang vertrauen zu können.

Davon ist das BAG ausgegangen, indem es entscheidend auf die Tatsache abgestellt hat, dass der Abteilungsleiter den Kläger mit der Sanierung der Räume beauftragt hat, obwohl die gesundheitsschädliche und krebserzeugende Wirkung durch das Einatmen von Asbeststaub bereits seit 1995 allgemein bekannt war. Zudem hat Drängen der Abteilungsleiter auf Fortsetzung der Sanierungsarbeiten gedrängt, nachdem er durch den Kläger auf die Asbestgefahren hingewiesen worden war, wodurch er eine mögliche Gesundheitsschädigung des Klägers billigend in Kauf genommen hat.

Ein Schadensanspruch des Klägers ist nach alldem zu bejahen und die Revision seines Arbeitgebers zurückzuweisen.

Volltext des Urteils des Bundesarbeitsgerichts; BAG, Urteil vom 20. Juni 2013 – 8 AZR 471/12

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VonRA Moegelin

Kündigung bei Staatenimmunität des Arbeitgebers

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leftover_bacon_Vitamin_D_Smashes_CancerVor kurzem hatte ich der libyschen Botschaft wegen nicht bezahlten Werklohns meines Mandanten mit Klage gedroht, was ich nach Abschluss des Falls gesondert kommentieren werde. Wenn man gegen eine Botschaft vorgehen will, ist das Problem hierbei, so wie auch im nachfolgenden Fall, die Staatenimmunität.

Ein Arbeitnehmer mit algerischer und deutscher Staatsangehörigkeit verklagte den Staat Algerien, vertreten durch ihre Berliner Botschaft. Er ist auf der Grundlage eines in französischer Sprache verfassten Arbeitsvertrags als Kraftfahrer in der algerischen Botschaft in Berlin angestellt. Der Vertrag sieht für Meinungsverschiedenheiten und Streitigkeiten die Zuständigkeit der algerischen Gerichte vor und weist den Kläger der deutschen Sozialversicherung zu.

Mit der Klage wendet sich der Kläger insbesondere gegen eine ordentlichen Kündigung und begehrt Weiterbeschäftigung. Die beklagte Botschaft hält dagegen, dass sie nach den Grundsätzen der Staatenimmunität von der deutschen Gerichtsbarkeit ausgenommen sei, weil der Kläger hoheitliche Aufgaben erfüllt habe.

Das Bundesarbeitsgericht weist auf § 20 Abs. 2 GVG hin, wonach sich die deutsche Gerichtsbarkeit nicht auf Personen erstreckt, die gemäß den allgemeinen Regeln des Völkerrechts, aufgrund völkerrechtlicher Vereinbarungen oder sonstiger Rechtsvorschriften von ihr befreit sind. Nach dem aus Art. 25 GG folgenden allgemeinen Völkergewohnheitsrecht sind Staaten der Gerichtsbarkeit anderer Staaten nicht unterworfen, soweit ihre hoheitliche Tätigkeit von einem Rechtsstreit betroffen ist. Ihre diplomatischen und konsularischen Beziehungen dürfen nicht behindert werden.

Die Abgrenzung die das BAG im einschlägigen Fall zwischen hoheitlicher und nichthoheitlicher Staatstätigkeit vorzunehmen hatte, richtet sich nicht nach deren Motiv oder Zweck. Maßgebend ist nach der Rechtsprechung die Art der umstrittenen staatlichen Handlung oder des streitigen Rechtsverhältnisses. Mangels völkerrechtlicher Unterscheidungsmerkmale ist die Abgrenzung grundsätzlich nach dem Recht des entscheidenden Gerichts zu beurteilen.

Soweit es -wie hier- um arbeitsrechtliche Bestandsstreitigkeiten zwischen Botschaftsangestellten und dem betreffendem Staat geht, unterliegen die Parteien der deutschen Gerichtsbarkeit nicht, wenn der Arbeitnehmer für den anderen Staat hoheitlich tätig war. Es kommt dabei nicht auf die rechtliche Form der Rechtsbeziehung (privatrechtlicher Vertrag oder öffentlich-rechtliches Verhältnis), sondern auf den Inhalt der ausgeübten Tätigkeit an. Entscheidend ist nach der Rechtsprechung der funktionale Zusammenhang zwischen den diplomatischen Aufgaben und der zu beurteilenden Tätigkeit (BAG, Urteil vom 1. Juli 2010 – 2 AZR 270/09).

Das Landesarbeitsgericht habe nach Ansicht des BAG nur im Ansatz zutreffend angenommen, dass die Tätigkeit eines Fahrers, der nicht in den diplomatischen Funktionszusammenhang eingebunden ist, keine hoheitliche Tätigkeit darstellt.

Außer Acht gelassen habe das LAG den Vortrag der Beklagten, der Kläger sei nicht nur als Fahrer, sondern auch als Dolmetscher eingesetzt worden.Trifft die entsprechende Behauptung in einem nennenswerten Umfang zu, so kann der Tätigkeit des Klägers eine andere Funktionalität zukommen als die einer reinen Hilfstätigkeit nichthoheitlicher Prägung.

Auf die Revision des Staates Algerien war das Urteil des LAG aufzuheben und zur weiteren Festellung an das LAG zurückzuverweisen.

Sollte das LAG nach einer Beweisaufnahme zu dem Ergebnis kommen, die Beklagte sei nach den Grundsätzen der Staatenimmunität nicht von der deutschen Gerichtsbarkeit ausgenommen, wird es auch die Frage der internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte und, falls es diese bejaht, die Anwendbarkeit deutschen oder algerischen Rechts erneut prüfen müssen.

Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte kann sich nach Art. 19 Nr. 1, Art. 18 Abs. 2 der Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO) ergeben. Im Fall der Anwendbarkeit, hat das LAG dann zu beachten, dass nach Art. 18 Abs. 2 EuGVVO ein Arbeitgeber, mit dem der Arbeitnehmer einen individuellen Arbeitsvertrag geschlossen hat und der im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats keinen Wohnsitz hat (Arbeitgeber mit Wohnsitz in einem Drittstaat), so behandelt wird, als habe er einen Wohnsitz, vorausgesetzt, er unterhält in einem Mitgliedstaat eine Zweigniederlassung, Agentur oder sonstige Niederlassung.

Das BAG merkt an, dasss vom EuGH bislang nicht entschieden wurde, ob als sonstige Niederlassung auch die Botschaft eines Drittstaates -eben wie Algerien- angesehen werden kann. Das BAG jedenfalls hält das für zweifelhaft.

Außerhalb des Geltungsbereichs der EuGVVO richtet sich die internationale Zuständigkeit nach den Regeln über die örtliche Zuständigkeit. Da die Beklagte keinen allgemeinen Gerichtsstand im Inland hat, kann die im Arbeitsvertrag getroffene Vereinbarung der Zuständigkeit der algerischen Gerichte nach § 38 Abs. 2 ZPO wirksam sein.

Sollte es auf die Frage ankommen, ob hier deutsches oder algerisches Recht anzuwenden ist, sind dem LAG auch für diesen Fall vom BAG Maßgaben zur Beachtung aufgegeben worden.

Nach Art. 27 Abs. 1 Satz 1 EGBGB unterliegt ein Vertrag dem von den Parteien gewählten Recht. Die Rechtswahl muss nicht ausdrücklich erfolgen. Sie kann sich aus den Bestimmungen des Vertrags oder aus den Umständen des Falles ergeben. Die Voraussetzungen einer stillschweigenden Rechtswahl bestimmen sich nicht nach dem gewählten Recht. Vielmehr bestimmt Art. 27 Abs. 1 EGBGB selbst, unter welchen Voraussetzungen von einer stillschweigenden Rechtswahl auszugehen ist. Die Parteien haben keine ausdrückliche Rechtswahl getroffen, lediglich die Zuständigkeit der algerischen Gerichtsbarkeit. Dies könne ein gewichtiger Hinweis darauf sein, dass auch das materielle Recht Algeriens angewendet werden sollte.

Wenn dem so ist, habe das LAG zu beachten, ob die Wahl des algerischen Rechts den in Art. 30 EGBGB niedergelegten Anforderungen entspricht. Hier müsste nach Maßgabe des BAG in Betracht zu ziehen sein, ob das Arbeitsverhältnis des Klägers nicht engere Verbindungen zum algerischen Staat als zu Deutschland aufweist.

Volltext des Urteils des Bundesarbeitsgerichts: BAG, Urteil vom 1. Juli 2010 – 2 AZR 270/09

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VonRA Moegelin

Berücksichtigung von Berufserfahrung bei tariflicher Stufenzuordnung

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1382196361Wegen der Vergütung nach einer tariflichen Entgeltgruppe verklagte ein Lehrer seinen Arbeitgeber. Dabei ging es um die Frage der Berufserfahrung für die Gewichtung bei einer tarifvertraglichen Stufenzuordnung.

Der Kläger war beim beklagten Land zunächst als beamteter Lehrer tätig. Er schied zum 31. Juli 1995 aus dem Staatsdienst aus und war anschließend an privaten Einrichtungen als Lehrer bzw. Schulleiter tätig. Seit September 2007 ist er als angestellter Lehrer beim beklagten Land beschäftigt, das ihn der Stufe 2 der Entgeltgruppe 11 TV-L zuordnete. Mit seiner Klage begehrt der Kläger für die Zeit seit seiner Einstellung eine Vergütung nach der Stufe 5 seiner Entgeltgruppe. Er ist der Auffassung, die unterschiedliche Behandlung bei der Stufenzuordnung von solchen Lehrern, die vor ihrer Einstellung bei demselben Land beschäftigt waren, und den Lehrern, die von einem anderen Arbeitgeber zum Land wechseln, sei nicht gerechtfertigt.

Der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder vom 12. Oktober 2006 (TV-L) sieht eine Vergütung nach Entgeltgruppen und innerhalb der Entgeltgruppen nach fünf bzw. sechs Stufen vor. § 16 TV-L enthält eine differenzierte Regelung, inwieweit Beschäftigungszeiten, die in einem früheren Arbeitsverhältnis zurückgelegt worden sind, bei der Stufenzuordnung Berücksichtigung finden. Zeiten einschlägiger Berufserfahrung aus einem vorherigen, nicht länger als sechs Monate zurückliegenden Arbeitsverhältnis mit demselben Arbeitgeber werden gem. § 16 Abs. 2 Satz 2 TV-L bei der Stufenzuordnung berücksichtigt. Ist die einschlägige Berufserfahrung bei einem anderen Arbeitgeber erworben worden, erfolgt nach § 6 Abs. 2 Satz 3 TV-L eine Einstufung in die Stufe 2 bzw. bei Einstellungen nach dem 31. Januar 2010 und einer einschlägigen Berufserfahrung von mindestens drei Jahren in die Stufe 3. Auch bei Vorliegen längerer einschlägiger Berufserfahrung kann der Arbeitgeber gem. § 16 Abs. 2 Satz 4 TV-L diese Zeiten nur dann ganz oder teilweise für die Stufenzuordnung berücksichtigen und den Beschäftigten einer höheren Stufe als der Stufe 3 zuordnen, wenn die Einstellung zur Deckung des Personalbedarfs erfolgt ist und die frühere Tätigkeit für die vorgesehene Tätigkeit förderlich ist. Diese unterschiedliche Berücksichtigung von Zeiten der Berufserfahrung beim selben Arbeitgeber und bei anderen Arbeitgebern verletzt nicht den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG (BAG, Urteil vom 23. September 2010 – 6 AZR 180/09).

Das BAG hat daher wie die Vorinstanzen die Klage abgewiesen. Die betroffenen Beschäftigtengruppen sind bereits nicht vergleichbar. § 16 Abs. 2 Satz 2 TV-L dient dem Schutz des Besitzstandes von bereits früher bei demselben Arbeitgeber Beschäftigten bei kurzfristigen Unterbrechungen des Arbeitsverhältnisses. Beschäftigte wie der Kläger, die von einem anderen Arbeitgeber zum beklagten Land wechseln, weisen einen solchen, von den Tarifvertragsparteien als schutzwürdig angesehenen Besitzstand nicht auf. Darüber hinaus durften die Tarifvertragsparteien bei typisierender Betrachtung annehmen, dass in der weit überwiegenden Mehrzahl von Fällen eine nicht länger als sechs Monate zurückliegende Tätigkeit beim selben Land, die eine einschlägige Berufserfahrung vermittelt hat, den Beschäftigten befähigt, nach seiner Wiedereinstellung die im vorherigen Arbeitsverhältnis erworbene Berufserfahrung schneller in vollem Umfang im neuen Arbeitsverhältnis einzusetzen als dies einem Arbeitnehmer möglich ist, der seine Berufserfahrung in den oftmals gänzlich andersartigen Strukturen bei anderen Arbeitgebern, namentlich bei solchen der Privatwirtschaft, erworben hat. Außerdem durften sie einen Anreiz zur Rückkehr solcher Beschäftigten in den öffentlichen Dienst schaffen, die bereits einschlägige Berufserfahrung beim selben öffentlichen Arbeitgeber erworben hatten.

Volltext des Urteils des Bundesarbeitsgerichts: BAG, Urteil vom 23. September 2010 – 6 AZR 180/09

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