Schlagwort-Archiv Betriebsratssitzung

VonRA Moegelin

Unzumutbarkeit der Arbeitsleistung wegen Betriebsratstätigkeit

Share

meeting-presentationEin Betriebsratsmitglied, das zwischen zwei Nachtschichten außerhalb seiner Arbeitszeit tagsüber an einer Betriebsratssitzung teilzunehmen hat, ist berechtigt, die Arbeit in der vorherigen Nachtschicht vor dem Ende der Schicht einzustellen, wenn nur dadurch eine ununterbrochene Erholungszeit von elf Stunden am Tag gewährleistet ist, in der weder Arbeitsleistung noch Betriebsratstätigkeit zu erbringen ist. Nach § 5 Abs. 1 ArbZG ist dem Arbeitnehmer nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit eine ununterbrochene Ruhezeit von elf Stunden zu gewähren. Es kann dahinstehen, ob die Zeit der Erbringung von Betriebsratstätigkeit Arbeitszeit iSv. § 2 Abs. 1 ArbZG ist und § 5 Abs. 1 ArbZG deshalb Anwendung findet. Jedenfalls ist bei der Beurteilung, ob dem Betriebsratsmitglied in einer solchen Situation die Fortsetzung der Arbeit in der Nachtschicht wegen der bevorstehenden Betriebsratstätigkeit unzumutbar ist, die Wertung des § 5 Abs. 1 ArbZG zu berücksichtigen.

Der betreffenden Entscheidung des Bundesarbeitsgericht lag der Fall eines Klägers zugrunde, der ist Mitglied des im Betrieb der Beklagten gebildeten Betriebsrats ist und der im Dreischichtbetrieb arbeitet. Er war in der Nacht vom 16. Juli auf den 17. Juli 2013 für die Nachtschicht von 22:00 Uhr bis 6:00 Uhr bei einer Pause von 2:30 Uhr bis 3:00 Uhr eingeteilt. Am 17. Juli 2013 nahm der Kläger von 13:00 Uhr bis 15:30 Uhr an einer Betriebsratssitzung teil. Mit Rücksicht auf diese Betriebsratssitzung stellte er in der vorherigen Nachtschicht seine Arbeit um 2:30 Uhr ein. Ihm wurde für diese Nachtschicht von der Beklagten nur der Zeitraum bis 3:00 Uhr und von 5:00 Uhr bis 6:00 Uhr auf seinem Arbeitszeitkonto gutgeschrieben. Mit der vorliegenden Klage hat der Kläger ua. die Gutschrift der beiden weiteren Stunden von 3:00 Uhr bis 5:00 Uhr verlangt. Die Klage hatte vor dem Siebten Senat des Bundesarbeitsgerichts – ebenso wie zuvor beim Landesarbeitsgericht – Erfolg.

Nach § 37 Abs. 2 BetrVG sind Mitglieder des Betriebsrats auch dann von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung ihres Arbeitsentgelts zu befreien, wenn eine außerhalb der Arbeitszeit liegende erforderliche Betriebsratstätigkeit die Arbeitsleistung unmöglich oder unzumutbar gemacht hat. Vorliegend war dem Kläger die Erbringung der Arbeitsleistung am 17. Juli 2013 jedenfalls ab 3:00 Uhr wegen der um 13:00 Uhr beginnenden Betriebsratssitzung unzumutbar, weil ihm bei Fortsetzung seiner Arbeit zwischen den Arbeitsschichten keine durchgehende Erholungszeit von elf Stunden zur Verfügung gestanden hätte.

Über eine weitere Klageforderung konnte der Senat nicht abschließend entscheiden. Insoweit wurde die Sache an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

(Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18. Januar 2017 – BAG 7 AZR 224/15; Pressemitteilung Nr. 1/17)

Share
VonRA Moegelin

Meinungsangleichung der BAG-Senate

Share

EDU_-_Moodle_icons_-_Discussion_finalSind Senate des Bundesarbeitsgerichts verschiedener Rechtsauffassung, kann im Rahmen einer Anfrage geklärt werden, ob an einer bestimmten Ansicht festgehalten wird oder nicht. Im konkreten Fall ging es um die Frage der Wirksamkeit von Beschlussfassungen des Betriebsrates.

Der 7. Senat des BAG hält auf Anfrage des 1. Senats nicht mehr an seiner Ansicht fest, dass ein Beschluss des Betriebsrats zu einem nicht in der Tagesordnung aufgeführten Punkt auch bei einstimmiger Beschlussfassung wirksam nur gefasst werden könne, wenn alle Betriebsratsmitglieder anwesend sind (BAG, Beschluss vom 22. Januar 2014 – 7 AS 6/13). Im Gesetz ist hierzu nichts eindeutig geregelt, so dass es bislang unterschiedliche Auffassungen zu dieser Thematik gab.

Nunmehr vertreten die beiden Senate des Bundesarbeitsgerichts hierzu eine einheitliche Auffassung. Es besteht Einigkeit, dass im Fall der einstimmigen Betriebsrats-Beschlussfassung auch bei Abwesenheit eines Betriebsratsmitglieds bei rechtzeitiger Ladung aller Mitglieder der Beschluss wirksam ist. Dafür spricht § 33 Abs. 2 HS 1 BetrVG, wonach für die Beschlussfähigkeit die Teilnahme der Hälfte aller Betriebsratsmitglieder ausreichend ist. Eine gegen formelle Anforderungen verstoßende Beschlussfassung ist nur dann unwirksam, wenn der Verstoß derart schwerwiegend ist, dass der Fortbestand von der Rechtsordnung nicht hingenommen werden kann. Eine derart strenge Auslegung ist dem BetrVG nicht zu entnehmen beim Sachverhalt, den der 1. Senat vorgelegt hat.

Nach der jetzt konformen Rechtsprechung der beiden Senate des BAG gilt folgendes: Die Ladung zu einer Betriebsratssitzung ohne Mitteilung der Tagesordnung führt nicht zur Unwirksamkeit eines in der Betriebsratssitzung gefassten Beschlusses, wenn sämtliche Mitglieder des Betriebsrats rechtzeitig geladen sind, der Betriebsrat beschlussfähig ist und die anwesenden Betriebsratsmitglieder einstimmig beschlossen haben, über den Regelungsgegenstand des später gefassten Beschlusses zu beraten und abzustimmen, auch wenn in dieser Sitzung nicht alle Mitglieder anwesend sind.

Volltext der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts: BAG, Beschluss vom 22. Januar 2014 – 7 AS 6/13

Share
VonRA Moegelin

Arbeitsbedingungen „wie im KZ“ kann zulässige Meinungsäußerung sein

Share

barbwireAuch ein unsäglicher Vergleich der Arbeitsbedingungen im Betrieb mit denen im KZ ist vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt. Schmähkritik liegt nur dann vor, wenn es nicht um Sachkritik geht, sondern eine Person ohne Tatsachenkern herabgewürdigt werden soll (Beschluss des LAG Berlin-BRB – 10 Ta BVGa 146/14).

In einer Betriebsratssitzung erfolgte eine Diskussion über die Arbeitsbedingungen im Betrieb mit rund 200 Arbeitnehmern und Schichtsystem. Einer der Betriebsräte und späterer Verfahrensbeteiligte beklagte sich über die schlechten Arbeitsbedingungen für die 4-Schicht-Mitarbeiter. Als es um das Thema Zeiterfassung ging, wurde der Ton zunehmend schärfer. Der Arbeitgeber führte im Prozess aus, dass das Betriebsratsmitglied nicht mehr zu beruhigen gewesen sei und sich in Rage geredet habe. Auch der Hinweis einer Mitarbeiterin Frau B., dass das Problem jetzt nicht gelöst werden müsse, habe ihn nicht wieder beruhigt. Am Ende soll er erklärt haben, dass „die Arbeitsbedingungen wie in einem KZ“ seien oder dass es „hier wie in einem KZ sei“. An den genauen Wortlaut erinnere sich Frau B. nicht mehr. Der genaue Wortlaut lasse sich nur schwer wiedergeben, da das Betriebsratsmitglied lautstark und erregt sehr viel über „die sowieso schon sehr schlechten Arbeitsbedingungen der 4-Schicht-Mitarbeiter“ monologisiert und sich dann abschließend lautstark geäußert habe.

Der Personalleiterin und dem Werksleiter sei es nicht zuzumuten, mit dem Betriebsrat an einem Verhandlungstisch zu sitzen, der sie noch vor Kurzem mit einem KZ-Schergen verglichen und mit dem NS-Terrorregime und dessen Unrechtstaten gleichgesetzt habe. Deswegen beantragte der Arbeitgeber im Wege der einstweiligen Verfügung dem Betriebsratsmitglied zu untersagen, sein Betriebsratsamt bis zum rechtskräftigen Abschluss des gegen ihn und den Betriebsrat vor dem Arbeitsgericht Cottbus unter dem Aktz.: 5 BV 105/13 laufenden Zustimmungsersetzungs- bzw. Ausschlussverfahrens auszuüben.

Das Arbeitsgericht Cottbus hat den Antrag zurückgewiesen. Das LAG hat den abweisenden Beschluss bestätigt und stützt seine Entscheidung auf folgende Erwägungen:

Die Äußerungen des Betriebsratsmitglieds erfolgten zwar in drastischer Wortwahl, die geeignet ist, Anstoß zu erregen. Der – streitige – KZ-Vergleich mag von der Personalleiterin als beleidigend empfunden werden. In der Betriebsratssitzung hat sie entsprechendes aber nicht geäußert. In harter Form geäußerte Sachkritik führt ihrer Natur nach regelmäßig zu einer wertenden Herabsetzung persönlicher Leistungen des Erklärungsempfängers. Eine Schmähung liegt indes erst vor, wenn der Kritik kein Tatsachenkern zugrunde liegt oder der Erklärende bewusst falsche Tatsachen streut. Hierfür fehlen aber im konkreten Fall greifbare Anhaltspunkte.

Es ist möglich, dass das Betriebsratsmitglied mit dem unsäglichen Vergleich der Personalleiterin (und dem Werkleiter) persönlich vorwerfen wollte, dass diese für derartige Arbeitsbedingungen verantwortlich seien. Ebenso ist es aber möglich, dass das Betriebsratsmitglied ohne persönlichen Angriff die Arbeitsbedingungen im Betrieb brandmarken wollte. Die gesamte Darstellung des Sachverhaltes in der eidesstattlichen Versicherung der Personalleiterin spricht aber für eine – in dieser Form völlig unpassende – Sachkritik bezüglich der Arbeitsbedingungen der 4-Schicht-Mitarbeiter. Selbst wenn man der Meinungsäußerung des des Betriebsratsmitglieds einen beleidigenden, herabwürdigenden Tatsachenkern entnehmen sollte, diente dieser der Stützung der Werturteile über die Arbeitsbedingungen im Betrieb und steht wegen dieses Zusammenhangs ebenfalls unter dem Schutz der Meinungsfreiheit.

Volltext der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg: LAG Berlin-Brb, Beschluss vom 5. Juni 2014 – 10 Ta BVGa 146/14

Share
Blogverzeichnis TopBlogs.de das Original - Blogverzeichnis | Blog Top Liste Blogverzeichnis Bloggerei.de