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VonRA Moegelin

Recht des Betriebsrats „Nein zum Krieg“ zu vekünden

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peace_-_no_warDem Bundesarbeitsgericht lag der Antrag eines Arbeitgebers vor, der darauf gerichtet war, dem Betriebsrat bestimmte politische Äußerungen zu untersagen. Es ging um die Frage, ob der Betriebrsat sich entgegen § 74 Abs. 2 Satz 3 HS 1 BetrVG in unzulässiger Weise parteipolitisch betätigt hat. Zudem ist fraglich, ob in so einem Fall überhaupt ein Unterlassungsanspruch gegen den Betriebsrat in Frage kommt.

Der Betriebsrat hatte im Jahr 2003 anlässlich des Irak-Kriegs ein mit „Nein zum Krieg“ überschriebenes Schriftstück im Betrieb ausgehängt. Im Jahr 2007 hatte er die Mitarbeiter des Betriebs zur Beteiligung an einem Volksentscheid in Hamburg aufgerufen.

Der Betriebsrat hat nach § 74 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 BetrVG ebenso wie der Arbeitgeber jede parteipolitische Betätigung im Betrieb zu unterlassen. Davon wird nicht jede allgemeinpolitische Äußerung erfasst. Verstößt der Betriebsrat gegen das parteipolitische Neutralitätsgebot, begründet dies keinen Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers. Die Rechte des Arbeitgebers bei groben Verstößen des Betriebsrats gegen seine gesetzlichen Pflichten ergeben sich aus § 23 Abs. 1 BetrVG. Danach kann der Arbeitgeber in einem solchen Fall beim Arbeitsgericht die Auflösung des Betriebsrats beantragen. Ein Unterlassungsanspruch gegen den Betriebsrat ist dagegen gesetzlich nicht vorgesehen. Er wäre wegen der Vermögenslosigkeit des Betriebsrats auch nicht vollstreckbar. Streitigkeiten über die Zulässigkeit einer bestimmten Betätigung des Betriebsrats kann der Arbeitgeber im Wege eines Feststellungsantrags klären lassen. Eine entsprechende gerichtliche Feststellung ist im Falle einer späteren Pflichtverletzung des Betriebsrats von entscheidender Bedeutung für einen Auflösungsantrag des Arbeitgebers. Voraussetzung für einen Feststellungsantrag ist allerdings, dass der Arbeitgeber zum Zeitpunkt der begehrten gerichtlichen Entscheidung noch ein berechtigtes Interesse an der Klärung der Streitfrage hat (BAG, Beschluss vom 17. März 2010 – 7 ABR 95/08).

Auch die hilfsweise gestellten Feststellungsanträge des Arbeitgebers hatten keinen Erfolg. An der begehrten Feststellung, dass der Betriebsrat nicht berechtigt sei, im Betrieb Äußerungen zum Irak-Krieg abzugeben, hat der Arbeitgeber kein berechtigtes Interesse mehr. Der Arbeitgeber hat nicht behauptet, dass zu dem seit Jahren beendeten Irak-Krieg erneute Äußerungen des Betriebsrats zu besorgen seien. Der Antrag des Arbeitgebers, mit dem festgestellt werden sollte, dass der Betriebsrat nicht berechtigt sei, Mitarbeiter zur Teilnahme an politischen Wahlen oder Abstimmungen aufzufordern, ist unbegründet. Eine Aufforderung zur Wahlbeteiligung stellt keine parteipolitische Betätigung dar.

Volltext der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts: BAG, Beschluss vom 17. März 2010 – 7 ABR 95/08

 

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VonRA Moegelin

Beweiswert eines toten Zeugen

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liftarn_Santa_skullDas BAG hatte zu klären, ob auch ohne Einwilligung eines Verstorbenen ärztliche Aussagen über ihn im Arbeitsgerichtsverfahren verwertet werden können.

Eine Kündigungsschutzklage führte in 2. Instanz zum Obsiegen für den Arbeitnehmer. Die Revision wurde nicht zugelassen. Hiergegen wendet sich der Arbeitgeber mit der Nichtzulassungsbeschwerde und meint, folgende aufgeworfene Rechtsfragen seien klärungsbedürftig:.

ob eine Beweiserhebung zulässig ist und nach dem Tod eines potentiell Erkrankten – auch ohne dessen Einwilligung – die ärztlichen Unterlagen bzw. Aussagen der ihn behandelnden Ärzte entgegen der gebotenen Schweigepflicht verwertet werden können und dürfen;

ob der Grundsatz, der Kündigende müsse die Entschuldigungsgründe des Gekündigten widerlegen, uneingeschränkt gilt oder dieser Grundsatz erst dann greift, wenn ein konkreter, substantieller Sachvortrag des Gekündigten erfolgt, der konkret seitens des Kündigenden einlassungsfähig und konkret einlassbar ist„.

Beide Fragen hält das BAG für nicht klärungsbedürftig.

Ärztliche Aussagen oder Unterlagen dürfen grundsätzlich nicht ohne Einverständnis des Verstorbenen verwertet werden. Anderes gilt ausnahmsweise, wenn Auskunft, Einsicht und Verwertung dem mutmaßlichen Willen des Verstorbenen entsprechen.

Die Verschwiegenheitspflicht des Arztes gilt über den Tod des Patienten hinaus. Nur der behandelnde Arzt kann entscheiden, ob seine Schweigepflicht zu wahren ist oder nicht, soweit es um das Einsichts- und Auskunftsrecht naher Angehöriger des Verstorbenen geht.

Diese für das Recht auf Einsicht in ärztliche Unterlagen und auf Auskunft ärztlicher Aussagen durch nahe Angehörige des Verstorbenen entwickelten allgemeinen Grundsätze gelten auch für die Auskunft des behandelnden Arztes und die Einsicht in die Patientenunterlagen im Rahmen der Erhebung eines Sachverständigenbeweises in einem arbeitsgerichtlichen Verfahren. Besonderheiten des Arbeitslebens, die eine Ausnahme rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich (BAG, Beschluss vom 23. Februar 2010 – 9 AZN 876/09).

Die zweite Frage sei bereits von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts beantwortet. Demnach ist der Kündigende ist nach der ständigen Rechtsprechung darlegungs- und beweispflichtig für alle Umstände, die als wichtige Gründe geeignet sein können. Ihn trifft auch die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass solche Tatsachen nicht vorgelegen haben, die die Handlung des Arbeitnehmers als gerechtfertigt erscheinen lassen. Dabei braucht der Arbeitgeber allerdings nicht von vornherein alle nur denkbaren Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe des Arbeitnehmers zu widerlegen. Vielmehr ist der Arbeitnehmer im Rahmen einer abgestuften Darlegungs- und Beweislast gehalten, die Gründe, aus denen er die Berechtigung für sein Verhalten herleitet, so konkret vorzutragen, dass dies dem Arbeitgeber die Ãœberprüfung der Angaben und – wenn er sie für unrichtig hält – auch einen erforderlichen Beweisantritt ermöglicht.

Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör durch das LAG und dass darauf die anzufechtende Entscheidung beruhe, konnte das BAG nicht erkennen. Ob der übergangene Beweisantritt entscheidungserheblich ist, richte sich nach den vom LAG getroffenen tatsächlichen Feststellungen und seinen rechtlichen Ausführungen. Es genüge, wenn der Schluss gerechtfertigt ist, dass das Berufungsgericht bei richtigem Verfahren möglicherweise anders entschieden hätte

Auch die Darlegung von Divergenz war erfolglos, da das anzufechtende Urteil des LAG nicht auf Rechtssätzen beruhen, die von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts abweichen.

Nach alldem war die Nichtzulassungsbeschwerde zurückzuweisen.

Volltext der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts: BAG, Beschluss vom 23. Februar 2010 – 9 AZN 876/09

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VonRA Moegelin

OLG Hamm verbietet gesundheitsbezogene Werbung mit „Bach-Blütenprodukten“

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Mad_scientistMeines Erachtens sind „Bachblüten“ Unfug. Deren medizinische Wirksamkeit konnte auch nicht nachgewiesen werden. Zutreffenderweise sieht das OLG Hamm diese „Blüten“ nur als Lebensmittel an. Ein Apotheker machte hiermit Werbung, wobei er den Eindruck erweckte, es könne damit eine gesundheitlich fördernde Wirkung erzielt werden. Ein  Wettbewerbsverband, hat diese Werbung für unzulässig gehalten und Unterlassungsklage gegen den Apotheker erhoben. Der Klage wurde vom OLG stattgegeben.

Sogenannte „Bach-Blütenprodukte“ dürfen nicht mit Aussagen beworben werden, nach denen sie in „emotional aufregenden Situationen verwendet werden“ oder „uns unterstützen können, emotionalen Herausforderungen zu begegnen“, wenn diesen unspezifischen Aussagen keine europarechtlich zugelassenen speziellen gesundheitsbezogenen Angaben beigefügt werden (OLG Hamm 4 U 138/13).

Die wesentlichen Angaben in den Werbeaussagen lauten wie folgt:

1. Für „Bach-Blütenprodukte“: Gelassen und stark durch den TagRESCUE®-Die Original Bach®-Blütenmischung!

Der Engländer Edward Bach konzipierte die bekannte Original RESCUE®-Mischung aus fünf Original Bach®-Blütenessenzen in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts. Original RESCUE® wird heute von Verbrauchern in über 45 Ländern in emotional aufregenden Situationen wie z.B. einer Flugreise, einer Prüfung, einem Zahnarzttermin … verwendet.

2. für „Original Rescue Tropfen“: …wird gerne in emotional aufregenden Situationen, z.B. im Job, verwendet;

3. für „Original Bach Blütenessenzen“: …können uns unterstützen, emotionalen Herausforderungen zu begegnen;“

Dies sei nach Ansicht des OLG zu untersagen, weil für ein Lebensmittel mit unspezifischen Vorteilen für die Gesundheit im Allgemeinen oder für das gesundheitliche Wohlbefinden geworben werde und den in Frage stehenden Werbeaussagen keine speziellen gesundheitsbezogenen Angaben beigefügt waren. Die streitgegenständliche Werbung verstoße deswegen gegen Art. 10 Abs. 3 der Europäischen Health Claim VO (HCVO), VO (EG) Nr. 1924/2006.

Die sog. „Bach-Blütenprodukte“ seien Lebensmittel im Sinne der HCVO. Die zu beurteilenden Werbeaussagen zielten nicht nur auf das allgemeine Wohlbefinden ab. Sie seien auf die Gesundheit oder zumindest das gesundheitliche Wohlbefinden bezogen. Die beworbenen Produkte versprächen eine Wirkung bei Angstsituationen. Personen, die Flugangst, Prüfungsangst, Angst vor einem Zahnarzttermin hätten, einer emotionalen Herausforderung gegenüberständen oder eine emotional aufregende Situation im Job hätten, befänden sich nicht mehr in einem seelischen Gleichgewicht und seien in ihrer Gesundheit beeinträchtigt.

Nach Art. 10 Abs. 3 HCVO seien unspezifische gesundheitsbezogene Angaben nur zulässig, wenn ihnen eine in der Liste nach Art. 13 oder 14 der HCVO enthaltene spezielle gesundheitsbezogene Angabe beigefügt sei (sog. Kopplungsgebot). Da den in Frage stehenden Werbeaussagen keine solchen Angaben beigefügt seien, seien sie als unzulässig zu untersagen.

Die Vorschrift des Art. 10 Abs. 3 HCVO sei anzuwenden, auch wenn die in Frage stehenden Listen noch nicht vollständig vorlägen. Ein derartiges Verständnis von der HCVO trage dem gesetzgeberischen Ziel dieser Verordnung Rechnung, nach welchem gesundheitsbezogene Werbeaussagen nur insoweit zuzulassen seien, als sie durch allgemein anerkannte wissenschaftliche Nachweise abgesichert seien.

Volltext des Urteils des Oberlandesgerichts Hamm: OLG Hamm, Urteil vom 7. Oktober 2014 –  4 U 138/13

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VonRA Moegelin

Klagen wegen Lärmschutz am Flughafen Berlin Brandenburg

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nicubunu_Paper_planeObwohl -oder vielleicht gerade weil- Spitzenpolitiker wie Platzeck und Wowereit langjährig den Bau des Berliner Flughafens mitbestimmt haben, passiert NICHTS. Anders als ein Anwalt in seinem Job brauchen sie sich um Haftungsfragen nicht viel Gedanken machen. Wenn in ferner Zukunft der Flughafen vielleicht irgendwann eröffnet wird –möglich erscheint meines Erachtens immer mehr die Variante woanders noch mal ganz anzufangen- dann kommt nachfolgende Entscheidung des OVG vielleicht zum Tragen.

Es geht um die Klagen der Gemeinde Blankenfelde-Mahlow und eines privaten Grundstückseigentümers auf Dimensionierung des baulichen Schallschutzes anhand der im Planfeststellungsbeschluss prognostizierten – geraden – Flugverfahren.

Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat am 08.12.14  die Klagen der abgelehnt (OVG Berlin-Brb, Urteile vom 8. Dezember 2014 – OVG 6 A 6.14 und OVG 6 A 13.14). Die Revision zum Bundesverwaltungsgericht wurde nicht zugelassen.

Es ist nach Ansicht des Gerichts nicht zu beanstanden, dass die beklagte Flughafengesellschaft bei der Berechnung des Schallschutzes die aktuell festgesetzten, nach dem Start abknickenden Flugrouten zugrunde legt. Aus dem Planfeststellungsbeschluss ergebe sich kein Anspruch auf Schutz vor fiktivem, nach Festlegung der Flugrouten nicht eintretendem Fluglärm. Dies liefe im Ergebnis auf eine Übersicherung der Betroffenen mit Schallschutzvorrichtungen hinaus. Ein entsprechender Bestandsschutz folge auch nicht aus den vor dem Bundesverwaltungsgericht im Jahr 2011 von der Genehmigungsbehörde abgegebenen Prozesserklärungen.

Hinsichtlich eines der Grundstücke, für das bereits eine schalltechnische Objektbeurteilung vorlag, wird der Senat Sachverständigenbeweis über Einzelfragen zur Anwendung der DIN erheben.

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VonRA Moegelin

Anspruch auf kostenlose Nutzung eines Betriebsparkplatzes

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parking_lotsAnsprüche aus dem Arbeitsvertrag können nicht nur durch schriftliche Vereinbarung, sondern auch durch betriebliche Übung entstehen. Das LAG hatte zu entscheiden, ob ein Anspruch auf kostenlose Nutzung eines Betriebsparkplatzes auch dann (weiter) besteht, wenn das bisher genutzte Parkhaus abgerissen wird und völlig neue Parkplatzflächen geschafft werden.

Bis zu einer im Jahr 2011 beginnenden Neubau- und Umbaumaßnahme standen auf dem Klinikgelände des Arbeitgebers insgesamt 558 Stellplätze zum Parken auf verschiedenen Parkplätzen und einem Parkdeck zur Verfügung. Die Parkplätze und das Parkdeck konnten von Patienten, Besuchern und Mitarbeitern genutzt werden. Für die Nutzung erhob die Beklagte kein Entgelt.

Im Zuge der Neu- und Umbaumaßnahme entfielen die bisherigen 558 Stellplätze. Die Beklagte richtete auf dem Klinikgelände insgesamt 634 neue Stellplätze ein. Auch diese werden den Patienten, Besuchern, Anwohnern und Mitarbeitern zur Verfügung gestellt. Ein gesondert ausgewiesener Parkbereich für Mitarbeiter existiert nicht. Seit der offiziellen Inbetriebnahme der neuen Parkplatzanlage im Januar 2012 erhebt die Beklagte für das Abstellen von Fahrzeugen ein Entgelt. Die Beklagte erhebt auch von ihren Arbeitnehmern pro Stunde eine Parkgebühr.

Hiergegen wendet sich die Klage eines Mitarbeiters des Klinikums, der die Bereitstellung eines kostenfreien Parkplatz verlangt. Das LAG hat seine Klage ebenso wie die 1. Instanz abgewiesen.

Ein Rechtsanspruch auf die künftige kostenlose Nutzung eines Betriebsparkplatzes besteht jedenfalls dann nicht kraft betrieblicher Ãœbung, wenn der Arbeitgeber im Zusammenhang mit Neubaumaßnahmen die bisherige Parkplatzanlage beseitigt und unter erheblichen Aufwendungen eine neue Parkplatzfläche schafft. In diesem Fall dürfen die Arbeitnehmer auch bei einer jahrelangen kostenlosen Nutzung des Betriebsparkplatzes nicht berechtigterweise davon ausgehen, der Arbeitgeber werde auch künftig kostenlose Parkplätze bereitstellen (LAG BaWü, Urteil vom 13. Januar 2014 – 1 Sa 17/13).

Die bisher vorhandenen 558 Stellplätze fielen ersatzlos weg. Stattdessen richtete die Beklagte 634 neue Stellplätze ein, um den Neubau eines Klinikgebäudes zu verwirklichen. Der Parkraum war nach Ansicht des Gerichts zu einem „teuren“ Gut geworden. Unter diesen Umständen konnten die Beschäftigten nicht erwarten, dass ihnen die Parkplatznutzung auch weiterhin kostenfrei eingeräumt werde. Die Beschäftigten der Beklagten mussten davon ausgehen, dass der Arbeitgeber bei der Schaffung neuer Parkmöglichkeiten zumindest in einem gewissen Umfang eine Gegenleistung erhebt.

Volltext des Urteils des Landgerichts Baden-Württemberg: LAG BaWü, Urteil vom 13. Januar 2014 – 1 Sa 17/13

 

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VonRA Moegelin

Bezahlte Freistellung zur Pflege erkrankter Kinder

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10Das BAG hat zur Frage der bezahlten Freistellung für Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst entschieden uns zwar speziell hinsichtlich der Pflege erkrankter Kinder.

Der beklagte Arbeitgeber stellte die bei ihr beschäftigte Klägerin im April 2010 an vier Arbeitstagen wegen einer Erkrankung ihres Sohnes, der das zwölfte Lebensjahr nicht vollendet hatte, unter Fortzahlung des Entgelts von der Arbeit frei. Im Mai 2010 beantragte die Klägerin aufgrund einer Erkrankung ihrer Tochter, die ebenfalls das zwölfte Lebensjahr nicht vollendet hatte, einen weiteren Tag bezahlte Freistellung. Die Beklagte stellte die Klägerin von der Verpflichtung zur Arbeit frei, lehnte die Fortzahlung des Entgelts jedoch ab und verminderte die Vergütung der Klägerin entsprechend.

Die Vorinstanzen haben die Klage, mit der die Klägerin die Vergütung eines Freistellungstags im Mai 2010 beansprucht hat, mit der Begründung abgewiesen, die Beklagte habe den tariflichen Freistellungsanspruch der Klägerin wegen schwerer Erkrankung eines Kindes bereits im April 2010 erfüllt. Dagegen hatte die Revision der Klägerin hatte vor dem Neunten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg.

29 Abs. 1 Satz 1 Buchst. e Doppelbuchst. bb TVöD begrenzt den Anspruch auf bezahlte Freistellung für jedes schwer erkrankte Kind unter zwölf Jahren auf höchstens vier Arbeitstage im Kalenderjahr. Bei schwerer Erkrankung eines anderen Kindes unter zwölf Jahren ist ausschließlich die in § 29 Abs. 1 Satz 3 TVöD festgesetzte Freistellungsobergrenze von insgesamt fünf Arbeitstagen im Kalenderjahr maßgebend (BAG, Urteil vom 5. 8. 2014 – 9 AZR 878/12).

Ein im Geltungsbereich des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst (TVöD) nicht gesetzlich krankenversicherter Beschäftigter hat nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Buchst. e Doppelbuchst. bb iVm. Satz 2 TVöD Anspruch, bis zu vier Arbeitstage unter Fortzahlung des Entgelts von der Arbeit freigestellt zu werden, wenn ein Kind unter zwölf Jahren schwer erkrankt, eine andere Person zur Pflege oder Betreuung nicht sofort zur Verfügung steht und die Notwendigkeit der Anwesenheit des Beschäftigten zur vorläufigen Pflege ärztlich bescheinigt wird. Erkrankt ein anderes Kind des Beschäftigten schwer und sind die übrigen tariflichen Voraussetzungen erfüllt, steht dem Beschäftigten eine weitere bezahlte Freistellung von der Arbeit zu, wenn die in § 29 Abs. 1 Satz 3 TVöD festgesetzte Freistellungsobergrenze von insgesamt fünf Arbeitstagen im Kalenderjahr nicht überschritten wird

Deshalb steht der Klägerin noch die Vergütung für einen Freistellungstag im Mai 2010 iHv. 165,21 Euro brutto zu.

Volltext des Urteils des Bundesarbeitsgerichts: BAG, Urteil vom 5. August 2014 – 9 AZR 878/12

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