Das BAG hatte zu klären, ob auch ohne Einwilligung eines Verstorbenen ärztliche Aussagen über ihn im Arbeitsgerichtsverfahren verwertet werden können.
Eine Kündigungsschutzklage führte in 2. Instanz zum Obsiegen für den Arbeitnehmer. Die Revision wurde nicht zugelassen. Hiergegen wendet sich der Arbeitgeber mit der Nichtzulassungsbeschwerde und meint, folgende aufgeworfene Rechtsfragen seien klärungsbedürftig:.
„ob eine Beweiserhebung zulässig ist und nach dem Tod eines potentiell Erkrankten – auch ohne dessen Einwilligung – die ärztlichen Unterlagen bzw. Aussagen der ihn behandelnden Ärzte entgegen der gebotenen Schweigepflicht verwertet werden können und dürfen;
ob der Grundsatz, der Kündigende müsse die Entschuldigungsgründe des Gekündigten widerlegen, uneingeschränkt gilt oder dieser Grundsatz erst dann greift, wenn ein konkreter, substantieller Sachvortrag des Gekündigten erfolgt, der konkret seitens des Kündigenden einlassungsfähig und konkret einlassbar ist„.
Beide Fragen hält das BAG für nicht klärungsbedürftig.
Ärztliche Aussagen oder Unterlagen dürfen grundsätzlich nicht ohne Einverständnis des Verstorbenen verwertet werden. Anderes gilt ausnahmsweise, wenn Auskunft, Einsicht und Verwertung dem mutmaßlichen Willen des Verstorbenen entsprechen.
Die Verschwiegenheitspflicht des Arztes gilt über den Tod des Patienten hinaus. Nur der behandelnde Arzt kann entscheiden, ob seine Schweigepflicht zu wahren ist oder nicht, soweit es um das Einsichts- und Auskunftsrecht naher Angehöriger des Verstorbenen geht.
Diese für das Recht auf Einsicht in ärztliche Unterlagen und auf Auskunft ärztlicher Aussagen durch nahe Angehörige des Verstorbenen entwickelten allgemeinen Grundsätze gelten auch für die Auskunft des behandelnden Arztes und die Einsicht in die Patientenunterlagen im Rahmen der Erhebung eines Sachverständigenbeweises in einem arbeitsgerichtlichen Verfahren. Besonderheiten des Arbeitslebens, die eine Ausnahme rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich (BAG, Beschluss vom 23. Februar 2010 – 9 AZN 876/09).
Die zweite Frage sei bereits von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts beantwortet. Demnach ist der Kündigende ist nach der ständigen Rechtsprechung darlegungs- und beweispflichtig für alle Umstände, die als wichtige Gründe geeignet sein können. Ihn trifft auch die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass solche Tatsachen nicht vorgelegen haben, die die Handlung des Arbeitnehmers als gerechtfertigt erscheinen lassen. Dabei braucht der Arbeitgeber allerdings nicht von vornherein alle nur denkbaren Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe des Arbeitnehmers zu widerlegen. Vielmehr ist der Arbeitnehmer im Rahmen einer abgestuften Darlegungs- und Beweislast gehalten, die Gründe, aus denen er die Berechtigung für sein Verhalten herleitet, so konkret vorzutragen, dass dies dem Arbeitgeber die Ãœberprüfung der Angaben und – wenn er sie für unrichtig hält – auch einen erforderlichen Beweisantritt ermöglicht.
Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör durch das LAG und dass darauf die anzufechtende Entscheidung beruhe, konnte das BAG nicht erkennen. Ob der übergangene Beweisantritt entscheidungserheblich ist, richte sich nach den vom LAG getroffenen tatsächlichen Feststellungen und seinen rechtlichen Ausführungen. Es genüge, wenn der Schluss gerechtfertigt ist, dass das Berufungsgericht bei richtigem Verfahren möglicherweise anders entschieden hätte
Auch die Darlegung von Divergenz war erfolglos, da das anzufechtende Urteil des LAG nicht auf Rechtssätzen beruhen, die von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts abweichen.
Nach alldem war die Nichtzulassungsbeschwerde zurückzuweisen.
Volltext der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts: BAG, Beschluss vom 23. Februar 2010 – 9 AZN 876/09
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