Autor-Archiv RA Moegelin

VonRA Moegelin

Kostentragung bei unbefugter Benutzung einer SIM-Karte

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burn-your-cellDas OLG Brandenburg hatte über die Klage eines Mobilfunkanbieters zu entscheiden, der seinem Kunden Handykosten von rund 7.000 € in Rechnung gestellt hat. Die exorbitanten Kosten sollen angeblich durch Missbrauch der SIM-Karte entstanden sein. Der klagende Mobilfunkanbieter meint, dass es darauf nicht ankäme, da sein Kunde und jetztiger Beklagte gemäß der AGB die unbefugte Nutzung zu vertreten habe.

Das OLG ist dieser Auffassung gefolgt und hat unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils der Klage des Mobilfunkanbieters stattgegeben und führt dazu wie folgt aus:

Soweit Telefondienstleistungen auf die vorgenannte SIM-Karte entfallen, kann die Klägerin diese gemäß 12.3 ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen verlangen, weil diese durch eine unbefugte Nutzung der Karte entstanden sind, die der Beklagte zu vertreten hat. Diese Klausel ist wirksam, es handelt sich insbesondere nicht um eine Verpflichtung zur Zahlung eines pauschalierten Schadensersatzes (BGH, Urteil vom 17.02.2011 – II ZR 35/10).

In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist für den Bereich der missbräuchlichen Verwendung von ec-Karten anerkannt, dass eine bereits das Merkmal der groben Fahrlässigkeit erfüllende Verwahrung vorliegt, wenn ein Unbefugter ec-Karte und Geheimnummer in einem Zugriff erlangen kann und nicht nach dem Auffinden der einen Unterlage weiter nach der anderen suchen muss (BGH, Urteil vom 17.10.2000 – XI ZR 42/00).

Eine solche gemeinsame Verwahrung auf Veranlassung des Beklagten liegt hier vor. Die Mutter des Beklagten hat im Rahmen ihrer Zeugenvernehmung bekundet, von ihrem Sohn die SIM-Karte mit der Maßgabe erhalten zu haben, sie zu benutzen, wenn sie wolle. Die dazugehörige PIN habe er auf die Karte geschrieben. Diese Bekundung hat sich die Klägerin ausdrücklich zu Eigen gemacht, der Beklagte ist dem nicht entgegengetreten.

Der Beklagte hat danach die PIN fest mit der SIM-Karte verknüpft, ein Unbefugter musste sich nur noch in den Besitz der SIM-Karte setzen, um unbefugt die Telefondienstleistungen der Klägerin in Anspruch zu nehmen. Hieran vermag auch der Einwand des Beklagten, eine SIM-Karte sei wesentlich kleiner als eine ec-Karte nichts zu ändern. Der Vorwurf der fahrlässigen Verwahrung im Sinne der oben zitierten Rechtsprechung knüpft nicht an die Größe der Karte an, sondern an die Möglichkeit eines Unbefugten, in einem Zugriff sowohl die Karte als auch die zu ihrer Nutzung erforderliche PIN zu erlangen. Diese Möglichkeit hat der Beklagte dem Dritten eröffnet.

Volltext des Urteils des Brandenburgischen OLG – Urteil vom 11.09.2014 – 5 U 105/13

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Probezeitkündigung eines Pfarrers nach Kirchen-Fusion

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1392761431Ein Pfarrer wendet sich gegen die Kündigung vom 26.05.09 seines befristeten Arbeitsvertrages vom 30.01.09 während der Probezeit. Der Vertrag sah keine ordentliche Kündigung vor. Der Pfarrer war bereits seit 01.02.08 aufgrund befristeten Arbeitsvertrages beim Evangelischen Kirchenkreis Sachsen befristet beschäftigt.

Zum 01.01.09 fusionierten die Evangelische Kirche der Kirchenprovinz Sachsen und die Evangelisch-Lutherische Kirche in Thüringen. Es entstand die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland (EKM).

Mit der EKM hat der Pfarrer und jetzige den Vertrag 30.01.09 geschlossen und besagte Kündigung erhalten.

Ein sachgrundlos befristeter Arbeitsvertrag ohne Vereinbarung einer ordentlichen Kündigungsmöglichkeit kann innerhalb einer vereinbarten Probezeit gekündigt werden (BAG, Urteil vom 21. November2013 – 6 AZR 664/12). Bei kirchlichen Arbeitsverträgen sind die Bestimmungen des staatlichen Kündigungsschutzrechtes grundsätzlich anwendbar. Ein Wechsel des Arbeitgebers, der zu einem neuen Rechtsverhältnis führt, unterbricht grundsätzlich die Wartezeit. Wird zwischen denselben Vertragsparteien jedoch erneut ein Arbeitsverhältnis begründet, so kann es sich um eine unbeachtliche rechtliche Unterbrechung handeln, wenn sie verhältnismäßig kurz ist und zwischen beiden Arbeitsverhältnissen ein enger sachlicher Zusammenhang besteht. Ein solcher Fall der Unterbrechung liegt nicht vor, wenn auf Arbeitgeberseite eine Rechtsnachfolge stattfindet. Im Falle einer Rechtsnachfolge beim Rechtsträger des Betriebs oder Unternehmens bleibt die beim Vorgänger zurückgelegte Wartezeit erhalten. Der Rechtsnachfolger tritt in die Rechte und Pflichten des fortbestehenden identischen Arbeitsverhältnisses ein. Die gleichen Grundsätze gelten beim Betriebsübergang gemäß § 613a BGB.

Im einschlägigen Fall liegt nach Ansicht des BAG ein Wechsel des Arbeitgebers vor. Die vorausgegangene rund einjährige Beschäftigungszeit bei einem anderen Kirchenkreis ist nicht auf die Wartezeit anzurechnen. Der Kläger konnte wirksam während der Probezeit gekündigt werden. Seine Revision hat das BAG daher zurückgewiesen.

Volltext des Urteils des Bundesarbeitsgerichts: BAG, Urteil vom 21. November 2013 – 6 AZR 664/12

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Erschwerniszuschlag für Lehrer am Abendgymnasium

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Teacher_and_Child_1913Das Bundesarbeitsgericht hatte über die Klage eines Lehrers zu entscheiden, ob ihm eine Erschwerniszulage für erteilten Unterricht nach 20:00 Uhr zusteht.

Die hier einschlägige Erschwerniszulagenverordnung (EZulV) regelt wie folgt:

㤠3. Allgemeine Voraussetzungen

 (1) Empfänger von Dienstbezügen in Besoldungsgruppen mit aufsteigenden Gehältern und Empfänger von Anwärterbezügen erhalten eine Zulage für Dienst zu ungünstigen Zeiten, wenn sie mit mehr als fünf Stunden im Kalendermonat zum Dienst zu ungünstigen Zeiten herangezogen werden.

(2) Dienst zu ungünstigen Zeiten ist der Dienst  …

  1. an den übrigen Tagen in der Zeit zwischen 20. 00 Uhr und 6. 00 Uhr. …

6. Sonstiger Ausschluß der Zulage

Die Zulage entfällt oder sie verringert sich, soweit der Dienst zu ungünstigen Zeiten auf andere Weise als mit abgegolten oder ausgeglichen gilt.“

Nach Ansicht des BAG schließt § 6 EZulV entgegen der Auffassung des beklagten Landes den Anspruch einer Lehrkraft eines Abendgymnasiums auf die Zulage nicht aus. Nach dieser Bestimmung entfällt oder verringert sich die Zulage, soweit der Dienst zu ungünstigen Zeiten auf andere Weise als mit abgegolten oder ausgeglichen gilt. Unter Abgeltung ist die Gewährung einer finanziellen Entschädigung zu verstehen, während mit Ausgleich die Gewährung sonstiger Vorteile gemeint ist. Der in dieser Vorschrift geregelte Ausschluss der Zulage bezweckt, Doppelleistungen zu vermeiden Die im Vergleich zu den Lehrkräften eines Gymnasiums geringere Unterrichtsverpflichtung der Lehrkräfte eines Abendgymnasiums ist kein Ausgleich iSv. § 6 EZulV (BAG, Urteil vom 20. Mai 2010 – 6 AZR 976/08).

Die Gründe für die unterschiedlichen Pflichtstundenzahlen ergeben sich aus § 93 Abs. 2 SchulG. Danach ist ua. die Zahl der wöchentlichen Pflichtstunden der Lehrer nach den pädagogischen und verwaltungsmäßigen Bedürfnissen der einzelnen Schulformen, Schulstufen und Klassen zu bestimmen. Aus § 93 Abs. 2 SchulG ergibt sich, dass die Pflichtstundenermäßigung für Lehrkräfte an einem Abendgymnasium keine Kompensation für den Unterricht zu ungünstigen Zeiten bezweckt, sondern auf den pädagogischen oder verwaltungsmäßigen Bedürfnissen dieser Schulform beruht.

Volltext des Urteils des Bundesarbeitsgerichts: BAG, Urteil vom 20. Mai 2010 – 6 AZR 976/08

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Verbreitung eines Streikaufrufs im Intranet

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iuryDie Frage, ob das Mitglied eines Betriebsrats mit vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Kommunikationsmitteln zum Streik aufrufen darf, beschäftigte das Bundesarbeitsgericht.

Die Arbeitgeberin betreibt ein Krankenhaus mit 870 Beschäftigten. Der an dem Verfahren beteiligte Arbeitnehmer ist Betriebsratsvorsitzender und Mitglied von ver.di. Nach einer Anordnung der Arbeitgeberin ist die Nutzung ihres Intranets ausschließlich dienstlichen Zwecken vorbehalten. Für den 13. April 2011 rief ver.di zu einem Warnstreik bei der Arbeitgeberin auf. Diesen Aufruf leitete der Arbeitnehmer über das Intranet der Arbeitgeberin an alle Mitarbeiter weiter und rief die Beschäftigten auf, sich an dem Streik zu beteiligen. Er signierte die E-Mail mit den Worten: „Für die ver.di-Betriebsgruppe“ und fügte seinen Namen an. Die Arbeitgeberin hat geltend gemacht, ihr stehe wegen der Verletzung des arbeitskampfrechtlichen Neutralitätsgebots aus § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG ein Unterlassungsanspruch zu. Der Arbeitnehmer hat sich darauf berufen, nicht als Betriebsratsvorsitzender, sondern als Mitglied der ver.di-Betriebsgruppe gehandelt zu haben. Die Arbeitgeberin habe zum Schutze seiner individuellen Koalitionsfreiheit aus Art. 9 Abs. 3 GG die Nutzung ihres Intranets für die Verbreitung des Streikaufrufs zu dulden.

Die Vorinstanzen haben dem Antrag der Arbeitgeberin entsprochen. Die Rechtsbeschwerde des Arbeitnehmers blieb vor dem Ersten Senat des Bundesarbeitsgerichts ohne Erfolg.

Ein Arbeitnehmer ist nicht berechtigt, einen vom Arbeitgeber für dienstliche Zwecke zur Verfügung gestellten personenbezogenen E-Mail-Account (Vorname.Name@Arbeitgeber.de) für die betriebsinterne Verbreitung eines Streikaufrufs seiner Gewerkschaft an die Belegschaft zu nutzen (BAG, Beschluss vom 15. Oktober 2013 – 1 ABR 31/12).

Das BAG führt seine Entscheidung wie folgt aus:

Entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts ergibt sich zwar aus § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG kein Unterlassungsanspruch der Arbeitgeberin. Dieser folgt jedoch aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB. Danach kann der Eigentümer vom Störer die Unterlassung weiterer Beeinträchtigungen seines Eigentums verlangen. Hierfür ist unerheblich, ob dem Arbeitnehmer der dienstlichen Zwecken vorbehaltene Intranetzugang in seiner Funktion als Amtsträger oder unabhängig davon zur Verfügung gestellt wurde. Die Arbeitgeberin ist nicht verpflichtet, die Verbreitung von Streikaufrufen über ihr Intranet gemäß § 1004 Abs. 2 BGB zu dulden. Von ihr kann nicht verlangt werden, durch eigene Betriebsmittel die koalitionsspezifische Betätigung eines Arbeitnehmers in einem gegen sie gerichteten Arbeitskampf zu unterstützen.

Die Rechtsbeschwerde der Betriebsratmitglieder war daher überwiegend zurückzuweisen.

Volltext der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts: BAG, Beschluss vom 15. Oktober 2013 – 1 ABR 31/12

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Erstattungsanspruch des Arbeitnehmers bei Unfallschaden am Privatfahrzeug

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Gerald_G_Boy_Driving_Car_CartoonDer Anwalt eines Arbeitnehmers hat im vorliegenden Fall statt Schadensersatz nur Aufwendungsersatz geltend gemacht. Der Angestellte eines Unternehmens des Handels für technischen Schiffs- und Industriebedarf holte weisungsgemäß Waren mit seinem eigenen PKW von einem Kunden ab. Dabei hatte er einen Unfall der ihm einen Schaden von rund 7.000 € am Auto einbrachte. Sein Arbeitgeber lehnte die Erstattung der Kosten in dieser Höhe ab. Die hierauf gerichtete Klage des Arbeitnehmers auf Aufwendungsersatz wurde in zwei Instanzen abgewiesen, so dass die Revision die Entscheidung zu bringen hatte.

Das BAG hält Sachschäden des Arbeitnehmers, mit denen nach Art und Natur des Betriebs oder der Arbeit nicht zu rechnen ist, insbesondere Schäden, die notwendig oder regelmäßig entstehen, als arbeitsadäquat und im Arbeitsverhältnis, so dass es sich nicht um Aufwendungen iSd. § 670 BGB handelt. Aber bei außergewöhnlichen Sachschäden, mit denen der Arbeitnehmer nach der Art des Betriebs oder der Arbeit nicht ohne weiteres zu rechnen hat, liegt eine Aufwendung nach § 670 BGB vor. Ein Verkehrsunfall bei der Auslieferung oder Abholung von Waren für den Arbeitgeber beruht zwar auf der dem Fahrer übertragenen und damit betrieblich veranlassten Tätigkeit, gehört aber nicht zu den üblichen Begleiterscheinungen dieser Tätigkeit In entsprechender Anwendung des § 670 BGB muss der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer an dessen Fahrzeug entstandene Unfallschäden ersetzen, wenn das Fahrzeug mit Billigung des Arbeitgebers in dessen Betätigungsbereich eingesetzt wurde. Um einen Einsatz im Betätigungsbereich des Arbeitgebers handelt es sich, wenn ohne den Einsatz des Arbeitnehmerfahrzeugs der Arbeitgeber ein eigenes Fahrzeug einsetzen und damit dessen Unfallgefahr tragen müsste (BAG, Urteil vom 28. Oktober 2010 – 8 AZR 647/09).

Der Kläger wurde von seinem Arbeitgeber beauftragt, Waren mit einem Kraftfahrzeug bei dem Kunden bzw. Auftragnehmer abzuholen und der Kläger hierfür seinen eigenen Pkw benutzt hat, hat er diesen im Betätigungsbereich der Beklagten eingesetzt. § 670 BGB kommt daher in analoger Ansicht zur Anwendung.

Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts, die das BAG nicht beanstandete, ist ein Ersatzanspruch des Klägers nach § 254 Abs. 1 BGB ausgeschlossen.

Der Kläger macht gegenüber dem beklagten Arbeitgeber keinen Schadensersatzanspruch geltend, sondern Aufwendungsersatz nach § 670 BGB. Voraussetzung ist hierfür unter anderem, unter Berücksichtigung der Haftungsregeln für den innerbetrieblichen Schadensausgleich, dass die Aufwendungen nur dann als in vollem Umfange erforderlich zu betrachten sind, wenn sich der Arbeitnehmer nicht schuldhaft, sondern gemäß der Rechtsprechung allenfalls leicht fahrlässig verhalten hat.

Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts, der Kläger habe nicht ausreichend dargelegt, dass er den Auffahrunfall nicht grob fahrlässig verschuldet habe, hält das BAG für nicht angreifbar.

Demnach ist es dem Kläger nicht gelungen, zu dem von ihm eingehaltenen Sicherheitsabstand darzulegen.

Der Kläger hat vorgetragen, dass der vor ihm fahrende Pkw plötzlich und unerwartet stark abgebremst habe, weil ein vor diesem fahrender Pkw seinerseits unvermittelt gebremst habe, um abzubiegen. Während der vor dem Kläger fahrende Wagen noch zum Stehen gebracht werden konnte, sei ihm dies nicht mehr gelungen. Der Kläger hat eine geschätzte Eigengeschwindigkeit von 40 bis 45 km/h und eine Aufprallgeschwindigkeit von etwa 10 bis 15 km/h angegeben. Zu seinem Sicherheitsabstand hat der Kläger ausgeführt: „Es fällt dem Kläger schwer, seinen Abstand zum Vordermann genau zu bemessen. Es mögen 10 bis 15 Meter gewesen sein. Es war ein Abstand wie er nach seiner Erfahrung im dichten Stadtverkehr üblich ist“.

Diesen Vortrag hält das BAG für ungeeignet, den eingehaltenen Sicherheitsabstand zum Vorausfahrenden zu beschreiben, weil er keine Grundlagen für die vorgenommene Schätzung enthalte. Zudem spreche der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass derjenige, der im Straßenverkehr auf den Vorausfahrenden auffährt, in der Regel unaufmerksam oder zu dicht hinter diesem gefahren ist.

Auch der Nichtabschluss einer Dienstreise-Kaskoversicherung durch die Beklagte sei unbeachtlich. Ebenso wenig wie der Arbeitgeber verpflichtet ist, für ein vom Arbeitnehmer genutztes Firmenfahrzeug eine Vollkaskoversicherung abzuschließen, besteht eine solche Verpflichtung zum Abschluss einer Kaskoversicherung zugunsten eines vom Arbeitnehmer für Dienstfahrten eingesetzten Privatwagens.

Nach alldem war die Revision zurückzuweisen.

Volltext des Urteils des Bundesarbeitsgerichts: BAG, Urteil vom 28. Oktober 2010 –  8 AZR 647/09

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Urteil ohne Gründe

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1281724435Der Streit von Arbeitsvertragsparteien über die auf ihr Arbeitsverhältnis anzuwendenden Tarifverträge und hieraus resultierende Ansprüche hatte das BAG zu entscheiden. Von entscheidender Bedeutung war die Frage, ob wegen Fehlens von Gründen ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 6 ZPO vorliegt.

Der in 2. Instanz unterlegene beklagte Arbeitgeber nacht mit der Revision geltend, das Urteil nenne weder eine Anspruchsgrundlage noch einen Grund, auf den der Kläger seinen Feststellungsanspruch stützen könne. Es thematisiere lediglich Zulässigkeitsfragen sowie die Frage der Verwirkung der Rechte des Klägers. Eine rechtliche Auseinandersetzung mit dem vom Kläger geltend gemachten Feststellungsanspruch fehle völlig. Die Entscheidungsgründe enthielten auch keine kurze Zusammenfassung der Erwägungen, auf denen die Entscheidung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht beruhe.

Nach der Rechtsprechung ist eine Entscheidung dann „nicht mit Gründen versehen“, wenn aus ihr nicht zu erkennen ist, welche tatsächlichen Feststellungen und welche rechtlichen Erwägungen für die getroffene Entscheidung maßgebend waren. Dem vollständigen Fehlen von Entscheidungsgründen stehen die Fälle gleich, in denen es zwar Ausführungen des Berufungsgerichts gibt, die jedoch nicht erkennen lassen, welche Ãœberlegungen für die Entscheidung maßgebend waren. Dies gilt auch dann, wenn auf einzelne Ansprüche oder auf einzelne selbständige Angriffs- und Verteidigungsmittel (zB Klagegründe, Einwendungen und Einreden wie Verjährung, Mitverschulden, Aufrechnung uä., Repliken, Dupliken usw.; nicht dagegen das Ãœbergehen eines Beweisantrags. Ein Urteil ist deshalb auch dann aufzuheben, wenn es zu der im Tatbestand in Bezug genommenen Begründung des Hauptantrags keine Gründe enthält, sondern nur Ausführungen zu den hilfsweise geltend gemachten Ansprüchen. Erforderlich ist, dass die angeführten Gründe unter keinem denkbaren Gesichtspunkt geeignet sind, den Tenor zu stützen.

Das Berufungsurteil enthält nach den Feststellungen des BAG zunächst Ausführungen zur Zulässigkeit des Feststellungsantrags. Sodann setzt es sich unter dem Gliederungspunkt „II. 2.“ mit der Einleitung „Der Anspruch des Klägers ist nicht verwirkt“ nahezu fünf Seiten lang ausschließlich mit der Begründung des Arbeitsgerichts für die Abweisung der Klage – die Verwirkung des Feststellungsanspruchs – auseinander und begründet an- und abschließend unter dem Gliederungspunkt „III.“ die Kostenentscheidung. Damit gibt es aber überhaupt keine Begründung für die vom Kläger beantragte und die im Teilurteil tenorierte Feststellung des bezeichneten Rechtsverhältnisses (BAG, Urteil vom 11. Dezember 2013 – 4 AZR 250/12).

De facto habe das LAG gemäß § 313a ZPO iVm. § 69 Abs. 4 Satz 2 ArbGG von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen. Weder haben die Parteien einen entsprechenden Verzicht erklärt noch ist ein Rechtsmittel nicht zulässig. Vielmehr hat das Landesarbeitsgericht die Revision zugelassen. Das LAG habe auch weder nach § 69 Abs. 2 ArbGG auf die Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts Bezug genommen noch ist es dem Arbeitsgericht aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung gefolgt.

Die Revision war erfolgreich und die Sache an das LAG zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen

Volltext des Urteils: BAG, Urteil vom 11. Dezember 2013 – 4 AZR 250/12

 

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