Jahresarchiv 24. September 2017

VonRA Moegelin

Mindestlohn am Feiertag und Nachtarbeitszuschlag

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Die Höhe der Entgeltfortzahlung an Feiertagen bestimmt sich – soweit kein höherer tariflicher oder vertraglicher Vergütungsanspruch besteht – nach § 2 EFZG* iVm. § 1 MiLoG**. Sieht ein Tarifvertrag einen Nachtarbeitszuschlag vor, der auf den tatsächlichen Stundenverdienst zu zahlen ist, ist auch dieser mindestens aus dem gesetzlichen Mindestlohn zu berechnen.

Die Klägerin ist langjährig bei der Beklagten als Montagekraft beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft Nachwirkung der Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer der Sächsischen Metall- und Elektroindustrie idF vom 24. Februar 2004 (MTV) Anwendung. Dieser sieht ua. einen Nachtarbeitszuschlag iHv. 25 % des tatsächlichen Stundenverdienstes und ein „Urlaubsentgelt“ iHd. 1,5fachen durchschnittlichen Arbeitsverdienstes vor. Für den Monat Januar 2015 zahlte die Beklagte neben dem vertraglichen Stundenverdienst von 7,00 Euro bzw. 7,15 Euro eine „Zulage nach MiLoG“. Die Vergütung für einen Feiertag und einen Urlaubstag berechnete sie ebenso wie den Nachtarbeitszuschlag für fünf Stunden nicht auf Grundlage des gesetzlichen Mindestlohns, sondern nach der niedrigeren vertraglichen Stundenvergütung. Darüber hinaus rechnete sie ein gezahltes „Urlaubsgeld“ auf Mindestlohnansprüche der Klägerin an.

Die Klägerin verlangt mit ihrer Klage eine Vergütung aller im Januar 2015 abgerechneten Arbeits-, Urlaubs- und Feiertagsstunden mit 8,50 Euro brutto und meint, auch der Nachtarbeitszuschlag sei auf Grundlage des gesetzlichen Mindestlohns zu berechnen. Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben der Klage stattgegeben.

Die Revision der Beklagten blieb vor dem Zehnten Senat – abgesehen von einer geringen rechnerischen Differenz – ohne Erfolg. Zwar gewährt das MiLoG nur Ansprüche für tatsächlich geleistete Arbeitsstunden. Nach § 2 Abs. 1 EFZG hat der Arbeitgeber aber für Arbeitszeit, die aufgrund eines gesetzlichen Feiertags ausfällt, dem Arbeitnehmer das Arbeitsentgelt zu zahlen, das er ohne den Arbeitsausfall erhalten hätte (Entgeltausfallprinzip). Dies gilt auch dann, wenn sich die Höhe des Arbeitsentgelts nach dem MiLoG bestimmt; dieses enthält keine hiervon abweichenden Be-stimmungen. Ein Rückgriff des Arbeitgebers auf eine vertraglich vereinbarte niedrigere Vergütung scheidet aus. Der tarifliche Nachtarbeitszuschlag und das tarifliche Urlaubsentgelt müssen nach den Bestimmungen des MTV ebenfalls (mindestens) auf Grundlage des gesetzlichen Mindestlohns von (damals) 8,50 Euro berechnet werden, da dieser Teil des „tatsächlichen Stundenverdienstes“ im Sinne des MTV ist. Eine Anrechnung des gezahlten „Urlaubsgeldes“ auf Ansprüche nach dem MiLoG kann nicht erfolgen, da der MTV hierauf einen eigenständigen Anspruch gibt und es sich nicht um Entgelt für geleistete Arbeit handelt.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20. September 2017 – 10 AZR 171/16 -; Pressemitteilung Nr. 40/17

Vorinstanz: Sächsisches Landesarbeitsgericht

Urteil vom 27. Januar 2016
2 Sa 375/15

*§ 2 Abs. 1 EFZG lautet:

„Entgeltfortzahlung an Feiertagen

(1) Für Arbeitszeit, die infolge eines gesetzlichen Feiertags ausfällt, hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer das Arbeitsentgelt zu zahlen, das er ohne den Arbeitsausfall erhalten hätte.“

**§ 1 MiLoG (in der hier maßgeblichen Fassung) lautete auszugsweise:

„Mindestlohn

(1) Jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer hat Anspruch auf Zahlung eines Arbeitsentgelts mindestens in Höhe des Mindestlohns durch den Arbeitgeber.

(2) Die Höhe des Mindestlohns beträgt ab dem 1. Januar 2015 brutto 8,50 Euro je Zeitstunde. …“

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VonRA Moegelin

Befristung wegen der Eigenart der Arbeitsleistung

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Die über 18 Jahre immer wieder neue Befristung eines Arbeitsverhältnisses kann wegen der Eigenart der Arbeitsleistung sachlich gerechtfertigt sein. So verhält es sich im Fall eines Schauspielers, der den Kommissar in der Krimiserie „Der Alte“ spielte. In einer Parallelentscheidung hat das BAG ebenso die sachliche Rechtfertigung festgestellt. In diesem Fall hat der Arbeitnehmer sogar 28 Jahre lang die Rolle des Kommissars gespielt

Die Eigenart der Arbeitsleistung iSv. § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TzBfG kann die Befristung des Arbeitsvertrags einer Filmproduktionsgesellschaft mit einem Schauspieler sachlich rechtfertigen, der aufgrund einer Vielzahl von befristeten Arbeitsverträgen langjährig in derselben Rolle einer Krimiserie beschäftigt wurde.

Der Kläger ist Schauspieler und stellte in der vom ZDF ausgestrahlten und von der Beklagten im Auftrag des Fernsehsenders produzierten Krimiserie „Der Alte“ 18 Jahre lang den Kommissar „Axel Richter“ dar. Die Parteien schlossen jeweils sog. „Mitarbeiterverträge“ bzw. „Schauspielerverträge“ ab, die sich auf einzelne Folgen oder auf die in einem Kalenderjahr produzierten Folgen bezogen. Zuletzt wurde der Kläger durch Vertrag vom 13./16. Oktober 2014 in der Zeit bis zum 18. November 2014 für insgesamt 16 Drehtage zur Produktion der Folgen Nr. 391 und 392 verpflichtet. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Befristung in dem zuletzt geschlossenen Arbeitsvertrag sei mangels Sachgrunds unwirksam; außerdem liege eine unzulässige „Kettenbefristung“ vor.

Die Vorinstanzen haben die Befristungskontrollklage abgewiesen. Die Revision des Klägers hatte vor dem Siebten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Die Befristung des mit dem Kläger zuletzt geschlossenen Vertrags vom 13./16. Oktober 2014 ist nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TzBfG durch die Eigenart der Arbeitsleistung sachlich gerechtfertigt.

Durch den in § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TzBfG geregelten Sachgrund soll die Befristung von Arbeitsverhältnissen ua. in dem durch die Kunstfreiheit (Art. 5 Abs. 3 GG) geprägten Gestaltungsinteresse des Arbeitgebers ermöglicht werden. Bei der gebotenen verfassungskonformen Auslegung und Anwendung des Sachgrunds in § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TzBfG darf aber nicht allein die Kunstfreiheit Beachtung finden. Vielmehr ist auch dem nach Art. 12 Abs. 1 GG zu gewährleistenden Mindestbestandsschutz des künstlerisch tätigen Arbeitnehmers Rechnung zu tragen. Dies gebietet eine Abwägung der beiderseitigen Belange, bei der auch das Bestandsschutzinteresse des Arbeitnehmers angemessen Berücksichtigung finden muss. Die Interessenabwägung ist Bestandteil der Sachgrundprüfung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TzBfG.

Die Befristungskontrollklage hatte danach keinen Erfolg. Die Entscheidung der Beklagten, die Rolle des Klägers nur befristet zu besetzen, beruht auf künstlerischen Erwägungen, die von der Beklagten umgesetzt wurden. Die langjährige Beschäftigung des Klägers in der Rolle des Kommissars „Axel Richter“ in der Krimiserie „Der Alte“ überwiegt nicht das Interesse an einer kurzfristig möglichen Fortentwicklung des Formats durch die Streichung der vom Kläger bekleideten, im Kernbereich des künstlerischen Konzepts liegenden und die Serie mitprägenden Rolle.

(Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 30. August 2017 – BAG 7 AZR 864/15 – vgl. Pressemitteilung Nr. 36/17; Vorinstanz: Landesarbeitsgericht München, Urteil vom 29. Oktober 2015 – 4 Sa 527/15 – )

Das Bundesarbeitsgericht hat am selben Tag – wie die Vorinstanzen – die gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund Befristung gerichtete Klage eines weiteren Schauspielers abgewiesen, der 28 Jahre lang die Rolle des Kommissars „Werner Riedmann“ in der Krimiserie „Der Alte“ besetzte.

(Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 30. August 2017 – 7 AZR 440/16 -; Vorinstanz: Landesarbeitsgericht München, Urteil vom 11. Mai 2016 – 8 Sa 541/15 -)

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VonRA Moegelin

Haftung Arbeitgeber bei zerstörtem PKW des Arbeitnehmers

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Hat der Arbeitnehmer sein PKW auf dem Betriebsgelände des Arbeitnehmers geparkt und wird es von einem einen Müllbehälter durch Windeinwirkung beschädigt, sieht das LAG Düsseldorf die Beweislast dafür, dass keine Verkehrssicherungspflicht verletzt wurde, beim Arbeitgeber. In seiner Pressemitteilung vom 06.09.2017 führt das LAG Düsseldorf wie folgt aus:

Am 05.05.2015 parkte der Arbeitnehmer sein Fahrzeug auf dem Betriebshof seiner Arbeitgeberin, der beklagten Gemeinde. Diese hatte den Mitarbeitern gestattet, ihre Wagen dort während der Dienstzeit abzustellen. Auf dem Betriebshof befand sich ein Großmüllbehälter. Dieser wurde durch Windeinwirkung gegen den PKW des Arbeitnehmers geschoben, der so stark beschädigt wurde, dass er einen wirtschaftlichen Totalschaden erlitt. Die Differenz von 1.380,00 Euro zwischen Wiederbeschaffungswert und Restwert zahlte die klagende Versicherung an den Arbeitnehmer. Ausweislich des von der Versicherung eingeholten Wettergutachtens herrschte am 05.05.2015 eine Windgeschwindigkeit von 85 km/h.

Die Versicherung verlangt aus übergegangenem Recht von der Gemeinde die Zahlung von 1.380,00 Euro sowie die Erstattung der Kosten des Gutachtens von 47,00 Euro. Sie meint, die Gemeinde habe die ihr gegenüber ihrem Arbeitnehmer obliegende Verkehrssicherungspflicht verletzt. U.a. sei das Vorhandensein von Radbremsen zur Sicherung des Müllbehälters nicht ausreichend gewesen. Es sei kein hinreichend windgeschützter Aufstellort gewählt worden. Die Gemeinde behauptet, einer ihrer Mitarbeiter habe den Müllbehälter ordnungsgemäß abgestellt und die Sperren betätigt. Dies sei ausreichend gewesen. Durch den Wind sei der Müllbehälter erst umgeworfen und dann gegen den PKW geweht worden. Dies sei nicht vorhersehbar gewesen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Anders als das Arbeitsgericht sieht das Landesarbeitsgericht die Beweislast dafür, dass keine Verkehrssicherungspflicht verletzt wurde, bei der Gemeinde, d.h. der Arbeitgeberin. Der Umstand, dass deren Großmüllbehälter das Fahrzeug des Arbeitnehmers zerstört hat, indiziere die Verletzung der Verkehrssicherungspflicht. Anderseits wird zu prüfen sein, ob ein Mitverschulden des Arbeitnehmers besteht. Wann hat er erstmals von der Sturmwarnung für den 05.05.2015 gehört und was hat er unternommen, als er davon Kenntnis erhielt? Nachdem der Versuch einer gütlichen Einigung gescheitert ist, wird das Verfahren am 11.09.2017 fortgesetzt. Zu diesem Termin hat das Gericht zwei Zeugen geladen, und zwar den betroffenen Arbeitnehmer und einen Mitarbeiter der beklagten Gemeinde.

Landesarbeitsgericht Düsseldorf, 9 Sa 42/17

Arbeitsgericht Wesel, Urteil vom 16.12.2016 – 5 Ca 1194/16

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VonRA Moegelin

Dynamik einer Verweisungsklausel nach Betriebsübergang

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Eine zwischen dem Betriebsveräußerer und dem Arbeitnehmer einzelvertraglich vereinbarte Klausel, die dynamisch auf einen Tarifvertrag verweist, verliert ihre Dynamik im Arbeitsverhältnis mit dem Betriebserwerber nicht allein aufgrund des Betriebsübergangs.

Die Klägerin ist seit 1986 als Stationshilfe in einem Krankenhaus beschäftigt. Im Arbeitsvertrag ist eine Verweisung auf den Bundesmanteltarifvertrag für Arbeiter/Arbeiterinnen gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe vom 31. Januar 1962 (BMT-G II) und die diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge vereinbart. Träger des Krankenhauses war ursprünglich ein Landkreis, der Mitglied im Kommunalen Arbeitgeberverband (KAV) war. Im Jahr 1995 wurde das Krankenhaus privatisiert und nunmehr von einer GmbH betrieben, die ebenfalls tarifgebunden war. Ende 1997 ging der Betriebsteil, in dem die Klägerin beschäftigt war, auf die K. FM GmbH i.G. über, die nicht Mitglied im KAV war. Im Zusammenhang mit der Ausgliederung vereinbarte die K. FM GmbH i.G. auf der Grundlage eines mit der Veräußererin und ihrem Betriebsrat geschlossenen Personalüberleitungsvertrags mit der Klägerin, dass „der BMT-G II in der jeweils geltenden Fassung einschließlich der diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge“ für das Arbeitsverhältnis der Klägerin „weiterhin“ Anwendung findet. In den folgenden sechs Jahren wurde der BMT-G II wie zuvor dynamisch angewandt. Mit Wirkung zum 1. Juli 2008 ging das Arbeitsverhältnis der Klägerin auf die Beklagte über, die es weiterhin nach den Regelungen des BMT-G II (Stand: 31. Dezember 2003) durchführte. Mit ihrer Klage hat die Klägerin die Anwendung des TVöD-VKA und des TVÃœ-VKA auf ihr Arbeitsverhältnis begehrt. Sie ist – anders als die Beklagte – der Auffassung, diese seien als den BMT-G II ersetzende Tarifverträge auf ihr Arbeitsverhältnis dynamisch anwendbar. Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben.

Der Vierte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat mit Beschluss vom 17. Juni 2015 (- 4 AZR 95/14 (A) -) den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) um eine Vorabentscheidung zur Vereinbarkeit seiner Auslegung von § 613a Abs. 1 BGB mit dem Unionsrecht ersucht. Mit Urteil vom 27. April 2017 (- C-680/15 – und – C-681/15 – [Asklepios Kliniken Langen-Seligenstadt]) hat der EuGH entschieden, dass die RL 2001/23/EG in Verbindung mit Art. 16 GRC der dynamischen Fortgeltung einer arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel im Verhältnis zwischen dem Arbeitnehmer und dem Betriebserwerber nicht entgegen steht, sofern das nationale Recht sowohl einvernehmliche als auch einseitige Anpassungsmöglichkeiten für den Erwerber vorsieht.

Die Revision der Beklagten vor dem Vierten Senat des Bundesarbeitsgerichts war nunmehr erfolglos. Die für die Betriebsveräußererin und die Klägerin verbindliche dynamische Bezugnahmeklausel wirkt auch im Arbeitsverhältnis der Prozessparteien weiterhin dynamisch. Ein Betriebserwerber kann nach nationalem Recht sowohl – einvernehmlich – im Wege des Änderungsvertrags als auch – einseitig – im Wege der Änderungskündigung (§ 2 KSchG) etwa erforderliche Anpassungen der arbeitsvertraglichen Bedingungen vornehmen. Unter welchen Voraussetzungen eine Änderungskündigung zum Zwecke der „Entdynamisierung“ einer Bezugnahmeklausel im Einzelfall sozial gerechtfertigt ist, bedurfte im Streitfall keiner Entscheidung. Die Beklagte hat eine Änderungskündigung nicht erklärt.

(Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 30. August 2017 – BAG 4 AZR 95/14 – vgl. Pressemitteilung Nr. 35/17; Vorinstanz: Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 10. Dezember 2013 – 8 Sa 512/13 -)

Der Vierte Senat hat auch in einem Parallelverfahren die Revision der Beklagten zurückgewiesen (- 4 AZR 61/14 -). Beklagte in dem dortigen Verfahren ist ein anderes Unternehmen desselben Konzerns.

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VonRA Moegelin

Pfändungsschutz für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeitszulagen

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Der Arbeitslohn des Arbeitnehmers kann grundsätzich gepfändet werden. Bei Zulagen ist dagegen der Pfändungsschutz der aus § 850a Nr. 3 ZPO folgt, zu beachten. Hierzu hat das BAG wie folgt klargestellt:

Zulagen für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit sind Erschwerniszulagen iSv. § 850a Nr. 3 ZPO* und damit im Rahmen des Üblichen unpfändbar. Zulagen für Schicht-, Samstags- oder sog. Vorfestarbeit sind dagegen der Pfändung nicht entzogen. Hinsichtlich der Frage, in welchem Umfang und welcher Höhe Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit als „üblich“ und damit unpfändbar iSv. § 850a Nr. 3 ZPO anzusehen sind, kann an die Regelung in § 3b EStG angeknüpft werden.

Die Klägerin arbeitet bei der Beklagten, die Sozialstationen betreibt, als Hauspflegerin. Nach einem zwischenzeitlich aufgehobenen Insolvenzverfahren befand sich die Klägerin in der sog. Wohlverhaltensphase, in der sie ihre pfändbare Vergütung an einen Treuhänder abgetreten hatte. Im Zeitraum Mai 2015 bis März 2016 führte die Beklagte von der jeweiligen Nettovergütung der Klägerin den sich aus ihrer Sicht ergebenden pfändbaren Teil der Vergütung an den Treuhänder ab. Dabei berücksichtigte sie auch die an die Klägerin gezahlten tarifvertraglichen Zuschläge für Sonntags-, Feiertags-, Nacht-, Wechselschicht-, Samstags- und Vorfestarbeit als pfändbar. Die Klägerin, die diese Zuschläge als unpfändbare Erschwerniszulagen iSv. § 850a Nr. 3 ZPO ansieht, begehrt von der Beklagten Zahlung von insgesamt 1.144,91 Euro, die diese zu viel an den Treuhänder abgeführt habe. Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben.

Auf die Revision der Beklagten hat der Zehnte Senat des Bundesarbeitsgerichts das Urteil des Landesarbeitsgerichts aufgehoben. Die Vorinstanzen haben allerdings zutreffend angenommen, dass Zulagen für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit Erschwerniszulagen iSv. § 850a Nr. 3 ZPO und deshalb unpfändbar sind. Der Gesetzgeber hat in § 6 Abs. 5 ArbZG die Ausgleichspflichtigkeit von Nachtarbeit geregelt, die von ihm als besonders erschwerend bewertet wurde. Sonntage und gesetzliche Feiertage stehen kraft Verfassung (Art. 140 GG iVm. Art. 139 WRV) unter besonderem Schutz. § 9 Abs. 1 ArbZG ordnet an diesen Tagen ein grundsätzliches Beschäftigungsverbot an. Damit geht der Gesetzgeber auch hier von einer Erschwernis aus, wenn an diesen Tagen dennoch gearbeitet wird.

Eine entsprechende gesetzgeberische Wertung gibt es für Schicht-, Samstags- und Vorfestarbeit hingegen nicht. Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Sonderregelung des § 850a ZPO zwar dem Schuldnerschutz dient und diesem einen größeren Teil seines Nettoeinkommens als unpfändbar belassen will. Angesichts der ebenso in den Blick zu nehmenden Gläubigerinteressen bedarf die in § 850a Nr. 3 ZPO geregelte Unpfändbarkeit von Erschwerniszulagen aber einer sachlichen Begrenzung.

Der Senat konnte nicht abschließend entscheiden, da zur genauen Höhe der zu Unrecht an den Treuhänder abgeführten Vergütung eine weitere Sachaufklärung erforderlich ist.

(vgl. Pressemitteilung Nr. 34/17; Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23. August 2017 – BAG 10 AZR 859/16 – Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20. Juli 2016 – 20 Sa 639/16, 20 Sa 975/16)

*§ 850a Nr. 3 ZPO lautet:

Unpfändbare Bezüge

Unpfändbar sind

…

  1. Aufwandsentschädigungen, Auslösungsgelder und sonstige soziale Zulagen für auswärtige Beschäftigungen, das Entgelt für selbstgestelltes Arbeitsmaterial, Gefahrenzulagen sowie Schmutz- und Erschwerniszulagen, soweit diese Bezüge den Rahmen des Üblichen nicht übersteigen;

…

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VonRA Moegelin

Änderungsangebot der Änderungskündigung des Arbeitgebers

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Eine betriebsbedingte Änderungskündigung gemäß § 2 KSchG durch den Arbeitgeber ist nur dann sozial gerechtfertigt, wenn die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 KSchG vorliegen. Dabei ist vom Arbeitsgericht die soziale Rechtfertigung einer Änderung der bestehenden Vertragsbedingungen zu überprüfen. Das Änderungsangebot des Arbeitgebers ist daran zu messen, ob es durch dringende betriebliche Erfordernisse gemäß § 1 Abs. 2 KSchG bedingt ist und sich darauf beschränkt, solche Änderungen vorzusehen, die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen muss. Dieser Maßstab gilt unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer das Änderungsangebot abgelehnt oder unter Vorbehalt angenommen hat.

Verhältnismäßigkeit der geplanten Änderung

Ob der Arbeitnehmer eine ihm vorgeschlagene Änderung billigerweise akzeptieren muss, ist nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu prüfen. Die Änderungen müssen geeignet und erforderlich sein, um den Inhalt des Arbeitsvertrags den geänderten Beschäftigungsmöglichkeiten anzupassen. Diese Voraussetzungen müssen für alle vorgesehenen Änderungen vorliegen. Ausgangspunkt ist die bisherige vertragliche Regelung. Die angebotenen Änderungen dürfen sich von deren Inhalt nicht weiter entfernen, als zur Erreichung des angestrebten Ziels erforderlich ist.

Inhalt des Änderungsangebots

Das mit der Kündigung unterbreitete Änderungsangebot muss konkret gefasst, dh. eindeutig bestimmt, zumindest bestimmbar sein. Für den Arbeitnehmer muss ohne Weiteres klar sein, welche Vertragsbedingungen zukünftig gelten sollen. Nur so kann er eine abgewogene Entscheidung über die Annahme oder Ablehnung des Angebots treffen. Der Arbeitnehmer muss von Gesetzes wegen innerhalb einer recht kurzen Frist auf das Vertragsangebot des Arbeitgebers reagieren und sich entscheiden, ob er es ablehnt, ob er es mit oder ob er es ohne Vorbehalt annimmt. Schon im Interesse der Rechtssicherheit muss deshalb das Änderungsangebot zweifelsfrei klarstellen, zu welchen Vertragsbedingungen das Arbeitsverhältnis künftig fortbestehen soll. Unklarheiten gehen zu Lasten des Arbeitgebers. Sie führen zur Unwirksamkeit der Änderung der Arbeitsbedingungen.

Dringendes betriebliches Änderungserfordernis

Ein dringendes betriebliches Änderungserfordernis gemäß § 1 Abs. 2 KSchG kann sich aus der wirtschaftlichen Lage des Arbeitgebers ergeben. Der Eingriff in das arbeitsvertraglich vereinbarte Verhältnis von Leistung und Gegenleistung ist allenfalls gerechtfertigt, wenn bei dessen Beibehaltung betrieblich nicht mehr auffangbare Verluste entstünden, die absehbar zu einer Reduzierung der Belegschaft oder sogar zu einer Schließung des Betriebs führen müssten. Regelmäßig bedarf es zur Rechtfertigung eines solchen Eingriffs eines umfassenden Sanierungsplans, der alle im Vergleich mit der beabsichtigten Änderungskündigung milderen Mittel ebenfalls ausschöpft. Vom Arbeitgeber ist in diesem Zusammenhang zu verlangen, dass er die Finanzlage des Betriebs, den Anteil der Personalkosten und die Auswirkung der erstrebten Kostensenkungen für den Betrieb und für die Arbeitnehmer darstellt und darlegt, warum andere Maßnahmen nicht ausreichen oder nicht in Betracht kommen.

(vgl. Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20.06.2013 – BAG 2 AZR 396/12)

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