Schlagwort-Archiv Entgeltfortzahlung

VonRA Moegelin

Mindestlohn am Feiertag und Nachtarbeitszuschlag

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Die Höhe der Entgeltfortzahlung an Feiertagen bestimmt sich – soweit kein höherer tariflicher oder vertraglicher Vergütungsanspruch besteht – nach § 2 EFZG* iVm. § 1 MiLoG**. Sieht ein Tarifvertrag einen Nachtarbeitszuschlag vor, der auf den tatsächlichen Stundenverdienst zu zahlen ist, ist auch dieser mindestens aus dem gesetzlichen Mindestlohn zu berechnen.

Die Klägerin ist langjährig bei der Beklagten als Montagekraft beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft Nachwirkung der Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer der Sächsischen Metall- und Elektroindustrie idF vom 24. Februar 2004 (MTV) Anwendung. Dieser sieht ua. einen Nachtarbeitszuschlag iHv. 25 % des tatsächlichen Stundenverdienstes und ein „Urlaubsentgelt“ iHd. 1,5fachen durchschnittlichen Arbeitsverdienstes vor. Für den Monat Januar 2015 zahlte die Beklagte neben dem vertraglichen Stundenverdienst von 7,00 Euro bzw. 7,15 Euro eine „Zulage nach MiLoG“. Die Vergütung für einen Feiertag und einen Urlaubstag berechnete sie ebenso wie den Nachtarbeitszuschlag für fünf Stunden nicht auf Grundlage des gesetzlichen Mindestlohns, sondern nach der niedrigeren vertraglichen Stundenvergütung. Darüber hinaus rechnete sie ein gezahltes „Urlaubsgeld“ auf Mindestlohnansprüche der Klägerin an.

Die Klägerin verlangt mit ihrer Klage eine Vergütung aller im Januar 2015 abgerechneten Arbeits-, Urlaubs- und Feiertagsstunden mit 8,50 Euro brutto und meint, auch der Nachtarbeitszuschlag sei auf Grundlage des gesetzlichen Mindestlohns zu berechnen. Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben der Klage stattgegeben.

Die Revision der Beklagten blieb vor dem Zehnten Senat – abgesehen von einer geringen rechnerischen Differenz – ohne Erfolg. Zwar gewährt das MiLoG nur Ansprüche für tatsächlich geleistete Arbeitsstunden. Nach § 2 Abs. 1 EFZG hat der Arbeitgeber aber für Arbeitszeit, die aufgrund eines gesetzlichen Feiertags ausfällt, dem Arbeitnehmer das Arbeitsentgelt zu zahlen, das er ohne den Arbeitsausfall erhalten hätte (Entgeltausfallprinzip). Dies gilt auch dann, wenn sich die Höhe des Arbeitsentgelts nach dem MiLoG bestimmt; dieses enthält keine hiervon abweichenden Be-stimmungen. Ein Rückgriff des Arbeitgebers auf eine vertraglich vereinbarte niedrigere Vergütung scheidet aus. Der tarifliche Nachtarbeitszuschlag und das tarifliche Urlaubsentgelt müssen nach den Bestimmungen des MTV ebenfalls (mindestens) auf Grundlage des gesetzlichen Mindestlohns von (damals) 8,50 Euro berechnet werden, da dieser Teil des „tatsächlichen Stundenverdienstes“ im Sinne des MTV ist. Eine Anrechnung des gezahlten „Urlaubsgeldes“ auf Ansprüche nach dem MiLoG kann nicht erfolgen, da der MTV hierauf einen eigenständigen Anspruch gibt und es sich nicht um Entgelt für geleistete Arbeit handelt.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20. September 2017 – 10 AZR 171/16 -; Pressemitteilung Nr. 40/17

Vorinstanz: Sächsisches Landesarbeitsgericht

Urteil vom 27. Januar 2016
2 Sa 375/15

*§ 2 Abs. 1 EFZG lautet:

„Entgeltfortzahlung an Feiertagen

(1) Für Arbeitszeit, die infolge eines gesetzlichen Feiertags ausfällt, hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer das Arbeitsentgelt zu zahlen, das er ohne den Arbeitsausfall erhalten hätte.“

**§ 1 MiLoG (in der hier maßgeblichen Fassung) lautete auszugsweise:

„Mindestlohn

(1) Jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer hat Anspruch auf Zahlung eines Arbeitsentgelts mindestens in Höhe des Mindestlohns durch den Arbeitgeber.

(2) Die Höhe des Mindestlohns beträgt ab dem 1. Januar 2015 brutto 8,50 Euro je Zeitstunde. …“

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VonRA Moegelin

Ausschlussfristen in der Pflegebranche

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paragrafEine vom Arbeitgeber als Allgemeine Geschäftsbedingung gestellte arbeitsvertragliche Ausschlussfristenregelung, die auch den Anspruch auf das Mindestentgelt nach § 2 der am 1. August 2010 in Kraft getretenen Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für die Pflegebranche (PflegeArbbV) erfasst, verstößt im Anwendungsbereich dieser Verordnung gegen § 9 Satz 3 in Verbindung mit § 13 AentG (Gesetz über zwingende Arbeitsbedingungen für grenzüberschreitend entsandte und für regelmäßig im Inland beschäftigte Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen).

Dieser Entscheidung des Bundesarbeitsgericht lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Klägerin war vom 15. Juli bis zum 15. Dezember 2013 beim Beklagten, der damals einen ambulante Pflegedienst betrieb, als Pflegehilfskraft beschäftigt. Der Arbeitsvertrag enthielt als Allgemeine Geschäftsbedingung eine Verfallklausel, nach der alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach der Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben werden. Bei Ablehnung oder Nichtäußerung der Gegenpartei binnen zwei Wochen nach der Geltendmachung sollte Verfall eintreten, wenn der Anspruch nicht innerhalb von drei Monaten nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird.

Die Klägerin war vom 19. November bis zum 15. Dezember 2013 arbeitsunfähig krankgeschrieben. Der Beklagte hatte trotz ärztlicher Bescheinigung Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit und leistete keine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. In dem von der Klägerin am 2. Juni 2014 anhängig gemachten Verfahren hat sich der Beklagte darauf berufen, der Anspruch sei jedenfalls wegen nicht rechtzeitiger Geltendmachung verfallen. Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen.

Die Revision des Beklagten ist im Wesentlichen erfolglos geblieben. Die Klägerin hat für den durch die Arbeitsunfähigkeit bedingten Arbeitsausfall nach § 3 Abs. 1 EFZG Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Diesen musste sie nicht innerhalb der arbeitsvertraglich vorgesehenen Fristen geltend machen. Die nach Inkrafttreten der PflegeArbbV vom Beklagten gestellte Klausel verstößt gegen § 9 Satz 3 AEntG und ist deshalb unwirksam, so dass der Anspruch auf das Mindestentgelt nach § 2 PflegeArbbV nicht wegen Versäumung der vertraglichen Ausschlussfrist erlischt. Für andere Ansprüche kann die Klausel nicht aufrechterhalten werden, weil dem das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB entgegensteht.

(Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24. August 2016 – BAG 5 AZR 703/15; vgl. Pressemitteilung Nr. 44/16)

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VonRA Moegelin

Entgeltfortzahlung für Aufenthalt im Wellnesscenter

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beach-sceneEine ambulante Kur die der Vorsorge dient, begründet nach Ansicht des BAG keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung für den Arbeitnehmer, wenn sie den Charakter von Urlaub hat. Zwar haben gesetzlich Versicherte während einer ambulanten Vorsorgekur gegen ihren Arbeitgeber ausschließlich dann Anspruch auf Entgeltfortzahlung, wenn die vom Sozialleistungsträger (zB Krankenkasse) bewilligte Maßnahme in einer Einrichtung der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation iSd. § 107 Abs. 2 SGB V durchgeführt wird. Erforderlich ist zudem, dass die Maßnahme keinen urlaubsmäßigen Zuschnitt hat. Genau das trifft jedoch auf den hier entschiedenen Fall der Klägerin zu, die seit 2002 beim beklagten Land als Köchin beschäftigt ist. Vom 4. bis zum 24. Oktober 2013 unterzog sie sich einer von der AOK Niedersachsen bezuschussten ambulanten Kur auf der Insel Langeoog. Im dortigen Kur- und Wellnesscenter erhielt sie nach ihrem Vorbingen insgesamt 30 Anwendungen, nämlich je sechs Meerwasserwarmbäder, Bewegungsbäder, Massagen, Schlickpackungen und Lymphdrainagen. Außerdem sollte sie täglich in der Brandungszone inhalieren. Das beklagte Land weigerte sich im Vorfeld, die Klägerin für die Dauer der Kur unter Fortzahlung ihrer Vergütung freizustellen. Daraufhin beantragte die Klägerin Urlaub, der ihr bewilligt wurde. Mit ihrer Klage hat sie geltend gemacht, der genommene Urlaub dürfe nicht auf den Urlaubsanspruch angerechnet werden. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.

Die Revision der Klägerin ist erfolglos geblieben. Besteht – wie im Streitfall – keine Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit, dürfen Maßnahmen der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation nach § 10 Bundesurlaubsgesetz nicht auf den Urlaub angerechnet werden, wenn ein Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts nach den gesetzlichen Vorschriften über die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall besteht. Ein solcher Anspruch setzt bei gesetzlich Versicherten nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EFZG voraus, dass die vom Träger der Sozialversicherung oder einem sonstigen Sozialleistungsträger bewilligte ambulante Vorsorgekur in einer Einrichtung der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation durchgeführt wird. Das sind nur Einrichtungen, die den Anforderungen des § 107 Abs. 2 SGB V genügen.

(Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25. Mai 2016 – BAG 5 AZR 298/15; Pressemitteilung Nr. 25/16)

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VonRA Moegelin

Entgeltfortzahlung bei Alkoholabhängigkeit des Arbeitnehmers

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Caution-alcoholismBei Arbeitsunfähigkeit erhält der Arbeitnehmer Entgeltfortzahlung, wenn ihn kein Verschulden hierfür trifft. Das folgt aus § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG. Das BAG hatte zu entscheiden, inwieweit eine Alkoholabhängigkeit zur schuldhaft verursachten Arbeitsunfähigkeit führt.

Zugrunde lag der Fall eines alkoholabhängigen Arbeitnehmers, der war seit dem Jahr 2007 bis zum 30. Dezember 2011 in einem Arbeitsverhältnis war.  Sein Arbeitgeber wurde von seiner  gesetzlichen Krankenkasse auf Entgeltfortzahlung verklagt und zwar aus übergegangenem Recht (§ 115 SGB X) wegen Krankengelds von 1.303,36 € für die Zeit vom 29. November bis zum 30. Dezember 2011. Diesen Betrag leistete die Krankenkasse an den alkoholabhängigen Arbeitnehmer. Ursache hierfür war, dass betreffender Arbeitnehmer am 23. November 2011 mit einer Alkoholvergiftung (4,9 Promille) in ein Krankenhaus eingeliefert und in der Folge für über zehn Monate arbeitsunfähig erkrankt war. Zuvor hatte er zwei stationäre Entzugstherapien durchgeführt. Es kam jedoch immer wieder zu Rückfällen.

Die Krankenkasse hat in allen Instanzen gewonnen. Auch das BAG folgte der Argumentation der Krankenkasse, wonach es an einem Verschulden des Arbeitnehmers für seinen Alkoholkonsum am 23. November 2011 fehle.

Das BAG hat klargestellt, dass es sich bei einer Alkoholabhängigkeit es sich um eine Krankheit handelt. Wird ein Arbeitnehmer infolge seiner Alkoholabhängigkeit arbeitsunfähig krank, kann nach dem derzeitigen Stand der medizinischen Erkenntnisse nicht von einem Verschulden im Sinne des Entgeltfortzahlungsrechts ausgegangen werden. Die Entstehung der Alkoholsucht ist vielmehr multikausal, wobei sich die unterschiedlichen Ursachen wechselseitig bedingen. Dies gilt im Grundsatz auch bei einem Rückfall nach einer durchgeführten Therapie. Im Hinblick auf eine Abstinenzrate von 40 bis 50 % je nach Studie und Art der Behandlung kann nach einer durchgeführten Rehabilitationsmaßnahme jedoch ein Verschulden des Arbeitnehmers an einem Rückfall nicht generell ausgeschlossen werden. Der Arbeitgeber kann deshalb in diesem Fall das fehlende Verschulden bestreiten. Das Arbeitsgericht hat dann ein medizinisches Sachverständigengutachten zu der Frage einzuholen, ob der Arbeitnehmer den Rückfall schuldhaft iSd. § 3 Abs. 1 EFZG herbeigeführt hat. Lässt sich dies nicht eindeutig feststellen, weil ein Ursachenbündel hierfür vorliegt, geht dies zulasten des Arbeitgebers. Das im konkreten Fall eingeholte sozialmedizinische Gutachten hat ein Verschulden des Arbeitnehmers unter Hinweis auf die langjährige und chronische Alkoholabhängigkeit und den daraus folgenden „Suchtdruck“ ausgeschlossen.

Volltext des Urteils des Bundesarbeitsgerichts vom 18. März 2015: BAG 10 AZR 99/14

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Arbeitgeber kann Dienstwagen bei langer Arbeitsunfähigkeit einkassieren

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Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass ein zur privaten Nutzung überlassener Dienstwagen über den Entgeltfortzahlungszeitraum hinaus nicht geschuldet ist (BAG 9 AZR 631/09).

In dem vom Bundesarbeitsgericht zu entscheidenden Fall ist der Kläger ist bei der Beklagten als Bauleiter beschäftigt. Die Beklagte stellt ihm arbeitsvertraglich für seine Tätigkeit einen Pkw „auch zur privaten Nutzung“ zur Verfügung. In der Zeit vom 3. März 2008 bis einschließlich 14. Dezember 2008 war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt. Sein Entgeltfortzahlungsanspruch endete zum 13. April 2008. Auf Verlangen der Beklagten gab er den Pkw am 13. November 2008 zurück. Die Beklagte überließ dem Kläger erst nach Wiederaufnahme der Arbeit am 18. Dezember 2008 wieder einen Dienstwagen auch zur privaten Nutzung. Der Kläger verlangt Nutzungsausfallentschädigung für die Zeit vom 13. November bis 15. Dezember 2008.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Auch die Revision des Klägers war vor dem Neunten Senat des Bundesarbeitsgerichts blieb ohne Erfolg.

Räumt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer das Recht ein, den überlassenen Dienstwagen privat zu nutzen, stellt dies einen geldwerten Vorteil und Sachbezug dar. Der Arbeitnehmer kann nach § 275 Abs. 1 iVm. § 280 Abs. 1 Satz 1, § 283 Satz 1 BGB Nutzungsausfallentschädigung in Höhe der steuerlichen Bewertung der privaten Nutzungsmöglichkeit verlangen, wenn ihm der Arbeitgeber das Fahrzeug vertragswidrig entzieht (BAG, Urteil vom 14. Dezember 2010 – 9 AZR 631/09).

Das BAG begründet seine Entscheidung damit, dass die Gebrauchsüberlassung eines Pkw zur privaten Nutzung ist zusätzliche Gegenleistung für die geschuldete Arbeitsleistung. Sie ist steuer- und abgabenpflichtiger Teil des geschuldeten Arbeitsentgelts und damit Teil der Arbeitsvergütung. Damit ist sie regelmäßig nur so lange geschuldet, wie der Arbeitgeber überhaupt Arbeitsentgelt schuldet. Das ist für Zeiten der Arbeitsunfähigkeit, für die keine Entgeltfortzahlungspflicht mehr nach § 3 Abs. 1 EFZG besteht, nicht der Fall.

Daraus folgt, dass während des Urlaubs und bei Krankheit -so lange die Entgeltfortzahlung gilt- der Dienstwagen vom Arbeitnehmer privat genutzt werden kann.

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