Monatsarchiv 29. Januar 2015

VonRA Moegelin

Urlaubsansprüche ohne Arbeitsleistung und deren Verfall

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beach-sceneDas BAG hatte über die Klage wegen Urlaubsansprüchen einer schwerbehinderten Angestellten in einer Rehabilitationsklinik zu entscheiden. Im Jahr 2004 erkrankte die Klägerin arbeitsunfähig. Ab dem 20. Dezember 2004 bezog sie eine befristete Rente wegen Erwerbsminderung. Mit ihrer der Beklagten am 8. April 2009 zugestellten Klage hat die Klägerin die Abgeltung von 149 Urlaubstagen und zwar des gesetzlichen Erholungsurlaubs und des Schwerbehindertenzusatzurlaubs aus den Jahren 2005 bis 2009 verlangt.

Die Beklagte meint, während des Bezugs der Erwerbsminderungsrente auf Zeit habe das Arbeitsverhältnis geruht. Währenddessen seien Urlaubsansprüche nicht entstanden, so dass kein Urlaubsabgeltungsanspruch bestehe. Jedenfalls habe die Klägerin nicht über mehrere Jahre hinweg Urlaubsansprüche ansammeln können. Dem stünden auch die allgemeinen Verjährungsregeln und die tariflichen Ausschlussfristen entgegen.

Die Revision des beklagten Arbeitgebers war teilweise erfolgreich.

Ein Anspruch der Klägerin auf Abgeltung des Erholungsurlaubs aus den Jahren 2005 bis 2007 folge entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts nicht aus § 7 Abs. 4 BUrlG. Urlaubsansprüche der Klägerin aus diesen Jahren haben bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31. März 2009 nicht mehr bestanden. Entgegen der Ansicht der Beklagten habe der Bezug der befristeten Rente wegen Erwerbsminderung allerdings nicht das Entstehen von Urlaubsansprüchen der Klägerin in diesen Jahren gehindert.

Der gesetzliche Erholungsurlaub und der schwerbehinderten Menschen zustehende Zusatzurlaub setzen keine Arbeitsleistung des Arbeitnehmers im Urlaubsjahr voraus. Gesetzliche Urlaubsansprüche entstehen auch dann, wenn der Arbeitnehmer eine befristete Rente wegen Erwerbsminderung bezieht und eine tarifliche Regelung das Ruhen des Arbeitsverhältnisses an den Bezug dieser Rente knüpft (BAG, Urteil vom 7. August 2012 – 9 AZR 353/10).

Die in den Jahren 2005 bis 2007 entstandenen Urlaubsansprüche der Klägerin sind jedoch nach Ansicht des BAG 15 Monate nach Ablauf des jeweiligen Kalenderjahres und damit am 31. März des zweiten auf das jeweilige Urlaubsjahr folgenden Jahres gemäß § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG verfallen, so dass diese Urlaubsansprüche bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31. März 2009 nicht gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG abzugelten waren.

§ 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG (Verfall der Urlaubsansprüche nach 3 Monaten des Folgejahres) ist unionsrechtskonform so auszulegen, dass gesetzliche Urlaubsansprüche vor Ablauf eines Zeitraums von 15 Monaten nach dem Ende des Urlaubsjahres nicht erlöschen, wenn der Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen an seiner Arbeitsleistung gehindert war. Sie gehen jedoch mit Ablauf des 31. März des zweiten Folgejahres unter. Dies gilt auch -wie hier- bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit.

Für die Leistung der Urlaubsabgeltung ist, anders als beim regelmäßigen Arbeitslohn, gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB keine Zeit nach dem Kalender bestimmt, so dass der Arbeitgeber grundsätzlich noch nicht mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, sondern erst durch Mahnung in Verzug kommt.

Bei Anwendung dieser Grundsätze ist der im Jahr 2005 –2007 entstandene Urlaub verfallen. Die am 8. April 2009 zugestellte Klage konnte die Frist nicht wahren. Eine Mahnung erfolgte zuvor nicht. Der Urlaub aus diesen Jahren ist wegen seines Verfalls nach § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG nicht gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG abzugelten.

Der im Jahr 2008 und 2009 erworbene gesetzliche Urlaubsanspruch von insgesamt 25 Urlaubstagen verfiel nicht mit Ablauf des 31. März 2009. Dies folgt schon aus § 26 Abs. 2 Buchst. a Satz 2 TVöD, wonach der Urlaub, der wegen Arbeitsunfähigkeit nicht bis zum 31. März angetreten werden kann, bis zum 31. Mai anzutreten ist. Diese zugunsten der Beschäftigten von § 7 Abs. 3 BUrlG abweichende Regelung.

Volltext des Urteils des Bundesarbeitsgerichts: BAG, Urteil vom 7. August 2012 –  9 AZR 353/10

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VonRA Moegelin

Mindestalter bei Auskunftsanspruch über Identität des anonymen Samenspenders

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www-Sticker-Tk-happy-spermatozoideDer BGH hat entschieden, dass ein Kind unabhängig von seinem Alter Auskunft über Identität des anonymen Samenspenders erhalten darf. Nun könnte Spendern nach Preisgabe ihrer Identität theoretisch sogar Unterhalts- oder Erbschaftsklagen drohen.

Die im Dezember 1997 und im Februar 2002 geborenen Klägerinnen verlangen von der beklagten Reproduktionsklinik Auskunft über die Identität ihres biologischen Vaters durch Bekanntgabe des Samenspenders. Sie wurden jeweils durch eine künstliche heterologe Insemination gezeugt, die in der Klinik an der Mutter der Klägerinnen vorgenommen wurde. Zugrunde lagen diesen Behandlungen Verträge mit der Mutter und dem mit dieser verheirateten (rechtlichen) Vater der Klägerinnen. Die Eheleute hatten in einer notariellen Erklärung gegenüber der Klinik auf Auskunft über die Identität der Samenspender verzichtet.

Das Amtsgericht hat der Auskunftsklage der von ihren Eltern mbevertretenen Klägerinnen stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht im Nover 2013 die Klage abgewiesen. Den Klägerinnen stehe der geltend gemachte Auskunftsanspruch jedenfalls derzeit nicht zu. Mit dem Verlangen nach Auskunft über die Identität der Samenspender verfolgten sie ein eigenes Recht auf Kenntnis ihrer Abstammung, das sie jedoch erst mit Vollendung des 16. Lebensjahres geltend machen könnten. Mit ihrer vom Landgericht zugelassenen Revision verfolgen die Klägerinnen ihr Auskunftsbegehren weiter.

Die Revision hatte Erfolg. Sie führte zur Aufhebung der Berufungsentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.

Ein Kind, das durch eine künstliche heterologe Insemination gezeugt wurde, kann grundsätzlich von der Reproduktionsklinik Auskunft über die Identität des anonymen Samenspenders verlangen. Ein bestimmtes Mindestalter des Kindes ist dafür nicht erforderlich. Machen die Eltern den Anspruch als gesetzliche Vertreter ihres Kindes geltend, setzt dies voraus, dass die Auskunft zum Zweck der Information des Kindes verlangt wird. Außerdem muss die Abwägung aller rechtlichen Belange – auch derjenigen des Samenspenders – ein Ãœberwiegen der Interessen des Kindes an der Auskunft ergeben (Bundesgerichtshof, Urteil vom 28. Januar 2015 – XII ZR 201/13)

Seine Entscheidung begründet der BGH wie folgt:

Ein Auskunftsanspruch der durch künstliche Befruchtung gezeugten Kinder kann sich nach den Grundsätzen von Treu und Glauben aus § 242 BGB ergeben. Sie sind in derartigen Konstellationen in den Schutzbereich des Behandlungsvertrags zwischen der Klinik und den Eltern einbezogen. Hinzukommen muss ein Bedürfnis des Kindes für die begehrte Information, es muss also zu erwarten sein, dass die Information von dem Kind benötigt wird. Das ist immer dann der Fall, wenn die Eltern die Auskunft zum Zweck der Information des Kindes verlangen. Weder der Auskunftsanspruch noch seine Geltendmachung setzen ein bestimmtes Mindestalter des Kindes voraus.

Die Auskunftserteilung muss für den Auskunftspflichtigen zumutbar sein. Ob dies der Fall ist, ist durch eine auf den konkreten Einzelfall bezogene, umfassende Abwägung der durch die Auskunftserteilung berührten rechtlichen, insbesondere grundrechtlichen, Belange zu klären. Dabei ist einerseits zu berücksichtigen, dass der Auskunftsanspruch des Kindes Ausfluss seines verfassungsrechtlich geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist und dazu dient, eine Information zu erlangen, die für die Entfaltung der Persönlichkeit von elementarer Bedeutung sein kann. Dieser Rechtsposition wird regelmäßig ein erhebliches Gewicht im Rahmen der Abwägung zukommen. Dem stehen andererseits die (grund-)rechtlich geschützten Interessen des Auskunftsverpflichteten gegenüber. Die Berufsausübungsfreiheit des Reproduktionsmediziners hat in diesem Zusammenhang keine maßgebliche Bedeutung. Zu berücksichtigen ist aber die ärztliche Schweigepflicht, soweit sie dem Schutz Dritter (Samenspender und Kindeseltern) dienen soll.

Soweit dem Samenspender – den ärztlichen Richtlinien entsprechend – vom Arzt keine Anonymität zugesichert worden ist, hat er sich des Schutzes seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung selbst begeben. Andernfalls steht diesem Recht das Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung gegenüber, dem regelmäßig ein höheres Gewicht zukommen wird. Zu berücksichtigen sind zudem mögliche Auswirkungen der Auskunft auf die private Lebensgestaltung des Samenspenders. Nicht maßgeblich sind hingegen seine wirtschaftlichen Interessen. Schließlich können auch die Interessen der Eltern dem Auskunftsbegehren des Kindes entgegenstehen, wenn sie mit der Auskunftserteilung nicht einverstanden sind. Tatsächlich wird sich insoweit aber kaum ein schützenswerter rechtlicher Belang ergeben. Denn die entsprechende Klage gegen den behandelnden Arzt kann das Kind nur dann erheben, wenn es zuvor bereits Kenntnis vom Auseinanderfallen von rechtlicher und biologischer Vaterschaft und von der Zeugung mittels Samenspende hat.

Berücksichtigungsfähige rechtliche Belange hat die Klinik im vorliegenden Fall bislang nicht geltend gemacht. Dem verfassungsrechtlich geschützten Recht der Klägerinnen auf Kenntnis von ihrer Abstammung steht damit derzeit keine Rechtsposition gegenüber, die den Auskunftsanspruch zu Fall bringen könnte. Der von den Eltern erklärte Verzicht auf die Auskunft wirkt nicht zu Lasten des Kindes.

Das Landgericht wird daher nun Feststellungen dazu zu treffen haben, ob die Eltern die Auskunft zum Zweck der Information der Kinder begehren. Im Rahmen der Zumutbarkeit der Auskunftserteilung wird es dann die erforderliche Abwägung der zu berücksichtigenden rechtlichen Interessen vorzunehmen haben.

Volltext des Urteils des Bundesgerichtshofs: BGH, Urteil vom 29. Januar 2015 – XII ZR 201/13

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VonRA Moegelin

Bestehen einer organisatorischen Einheit beim Betriebsteilübergang

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eco-green-machine-iconGeht nach § 613 a BGB ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber über, so tritt dieser in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. Im einschlägigen Fall kam es darauf an, ob die vom Erwerber übernommene Einheit bereits beim Betriebsveräußerer die Qualität eines Betriebsteils haben muss.

Der Leiter einer Abteilung und spätere Kläger war bei der auf dem Gebiet „industrielle Automatisierung“ und „Mess- und Regeltechnik“ tätigen ET-GmbH beschäftigt, deren Arbeitsschwerpunkt die Mess- und Regeltechnik war. Diese Abteilung gliederte sich in drei Gruppen, von denen eine ebenfalls vom Kläger geleitet wurde. Ende 2005 schloss die ET-GmbH mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten und deren Muttergesellschaft einen Vertrag, demzufolge die Rechtsvorgängerin der Beklagten von der ET-GmbH eine Reihe der von der Abteilung des Klägers entwickelten Produktlinien übernahm. Aufgrund dieses Vertrages erwarb die Rechtsvorgängerin der Beklagten auch die Rechte an der Software, den Patenten, den Patentanmeldungen und den die fraglichen Produkte betreffenden Erfindungen sowie an den Produktnamen und dem technischen Know-how. Weiter erwarb sie die Entwicklungssoftware, das Produktmaterial – Inventar sowie eine Kunden- und eine Lieferantenliste bezüglich der übernommenen Produktlinien. Von den in der vom Kläger geleiteten Abteilung beschäftigten 13 Mitarbeitern wechselten der stellvertretende Abteilungsleiter und drei Ingenieure zur Rechtsvorgängerin der Beklagten. Die restlichen neun in der Abteilung beschäftigten Arbeitnehmer (einschließlich des Klägers) wurden nicht übernommen. Eine Ãœbernahme des Klägers wurde abgelehnt.

Der Kläger hat die Feststellung begehrt, dass zwischen ihm und der Beklagten ein Arbeitsverhältnis besteht und von ihr seine Weiterbeschäftigung zu den Bedingungen des mit der ET-GmbH geschlossenen Arbeitsvertrags verlangt. Das Landesarbeitsgericht hat dem EuGH die Frage vorgelegt, ob ein Ãœbergang eines Unternehmens – oder Betriebsteils auf einen anderen Inhaber iSv. Art 1 der Richtlinie 2001/23/EG vom 12. März 2001 nur vorliegt, wenn der Unternehmens- bzw. Betriebsteil bei dem neuen Inhaber als organisatorisch selbständiger Unternehmens- bzw. Betriebsteil fortgeführt wird. Mit Urteil vom 12. Februar 2009 (EuGH, C-466/07 Klarenberg) hat der EuGH entschieden, dass Art. 1 der Richtlinie auch dann angewandt werden kann, wenn der übertragene Unternehmens- oder Betriebsteil seine organisatorische Selbständigkeit nicht bewahrt, sofern die funktionelle Verknüpfung zwischen den übertragenen Produktionsfaktoren beibehalten wird und sie es dem Erwerber erlaubt, diese Faktoren zu nutzen, um derselben oder einer gleichartigen wirtschaftlichen Tätigkeit nachzugehen.

Das Landesarbeitsgericht hat daraufhin einen Betriebsteilübergang bejaht und der Feststellungsklage stattgegeben. Die dagegen gerichtete Revision der Beklagten war vor dem Achten Senat des Bundesarbeitsgerichts erfolgreich.

Ein Betriebsteilübergang iSd. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB setzt voraus, dass die vom Erwerber übernommene Einheit bereits beim Betriebsveräußerer die Qualität eines Betriebsteils gehabt hat. Das heißt, es muss eine auf Dauer angelegte wirtschaftliche Einheit vorgelegen haben. Dies ist der Fall, wenn es sich um eine organisatorische Gesamtheit von Personen und/oder Betriebsmitteln zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigenem Zweck gehandelt hat, die hinreichend strukturiert und selbständig war. In diesem Zusammenhang ist zu prüfen, ob die vom Veräußerer übertragenen Betriebsmittel bei ihm eine einsatzbereite Gesamtheit dargestellt haben, welche als solche dazu ausgereicht hat, die für die wirtschaftliche Tätigkeit des Unternehmens charakteristischen (Dienst-)Leistungen ohne Inanspruchnahme anderer wichtiger Betriebsmittel oder anderer Unternehmensteile erbringen zu können (BAG, Urteil vom 13. Oktober 2011 – 8 AZR 455/10).

Weiter führt das BAG aus, dass Voraussetzung für einen Betriebsteilübergang das Bestehen einer organisatorisch abgrenzbaren wirtschaftlichen Einheit beim Veräußerer ist, die vom Erwerber übernommen wird. An dieser Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und des EuGH hat sich nichts dadurch geändert, dass der EuGH in seiner Entscheidung vom 12. Februar 2009 an die Wahrung der organisatorischen Selbständigkeit eines übernommenen Betriebsteils beim Erwerber geringere Anforderungen stellt als die bisherige Rechtsprechung. Das BAG hat weiter festgestellt, dass die von der Rechtsvorgängerin der Beklagten erworbenen Betriebsmittel einschließlich der übernommenen vier Mitarbeiter bei der ET-GmbH keinen Betriebsteil dargestellt hatten, so dass es auf die Frage, ob die Rechtsvorgängerin der Beklagten die organisatorische Selbständigkeit desselben bewahrt hatte, nicht ankam.

Volltext des Urteils des Bundesarbeitsgerichts BAG, Urteil vom 13. Oktober 2011 – 8 AZR 455/10

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VonRA Moegelin

Trunkenheit im Schiffsverkehr gemäß der deutschen Gerichtsbarkeit für Binnenschifffahrt

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cyberscooty-navireDem Kapitän der Costa Concardia, Francesco Schettino, drohen 26 Jahre Haft wegen des Todes von 32 Menschen. Über einen weniger schwerwiegenden Fall von Verfehlungen eines Kapitäns hatte das Schiffahrtsobergericht Brandenburg zu entscheiden.

Der angeklagte Kapitän fuhr mit seinem Sportmotorboot auf einem Gewässer aus dem Berliner Stadtgebiet kommend in Richtung Brandenburg.

Wegen des vorherigen Konsums alkoholischer Getränke war er nicht in der Lage, das Boot sicher zu führen. Er fühlte sich noch fahrtüchtig, hätte aber bei Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt erkennen müssen, dass dies nicht der Fall war. Der Angeklagte wurde mit seinem Boot von der Wasserschutzpolizei gesichtet und sodann kontrolliert. Eine bei ihm entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 1,26 mg/g. Er war damit absolut fahruntüchtig im Sinne von § 316 Abs. 1 StGB.

Der Angeklagte wurde erstinstanzlich wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 20 Euro verurteilt. Seine hiergegen gerichtete Berufung wurde verworfen.

Der für den Straßenverkehr mit Kraftfahrzeugen entwickelte Grenzwert für die absolute Fahruntüchtigkeit von 1,1 Promille ist auch für die motorisierte Schifffahrt anzuwenden (Schiffahrtsobergericht Brandenburg, Urteil vom 11.06.2008 -1 Ss 33/08).

Hierzu führt das Gericht wie folgt aus:

Aufgrund verkehrsmedizinischer Untersuchungen zur alkoholbedingten Fahrtuntüchtigkeit hat sich die Auffassung durchgesetzt, dass die Anforderungen, die an die Navigations- und Reaktionsfähigkeit eines Schiffsführers gestellt werden müssen, nicht anders zu beurteilen sind als beim Kraftfahrzeugverkehr. Auch wenn im Schiffsverkehr in der Regel deutlich niedrigere Geschwindigkeiten vorherrschen werden, werden vom Schiffsführer eine hohe individuelle Reaktionsfähigkeit und ein hohes Maß an planender Vorausschau und Konzentrationsfähigkeit verlangt: Er muss wegen der langsameren Reaktion des Schiffes auf eingeleitete Manöver erheblich weiter voraus denken, unterschiedliche Strömungsverhältnisse beachten und darüber hinaus umfangreiches Regelwissen verarbeiten.

Die anlässlich der Untersuchung in einem Schiffsimulator durchgeführten Versuche zeigten, dass die betrunkenen Kapitäne insbesondere Ausweichmanöver zu spät oder nicht entschieden genug einleiteten, Überholvorgänge zu riskant waren sowie Passierabstände zu anderen Booten oder Schiffen erheblich zu gering ausfielen und kleinere Fahrzeuge nicht rechtzeitig erkannt wurden. Auch wenn sich diese Studie auf die Seeschifffahrt bezog und die Anforderungen an den Führer eines Seeschiffes teilweise andere als im Bereich der Binnenschifffahrt sind, haben wegen der vergleichbaren Gegebenheiten und zur Vermeidung einer Rechtszersplitterung hinsichtlich der absoluten Fahruntüchtigkeit für die motorisierte Schifffahrt insoweit gleich hohe Grenzwerte zu gelten Entgegen der von der Verteidigung vertretenen Auffassung ist hierbei eine Differenzierung nach der Art des gefahrenen Motorschiffes ebenso wenig veranlasst wie bei Kraftfahrzeugen im Straßenverkehr, so dass der Grenzwert von 1,1 Promille auch für Motorsportboote wie das des Angeklagten gilt.

Volltext des Urteils des Schiffahrtsobergerichts Brandenburg – Urteil vom 11.06.2008 – 1 Ss 33/08

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VonRA Moegelin

Anforderungen an die Mitteilung der Schwerbehinderung durch einen Bewerber

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abelimDas Bundesarbeitsgericht hatte über die Klage auf Schadensersatz eines schwerbehinderten Stellenberwerbers zu entscheiden. Streitentscheidend war die Frage, ob und inwieweit er über die Eigenschaft seiner Schwerbehinderung zu informieren hat.

Der Kläger ist schwerbehindert mit einem Grad der Beginderung von 50. Im Juni 2010 bewarb er sich erstmalig bei einer Universität – der späteren Beklagten. Dieses Bewerbungsverfahren, zu dem auch die Schwerbehindertenvertretung hinzugezogen worden war, blieb erfolglos. Ende Juli 2010 bewarb sich der Kläger für eine andere, neu ausgeschriebene Stelle bei der Beklagten. Die Bewerbung wurde bei der Beklagten von einer anderen personalführenden Stelle als die erste Bewerbung bearbeitet. Weder im Bewerbungsanschreiben noch im Lebenslauf wies der Kläger auf seine Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch hin. Allerdings hatte er einem Konvolut von Anlagen (Umfang 29 Blatt) als Blatt 24 eine Fotokopie seines Schwerbehindertenausweises beigefügt. Auch diese Bewerbung scheiterte, ohne dass der Kläger von der Beklagten, einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden war.

Der Kläger verlangt eine Entschädigung, weil er sich wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt sieht. Als Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes hätte ihn die Beklagte aufgrund seiner Schwerbehinderung in jedem Fall zu einem Vorstellungsgespräch einladen müssen.

In den ersten beiden Instanzen wurde der Klage stattgegeben. Auf die Revision der Beklagten wurde das Urteil des LAG vom Bundesarbeitsgericht aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Ein schwerbehinderter Mensch, der bei seiner Bewerbung um eine Stelle den besonderen Schutz und die Förderung nach dem SGB IX in Anspruch nehmen will, muss die Eigenschaft, schwerbehindert zu sein, grundsätzlich im Bewerbungsschreiben mitteilen. Eine solche Mitteilung muss bei jeder Bewerbung erfolgen. Auf Erklärungen bei früheren Bewerbungen kommt es nicht an (BAG, Urteil vom 18. September 2014 – 8 AZR 759/13).

Das BAG begründet seine Entscheidung wie folgt:

Auf die Schwerbehinderteneigenschaft ist gegebenenfalls im Bewerbungsanschreiben oder unter deutlicher Hervorhebung im Lebenslauf hinzuweisen. Unauffällige Informationen oder eine in den weiteren Bewerbungsunterlagen befindliche Kopie des Schwerbehindertenausweises sind keine ausreichende Information des angestrebten Arbeitgebers (vgl. BAG, Urteil vom 26. September 2013 – 8 AZR 650/12 – Rn. 30). Die Mitteilung hat bei jeder einzelnen Bewerbung erneut zu erfolgen. Entscheidend ist die Schwerbehinderteneigenschaft im Sinne des SGB IX im Zeitpunkt der Bewerbung, nicht zu einem früheren Zeitpunkt. Auch ist das Datenschutzrecht zu berücksichtigen. Es liegt in der Entscheidung des schwerbehinderten Menschen, ob er die Schwerbehinderung bei der Bewerbung nach SGB IX berücksichtigt haben will oder nicht.

Volltext des Urteils des Bundesarbeitsgerichts: BAG, Urteil vom 18. September 2014 – 8 AZR 759/13

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VonRA Moegelin

Wirksamkeit einer Entgeltklausel für Buchungen privater Girokonten

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savingKurz nachdem der BGH der Sparkasse untersagte, hochverzinsliche Darlehen zu kündigen, wurde am 27.01.15 erneut gegen eine Bank entschieden. Diesmal ging es um eine Gebührenklausel der Raiffeisenbank, die als Teilentgelt für die Kontoführung einen einheitlichen „Preis pro Buchungsposten“ festlegt. Hierüber wird auch in den Medien berichtet.

Der klagende Verbraucherschutzverband hat die beklagte Raiffeisenbank auf Unterlassung der Verwendung folgender, die Kontoführung von Privatgirokonten betreffender Klausel gegenüber Verbrauchern in Anspruch, die eine Klausel zu einem vierteljährlich fälligen Grundpreis für die Kontoführung ergänzt:  „Preis pro Buchungsposten 0,35 EUR“.

Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Der BGH hat dagegen die Bank auf die Revision verurteilt, die Verwendung dieser oder einer inhaltsgleichen Klausel zu unterlassen oder unter Verweis auf die Klausel ein Entgelt von Verbrauchern zu verlangen.

Die Klausel, die als Teilentgelt für die Kontoführung einen einheitlichen „Preis pro Buchungsposten“ festlegt, ist unwirksam (Bundesgerichtshof, Urteil vom 27. Januar 2015 – XI ZR 174/13).

Seine Entscheidung begründet der BGH wie folgt:

Nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB unterliegen unter anderem solche Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Inhaltskontrolle, durch die von Rechtsvorschriften abweichende Regelungen vereinbart werden. Das trifft auf die vom Kläger beanstandete Klausel zu. Sie ist so auszulegen, dass sie auch Buchungen bepreist, die bei der fehlerhaften Ausführung eines Zahlungsauftrags anfallen. Mit der Bepreisung solcher Buchungen weicht die Beklagte von § 675y Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2, Abs. 4 BGB ab. Nach dieser Vorschrift hat die Bank als Zahlungsdienstleister keinen Anspruch auf ein Entgelt, wenn ein Zahlungsauftrag fehlerhaft ausgeführt wird. Die Beklagte verlangt dagegen 0,35 €. Außerdem wälzt sie mittels der vom Kläger beanstandeten Klausel Aufwand zur Erfüllung eigener Pflichten auf ihre Kunden ab. Die Beklagte hat von Gesetzes wegen in Fällen der fehlerhaften Ausführung eines Zahlungsauftrags das Zahlungskonto wieder auf den sachlich richtigen Stand zu bringen. Indem sie für solche Berichtigungsbuchungen ein Entgelt verlangt, die von Gesetzes wegen unentgeltlich vorzunehmen sind, setzt sie die von ihr formulierte Klausel der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB aus.

Die vom Kläger beanstandete Klausel ist nicht nur kontrollfähig, sondern auch unwirksam. Allgemeine Geschäftsbedingungen, die zum Nachteil des Kunden gegen (halb-)zwingendes Recht verstoßen, benachteiligen ihn zugleich mit der Folge ihrer Unwirksamkeit unangemessen im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Von den Vorgaben des § 675y BGB darf nach § 675e Abs. 1 BGB nicht zum Nachteil eines Verbrauchers als Zahlungsdienstnutzers abgewichen werden. Aus den oben genannten Gründen enthält die vom Kläger beanstandete Klausel solche abweichenden Regelungen.

Volltext des Urteils des Bundesgerichtshofs: BGH, Urteil vom 27. Januar 2015 – XI ZR 174/14

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