Verdachtskündigung – arbeits- und strafgerichtliches Verfahren im Doppelpack

VonRA Moegelin

Verdachtskündigung – arbeits- und strafgerichtliches Verfahren im Doppelpack

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In unserem Rechtssystem gilt das Gebot des fairen Verfahrens. Eine Partei muss sich nicht selbst bezichtigen. Daher kann der Arbeitnehmer, der in dem von ihm eingeleiteten Prozess gegen eine Kündigung zu den Vorwürfen der Beklagten schweigen. Das Schweigerrecht geht aber nicht so weit, den hiesigen Arbeitsgerichtsprozess auszusetzen, bis das anderweitige Strafverfahren wegen des Verdachts der zur Kündigung geführt hat, entschieden ist.

Die beklagte Firma geht davon aus, dass ihr Arbeitnehmer Drucker-Toner auf eigene Rechnung gewinnbringend veräußert habe. Der Arbeitnehmer hat die Aussetzung des Verfahrens bis zum Abschluss des Strafverfahrens beantragt. Er vertritt die Ansicht, dass wenn er im hiesigen Verfahren die Vorwürfe substantiiert bestreite, um der Geständnisfiktion des § 138 ZPO zu entgehen, werde das Aussageverweigerungsrecht im Strafverfahren inhaltsleer. Dem Recht, schweigen zu dürfen, komme eine überragende Bedeutung zu.

Nach Ansicht des LAG tragen die gegen den Zwang zu Selbstbezichtigung geschützten Prozessparteien lediglich das Risiko einer für sie ungünstigen Tatsachenwürdigung. Insofern muss der Kläger überlegen, ob er im Kündigungsschutzprozess schweigen oder sich wahrheitsgemäß äußern will. Größerer Schutz muss ihm im Zivilverfahren nicht eingeräumt werden (LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 13.06.14 – 15 Ta 1108/14).

Das folge auch aus Art. 6 der europäischen Menschenrechtskonventtion (EMRK), wonach im Arbeitsgerichtsprozess keine Partei zu einer Aussage gezwungen werden kann und das Kündigungsschutzverfahren auch kein Strafverfahren darstelle. Hier trete nicht der Staat strafend dem Bürger gegenüber, sondern das Verfahren betrifft zwei Bürger untereinander.

Ein Arbeitnehmer, der neben dem Kündigungsschutz-Prozess auch noch ein Strafverfahren gegen sich hat, sollte daher in Rücksprache mit seinem Anwalt klären, ob er besser auf sein Schweigerrecht verzichtet, soweit seine Rechtsposition durch eine Aussage vorteilhaft beeinflusst werden kann.

Volltext des Beschlusses des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 13. Juni 2014 – 15 Ta 1108/14-

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