Schlagwort-Archiv Tarifvertrag

VonRA Moegelin

Stichtagsregelung für Gewerkschaftsmitglieder im Tarifvertrag

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CoD-fsfe-calendarDie Klägerin beansprucht von den beiden Beklagten Leistungen nach einem Haustarifvertrag. Die tarifgebundene Beklagte zu 2) plante zu Beginn des Jahres 2012 eine Betriebsschließung in München. In Verhandlungen mit dem in diesem Betrieb bestehenden Betriebsrat und der zuständigen IG Metall konnte eine vollständige Schließung abgewendet werden. Neben einem Standorttarifvertrag schlossen die Beklagte zu 2) und die IG Metall am 4. April 2012 einen „Transfer- und Sozialtarifvertrag“ (TV). Der TV sieht für den Fall einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten zu 2) zum 30. April 2012 und gleichzeitiger Begründung eines „Transferarbeitsverhältnisses“ mit der Beklagten zu 1) in einer betriebsorganisatorisch eigenständigen Einheit (beE) durch Abschluss eines dreiseitigen Vertrags die Zahlungen von Abfindungen bis 110.000,00 Euro durch die Beklagte zu 2) sowie Mindestbedingungen für das dann mit der Beklagten zu 1) bestehende Arbeitsverhältnis, ua. „ein beE-Monatsentgelt von monatlich 70 % ihres Bruttomonatseinkommens“, vor. Gleichfalls am 4. April 2012 vereinbarten die Beklagte zu 2) und der Betriebsrat einen „Interessenausgleich“, nach dem sie auch die Regelungen des TV „für alle betroffenen Beschäftigten abschließend übernehmen“. Schließlich schlossen die Beklagte zu 2) und die IG Metall einen weiteren, ergänzenden Tarifvertrag (ETV), der nach seinem persönlichen Geltungsbereich nur für diejenigen Gewerkschaftsmitglieder galt, „die bis einschließlich 23.03.2012, 12.00 Uhr Mitglied der IG Metall geworden sind“. Der ETV regelt eine weitere Abfindung von 10.000,00 Euro sowie ein um 10 vH höhere Bemessungsgrundlage für das „beE-Monatsentgelt“.

Die Klägerin unterzeichnete mit den beiden Beklagten eine dreiseitige Vereinbarung, in der für den Abfindungsanspruch und die Monatsvergütung auf die beiden Tarifverträge Bezug genommen worden ist. In der Zeit von Juli 2012 bis Januar 2013 war die Klägerin Mitglied der IG Metall. Sie verlangt von den Beklagten die im ETV vorgesehenen weiteren Leistungen.

Die Revision der Klägerin blieb gegen die klageabweisenden Entscheidungen der Vorinstanzen vor dem Vierten Senat des Bundesarbeitsgerichts ohne Erfolg.

Ein Haustarifvertrag, der einen sozialplanähnlichen Inhalt hat, kann für Leistungen, die zur Abmilderung der wirtschaftlichen und sozialen Nachteile an tarifgebundene Arbeitnehmer gezahlt werden, eine Stichtagsregelung vorsehen, nach der ein Anspruch nur für diejenigen Mitglieder besteht, die zum Zeitpunkt der tariflichen Einigung der Gewerkschaft bereits beigetreten waren.

Die Anspruchsvoraussetzungen des ETV sind demnach nicht gegeben. Die im persönlichen Geltungsbereich des ETV vereinbarte Stichtagsregelung – 23. März 2012 – ist wirksam. Entgegen der Auffassung der Klägerin handelt es sich dabei nicht um eine sog. einfache Differenzierungsklausel, die zwischen Gewerkschaftsmitgliedern einerseits sowie nicht und anders tarifgebundenen Arbeitnehmern – sog. Außenseitern – andererseits unterscheidet. Der TV und der ETV differenzieren in ihrem personellen Geltungsbereich zwischen verschiedenen Gruppen von Mitgliedern der Gewerkschaft IG Metall und damit allein zwischen tarifgebundenen Arbeitnehmern, also denjenigen Beschäftigten, denen ein Tarifvertrag ohnehin nur Ansprüche vermitteln kann. Die Stichtagsregelung formuliert lediglich Anspruchsvoraussetzungen für tarifliche Leistungen. Die Bestimmungen des ETV erweisen sich auch im Hinblick auf den tariflichen Regelungsgegenstand als wirksam. Den Tarifvertragsparteien kommt auf Grund der verfassungsrechtlich geschützten Tarifautonomie bei der Bestimmung von Umfang und Voraussetzungen von Ausgleichs- und Ãœberbrückungsleistungen anlässlich einer Teilbetriebsstillegung ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Die Stichtagsregelung orientiert sich am gegebenen Sachverhalt der beabsichtigten Betriebsänderung als einmaligem Vorgang sowie den damit verbundenen Leistungen unter Berücksichtigung des ausgehandelten Tarifvolumens.

Die Bestimmungen des ETV verstoßen auch nicht gegen die sog. negative Koalitionsfreiheit. Die tarifliche Regelungsbefugnis ist von Verfassungs und Gesetzes wegen auf die Mitglieder der tarifschließenden Verbände und vorliegend auf die der IG Metall beschränkt. Die „Binnendifferenzierung“ zwischen Gewerkschaftsmitgliedern schränkt weder die Handlungs- oder die Vertragsfreiheit des Arbeitgebers noch die von sog. Außenseitern ein. Diesem Personenkreis bleibt es unbenommen, seine vertraglichen Beziehungen frei zu gestalten. Von den Regelungen des ETV kann gegenüber sog. Außenseitern kein „höherer Druck“ ausgehen, als derjenige, der sich stets ergibt, wenn die individualvertraglichen Vereinbarungen hinter denjenigen Regelungen zurückbleiben, die durch einen Tarifvertrag für die Mitglieder der Gewerkschaft geregelt wurden.

Die vertraglichen Verweisungen in der dreiseitigen Vereinbarung auf die unterschiedlichen tariflichen Regelungen des TV und des ETV sind nach der Rechtsprechung des Senats (21. Mai 2014 – 4 AZR 50/13 – ua., vgl. auch Pressmitteilung Nr. 24/14) nicht anhand des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes zu überprüfen. Sie setzen die in den beiden Tarifverträgen vorgegebenen Regelungen für die Ausgestaltung des dreiseitigen Vertrags zwischen den Parteien um.

Schließlich verstößt auch der „Interessenausgleich“ nicht gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz nach § 75 Satz 1 BetrVG. Die Betriebsparteien haben durch die Übernahme der Regelungen des TV, nicht aber des ETV, gerade davon abgesehen, Bestimmungen mit einzubeziehen, die an eine Gewerkschaftsmitgliedschaft zu einem bestimmten Zeitpunkt anknüpfen.

 (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15. April 2015 – 4 AZR 796/13, vgl. Pressemitteilung Nr. 20/15)

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VonRA Moegelin

Überbrückungsbeihilfe bei Betriebsübergang auf privaten Arbeitgeber

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0097d093-300pxDer Kläger begehrt Überbrückungsbeihilfe nach dem TV SozSich. Er stand seit dem 1. Mai 2002 in einem Arbeitsverhältnis zu dem Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland und wurde zuletzt als Heizungsmonteur in einer Kaserne der britischen Stationierungsstreitkräfte in Deutschland beschäftigt. Zum 8. August 2011 ging das Arbeitsverhältnis gemäß § 613a BGB auf die Betriebserwerberin über, welche das Gebäudemanagement der Kaserne als Dienstleisterin übernommen hatte. Der Kläger übte auch in der Folgezeit seine Tätigkeit auf dem Gelände der Kaserne aus. Mit Schreiben vom 29. Oktober 2012 kündigte die Betriebserwerberin sein Arbeitsverhältnis im Vorfeld der Kasernenschließung betriebsbedingt zum 31. März 2013. Das Beschäftigungsbedürfnis sei wegen des Rückgangs der durch die britischen Streitkräfte erteilten Aufträge entfallen. Der Kläger sieht die Voraussetzungen für die Leistung von Überbrückungsbeihilfe nach dem TV SozSich als erfüllt an. Die Kündigung sei letztlich auf die spätere Schließung der Kaserne zurückzuführen. Sowohl die Bundesrepublik Deutschland als auch die Betriebserwerberin seien zahlungsverpflichtet.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die Revision des Klägers hatte vor dem Sechsten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg.

Nach § 2 Ziff. 1 des Tarifvertrags zur sozialen Sicherung der Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland vom 31. August 1971 (TV SozSich) besteht ein Anspruch auf Leistungen nur wegen Personaleinschränkungen infolge militärisch begründeter Entscheidungen.

Der Kläger wurde nicht wegen einer Personaleinschränkung im Sinne des § 2 Ziff. 1 TV SozSich entlassen. Der Arbeitsplatzverlust hat nicht allein militärische Ursachen, sondern ist auf eine unternehmerische Entscheidung aus wirtschaftlichen Gründen zurückzuführen. Vor deren Folgen schützt der TV SozSich nicht. Es bedurfte deshalb keiner Entscheidung, ob der TV SozSich nach einem Betriebsübergang auf einen privaten Arbeitgeber weiterhin anwendbar bleiben kann.

(Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23. Juli 2015 – 6 AZR 687/14, vgl. Pressemitteilung Nr. 38/15)

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VonRA Moegelin

Arbeitszeit-Gutschrift nach TVöD-Dienstplan

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Singapore%20airport%20arrivalDie Klage eines Flugzeugabfertigers auf Zeitgutschrift von 15,4 Stunden für dienstplanmäßig freie Wochenfeiertage beschäftigte das BAG. Gemäß § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD, der auf den Arbeitsvertrag Anwendung findet, vermindert sich die regelmäßige Arbeitszeit für jeden gesetzlichen Feiertag, sowie für den 24. und 31. Dezember, sofern sie auf einen Werktag fallen, um die dienstplanmäßig ausgefallenen Stunden.

Einem Anspruch des klagenden Arbeitnehmers auf Erteilung einer Zeitgutschrift gemäß § 2 Abs. 1 EFZG erteilte das BAG eine Abfuhr. Denn die Arbeit des Klägers sei nicht wegen der Feiertage ausgefallen, sondern wegen der – feiertagsunabhängigen – Gestaltung des Dienstplans. Für die Feststellung, ob ein feiertagsbedingter Arbeitsausfall vorliegt, komme es allein darauf an, welche Arbeitszeit für den Arbeitnehmer gegolten hätte, wenn der betreffende Tag kein Feiertag gewesen wäre. Eine dienstplanmäßige Freistellung des Arbeitnehmers am Feiertag schließt den Anspruch auf Entgeltfortzahlung für diesen Feiertag aus, wenn sich die Arbeitsbefreiung aus einem Schema und zwar dem Dienstplan ergibt, das von der Feiertagsruhe an bestimmten Tagen unabhängig ist.

Der Anspruch des Klägers auf Zeitgutschrift ergibt sich auch nicht aus dem TVöD, der auf das Arbeitsverhältnis Anwendung findet, in Verbindung mit der Protokollerklärung. Nach § 6 Abs 3 S. 3 TVöD ist die Sollarbeitszeit der Arbeitnehmer, die an gesetzlichen Feiertagen dienstplanmäßig frei haben und ihre Arbeitszeit an anderen Tagen erbringen müssen, um die  dienstplanmäßig ausgefallenen Stunden zu verringern.

Aus dem Wortlaut von § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD folgt demnach, dass die Arbeitszeit zu verringern ist, jedoch keine Zeitgutschrift vorzunehmen ist. Es vermindert sich die regelmäßige Arbeitszeit für jeden gesetzlichen Feiertag, sowie für den 24. und 31. Dezember, sofern sie auf einen Werktag fallen, um die dienstplanmäßig ausgefallenen Stunden. Beschäftigte, die feiertagsunabhängig allein wegen der Dienstplangestaltung an einem Wochenfeiertag frei haben, müssen ihre regelmäßige Arbeitszeit stets an den anderen Tagen der Woche erbringen. Diese Arbeitnehmer sollen ersatzweise in den Genuss einer dem Feiertag gleichwertigen bezahlten Freizeit kommen, also den Beschäftigten, die infolge des Feiertags frei haben und Entgeltfortzahlung erhalten, gleichgestellt werden. Nur bei diesem Verständnis hat die Tarifnorm eine konstitutive Bedeutung. Dafür spricht nach Ansicht des BAG auch die historische Auslegung. Nach der Vorgänger-Norm des BAT war die Sollarbeitszeit nicht wegen eines Feiertags zu reduzieren oder eine Arbeitszeitgutschrift zu erteilen, wenn ein Arbeitnehmer dienstplanmäßig frei hatte. Diese Regelung führte dazu, dass Arbeitnehmer, die an Feiertagen dienstplanmäßig arbeiten mussten, im Ergebnis kürzer arbeiteten als die Arbeitnehmer, die nach dem Dienstplan frei hatten. § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD ändert diese den Tarifvertragsparteien bekannte und mehrfach vom Bundesarbeitsgericht bestätigte Rechtslage. Die Revision des Flugabfertigers gegen seinen Arbeitgeber wurde nach alldem vom BAG zurückgewiesen.

Volltext des Urteils des Bundesarbeitsgerichts vom 8. Dezember 2010 – BAG 5 AZR 667/09

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VonRA Moegelin

Zuschlag für Ostersonntag

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easter01Ostersonntag und Pfingstsonntag sind nicht in allen Bundesländern gesetzliche Feiertage. Hat ein Arbeitnehmer am Sonntag zu arbeiten und sieht ein Tarifvertrag Zuschläge für Feiertagsarbeit vor, so ist fraglich, ob dieser Zuschlag am Ostersonntag und Pfingstsonntag zu zahlen ist

Der Kläger ist als Anlagenfahrer/Monteur im Schichtdienst für die Beklagte in Sachsen-Anhalt tätig. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Tarifvertrag Versorgungsbetriebe (TV-V) Anwendung. Nach § 10 Abs. 1 Buchst. d TV-V erhält der Arbeitnehmer für Feiertagsarbeit einen Zuschlag je Stunde von 135 v. H. Der tarifliche Sonntagszuschlag beträgt 25 v. H.

Der Kläger hat die Feststellung begehrt, dass für die Arbeit am Oster- und Pfingstsonntag ein Zeitzuschlag von 135 v. H. zu zahlen ist.

Das Bundesarbeitsgericht hat wie die Vorinstanzen die Klage abgewiesen.

Sieht ein Tarifvertrag Zuschläge für Feiertagsarbeit vor, so wird dieser Zuschlag regelmäßig nur für die Arbeit an gesetzlichen Feiertagen ausgelöst (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 17. August 2011 – 10 AZR 347/10).

Ein tariflicher Anspruch besteht nicht, weil in Sachsen-Anhalt Ostersonntag und Pfingstsonntag nach dem Landesrecht gesetzlich nicht als Feiertage bestimmt sind. Der Zuschlag wird für „Feiertagsarbeit“ gezahlt, ohne dass ausdrücklich klargestellt wird, dass nur staatlich anerkannte oder gesetzlich geregelte Feiertage den Zuschlag auslösen. Tarifliche Regelungen über die Zahlung eines Zuschlags für Feiertagsarbeit knüpfen aber regelmäßig an die gesetzlichen Feiertage am Beschäftigungsort an, abweichende Regelungen müssen deutlich erkennbar sein. Anhaltspunkte für ein weitergehendes tarifliches Verständnis des „Feiertags“ nach dem TV-V bestehen nicht.

Im Umkehrschluss hätte das Bundesarbeitsgericht dem Arbeitnehmer einen Anspruch auf den Zeitzuschlag am Ostersonntag und Pfingstsonntag zuerkannt, wenn der Tarifvertrag ausdrücklich Zuschläge für „gesetzliche“ Feiertage bestimmt hätte.

Volltext des Urteils des Bundesarbeitsgerichts: BAG, Urteil vom 17. August 2011 – 10 AZR 347/10

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VonRA Moegelin

Eingruppierung eines Oberarztes

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Cooperation_by_Merlin2525Im vorliegenden Rechtsstreit hatte das BAG über die Eingruppierungsfeststellungsklage eines Facharztes für Orthopädie zu entscheiden, der den Titel „Oberarzt“ führte. Nach seiner Ansicht sei ihm für die genannten selbständigen Teilbereiche der Klinik (unter anderem Wirbelsäulenorthopädie) vom Chefarzt und damit vom Arbeitgeber ausdrücklich die medizinische Verantwortung übertragen worden. Er verlangt die Eingruppierung in die Entgeltgruppe III Stufe 2 (Oberärztin/Oberarzt) des Tarifvertrages TV-Ärzte/VKA.

Die Protokollerklärung zu Buchst. c des Tarifvertrages regelt wie folgt: „Oberärztin/ Oberarzt ist diejenige Ärztin/ derjenige Arzt, der/ dem die medizinische Verantwortung für selbstständige Teil- oder Funktionsbereiche der Klinik bzw. Abteilung vom Arbeitgeber ausdrücklich übertragen worden ist.“

Nach Ansicht seines Arbeitgebers -einer orthopädischen Klinik- mangele es bereits an der ausdrücklichen Übertragung der medizinischen Verantwortung, da die Funktion eines Oberarztes nicht durch den Arbeitgeber übertragen worden sei. Der Chefarzt der Klinik sei zu einer solchen Übertragung nicht befugt gewesen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen eingelegte Berufung hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Die Revision des Klägers war erfolgreich. Ob die Klage begründet ist, konnte das BAG nicht abschließend feststellen und hat die Sache zur Neuverhandlung an das LAG zurückverwiesen.

Bedient sich der Arbeitgeber bei der Leitung einer Klinik der Dienste eines Chefarztes und überlässt er diesem die nähere Ausgestaltung der Organisation der Klinik und die personelle Zuweisung von Aufgaben, ist der Arbeitgeber an die sich daraus ergebenden Rechtsfolgen gebunden (BAG, Urteil vom 15. Dezember 2010 – 4 AZR 170/09).

Allein die Erlaubnis, den Titel eines „Oberarztes“ zu tragen, ist tariflich ohne Bedeutung. Es mangelt aber an einer präzisen Feststellung der tariflich relevanten Tätigkeit des Klägers, die vom LAG nunmehr nachzuholen ist. Nach dem bisherigen Vortrag des Klägers nicht zwingend von einem einheitlichen Arbeitsvorgang auszugehen. Zwar spricht die Ausübung einer bestimmten Funktion oder die Übernahme einer Leitungstätigkeit häufig für die Annahme eines einheitlichen Arbeitsvorgangs. Dies gilt jedoch nicht für nebeneinander ausgeübte Leitungstätigkeiten für verschiedene Bereiche, die unter Umständen tariflich unterschiedlich bewertet werden können.

Es bedarf weiterer Feststellungen des Landesarbeitsgerichts zur Auslegung des Begriffs des selbständigen Teilbereichs, der sich unter Berücksichtigung des Wortlauts und des tariflichen Gesamtzusammenhangs nach den hierfür heranzuziehenden Kriterien ergibt. Demnach ist ein selbständiger Teilbereich einer Klinik oder Abteilung im tariflichen Sinne regelmäßig eine organisatorisch abgrenzbare Einheit innerhalb der übergeordneten Einrichtung einer Klinik oder Abteilung, der eine bestimmte Aufgabe mit eigener Zielsetzung sowie eigener medizinischer Verantwortungsstruktur zugewiesen ist und die über eine eigene räumliche, personelle und sachlich-technische Ausstattung verfügt.

Volltext des Urteils des Bundesarbeitsgerichts: BAG, Urteil vom 15. Dezember 2010 – 4 AZR 170/09 

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VonRA Moegelin

Rechtsmittel einlegen – Gerichtstermine wahrnehmen: Hochschulbildung nicht erforderlich

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glassy-smiley-failureEine juristische Sachbearbeiterin für das Sozialversicherungsrecht erhielt zuletzt von ihrem Arbeitgeber 4.765,00 € brutto monatlich, basierend auf der Entgeltgruppe 8 des Entgelttarifvertrages der Deutschen BKK. Nach Ansicht der Volljuristin müsste sie aber nach der Entgeltgruppe 9 bezahlt werden.

Besagter Tarifvertrag regelt auszugsweise wie folgt:

„Entgeltgruppe 8: Beschäftigte mit Tätigkeiten, die sich durch das Maß der Verantwortung aus der EGr 7 herausheben, z. B.:  1. Teamleiter, dem mindestens 8 Sachbearbeiter bis EGr 7 ständig unterstellt sind, 2. Sachbearbeiter mit besonderen Aufgaben der Sachbearbeitung, der sich durch besondere Schwierigkeit oder Bedeutung oder das Maß der Verantwortung aus der EGr 7 heraushebt, 3. Fachreferent, z. B. Grundsatz für spezielle Aufgabengebiete.

Entgeltgruppe 9: Beschäftigte mit Tätigkeiten, die eine abgeschlossene wissenschaftliche Hochschulbildung oder gleichwertige Kenntnisse und Fähigkeiten erfordern. z. B.:  1. Leiter einer Filiale, 2. Leiter bei der Zentrale, 3. Fachreferent der sich durch besondere Schwierigkeit oder Bedeutung oder das Maß der Verantwortung aus der EGr 8 heraushebt, z.B. Grundsatz für umfassende Aufgabengebiete und Revision, 4. Teamleiter, die sich durch das Maß der Verantwortung aus der EGr 8 herausheben (Abwesenheitsvertreter in größeren Filialen und Abteilungen), 5. Verkaufsleiter.“

Ihre beim Arbeitsgericht geltend gemachte Eingruppierungsklage begründet die Juristin unter anderem damit, dass die ihr zugewiesenen Aufgaben zu 75 % in der eigenverantwortlichen Bearbeitung und Durchführung von zivilrechtlichen Klageverfahren. Soweit streitwertabhängig oder in Berufungssachen die Zuständigkeit der Landgerichte gegeben sei, erteile sie den konkreten Klageauftrag an Anwälte und führe die Korrespondenz. Verantwortlich und selbständig betreibe sie die gerichtlichen Verfahren, die in die Zuständigkeit der Amtsgerichte fallen und führe Beweissicherungsverfahren durch.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Bearbeiten von zivilrechtlichen Klageverfahren (unter anderem das Beurteilen der Wirtschaftlichkeit und die Erfolgsaussicht einer Klage; Erstellen von Klageschriften, Schriftsätzen und Repliken; Recherchieren von Beweismitteln; Korrespondieren mit Anwälten; Wahrnehmen von Gerichtsterminen; Einlegung von Rechtsmitteln) rechtfertigt nicht die Eingruppierung nach der Entgeltgruppe 9 des Entgelttarifvertrages der Deutschen BKK. Es handelt sich nicht um Tätigkeiten, die eine abgeschlossene wissenschaftliche Hochschulbildung oder gleichwertige Kenntnisse und Fähigkeiten im Sinne der Tarifvorschrift erfordern (Arbeitsgericht Stuttgart, Urteil vom 9. Juli 2014 11 Ca 732/14).

Bei der Durchführung von Klageverfahren handele es sich nicht um Tätigkeiten im Sinne der tariflichen Entgeltgruppe 9, die eine abgeschlossene wissenschaftliche Hochschulbildung oder gleichwertige Kenntnisse und Fähigkeiten erfordern. Eine solche Qualifikation sei keine formale Voraussetzung für die Tätigkeit der Klägerin. Insbesondere sei das Einreichen von Schriftsätzen bei den Amtsgerichten nicht daran gebunden. Erst die den Rechtsanwälten vorbehaltene Tätigkeit vor den Landgerichten setze eine wissenschaftliche Hochschulbildung voraus. Die Gleichstellung gleichwertiger Kenntnisse und Fähigkeiten belege, dass es nicht darauf ankommt, dass die Klägerin tatsächlich eine abgeschlossene wissenschaftliche Hochschulbildung hat.

Volltext des Urteils des Arbeitsgerichts Stuttgart: ArbG Stuttgart, Urteil vom 9. Juli 2014 – 11 Ca 732/14

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