Im vorliegenden Rechtsstreit hatte das BAG über die Eingruppierungsfeststellungsklage eines Facharztes für Orthopädie zu entscheiden, der den Titel „Oberarzt“ führte. Nach seiner Ansicht sei ihm für die genannten selbständigen Teilbereiche der Klinik (unter anderem Wirbelsäulenorthopädie) vom Chefarzt und damit vom Arbeitgeber ausdrücklich die medizinische Verantwortung übertragen worden. Er verlangt die Eingruppierung in die Entgeltgruppe III Stufe 2 (Oberärztin/Oberarzt) des Tarifvertrages TV-Ärzte/VKA.
Die Protokollerklärung zu Buchst. c des Tarifvertrages regelt wie folgt: „Oberärztin/ Oberarzt ist diejenige Ärztin/ derjenige Arzt, der/ dem die medizinische Verantwortung für selbstständige Teil- oder Funktionsbereiche der Klinik bzw. Abteilung vom Arbeitgeber ausdrücklich übertragen worden ist.“
Nach Ansicht seines Arbeitgebers -einer orthopädischen Klinik- mangele es bereits an der ausdrücklichen Übertragung der medizinischen Verantwortung, da die Funktion eines Oberarztes nicht durch den Arbeitgeber übertragen worden sei. Der Chefarzt der Klinik sei zu einer solchen Übertragung nicht befugt gewesen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen eingelegte Berufung hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Die Revision des Klägers war erfolgreich. Ob die Klage begründet ist, konnte das BAG nicht abschließend feststellen und hat die Sache zur Neuverhandlung an das LAG zurückverwiesen.
Bedient sich der Arbeitgeber bei der Leitung einer Klinik der Dienste eines Chefarztes und überlässt er diesem die nähere Ausgestaltung der Organisation der Klinik und die personelle Zuweisung von Aufgaben, ist der Arbeitgeber an die sich daraus ergebenden Rechtsfolgen gebunden (BAG, Urteil vom 15. Dezember 2010 – 4 AZR 170/09).
Allein die Erlaubnis, den Titel eines „Oberarztes“ zu tragen, ist tariflich ohne Bedeutung. Es mangelt aber an einer präzisen Feststellung der tariflich relevanten Tätigkeit des Klägers, die vom LAG nunmehr nachzuholen ist. Nach dem bisherigen Vortrag des Klägers nicht zwingend von einem einheitlichen Arbeitsvorgang auszugehen. Zwar spricht die Ausübung einer bestimmten Funktion oder die Übernahme einer Leitungstätigkeit häufig für die Annahme eines einheitlichen Arbeitsvorgangs. Dies gilt jedoch nicht für nebeneinander ausgeübte Leitungstätigkeiten für verschiedene Bereiche, die unter Umständen tariflich unterschiedlich bewertet werden können.
Es bedarf weiterer Feststellungen des Landesarbeitsgerichts zur Auslegung des Begriffs des selbständigen Teilbereichs, der sich unter Berücksichtigung des Wortlauts und des tariflichen Gesamtzusammenhangs nach den hierfür heranzuziehenden Kriterien ergibt. Demnach ist ein selbständiger Teilbereich einer Klinik oder Abteilung im tariflichen Sinne regelmäßig eine organisatorisch abgrenzbare Einheit innerhalb der übergeordneten Einrichtung einer Klinik oder Abteilung, der eine bestimmte Aufgabe mit eigener Zielsetzung sowie eigener medizinischer Verantwortungsstruktur zugewiesen ist und die über eine eigene räumliche, personelle und sachlich-technische Ausstattung verfügt.
Volltext des Urteils des Bundesarbeitsgerichts: BAG, Urteil vom 15. Dezember 2010 – 4 AZR 170/09Â
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