Wer  seinem Arbeitgeber droht, kann verhaltensbedingt gekündigt werden. In dem vom BAG zu entscheidenden Fall ging es um die Frage, ob ein als bedrohlich empfundener anwaltlicher Schriftsatz im arbeitsgerichtlichen Verfahren die Kündung rechtfertigt.
Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Ein Leiter der Finanzbuchhaltung erhielt von seinem Arbeitgeber die ordentliche betriebsbedingte Kündigung wegen angeblichen Wegfall des Arbeitsplatzes. Er hat gegen die Kündigung Klage erhoben. Nachdem die Güteverhandlung vor dem Arbeitsgericht erfolglos geblieben war, fertigte sein Prozessbevollmächtigter eine Replik auf die Klageerwiderung der Beklagten. Darin heißt es, die Kündigung sei willkürlich erfolgt. Der Beklagten sei es lediglich darum gegangen, den Kläger als „lästigen Mitwisser“ zweifelhafter Geschäfte loszuwerden. Sie habe private Aufwendungen ihres Gesellschafters und seiner Ehefrau sowie des Lebensgefährten einer Gesellschafterin als Betriebsausgaben verbucht. Die Kündigung sei erfolgt, nachdem der Kläger nicht bereit gewesen sei, diese Handlungen zu dulden und/oder mit zu tragen. Der Schriftsatz ging der Beklagten zunächst außergerichtlich als Entwurf zu. In einem Begleitschreiben vom 14. Mai 2012 führte der Prozessbevollmächtigte des Klägers aus, absprachegemäß sollten „nochmal“ die Möglichkeiten einer einvernehmlichen Regelung „erörtert werden“. Falls „in den nächsten Tagen“ keine Rückäußerung erfolge, werde die Replik bei Gericht eingereicht. So geschah es auch, da keine Rückäußerung erfolgte.
Deswegen kündigte der Arbeitgeber fristlos, hilfsweise ordentlich. Der Kläger hat auch diese Kündigung im Wege einer Klageerweiterung fristgerecht angegriffen.
Nach – rechtskräftiger – Abweisung der Klage gegen die erste Kündigung hat sich der Kläger nur noch gegen die Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch die fristlose Kündigung gewandt. Er meint, er habe er mit dem Begleitschreiben habe er keinen unzulässigen Druck auf die Beklagte ausgeübt.
Der beklagte Arbeitgeber meint, der Schriftsatz diente dazu ihn „gefügig zu machen“. In der Ankündigung einer Offenbarung angeblicher „Unregelmäßigkeiten“ liege der Versuch einer Erpressung oder Nötigung. Zudem habe der Kläger die Unterlagen, die dem Schriftsatz beigefügt gewesen seien, unbefugt kopiert, um ein Druckmittel gegen sie zu haben.
Die Drohung mit einem empfindlichen Übel kann einen Kündigungsgrund darstellen. Es setzt regelmäßig die Widerrechtlichkeit der Drohung voraus. Unbeachtlich ist demgegenüber, ob das Verhalten den Straftatbestand der Nötigung erfüllt. Ausreichend ist nach der Rechtsprechung eine nicht strafbare, gleichwohl erhebliche Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten.
Das Ansinnen einer gütlichen Einigung hinsichtlich einer ordentlichen Kündigung ist auch in Anbetracht der Ankündigung, im Falle der Nichtäußerung einen im Entwurf beigefügten Schriftsatz bei Gericht einzureichen, grundsätzlich nicht widerrechtlich, sondern von der Wahrnehmung berechtigter Interessen gedeckt (BAG, Urteil vom 8. Mai 2014 – 2 AZR 249/13).
Parteien dürfen, wie schon das BverfG entschieden hat, zur Verteidigung ihrer Rechte schon im Hinblick auf den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG alles vortragen, was als rechts-, einwendungs- oder einredebegründender Umstand prozesserheblich sein kann Ein Prozessbeteiligter darf auch starke, eindringliche Ausdrücke und sinnfällige Schlagworte benutzen, um seine Rechtsposition zu unterstreichen, selbst wenn er seinen Standpunkt vorsichtiger hätte formulieren können. Das gilt nach Maßgabe des BAG jedenfalls so lange, wie er die Grenzen der Wahrheitspflicht achtet. Nach der Wertung des BAG ist nicht ersichtlich, dass im Schriftsatz leichtfertig unwahre Tatsachenbehauptungen aufgestellt worden sind. Der Kläger hat nicht gegen seine Verpflichtung verstoßen, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse einschließlich der ihm aufgrund seiner Tätigkeit bekannt gewordenen privaten Geheimnisse der Beklagten zu wahren. Er war zur Offenlegung der betreffenden Tatsachen gegenüber seinem Prozessbevollmächtigten und dem Gericht befugt. Er handelte in Wahrnehmung berechtigter Interessen. Er wollte auf diese Weise unlautere Motive der Beklagten für die angeblich betriebsbedingte (erste) Kündigung dartun.
Anders läge es, wenn der rechtliche Standpunkt im Entwurf der Replik gänzlich unvertretbar wäre. Das ist nicht der Fall. Der Kläger musste nicht von der Wirksamkeit der ersten Kündigung ausgehen. Er durfte sich mit der Behauptung verteidigen, die angestrebte Auflösung des Arbeitsverhältnisses beruhe auf seiner ablehnenden Haltung gegenüber bestimmten buchhalterischen Vorgängen. Seine Anregung, sich vor diesem Hintergrund auf eine einvernehmliche Beilegung des Rechtsstreits zu verständigen, erfolgte im Vertrauen auf eine nicht etwa gänzlich aussichtslose Rechtsposition.
Die Revision des Beklagten war demnach zurückzuweisen. Er hatte keinen Grund für eine außerordentliche Kündigung. Auf die hilfsweise ordentliche Kündigung kam es nicht an, da die erste Kündigung bereits zur Beendigung innerhalb der Frist geführt hat.
Volltext des Urteils des Bundesarbeitsgerichts: BAG, Urteil vom 8. Mai 2014 – 2 AZR 249/13
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