Monatsarchiv 24. August 2024

VonRA Moegelin

Keine Inflationsausgleichsprämie während Elternzeit

Share

Eine Regelung im Tarifvertrag, die den Bezug von Entgelt an mindestens einem Tag als Anspruchsvoraussetzung für den Inflationsausgleich festlegt. Weil das Arbeitsverhältnis während der Elternzeit ruht, ist eine Differenzierung, die sachlich gerechtfertigt ist und keine mittelbare Diskriminierung darstellt.

Volltext der Pressemitteilung Nr. 10/2024 des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 14.08.2024:

Die Klägerin ist bei einer Kommune im Technischen Dienst beschäftigt. Sie befand sich vom 14.06.2022 bis zum 13.04.2024 in Elternzeit. Ab dem 14.12.2023 bis zum Ende der Elternzeit arbeitete sie mit 24 Wochenstunden in Teilzeit (Vollzeit = 39 Wochenstunden).

Der auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin anzuwendende Tarifvertrag über Sonderzahlungen zur Abmilderung der gestiegenen Verbraucherpreise (TV Inflationsausgleich) sah im Juni 2023 einen Inflationsausgleich von einmalig 1.240,00 Euro und in den Monaten Juli 2023 bis Februar 2024 von monatlich 220,00 Euro vor. Die Kommune zahlte der Klägerin diesen Inflationsausgleich nur für die Monate Januar und Februar 2024 in Höhe von 135,38 Euro (24/39 von 220,00 Euro).

Die Klägerin ist der Ansicht, dass die tariflichen Voraussetzungen in §§ 2 Abs. 1, 3 Abs. 1 TV Inflationsausgleich, wonach an mindestens einem Tag ein Anspruch auf Entgelt bestanden haben muss, sie als Arbeitnehmerin in Elternzeit unzulässig wegen des Geschlechts diskriminiere. Es liege eine mittelbare Diskriminierung vor, weil Mütter länger in Elternzeit gingen als Väter. Diese Ungleichbehandlung sei mit dem Zweck des Inflationsausgleichs nicht vereinbar. Vielmehr sei sie in Elternzeit in besonderem Maße von den steigenden Preisen betroffen. Dem tritt die Arbeitgeberin entgegen und verweist u.a. auf die Tarifautonomie.

Die 14. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf hat heute anders als das Arbeitsgericht Essen den Antrag der Klägerin auf Zahlung des vollen Inflationsausgleichs zurückgewiesen. Die tarifliche Regelung verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Sie ist wirksam. Die Tarifvertragsparteien dürfen den Bezug von Entgelt an mindestens einem Tag als Anspruchsvoraussetzung für den Inflationsausgleich festlegen. Weil das Arbeitsverhältnis während der Elternzeit – ausgenommen die Teilzeittätigkeit – ruht, erfüllt die Klägerin diese Voraussetzung nicht. Sie hat keinen Entgeltanspruch. Diese Differenzierung ist sachlich gerechtfertigt und stellt keine mittelbare Diskriminierung dar, weil der tarifliche Inflationsausgleich auch einen Vergütungszweck verfolgt. Er ist arbeitsleistungsbezogen ausgestaltet. Fehlt es daran völlig, weil nicht an einem Tag ein Entgeltanspruch besteht, besteht kein Anspruch. Soweit Beschäftigte, die Krankengeld bzw. Kinderkrankengeld beziehen, einen Inflationsausgleich erhalten, erfolgt dies aus sozialen Gründen zur Abmilderung besonderer Härten. Für diese durften die Tarifvertragsparteien andere Regelungen vorsehen als für Beschäftigte in Elternzeit. Die Inanspruchnahme einer Elternzeit ist im Regelfall planbar, die eigene oder die Erkrankung des Kindes tritt dagegen typischerweise plötzlich und unerwartet auf.

Die Kammer hat der Klägerin lediglich aufgrund ihrer Teilzeittätigkeit für den Monat Dezember 2023 einen Inflationsausgleich von 220,00 Euro zugesprochen. Sie hatte in diesem Monat an einem Tag Anspruch auf Arbeitsentgelt. Für die Höhe der Inflationsausgleichsprämie ist die am ersten Tag des Bezugsmonats vereinbarte Arbeitszeit maßgeblich. Diese war am 01.12.2023 noch fiktiv 100%. Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf eine Entschädigung in Höhe von 8.000,00 Euro wegen unzulässiger Geschlechtsdiskriminierung (§ 15 Abs. 2 AGG) hatte keinen Erfolg, weil die Kommune die Klägerin nicht wegen des Geschlechts diskriminiert hat.

Das Landesarbeitsgericht hat die Revision zugelassen.

Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 14.08.2024 – 14 SLa 303/24
Arbeitsgericht Essen, Urteil vom 16.04.2024 – 3 Ca 2231/23

Auszug: „Tarifvertrag über Sonderzahlungen zur Abmilderung der gestiegenen Verbraucherpreise (TV Inflationsausgleich) § 2 Inflationsausgleich 2023

(1) Personen, die unter den Geltungsbereich dieses Tarifvertrags fallen, erhalten eine einmalige Sonderzahlung mit dem Entgelt für den Monat Juni 2023 (Inflationsausgleich 2023), wenn ihr Arbeitsverhältnis am 1. Mai 2023 bestand und an mindestens einem Tag zwischen dem 1. Januar 2023 und dem 31. Mai 2023 Anspruch auf Entgelt bestanden hat.

…

§ 3 Monatliche Sonderzahlungen

(1) Personen, die unter den Geltungsbereich dieses Tarifvertrags fallen, erhalten in den Monaten Juli 2023 bis Februar 2024 (Bezugsmonate) monatliche Sonderzahlungen. Die Auszahlung erfolgt mit dem Entgelt des jeweiligen Bezugsmonats. Der Anspruch auf den monatlichen Inflationsausgleich besteht jeweils nur, wenn in dem Bezugsmonat ein Arbeitsverhältnis besteht und an mindestens einem Tag im Bezugsmonat Anspruch auf Entgelt bestanden hat.

§ 4 Gemeinsame Bestimmungen für die Sonderzahlungen nach §§ 2 und 3

(1) Der Inflationsausgleich 2023 nach § 2 sowie die monatlichen Sonderzahlungen nach § 3 werden jeweils zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Entgelt gewährt. Es handelt sich jeweils um einen Zuschuss des Arbeitgebers zur Abmilderung der gestiegenen Verbraucherpreise im Sinne des § 3 Nummer 11c des Einkommensteuergesetzes.

(2) Anspruch auf Entgelt im Sinne des § 2 Absatz 1 bzw. § 3 Absatz 1 Satz 3 sind auch der Anspruch auf Entgeltfortzahlung aus Anlass der in § 21 Satz 1 TVöD bzw. § 6 Absatz 3 TV-V und § 11 TV-Fleischuntersuchung genannten Ereignisse und der Anspruch auf Krankengeldzuschuss (§ 22 Absatz 2 und 3 TVöD bzw. § 13 Absatz 1 S. 2 TV-V und § 12 TV-Fleischuntersuchung), … Einem Anspruch auf Entgelt gleichgestellt ist der Bezug von Krankengeld nach § 45 SGB V oder entsprechender gesetzlicher Leistungen, Leistungen nach § 56 IfSG, Kurzarbeitergeld und Leistungen nach §§ 18 bis 20 MuSchG.

Share
VonRA Moegelin

Kündigung des Filialleiters eines Discounters

Share

Die Kündigung eines stellvertretenden Filialleiters ist trotz des bei einer Kontrolle aufgefundenem verdorbenen Obst und Gemüse trotz vorausgegangener Abmahnung rechtswidrig, wenn der Betroffene die Frischetheke im Markt immer stichprobenartig kontrolliert hat und ihm dabei keine verschimmelte Ware aufgefallen ist.

Volltext der Pressemitteilung des Arbeitsgerichts Siegburg – 3 Ca 386/24 vom 08.07.2024:

Befindet sich in der Frischetheke eines Discounters bei Kontrollen verdorbenes Obst und Gemüse, rechtfertigt dies nicht immer die Kündigung des stellvertretenden Filialleiters. Dies hat das Arbeitsgericht Siegburg entschieden.

Der Kläger war bei dem beklagten Discounter seit sieben Jahren als stellvertretender Filialleiter beschäftigt und unter anderem für die Frischetheke zuständig. Bei einer Kontrolle durch die Regionalleitung wurde dort verdorbene Ware entdeckt. Dafür wurde der Kläger abgemahnt. Als bei einer weiteren Kontrolle wieder verschimmeltes Obst und Gemüse vorgefunden wurde, kündigte die Beklagte dem Kläger fristlos. Hiergegen erhob er Kündigungsschutzklage und behauptete, er habe die Frischetheke im Markt immer stichprobenartig kontrolliert. Dabei sei keine verschimmelte Ware aufgefallen.

Mit Urteil vom 26.06.2024 gab das Arbeitsgericht Siegburg der Kündigungsschutzklage statt. Weder die fristlose noch die hilfsweise ausgesprochene fristgerechte Kündigung hielt es für gerechtfertigt. Der Kläger habe die Kontrolle der Ware in der Obst- und Gemüsetheke auf andere, ihm unterstellte Mitarbeitern delegieren dürfen. Ein stellvertretender Filialleiter könne nicht alle Aufgaben selbst wahrnehmen. Dies habe zur Folge, dass der Kläger nur Stichprobenkontrollen habe durchführen müssen. Dass der Kläger seine stichprobenartigen Kontrollen nicht ordnungsgemäß durchgeführt habe, sei seitens des Discounters nicht dargelegt worden.

Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Gegen das Urteil kann Berufung beim Landesarbeitsgericht Köln eingelegt werden.

Arbeitsgericht Siegburg – Aktenzeichen 3 Ca 386/24 vom 26.06.2024.

Dr. Dorothea Roebers
Pressedezernentin des Arbeitsgerichts Siegburg

Share
Blogverzeichnis TopBlogs.de das Original - Blogverzeichnis | Blog Top Liste Blogverzeichnis Bloggerei.de