Monatsarchiv 28. September 2024

VonRA Moegelin

Kita-Streik von Verdi rechtswidrig

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Der von der Gewerkschaft ver.di ab 30.09.2024 ausgerufene Kita-Streik ist rechtswidrig. ver.di hat mit seinen Streikforderungen, mit denen Entlastungsmaßnahmen für Erzieher und ein Mehr an Zeit für Auszubildende durchgesetzt werden sollen, gegen die Friedenspflicht während laufender Tarifverträge verstoßen, weil bereits entsprechende tarifliche Regelungen existierten.

Volltext der Pressemitteilung Nr. 18/24 des Arbeitsgerichts Berlin vom 27.09.2024 – 56 Ga 11777/24:

Das Arbeitsgericht Berlin hat heute auf den Antrag des Landes Berlin im gerichtlichen Eilverfahren den von der Gewerkschaft ver.di ab dem 30.09.2024 angekündigten Streik in den Kitas der Kita-Eigenbetriebe des Landes Berlin untersagt.

Zwischen der Gewerkschaft ver.di und dem Land Berlin waren seit April 2024 Gespräche über die pädagogische Qualität und über Entlastungen der Erzieherinnen und Erzieher sowie der Auszubildenden in diesem Bereich geführt worden, die erfolglos blieben. Zu dem unbefristeten Streik ab dem 30.09.2024 hatte die Gewerkschaft ver.di am 26.09.2024 ihre Mitglieder aufgerufen, nachdem in einer Urabstimmung 91,7 % der Mitglieder dafür gestimmt hatten. Ziel des Streiks war die Erzwingung von Tarifverhandlungen über die Regelung einer Mindestpersonalausstattung, über Regelungen zum Belastungsausgleich (Konsequenzenmanagement) und für eine Verbesserung der Ausbildungsbedingungen.

Das Land Berlin sah sich rechtlich als Arbeitgeber nicht zu Tarifverhandlungen mit ver.di in der Lage, weil es als Mitglied der Tarifgemeinschaft der Länder (TdL) nach deren Satzung keine von den Regelungen des Tarifvertrags der Länder (TV-L) abweichenden Tarifverträge schließen dürfe. Die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten in den Berliner Eigenbetriebs-Kitas richten sich nach dem TV-L. Nachdem das Land Berlin im Jahr 2020 mit der Zusage der Hauptstadtzulage von den tariflichen Bedingungen des TV-L abgewichen war, hatte die TdL für den Fall eines weiteren Verstoßes des Landes Berlin gegen die Satzung seinen Ausschluss aus der TdL beschlossen. Das Land Berlin ist außerdem davon ausgegangen, dass ver.di mit den Streikforderungen betreffend Entlastungsmaßnahmen für Erzieherinnen und Erzieher und für ein Mehr an Zeit für Auszubildende gegen die Friedenspflicht während laufender Tarifverträge verstoße, weil bereits entsprechende tarifliche Regelungen existierten.

Das Arbeitsgericht hat den ab dem 30.09.2024 angekündigten Streik untersagt und der Gewerkschaft aufgegeben, ihren Streikaufruf öffentlich zu widerrufen. Es ist von einer fehlenden Rechtmäßigkeit des Streiks ausgegangen. Die Gewerkschaft ver.di verstoße mit diesem Streik gegen die Friedenspflicht wegen der bestehenden tariflichen Regelungen zur Zulage für Beschäftigte in Eigenbetriebs-Kitas des Landes Berlin im TV-L und wegen der bestehenden Entlastungsregelungen für Auszubildende im maßgeblichen Ausbildungstarifvertrag. Daneben seien auch verbandspolitische Erwägungen des Landes Berlin von der Koalitionsfreiheit in Artikel 9 Absatz 3 Grundgesetz geschützt, weil das Land als Arbeitgeber berechtigt sei, sich in der Tarifgemeinschaft der Länder zu organisieren. Das Risiko eines Ausschlusses aus der TdL bei einem eigenständigen Tarifabschluss müsse das Land Berlin nicht eingehen. Das grundgesetzlich garantierte Streikrecht der Gewerkschaft aus Artikel 9 Absatz 3 Grundgesetz überwiege insoweit nicht.

Gegen die Entscheidung des Arbeitsgerichts kann das Rechtsmittel der Berufung zum Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg eingelegt werden.

Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 27.09.2024, 56 Ga 11777/24

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VonRA Moegelin

Kündigung eines Schwerbehinderten in der Probezeit

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Das Landesarbeitsgericht Köln hat entgegen der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entschieden, dass die Kündigung eines schwerbehinderten Menschen bei fehlendem Präventionsverfahren keine Unwirksamkeit der Kündigung zur Folge hat.

Volltext der Pressemitteilung des Landesarbeitsgerichts Köln vom 12.09.2024 – 6 SLa 76/24:

Arbeitgeber sind verpflichtet, auch innerhalb der sog. Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG, §§ 173 Abs. 1, 168 SGB IX, in denen ein schwerbehinderter Mensch noch keinen Kündigungsschutz genießt, ein Präventionsverfahren nach § 167 Abs. 1 SGB IX durchzuführen. Dies hat die 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts Köln heute entgegen der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur bis 2017 geltenden Vorgängernorm des § 84 SGB IX entschieden. Da die beklagte Kommune im vorliegenden Einzelfall jedoch widerlegen konnte, dass sie dem Kläger wegen der Schwerbehinderung gekündigt hatte, führte dies nicht zur Unwirksamkeit der Probezeitkündigung des Klägers.

Der 1984 geborene Kläger verfügt über einen Grad der Behinderung von 80 und war bei der beklagten Kommune seit dem 1. Januar 2023 im Bauhof beschäftigt. Am 22. Juni 2023 kündigte die Beklagte dem Kläger innerhalb der Probezeit ohne zuvor ein Präventionsverfahren durchgeführt zu haben. Das Präventionsverfahren nach §167 SGB IX stellt ein kooperatives Klärungsverfahren dar, das Arbeitgeber unter Beteiligung internen und externen Sachverstandes (insb. Schwerbehindertenvertretung, Integrationsamt, Rehabilitationsträger) durchführen müssen, wenn der Arbeitsplatz eines schwerbehinderten Arbeitnehmers gefährdet ist. Unterlässt der Arbeitgeber die Durchführung des Präventionsverfahrens, kann dies zur Unwirksamkeit der Kündigung führen. Denn in einem solchen Fall wird vermutet, dass der Arbeitgeber den schwerbehinderten Arbeitnehmer wegen des nicht durchgeführten Präventionsverfahrens diskriminiert hat.

Entgegen der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil v. 21.04.2016 – 8 AZR 402/14) hat das Landesarbeitsgericht Köln entschieden, dass der Arbeitgeber verpflichtet ist, bei auftretenden Schwierigkeiten bereits innerhalb der ersten sechs Monate eines Arbeitsverhältnisses ein Präventionsverfahren durchzuführen. Nach Auffassung der 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts ergibt sich die vom Bundesarbeitsgericht vorgenommene zeitliche Begrenzung weder aus dem Wortlaut der Vorschrift, noch stützt eine Auslegung der gesetzlichen Bestimmungen dieses Ergebnis. Wegen der auch vom Bundesarbeitsgericht angenommenen strukturellen Probleme, ein Präventionsverfahren vor Ablauf der ersten sechs Monate („Probezeit“) zum Abschluss zu bringen, hat das Landesarbeitsgericht für diese Sonderkonstellation aber eine Beweiserleichterung zugunsten des Arbeitgebers vorgenommen, um die Wartezeitkündigung gegenüber einem schwerbehinderten Menschen nicht faktisch vollständig auszuschließen.

Im konkreten Einzelfall ist das Landesarbeitsgericht Köln aufgrund der unstreitigen Tatsachen zu dem Ergebnis gekommen, dass die streitgegenständliche Probezeitkündigung nicht wegen der Schwerbehinderung des Klägers ausgesprochen worden war und hat die Kündigungsschutzklage des Klägers abgewiesen.

Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Gegen das Urteil kann Revision beim Bundesarbeitsgericht eingelegt werden.

Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 12.09.2024 – 6 SLa 76/24.

Die Entscheidung kann demnächst in der Rechtsprechungsdatenbank NRWE http://www.nrwe.de/unter Eingabe des Aktenzeichens (6 SLa 76/24) aufgerufen werden.

Dr. Sonja Schramm

Pressedezernentin

Für Fragen, Kommentare und Anregungen steht wir Ihnen zur Verfügung:

presse@lag-koeln.nrw.de

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 167 Sozialgesetzbuch IX (SGB IX): Prävention

(1) Der Arbeitgeber schaltet bei Eintreten von personen-, verhaltens- oder betriebsbedingten Schwierigkeiten im Arbeits- oder sonstigen Beschäftigungsverhältnis, die zur Gefährdung dieses Verhältnisses führen können, möglichst frühzeitig die Schwerbehindertenvertretung und die in § 176 genannten Vertretungen sowie das Integrationsamt ein, um mit ihnen alle Möglichkeiten und alle zur Verfügung stehenden Hilfen zur Beratung und mögliche finanzielle Leistungen zu erörtern, mit denen die Schwierigkeiten beseitigt werden können und das Arbeits- oder sonstige Beschäftigungsverhältnis möglichst dauerhaft fortgesetzt werden kann. […]

§ 164 Sozialgesetzbuch IX (SGB IX): Pflichten des Arbeitgebers und Rechte schwerbehinderter Menschen

[…]

(2) Arbeitgeber dürfen schwerbehinderte Beschäftigte nicht wegen ihrer Behinderung benachteiligen. Im Einzelnen gelten hierzu die Regelungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes.

§ 22 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG): Beweislast

Wenn im Streitfall die eine Partei Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 genannten Grundes vermuten lassen, trägt die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat.

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VonRA Moegelin

Kündigung wegen sexueller Belästigung auf Betriebsfeier

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Ein Arbeitnehmer, der einer Kollegin auf einer Betriebsfeier einen Klaps auf den Po gibt, kann fristlos gekündigt werden. Es handelt sich um eine unzulässige sexuelle Belästigung. Der betroffene Arbeitnehmer erhielt bereits zuvor eine Abmahnung wegen unflätigen Verhaltens und Alkoholkonsums.

Volltext der Pressemitteilung des Arbeitsgerichts Siegburg – 3 Ca 387/24 vom 28.08.2024:

Ein Arbeitnehmer, der einer Kollegin einen Klaps auf den Po gibt, sie an sich zieht und gegen ihren erkennbaren Willen festhält, kann deswegen außerordentlich gekündigt werden, auch wenn sich der Vorfall in der lockeren Atmosphäre einer Betriebsfeier ereignete. Dies hat das Arbeitsgericht Siegburg entschieden.

Der Kläger war seit einem Jahr bei dem beklagten Arbeitgeber als Außendienstmitarbeiter beschäftigt und wegen unflätigen Verhaltens und Alkoholkonsums bereits abgemahnt worden. Bei einer Betriebsfeier schlug der Kläger einer vorbeigehenden Kollegin auf den Po. Als diese seine Hand wegstieß, zog er sie an sich und sagte, sie solle das als Kompliment betrachten. Der Arbeitgeber kündigte dem Kläger daraufhin fristlos.

Mit Urteil vom 24.07.2024 hat das Arbeitsgericht Siegburg die Kündigungsschutzklage des Außendienstmitarbeiters abgewiesen. Nach der Vernehmung der Kollegin als Zeugin stand zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Kläger sie durch sein Verhalten anlässlich der Betriebsfeier sexuell belästigt habe. Seine Äußerung, sie solle den Klaps auf den Po als Kompliment auffassen, lasse seine sexuell bestimmte Motivation erkennen. Zudem stelle das Festhalten der Kollegin gegen ihren Willen einen nicht hinnehmbaren Eingriff in ihre Freiheit dar. Gibt ein Mitarbeiter bei einer Betriebsfeier einer Kollegin einen Klaps auf den Po, zieht diese an sich und hält sie fest, obwohl sie dies erkennbar nicht will, stellt dies einen Grund für eine fristlose Kündigung dar.

Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Gegen das Urteil kann Berufung beim Landesarbeitsgericht Köln eingelegt werden.

Arbeitsgericht Siegburg – Aktenzeichen 3 Ca 387/24 vom 24.07.2024

Die Entscheidung kann demnächst in der Rechtsprechungsdatenbank NRWE http://www.nrwe.de/ unter Eingabe des Aktenzeichens (3 Ca 387/24) aufgerufen werden.

Dr. Dorothea Roebers

Pressedezernentin des Arbeitsgerichts Siegburg

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