Einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt gegenüber können sich Stellenbewerber auf Art. 33 Abs. 2 GG berufen, der jedem Deutschen nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt gewährt. Die Rundfunkfreiheit des Senders steht der grundsätzlichen Anwendbarkeit dieser Norm nicht entgegen, erweitert aber den Entscheidungsspielraum bei der Personalauswahl. Dies hat das Landesarbeitsgericht Köln mit Urteil vom 16.09.2021 entschieden.
Die Parteien des Rechtsstreits streiten im Wege der Konkurrentenklage um eine Stellenbesetzung bei der Beklagten, einer öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalt. Nach Ausschreibung einer Stelle als Leiter/Leiterin der Ereignisredaktion entschied sich die Beklagte für einen Mitbewerber des Klägers, ohne im Rahmen des Auswahlprozesses die wesentlichen Auswahlerwägungen in Gestalt eines wertenden und alle Bewerber betreffenden Auswahlvermerks schriftlich niedergelegt zu haben. In dem von ihm angestrengten Verfahren war der Kläger der Ansicht, er hätte für die Stelle ausgewählt werden müssen, da er der am besten Geeignete gewesen sei. Zumindest habe das Besetzungsverfahren mangels einer ausreichenden Dokumentation wiederholt werden müssen. Die Beklagte berief sich auf ihre grundrechtlich garantierte Rundfunkfreiheit aus Art. 5 GG und vertrat die Ansicht, sie könne nicht gleichzeitig grundrechtsberechtigt und grundrechtsverpflichtet sein. Sie treffe daher nicht die Pflicht zur Bestenauslese nach Art. 33 Abs. 2 GG. Bei der ausgeschriebenen Stelle handele es sich zudem um kein öffentliches Amt.
Während erstinstanzlich die Klage abgewiesen wurde, hatte die Berufung vor dem Landesarbeitsgericht Köln nunmehr insoweit Erfolg, als der Beklagten aufgegeben wurde, über die Bewerbung des Klägers neu zu entscheiden.
Die Beklagte ist nach diesem Urteil Adressatin der Verpflichtung aus Art. 33 Abs. 2 GG, da sie in ihrer Rechtsform als Anstalt des öffentlichen Rechts einen Teil der öffentlichen Verwaltung im formellen Sinne darstellt und trotz der Staatsferne des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zur insoweit grundrechtsgebundenen öffentlichen Gewalt gehört. Die Staatsferne schließt die Anwendung des Art. 33 Abs. 2 GG nicht aus, erweitert aber den Entscheidungsspielraum bei der konkreten Auswahlentscheidung. Um die Überprüfung der Auswahlentscheidung an dem Maßstab des Art. 33 Abs. 2 GG zu ermöglichen, war der Sender daher verpflichtet, die wesentlichen Auswahlerwägungen schriftlich niederzulegen. Da er dies nicht im ausreichenden Maß dokumentiert hat, ist der Bewerberverfahrensanspruch des Klägers verletzt worden, so dass ihm ein Anspruch auf Neubescheidung seiner Bewerbung zusteht.
Während das Verhältnis des Art. 33 Abs. 2 GG zur grundgesetzlich geschützten Selbstverwaltung der Kirchen und zur Wissenschaftsfreiheit der Universitäten bereits Gegenstand höchstrichterlicher Entscheidungen gewesen ist, ist dieses Verhältnis zur Rundfunkfreiheit bisher vom Bundesarbeitsgericht noch nicht entschieden worden.
Das Gericht hat daher in seinem Urteil die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen.
Dr. Wisskirchen
Die Pressedezernentin des Landesarbeitsgerichts Köln
Nach einer Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Köln vom 13.12.2021 besteht kein Anspruch des Arbeitnehmers auf Nachgewährung von Urlaubstagen bei einer Quarantäneanordnung wegen einer Infektion mit dem Coronavirus. Damit wurde die erstinstanzliche Entscheidung des Arbeitsgerichts Bonn vom 07.07.2021 bestätigt. Siehe Pressemitteilung des Landesarbeitsgerichts Köln – 2 Sa 488/21 – vom 15.12.2021.
Der Arbeitnehmerin wurde für den Zeitraum vom 30.11.2020 bis zum 12.12.2020 Erholungsurlaub gewährt. Am 27.11.2020 verfügte die zuständige Stadtverwaltung die Absonderung bzw. häusliche Isolierung der Klägerin als Kontaktperson ersten Grades ihres mit dem Corona-Virus infizierten Kindes. Nach ihrer Behauptung lag ab dem 01.12.2020 auch bei ihr ein positives Corona-Testergebnis vor, Symptome waren jedoch nicht feststellbar. Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erhielt die Klägerin nicht. Die Quarantäneanordnung endete mit dem 07.12.2020. Die Arbeitnehmerin verlangt mit der von ihr erhobenen Klage die Nachgewährung von fünf Urlaubstagen von dem Arbeitgeber.
Die gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts Bonn eingelegte Berufung wies das Landesarbeitsgericht Köln nunmehr zurück.
Die Voraussetzungen von § 9 BUrlG für die Nachgewährung von Urlaubstagen bei einer Arbeitsunfähigkeit liegen danach nicht vor. Diese Regelung bestimmt, dass bei einer Erkrankung während des Urlaubs die durch ärztliches Zeugnis nachgewiesenen Arbeitsunfähigkeitstage auf den Jahresurlaub nicht angerechnet werden. Die Klägerin hatte ihre Arbeitsunfähigkeit jedoch nicht durch ein ärztliches Zeugnis nachgewiesen. Eine behördliche Quarantäneanordnung steht nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts einem ärztlichen Zeugnis über die Arbeitsunfähigkeit nicht gleich. Eine Erkrankung – hier die Infektion mit dem Coranavirus – gehe nicht automatisch mit einer Arbeitsunfähigkeit einher. Ein symptomloser Virusträger bleibe grundsätzlich arbeitsfähig, wenn es ihm nicht wegen der Quarantäneanordnung verboten wäre zu arbeiten. Eine analoge Anwendung von § 9 BUrlG bei einer behördlichen Quarantäneanordnung aufgrund einer Infektion mit dem Coronavirus scheide ebenfalls aus. Es liege weder eine planwidrige Regelungslücke noch ein mit einer Arbeitsunfähigkeit vergleichbarer Sachverhalt vor.
Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts ist nicht rechtskräftig. Das Gericht hat in seinem Urteil die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen.
Die Entscheidung kann demnächst in der Rechtsprechungsdatenbank NRWE http://www.nrwe.de/ unter Eingabe des Aktenzeichens 2 Sa 488/21 aufgerufen werden.
Dr. Wisskirchen
Die Pressedezernentin des Landesarbeitsgerichts Köln
1. Solange der Auftragnehmer im Prozess über die Rückzahlung von Abschlags- bzw. Vorauszahlungen von Architektenhonorar keine endgültige Abrechnung vorlegt, kann es auf die Frage, ob eine Kündigung aus wichtigem Grund oder lediglich eine sog. freie Kündigung vorliegt, nicht entscheidungserheblich ankommen. Denn der Auftragnehmer hat nicht nur im Falle einer Kündigung aus wichtigem Grund durch Legung einer Endabrechnung darzulegen (und ggf. zu beweisen), dass er die vereinnahmten Vorauszahlungen endgültig behalten darf. Vielmehr gilt dies grundsätzlich ebenso im Falle einer freien Kündigung.
2. Auch im letzteren Falle hat der Auftragnehmer seine gesamten Leistungen, also die erbrachten wie die nicht erbrachten insgesamt abzurechnen und in diese Abrechnung die geleisteten Abschlagszahlungen einzustellen. Zudem hat er zu beziffern, was er sich an ersparten Aufwendungen bzw. als Erwerb durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft anzurechnen lassen hat.
3. Auch im Falle des Streits zwischen den Vertragsparteien über das Vorliegen einer außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund oder einer freien Kündigung muss der Auftragnehmer von seinem Standpunkt aus eine entsprechende Abrechnung zunächst vornehmen.
4. Solange er dies nicht tut, kann der Auftraggeber bei schlüssiger eigener Berechnung einen etwaigen Überschuss zurückverlangen, ohne dass es auf einer Klärung der Kündigungsfrage ankommt.
Volltext des Urteils des OLG Celle vom 06.10.2021 – 14 U 153/20:
Tenor
1. Auf die Berufung der Kläger wird das am 26.08.2020 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 14. Zivilkammer des Landgerichts Hannover – Az. 14 O 139/18 – unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und neu gefasst wie folgt:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Kläger als Gesamtgläubiger 8.559,41 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15.04.2021 zu zahlen.
Im Ãœbrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen tragen die Kläger zu 5 % und der Beklagte zu 95 %.
3. Das angefochtene Urteil des Landgerichts Hannover und dieses Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 10.240,00 € (Klage i. H. v. 9.000,00 € + Hilfsaufrechnung i. H. v. 1.240,00 €) festgesetzt.
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Kläger hat in der Sache in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet.
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1. Den Klägern steht als Gesamtgläubiger ein Anspruch auf Rückzahlung von überzahlten Abschlags- bzw. Vorauszahlungen aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Architektenvertrag in Höhe von 8.559,41 € zu.
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Zwischen den Parteien ist ein Architektenvertrag mit wirksamer Vereinbarung eines Pauschalpreises von 11.000,00 € für die Leistungsphasen 5 – 8, die vorliegend allein im Streit stehen, zustande gekommen. Wie das Landgericht unter Ziffer 1. seines Hinweisbeschlusses vom 26.09.2019 (Bl. 127 d. A.) zutreffend ausgeführt hat, ist die Vereinbarung des Pauschalpreises wirksam, unabhängig davon, ob die sich aus § 7 HOAI 2013 ergebenden Parameter mit Rücksicht auf die Entscheidung des EuGH vom 04.07.2019 (C-377/17, juris) herangezogen werden könnten (vgl. dazu ausführlich: Senat, Beschl. v. 09.12.2020 – 14 U 92/20 – juris).
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Die Kläger haben auf das vereinbarte Pauschalhonorar nach übereinstimmendem Vortrag der Parteien Abschlags- bzw. Vorauszahlungen in Höhe von insgesamt 9.760,00 € geleistet. Von diesen Abschlags- bzw. Vorauszahlungen steht ihnen ein Rückzahlungsanspruch in Höhe von 8.559,41 € zu, nachdem das Vertragsverhältnis durch die Kündigung der Kläger mit Schreiben vom 21.08.2017 (Anlage B 1 – Anlagenband Beklagte) vorzeitig beendet worden ist und sie diesen Anspruch nach erfolgtem Hinweis des Senats mit Hinweisbeschluss vom 03.03.2021 (Bl. 237 ff. d. A.) schlüssig dargelegt haben, jedoch der Beklagte diesem Vorbringen im Anschluss nicht erheblich entgegengetreten ist. Im Einzelnen:
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Ein Anspruch auf Rückerstattung überzahlter Abschläge ergibt sich aus dem Vertrag selbst, wenn die Parteien eines Bau- bzw. Architektenvertrages – wie hier – Voraus- oder Abschlagszahlungen vereinbart haben und sich ein Überschuss nach endgültiger Abrechnung ergibt.Vereinbaren die Vertragsparteien Voraus- oder Abschlagszahlungen, dann hat der Besteller ein berechtigtes Interesse daran, dass der Unternehmer die ihm nach einer Kündigung des Vertrages oder nach Abnahme zustehende endgültige Vergütung unter Berücksichtigung geleisteter Voraus- oder Abschlagszahlungen in einer endgültigen Rechnung abrechnet. Die Verpflichtung des Unternehmers, dem Besteller die genannte Rechnung zu erteilen, folgt aus dem vorläufigen Charakter der Voraus- oder Abschlagszahlungen (vgl. BGH, Urt. v. 08.01.2015 – VII ZR 6/14 – juris Rn. 13 f m. w. N.). Daher ist der Auftragnehmer nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichthofes verpflichtet, seine Leistungen nach Abnahme oder Beendigung des Vertrages abzurechnen und einen etwaigen Überschuss auszuzahlen (vgl. BGH, Urt. v. 11.02.1999 – VII ZR 399/97 – juris Rn 24; Urt. v. 22.11.2007 – VII ZR 130/06, juris Rn 16). Wie das Landgericht im Grundsatz zurecht angenommen hat (vgl. Hinweisbeschluss v. 11.06.2019, Bl. 107 d. A.), trägt der Auftragnehmer die Beweislast für seinen Vergütungsanspruch, was auch dann gilt, wenn der Auftraggeber den Auftragnehmer in einem Prozess auf Zahlung eines Überschusses in Anspruch nimmt, da für eine Beweislastumkehr kein Grund besteht (vgl. BGH, Urt. v. 11.02.1999 – VII ZR 399/97 – juris Rn 31). Die Vorschriften des Bereicherungsrechts und die dort geltenden Darlegungs- und Beweislastgrundsätze finden auf einen Anspruch auf Rückzahlung überzahlter Honorarvorauszahlungen nach vorzeitiger Beendigung keine Anwendung (vgl. BGH, Urt. v. 08.01.2015 – VII ZR 6/14 – juris Rn 13/16 m. w. N.; Urt. v. 22.11.2007 – VII ZR130/06 – juris Rn 16). Die vorgenannten Grundsätze gelten sowohl für Bau- als auch entsprechend für Architektenverträge (vgl. BGH, a.a.O., Rn 17).
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Legt der Auftragnehmer – wie hier – in angemessener Frist keine Schlussrechnung vor, kann der Auftraggeber die Klage auf Zahlung eines Überschusses mit einer eigenen Berechnung begründen (vgl. BGH, Urt. v. 11.02.1999 – VII ZR 399/97 – juris Rn 28). Ausreichend ist eine Abrechnung, aus der sich ergibt, in welcher Höhe der Auftraggeber Voraus- und Abschlagszahlungen geleistet hat und dass diesen Zahlungen eine entsprechende endgültige Vergütung des Auftragnehmers nicht gegenübersteht. Soweit dem Auftraggeber eine nähere Darlegung dazu nicht möglich ist, kann er sich auf den Vortrag beschränken, der bei zumutbarer Ausschöpfung der ihm zur Verfügung stehenden Quellen seinem Kenntnisstand entspricht, und ist namentlich nicht verpflichtet, selbst eine prüffähige Abrechnung zu erstellen (vgl. BGH, a. a. O.; Urt. v. 22.11.2007 – VII ZR130/06 – juris Rn 19). Hat der Auftraggeber nach diesen Grundsätzen ausreichend vorgetragen, muss der Auftragnehmer darlegen und beweisen, dass er berechtigt ist, die Voraus- und Abschlagszahlungen endgültig zu behalten (vgl. BGH, Urt. v. 08.01.2015 – VII ZR 6/14 – juris Rn 15 m. w. N; Senat, Urt. v. 10.03.2010 – 14 U 128/09 – juris Rn 48 m. w. N.). Dies gilt auch, wenn – wie hier – ein Pauschalpreisvertrag gekündigt wird und zwischen den Parteien streitig ist, ob der Auftraggeber berechtigt war, den Architektenvertrag aus wichtigem Grund außerordentlich zu kündigen. Auch dann hat der Unternehmer zur Darlegung seiner Vergütung grundsätzlich die erbrachten und die nicht erbrachten Leistungen voneinander abzugrenzen (vgl. Senat, Urt. v. 08.01.2020 – 14 U 96/19 – juris Rn 68 f.).
In Bezug auf die nicht erbrachten Leistungen ermittelt sich der Vergütungsanspruch als Differenz zwischen der für die nicht ausgeführten Leistungen vereinbarten Vergütung einerseits und ersparten Aufwendungen und anderweitigem Erwerb andererseits (vgl. BGH, Urt. v. 06.03.2014 – VII ZR 349/12 – juris Rn 33). Die Abgrenzung zwischen erbrachten und nicht erbrachten Leistungen und deren Bewertung muss den Auftraggeber in die Lage versetzen, sich sachgerecht zu verteidigen (vgl. BGH, Urt. v. 16.10.2014 – VII ZR 176/12 – juris Rn 10; Urt. v. 06.03.2014 – VII ZR 349/12 – juris Rn 21; Urt. v. 25.07.2002 – VII ZR 263/01 – juris Rn 9; Urt. v. 04.05.2000 – VII ZR 53/99 – juris Rn 47).
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Der Beklagte ist der Verpflichtung zur Vorlage einer abschließenden Abrechnung nicht nachgekommen, obwohl diese von den Klägern mit dem o. g. Kündigungsschreiben angefordert worden war. Nachdem die Kläger ihrerseits nach Hinweis durch den Senat nun mit Schriftsatz vom 08.04.2021 (Bl. 268 ff. d. A.) nach dem obigen Maßstab substantiiert aus Sicht ihres Standpunktes eine eigene Abrechnung vorgelegt haben, aus der sich ein Überschuss von Abschlagszahlungen zu ihren Gunsten i. H. v. 8.559,41 € ergibt, wäre der Beklagte – wenn er der Abrechnung der Kläger denn entgegentreten wollte – nun spätestens seinerseits gehalten gewesen, nach den obigen Maßstäben eine eigene Endabrechnung nachvollziehbar darzulegen (und deren inhaltliche Richtigkeit ggf. zu beweisen), aufgrund derer er berechtigt wäre, die von ihm vereinnahmten Vorschüsse endgültig behalten zu dürfen. Wegen der Einzelheiten der klägerischen Abrechnung wird auf den Schriftsatz vom 08.04.2021 (Bl. 268-271 d. A.) verwiesen.
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Dieser in der Berufungsinstanz neue Vortrag der Kläger war nach § 531 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO zuzulassen. Hiernach sind neue Angriffs- und Verteidigungsmittel nur zuzulassen, wenn sie einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist. Das ist etwa dann der Fall, wenn das Erstgericht einen materiell-rechtlich unzutreffenden Lösungsweg beschritten hat, für jenen die neuen Angriffs-/ Verteidigungsmittel keine Rolle gespielt haben, es aber bei richtigem Lösungsweg einen Hinweis hätte geben müssen und darauf der fehlende erstinstanzliche Vortag beruht (vgl. Zöller-Heßler, ZPO, 33 Aufl. 2020, § 531 Rn 27 m. w. N.). So stellt es sich hier dar. Das Landgericht hat die Klage zu Unrecht mit der Begründung abgewiesen, der Vergütungsanspruch des Beklagten bleibe nach § 648 BGB (richtigerweise § 649 BGB a. F., da es sich um einen vor dem 01.01.2018 geschlossenen Vertrag handelt, Art. 229 § 39 EGBGB) bestehen, weil die von den Klägern erklärte Vertragskündigung als freie Kündigung zu bewerten sei. Solange indes der Auftragnehmer keine endgültige Abrechnung vorlegt, kann es auf die Frage, ob eine Kündigung aus wichtigem Grund, wie die Kläger meinen, oder lediglich eine sog. freie Kündigung vorliegt, nicht entscheidungserheblich ankommen. Denn der Auftragnehmer hat nicht nur im Falle einer Kündigung aus wichtigem Grund durch Legung einer Endabrechnung darzulegen (und ggf. zu beweisen), dass er die vereinnahmten Vorauszahlungen endgültig behalten darf. Vielmehr gilt dies grundsätzlich ebenso im Falle einer freien Kündigung (vgl. BGH, Urt. v. 06.03.2014 – VII ZR 349/12 – juris Rn 20 ff. u. 33; Urt. v. 08.02.1996 – VII ZR 219/94 – juris Rn 17 ff., jeweils m. w. N.). Auch im Falle der freien Kündigung hat der Auftragnehmer seine gesamten Leistungen, also die erbrachten wie die nicht erbrachten, insgesamt abzurechnen und in diese Abrechnung die geleisteten Abschlagszahlungen einzustellen. Zudem hat er zu beziffern, was er sich an ersparten Aufwendungen bzw. als Erwerb durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft anzurechnen lassen hat (vgl. BGH, jeweils a. a. O.). D. h., auch im Falle des Streits zwischen den Vertragsparteien über das Vorliegen einer außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund oder einer freien Kündigung muss der Auftragnehmer von seinem Standpunkt aus eine entsprechende Abrechnung erst einmal vornehmen. Solange er dies – wie hier – nicht tut, kann der Auftraggeber bei schlüssiger eigener Berechnung einen etwaigen Überschuss zurückverlangen, ohne dass es auf die Frage der Art der Kündigung ankommt. Lediglich ausnahmsweise bei einer geringfügigen Teilleistung muss der Auftragnehmer keine Differenzierung zwischen erbrachten und nicht erbrachten Leistungen vornehmen, was ihn indes nicht von einer Abrechnung insgesamt befreit. Dann kann er abrechnen, als hätte er bis zur Kündigung insgesamt keine Leistungen erbracht (BGH, Urt. v. 25.11.2004 – VII ZR 394/02 – juris Rn 18). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier indes nicht vor.
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Hätte das Erstgericht diese Rechtslage beachtet, hätte es, wie der Senat nun in zweiter Instanz nachgeholt hat, die Kläger wie auch den Beklagten auf das Erfordernis einer jeweils eigenen Rechnung nach Maßgabe der obigen Ausführungen nach § 139 Abs. 1 ZPO hinweisen müssen. Bei Beachtung dieser Hinweispflicht wären die Kläger dem Erfordernis einer solchen eigenen Abrechnung nachgekommen, wie sie nun infolge des Senatshinweises gezeigt haben. Lediglich der Beklagte hat weiterhin keine Abrechnung vorgenommen, obgleich der Senat auch ihn auf dieses Erfordernis mit Hinweisbeschluss vom 03.03.2021 (dort insbes. ab Seite 2, letzter Absatz) hingewiesen hat. In der mündlichen Verhandlung des Senats vom 16.03.2021 (vgl. Protokoll – Bl. 259 ff. d. A.) ist der Sach- und Streitstand unter Bezugnahme auf diesen Hinweisbeschluss erörtert worden. Den Klägern ist daraufhin eine Erklärungsfrist eingeräumt worden, während der Beklagte sodann auf die klägerseits erfolgte Abrechnung eine gesonderte Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt bekommen hat, ohne entsprechend den Hinweisen des Senats seinerseits nun die erforderliche Abrechnung vorgenommen zu haben. Er hat sich lediglich auf seine rechtsfehlerhafte Auffassung zurückgezogen, seinerseits sei weiterhin keine Abrechnung notwendig, weil lediglich eine freie Kündigung der Kläger vorläge. Dies ist jedoch, wie aufgezeigt, unzutreffend. Es kommt mangels Abrechnung des Beklagten nicht darauf an, ob eine Kündigung aus wichtigem Grund oder lediglich eine freie Kündigung vorliegt.
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Nach der nun schlüssigen Abrechnung der Kläger hat sich unwidersprochen ein zurückzuzahlender Überschuss in Höhe von 8.559,41 € ergeben. Soweit die Kläger indes die Rückzahlung in Höhe von 9.000,00 € begehren, ist ein über 8.559,41 € hinausgehender Betrag weiterhin nicht schlüssig dargelegt, sodass sich die Klageabweisung durch das Landgericht in Höhe der Differenz von 440,59 € im Ergebnis als zutreffend erweist und die Berufung insoweit der Zurückweisung unterliegt. Soweit die Kläger einen Hilfsantrag in der nun zugesprochenen Höhe gestellt haben, kann diesem nur deklaratorische Wirkung beigemessen werden, weil ohnehin als rechtliches Minus zum Hauptantrag über 9.000,00 € ebenso zu befinden war, wie geschehen.
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2. Dieser Anspruch ist nicht durch die beklagtenseits bereits in erster Instanz mit Schriftsatz vom 23.10.2019 (Bl. 131 f. d. A.) erklärte und in zweiter Instanz mit Erklärung zu Protokoll vom 14.09.2021 (Bl. 312 f. d. A.) ausdrücklich aufrechterhaltene Hilfsaufrechnung über 1.240,00 €, über welche die Einzelrichterin nach ihrem Lösungsweg nicht zu befinden hatte, teilweise erloschen.
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Dem Beklagten steht der zur Hilfsausrechnung gestellte Anspruch auf restliches Architektenhonorar i. H. v. 1.240,00 € aufgrund des o. g. zwischen den Parteien geschlossenen Architektenvertrages nicht aus § 631 Abs. 1 BGB i. V. m. § 649 BGB a. F. zu. Nach den vorstehenden Ausführungen ist der Beklagte mangels Vornahme einer eigenen Schlussabrechnung, zu der er vertraglich verpflichtet war, nicht berechtigt, die vereinnahmten Vorauszahlungen der Kläger im vollen Umfang endgültig zu behalten; vielmehr hat er sie überwiegend zurückzuzahlen. Dem folgend hat er erst Recht keinen weitergehenden Werklohnanspruch auf die Differenz zwischen den geleisteten Vorauszahlungen i. H. v. 9.760,00 € und dem ursprünglich vereinbarten Pauschalhonorar i. H. v. 11.000,00 €. Denn auch insoweit fehlt es an der notwendigen Schlussabrechnung des Beklagten.
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3. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 288 Abs. 1 S. 2 BGB. Die Kläger haben ihren Anspruch erstmals mit ihrer Abrechnung im Schriftsatz vom 08.04.2021 schlüssig dargelegt. Erst mit Zugang dieser Abrechnung bei dem Beklagten bzw. seinem Prozessbevollmächtigten am 14.04.2021 ist der Rückforderungsanspruch fällig geworden, da diese Abrechnung Voraussetzung für die materiell-rechtliche Berechtigung der begehrten Rückforderung ist, sodass Verzugszinsen entsprechend § 187 Abs. 1 BGB ab dem darauffolgenden Tag geschuldet sind (vgl. dazu BGH, Urt. v. 10.10.2017 – XI ZR 549/16 – juris Rn 17). Ein weitergehender Zinsanspruch besteht nicht.
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4. Ein Anspruch auf Erstattung der den Klägern entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten gegen den Beklagten steht ihnen unter keinem erdenklichen Gesichtspunkt zu. Dieser ergibt sich nicht unter Verzugsgesichtspunkten, denn zum Zeitpunkt der vorgerichtlichen Tätigkeit des klägerischen Prozessbevollmächtigten bestand kein Verzug. Auch eine sonstige Anspruchsgrundlage ist mangels insoweit schlüssigen Vortages nicht ersichtlich. Hierauf mussten die Kläger nicht hingewiesen werden, da dieser Punkt lediglich eine Nebenforderung betrifft, § 139 Abs. 2 S. 1 ZPO.
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Der Senat hatte auch über die beanspruchten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu befinden, obgleich diese nicht gem. § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 ZPO im ursprünglichen Berufungsantrag in der Berufungsbegründung vom 20.11.2020 enthalten waren, sondern erst mit nicht mehr innerhalb der Berufungsbegründungsfrist eingegangenem und in der mündlichen Berufungsverhandlung sodann gestelltem erweiterten (Hilfs-)Antrag vom 15.03.2021 (Bl. 253 d. A.).Der Berufungskläger kann sein Rechtsmittel auch nach Ablauf der Begründungsfrist bis zum Schluss der Berufungsverhandlung erweitern, soweit die fristgerecht vorgetragenen Berufungsgründe die Antragserweiterung decken (vgl. z. B. BGH, Urt. v. 28.09.2000 – IX ZR 6/99 – juris Rn 11; Musielak/Voit-Ball, ZPO-Kommentar, § 520 Rn 25, jeweils m. w. N.). Dies ist hier der Fall, denn die Kläger haben mit ihrer fristgerecht eingegangenen Berufungsbegründung vorgebracht, dass sie ihren erstinstanzlichen Klageantrag, in dem die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten enthalten waren, weiterverfolgen und das Urteil des Landgerichts in vollem Umfang zur Überprüfung durch das Berufungsgericht gestellt werde.
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5. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO. Den Klägern waren die Kosten ihres Rechtsmittels nicht insgesamt nach § 97 Abs. 2 ZPO aufzuerlegen, obgleich der überwiegende Erfolg der Berufung auf ihrem in zweiter Instanz erstmaligen neuen Vortrag zur eigenen Abrechnung beruht. Liegt es nahe, dass ein Kläger zu einem für die Schlüssigkeit seiner Anspruchsbegründung bedeutsamen Punkt nur deshalb erst im Berufungsrechtszug vorgetragen hat, weil das Erstgericht seinen Hinweispflichten aus § 139 ZPO nicht nachgekommen ist, besteht kein Anlass für eine Auferlegung von Kosten gemäß § 97 Abs. 2 ZPO (vgl. OLG Nürnberg, Urt. v. 13.10.2014 – 14 U 1533/14 – juris Rn 28). Dies gilt nach Auffassung des Senats auch, wenn – wie hier – aus Sicht des Erstgerichts aufgrund eines materiell-rechtlich fehlerhaften Lösungsweges kein Hinweis geboten war, solange jedenfalls nicht festzustellen ist, dass der rechtsfehlerhaft eingeschrittene Lösungsweg des Erstgerichts nicht auf einer Nachlässigkeit des Klägers beruht.
7. Die Revision war nicht zuzulassen, weil keine Gründe i. S. v. § 543 Abs. 2 ZPO vorliegen. Dies gilt auch mit Blick auf die Frage der unionsrechtskonformen Auslegung der Vorschriften der HOAI, die Mindest- und Höchstsätze regeln, unter Berücksichtigung der Entscheidung des EuGH vom 04.07.2019 (C-377/17, juris). Die vorliegende Entscheidung stellt nicht auf die diesbezügliche Senatsauffassung ab, nach der eine Pauschalpreisvereinbarung unterhalb der Mindestsätze der HOAI 2013 zulässig ist (vgl. dazu u. a. Senat, Beschl. v. 09.12.2020 – 14 U 92/20 – juris). Die Entscheidungen sowohl zum Rückforderungsanspruch als auch zur Hilfsaufrechnung beruhen vorliegend auf einer mangelnden Schlussabrechnung des Beklagten bei vorzeitiger Beendigung des Vertrages, ohne dass sich der Senat insoweit in Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs setzt. Auf die oben aufgeführte Rechtsprechung wird Bezug genommen. Wenn man im hiesigen Fall den Standpunkt verträte, die Pauschalpreisabrede wäre wegen Unterschreitung der HOAI-Mindestpreissätze unwirksam, würde sich am Ergebnis nichts ändern. Auch dann hätte der Beklagte die vereinnahmten Vorschüsse der Kläger in der oben genannten Höhe nicht endgültig behalten dürfen, solange er keine Endabrechnung vorlegt, mag diese dann auch nicht auf Basis der Pauschalpreisabrede, sondern nach den diesbezüglichen HOAI-Preisregelungen zu erfolgen haben. Vorliegend hat sich der Beklagte nicht einmal auf eine Unwirksamkeit der Pauschalpreisabrede berufen. Vielmehr hat er die von ihm erklärte Hilfsaufrechnung selbst unter Berufung auf diese getroffene Preisabrede vorgenommen. Das ist zulässig und führt nicht dazu, dass seitens des Senats auf eine Abrechnung nach Mindestsätzen abzustellen wäre, wie der Bundesgerichtshof entschieden hat (BGH, Urt. v. 13.01.2005 – VII ZR 353/03, juris): Fordert der Architekt nach Kündigung eines Vertrages Honorar für die erbrachte Leistung, hat er in der Schlussrechnung die erbrachten (Teil-)Leistungen darzulegen und das sich auf der Grundlage der Honorarvereinbarung ermittelte anteilige Honorar. Der Architekt ist auch dann nicht gehindert, den sich auf der Grundlage der Honorarvereinbarung ermittelten Anteil eines Pauschalhonorars zu fordern, wenn die Honorarvereinbarung wegen unzulässiger Unterschreitung des Mindestsatzes unwirksam ist. Die Prüffähigkeit einer Schlussrechnung darf dann nicht mit der Begründung verneint werden, der Architekt habe keine an der HOAI orientierte Abrechnung nach Mindestsätzen vorgenommen (vgl. BGH aaO, insb. Rn. 10 ff.). Für den Auftraggeber gilt umgekehrt nichts anderes. Nur wenn der Beklagte eine eigene Schlussabrechnung nach Maßgabe der HOAI-Preisregelungen abweichend von der Pauschalpreisabrede vorgelegt hätte, hätte die vorgenannte Auffassung des Senats zur unionsrechtskonformen Auslegung der Vorschriften der HOAI zu den Mindest- und Höchstsätzen entscheidungserheblich zum Tragen kommen können.
Ein Verstoß gegen die Unterrichtungspflicht des § 17 Abs. 3 Satz 1 KSchG führt nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung im Insolvenzverfahren.
Volltext des Urteils des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 24.02.2021 – 17 Sa 890/20:
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Osnabrück vom 16. Juni 2020 – 1 Ca 79/20 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten auch im Berufungsverfahren um die Wirksamkeit einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung im Rahmen eines Insolvenzverfahrens.
2
Wegen des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien sowie ihrer vor dem Arbeitsgericht gestellten Anträge wird nachfolgend die umfassende Darstellung im Tatbestand des angegriffenen Urteils wörtlich wiedergegeben:
3
„Der am 00.00.1959 geborene Kläger war seit dem 00.00.1981 bei der Insolvenzschuldnerin, der G. GmbH, als Schweißer beschäftigt. Nach Angabe des Beklagten betrug dessen monatliche Bruttovergütung zuletzt 0.000,00 €.
4
Die Insolvenzschuldnerin ist ein mittelständisches Unternehmen und entwirft, produziert und vertreibt Bodenbearbeitungsgeräte für Landwirte, insbesondere der Marken G. und R.. Zusätzlich bietet sie Dienstleistungen im Bereich der Landwirtschaft an. Im September 2011 übernahm die französische G. Gruppe die damalige R. GmbH und führte den Geschäftsbetrieb unter der Firmierung G. GmbH, der Insolvenzschuldnerin, fort. Die G. S.A.S. mit Sitz in Frankreich ist ebenfalls auf die Produktion von Landmaschinen mit dem Schwerpunkt Bodenbearbeitung spezialisiert.
5
Über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin wurde auf deren Antrag vom 00.00.2019 aufgrund von Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung durch Beschluss des Amtsgerichts C-Stadt am 00.00.2019 das Insolvenzverfahren eröffnet und Eigenverwaltung angeordnet. Zugleich wurde der Beklagte zum Sachwalter bestellt.
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Zur Vermeidung einer Stilllegung des Gesamtbetriebes nach vorheriger Auslaufproduktion hatte sich die Insolvenzschuldnerin in Abstimmung mit dem Beklagten in seiner damaligen Stellung als Sachwalter jedenfalls zunächst dazu entschlossen, zu Sanierungszwecken einen Kaufvertrag über die wesentlichen Vermögenswerte der Beklagten mit einem Erwerber auf Basis eines Erwerberkonzeptes zu schließen. Die vorgesehene Kaufpreiszahlung mit dem einzigen potenziellen Erwerber, einem deutsch-chinesischen Investor, erfolgte jedenfalls zunächst nicht. Angesichts dessen beschloss zumindest ausweislich des Protokolls einer Gläubigerausschusssitzung vom 00.00.2020 u.a. unter Beteiligung des Beklagten in seiner damaligen Stellung als Sachwalter sowie des Geschäftsführers der Insolvenzschuldnerin der Gläubigerausschuss, den Geschäftsbetrieb der G. GmbH nach vorheriger Ausproduktion spätestens zum 00.00.2020 vollständig einzustellen. Für den Inhalt der Gläubigerausschusssitzung vom 00.00.2020 wird auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen (Anlage B02 zum Schriftsatz des Beklagten vom 00.00.2020).
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diesem Hintergrund vereinbarte die Insolvenzschuldnerin mit dem bei ihr eingerichteten Betriebsrat am 00.00.2020 einen Interessenausgleich mit Namensliste sowie einen Sozialplan. Der Kläger ist – wie alle anderen Mitarbeiter – auf der Namensliste als zu kündigender Mitarbeiter aufgeführt. In dem Interessenausgleich heißt es auszugsweise unter Ziff. 4 wie folgt:
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„4. Beteiligung des Betriebsrates
a) Der Betriebsrat wurde über die Betriebsänderung und die damit verbundenen Maßnahmen informiert. Eine abschließende Unterrichtung und Beratung unter Darlegung der Auswirkungen der Betriebsänderung für die betroffenen Mitarbeiter erfolgte am Tag der Unterzeichnung der vorliegenden Betriebsvereinbarung. Damit ist das Interessenausgleichsverfahren nach §§ 111 ff. BetrVG abgeschlossen.
5.1 Die Gesellschaft wird den Betriebsrat über die Umsetzung der Maßnahmen regelmäßig informieren.
5.2 Für die Beteiligung des Betriebsrates im Rahmen der Beendigung der einzelnen Arbeitsverhältnisse gelten die gesetzlichen Bestimmungen.
5.3 Die Parteien haben sich darauf verständigt, auch das Konsultationsverfahren nach § 17 Abs. 2 KSchG sowie die weiteren Beteiligungsrechte in Bezug auf die europäische Massenentlassungsrichtlinie und die §§ 17 ff. KSchG, insbesondere nach § 17 Abs. 3 KSchG und § 20 Abs. 3 KSchG, mit dem Interessenausgleichsverfahren zu verbinden.
Die nach § 17 Abs. 2 KSchG erforderlichen Auskünfte, insbesondere die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenen Beschäftigten und die Zahl und die Berufsgruppen der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer, wurden dem Betriebsrat vor Abschluss dieser Betriebsvereinbarung schriftlich von der Gesellschaft erteilt. Der Betriebsrat sieht abschließend keine Möglichkeiten, die beabsichtigten Entlassungen zu vermeiden. Diese Erklärung ist abschließend. Das Konsultationsverfahren nach § 17 Abs. 2 KSchG ist somit abgeschlossen.
5.4 Dieser Interessenausgleich gilt sogleich als Stellungnahme des Betriebsrats im Sinne des § 20 Abs. 3 KSchG, dem Mutterschutzgesetz, dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz/BEEG und dem SGB IX.
5.5 Der Betriebsrat wurde von der Gesellschaft über die beabsichtigten ordentlichen betriebsbedingten Kündigungen der Mitarbeiter gemäß Namensliste nach §§ 102, 103 BetrVG unterrichtet. Der Betriebsrat gibt zu den beabsichtigten ordentlichen Kündigungen eine abschließende Stellungnahme ab, wonach sie die eingeleiteten Anhörungsverfahren zur Kündigung nach §§ 102, 103 BetrVG mit Abschluss dieses Interessenausgleichs als abgeschlossen ansehen.
5.6 Der Betriebsrat bestätig mit Unterzeichnung dieses Interessenausgleichs, dass die Gesellschaft Beratungen insbesondere am 00.00.2019, am 00.00.2019, am 00.00.2019, am 00.00.2019 und am 00.00.2019 darüber geführt hat, Entlassungen zu vermeiden oder einzuschränken und ihre Folgen zu mildern.“
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Für den weiteren Inhalt des Interessenausgleichs mit Namensliste sowie den Sozialplan wird hierauf Bezug genommen (Anlagen B12 und B13 zum Schriftsatz des Beklagten vom 00.00.2020).
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Mit gesondertem Schreiben vom 00.00.2020 hörte die Insolvenzschuldnerin den Betriebsrat zur ordentlichen Kündigung des Klägers an. Für den konkreten Inhalt des Anhörungsschreibens wird hierauf Bezug genommen (Anlage B14 zum Schriftsatz des Beklagten vom 00.00.2020). Mit Schreiben vom 00.00.2020 erklärte der Betriebsrat zum einen, zu der beabsichtigten Kündigung des Klägers keine Stellungnahme abzugeben und zum anderen, dass diese Erklärung abschließend sei. Für den Inhalt des Betriebsratsschreibens wird hierauf Bezug genommen (Anlage B15 zum Schriftsatz des Beklagten vom 00.00.2020).
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Mit Schreiben vom „00.00.2019“ (offensichtlich gemeint: „00.00.2020“) erstattete die Insolvenzschuldnerin bei der Agentur für Arbeit C-Stadt eine Massenentlassungsanzeige nach § 17 KSchG. Für deren Inhalt wird hierauf Bezug genommen (Anlage B16 zum Schriftsatz des Beklagten vom 00.00.2020). Die Arbeitsagentur bestätigte der Insolvenzschuldnerin mit Schreiben vom 00.00.2020, dass die Entlassungsanzeige an diesem Tag bei ihr vollständig eingegangen sei (Anlage B17 zum Schriftsatz des Beklagten vom 00.00.2020). Im Zeitraum vom 00.00. bis 00.00.2020 sprach die Insolvenzschuldnerin gegenüber allen Mitarbeitern ohne Sonderkündigungsschutz eine betriebsbedingte ordentliche Kündigung aus, soweit deren Arbeitsverhältnisse nicht ohnehin aufgrund Befristung, Verrentung oder Eigenkündigung endeten.
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Das Arbeitsverhältnis des Klägers kündigte die Insolvenzschuldnerin mit Schreiben vom 00.00.2020 ordentlich zum 00.00.2020, hilfsweise zum nächst möglichen Termin. Das Kündigungsschreiben ging dem Kläger am 00.00.2020 zu. Zugleich wurde der Kläger ab dem
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00.00.2020 unwiderruflich von der Erbringung seiner Arbeitsleistung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist freigestellt.
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Mit email-Schreiben vom 00.00.2020 informierte die Insolvenzschuldnerin deren Kunden und Vertriebspartner über die bevorstehende Stilllegung und Ausproduktionsphase. Für deren Inhalt wird hierauf Bezug genommen (Anlagen B07 und B08 zum Schriftsatz der Beklagten vom 00.00.2020).
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Für die Zeit nach dem 00.00.2020 führte die Insolvenzschuldnern mit etwa 44 Mitarbeitern die Auslaufproduktion und Abwicklungsarbeiten durch. Alle anderen ca. 140 Mitarbeiter wurden mit Wirkung zum 00.00.2020 von der weiteren Arbeitsverpflichtung unwiderruflich freigestellt. Zum 00.00.2020 zeigte die Insolvenzschuldnerin zudem Masseunzulänglichkeit an.
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Der Kläger hält die Kündigung für unwirksam. Er gehe davon aus, dass die Kündigung aufgrund eines bevorstehenden Betriebsübergangs ausgesprochen worden sei. Der Verkauf des Betriebes sei bereits mit einer deutsch-asiatischen Investorengruppe vertraglich vereinbart worden, lediglich der vereinbarte Kaufpreis sei zunächst nicht gezahlt worden. Mittlerweile habe der chinesische Investor die Zahlung jedoch getätigt. Die Fortführung des Betriebs solle ab dem 00.00.2020 erfolgen. Die Z. GmbH, die nunmehr Ende April 2020 von der Insolvenzschuldnerin Betriebsmittel erworben habe und den Betrieb mit neuen und überwiegend übernommenen Mitarbeitern fortführe, gehöre zur Investorengruppe, die bereits die Kaufvertrags-verhandlungen Ende des Jahres 2019 geführt habe. Unabhängig davon fehle es an einer wirksamen Massenentlassungsanzeige. Weder habe die Insolvenzschuldnerin den Betriebsrat rechtzeitig und ausreichend iSv. § 17 Abs. 2 KSchG informiert, noch – insoweit unstreitig – der Agentur für Arbeit eine Abschrift der Mitteilung an den Betriebsrat nach § 17 Abs. 2 KSchG zugeleitet.
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Der Kläger beantragt,
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festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Insolvenzschuldnerin vom 00.00.2020 nicht aufgelöst worden ist.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die streitgegenständliche Kündigung sei aus dringenden betrieblichen Gründen sozial gerechtfertigt. Am 00.00.2020 habe der Gläubigerausschuss zusammen mit dem Sachwalter und
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dem Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin die unternehmerische Entscheidung getroffen, den Geschäftsbetrieb nach einer Ausproduktion spätestens zum 00.00.2020 vollständig und dauerhaft stillzulegen. Im Nachgang dazu habe die Insolvenzschuldnerin dies auch tatsächlich umgesetzt. Spätestens zum 00.00.2020 sei daher die Beschäftigungsmöglichkeit für den Kläger entfallen. Durch den Interessenausgleich mit Namensliste werde dies zudem nach § 125 InsO vermutet. Die Insolvenzschuldnerin habe insbesondere die Kündigung nicht wegen eines bevorstehenden Betriebsübergangs gekündigt. Der am 00.00.2019 mit dem Investor unterzeichnete Kaufvertrag sei nie rechtswirksam geworden, da dieser unter der aufschiebenden Bedingung der Genehmigungserklärung des Sachwalters gestanden habe. Dieser habe die Genehmigung mangels Kaufpreiszahlung jedoch nicht erteilt. Erst im Nachgang habe die Insolvenzschuldnerin einzelne Vermögenswerte und –gegenstände doch noch am 00.00.2020 mit Wirkung zum 00.00.2020 im Wege der Einzelrechtsfolge (A.) an eine Erwerberin, die Z. GmbH, verkaufen können. Diese sei hierfür erst Anfang April 2020 auf die Insolvenzschuldnerin herangetreten. Nach Kenntnis des Beklagten handele es sich dabei nicht um den Investor, der den Erwerb der Vermögenswerte Ende 2019 bzw. Januar 2020 beabsichtigt habe. Etwaige Details zu möglichen oder mittlerweile bereits umgesetzten Fortführungsabsichten der Erwerberin seien dem Beklagten nicht bekannt. Der Beklagte führe den Betrieb im bisherigen Geschäftsbetrieb jedenfalls nicht fort. Der Verkauf ändere jedenfalls nichts an dem im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung ernsthaften und endgültigen Entschluss zur Betriebsstilllegung. Einer Sozialauswahl habe es aufgrund der Betriebsstilllegung nicht bedurft. Sowohl die Beteiligung des Betriebsrats als auch der Arbeitsagentur seien zumindest im Ergebnis ordnungsgemäß erfolgt. Insbesondere führe es nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung, dass die Insolvenzschuldnerin der Arbeitsagentur neben den im Einzelnen aufgelisteten Unterlagen keine weitergehenden Unterlagen bzw. Abschriften über die Unterrichtung des Betriebsrates zugeleitet habe.
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Durch Beschluss des Amtsgerichts C-Stadt vom 00.00.2020 wurde auf Antrag der Insolvenzschuldnerin die Eigenverwaltung mit Wirkung zum 00.00.2020 aufgehoben. Zugleich wurde der bisherige Sachwalter zum Insolvenzverwalter bestellt. In diesem Zusammenhang hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers im Kammertermin erklärt, das Verfahren vorsorglich gegen den Insolvenzverwalter aufzunehmen.“
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Für den weiteren Vortrag der Parteien in erster Instanz wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der Kammerverhandlung vom 00.00.2020 Bezug genommen.
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Mit diesem Urteil hat das Arbeitsgericht die zulässige Klage als unbegründet abgewiesen, den Streitwert auf 8.759,46 € festgesetzt und dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits auferlegt.
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Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, die Kündigung vom 00.00.2020 habe das Arbeitsverhältnis unter Wahrung der Kündigungsfrist des § 113 Satz 2 InsO zum 00.00.2020 aufgelöst.
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Die Kündigung der Insolvenzschuldnerin sei durch dringende betriebliche Erfordernisse iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 Var. 3 KSchG bedingt. Die Vermutung gem. § 125 Abs. 1 Satz 1 InsO des Interessenausgleichs mit Namensliste vom 00.00.2020 habe der Kläger nicht widerlegt. Anhaltspunkte dafür, dass dieser nicht wirksam zwischen den Betriebsparteien vereinbart worden sei, seien weder vorgetragen noch ersichtlich. Die Kündigung sei nicht wegen eines bevorstehenden Betriebsübergangs ausgesprochen worden. Es liege eine Betriebsänderung iSv. § 111 Satz 3 Nummer 1 Betriebsverfassungsgesetz vor. Die Sachlage habe sich nach Zustandekommen des Interessenausgleichs auch nicht wesentlich geändert iSv. § 125 Absatz 1 S. 1 1 InsO. Einer Sozialauswahl habe es aufgrund der Betriebsstilllegung nicht bedurft. Der Betriebsrat sei ordnungsgemäß angehört und auch die Massenentlassungsanzeige gem. § 17 KSchG sowie das dazugehörige Konsultationsverfahren ordnungsgemäß von der Beklagten durchgeführt worden. Die entgegen § 17 Abs. 3 Satz 1 KSchG nicht gleichzeitige Zuleitung einer Abschrift der schriftlichen Unterrichtung des Betriebsrats nach § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG an die Agentur für Arbeit führe ebenfalls nicht zur Rechtsunwirksamkeit der Kündigung. Denn § 17 Abs. 3 Satz 1KSchG sei kein Verbotsgesetz iSd. § 134 BGB.
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Wegen der Erwägungen im Einzelnen, der das Arbeitsgericht zu seinem Urteil haben gelangen lassen, wird auf die äußerst sorgfältigen Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.
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Gegen dieses ihm am 00.00.2020 zugestellte Urteil wendet sich der Kläger mit seiner am 00.00.2020 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen und nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 00.00.2020 mit Schriftsatz vom 00.00.2020, am 00.00.2020 per Telefax beim Landesarbeitsgericht eingegangen, begründeten Berufung. Die Kammer nimmt auf den Inhalt des Berufungsbegründungsschriftsatzes des Klägers Bezug.
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Der Kläger rügt an dem angegriffenen Urteil insbesondere, entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts sei die Kündigung wegen eines bevorstehenden Betriebsübergangs erfolgt. Bei alsbaldiger Wiedereröffnung des Betriebs bzw. bei alsbaldiger Wiederaufnahme der Produktion durch einen Betriebserwerber – auch nach dem beabsichtigten Stilllegungstermin – spreche eine tatsächliche Vermutung gegen eine ernsthafte Absicht, den Betrieb stillzulegen. Das Unternehmen Z. Co. Ltd., mit dem die Insolvenzschuldnerin bereits Ende des Jahres 2019 wegen des Unternehmensverkaufs verhandelt gehabt habe, habe den Betrieb unter Nutzung sämtlicher Produktionsanlagen und Vertriebswege seit Anfang Mai 2020 übernommen und führe ihn unter dem Namen R. mbH fort. Sie produziere seit Mai 2020 wieder Ersatzteile und Landmaschinen mit dem Markennamen R.. Im Hinblick auf die unverzügliche Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebes spreche eine tatsächliche Vermutung gegen die Absicht im Betrieb stillzulegen. Vortrag zur Entkräftung dieser tatsächlichen Vermutung sei von Seiten der Beklagten nicht erfolgt. Sie könne auch nicht durch den Einstellungsbeschluss aus der Gläubigerausschusssitzung entkräftet werden.
31
Rechtsfehlerhaft gehe das Arbeitsgericht zudem davon aus, dass die nicht gleichzeitige Zuleitung einer Abschrift der schriftlichen Unterrichtung des Betriebsrats über anzeigepflichtige Entlassungen iSd. § 17 Absatz 2 KSchG für sich genommen nicht zur Unwirksamkeit einer Kündigung führe. Die Zuleitungspflicht des § 17 Abs. 3 Satz 1 KSchG, die der Anzeigepflicht des § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG zeitlich vorgelagert sei, diene auch der Vermeidung von Entlassungen. Deshalb handele es sich bei § 17 Abs. 3 Satz 1 KSchG nicht um eine reine Verfahrensvorschrift. Die Bundesagentur für Arbeit könne in diesem frühen Verfahrenszeitpunkt in Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat noch Möglichkeiten erarbeiten, um die angezeigten Kündigungen zu vermeiden und frühzeitig Maßnahmen zur Erhaltung der Arbeitsplätze einzuleiten. Beispielhaft sehe auch § 92a BetrVG die Hinzuziehung eines Vertreters der Bundesagentur für Arbeit durch den Betriebsrat vor. Erhalte die Agentur für Arbeit erstmalig nachdem der Betriebsrat und der Arbeitgeber über Möglichkeiten zur Vermeidung, Einschränkung und Folgenmilderung von Entlassungen beraten hätten, Nachricht über die bevorstehenden Entlassungen, sei eine Unterstützung des Betriebsrats bei den Beratungen mit dem Arbeitgeber durch die Bundesagentur für Arbeit nicht mehr möglich.
32
Der Kläger beantragt,
33
unter Abänderung des angegriffenen Urteils festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 00.00.2020 nicht zum 00.00.2020 aufgelöst worden ist.
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Der Beklagte beantragt
35
Die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
36
Er verteidigt das angegriffene Urteil nach Maßgabe seiner Schriftsätze vom 00.00.2020 und vom 00.00.2021, auf die die Kammer Bezug nimmt.
37
Der Beklagte trägt vor, die Insolvenzschuldnerin habe mit seiner Zustimmung am 00.00.2020 doch noch Vermögenswerte und -gegenstände (Anlagevermögen wie Betriebs- und Geschäftsausstattung sowie technische Anlagen und Maschinen und das gesamte immaterielle Vermögen wie technische Zeichnungen, Patente und Markenzeichen) im Wege einer Einzelrechtsnachfolge (A.) mit Wirkung zum 00.00.2020 veräußern können. Allerdings hätten weder die Schuldnerin noch er selbst im Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs in ernsthaften Verhandlungen über eine (Teil-) Veräußerung des Geschäftsbetriebs, weder mit der Z. GmbH noch mit anderen potentiellen Interessenten, gestanden. Bei der Z. GmbH (oder den dahinterstehenden Investoren) handele es sich nach seiner Kenntnis nicht um den „chinesischen Investor“, der den Erwerb der Vermögenswerte bereits Ende 2019 bzw. Anfang Januar 2020 beabsichtigte. Die Verhandlungen seien jeweils über in Deutschland ansässige Deutsch-Chinesische-Vermittlungspersonen erfolgt. Es sei nicht bekannt gewesen, dass die Z. Co. Ltd. der hinter der Z. GmbH stehende Investor gewesen sei.
Entscheidungsgründe
I.
38
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Osnabrück ist statthaft und zulässig gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, Abs. 2 c) ArbGG. Der Kläger hat die Berufung auch form- und fristgerecht gemäß den Anforderungen der §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519 ff. ZPO eingelegt und begründet.
II.
39
Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
40
Das Arbeitsgericht hat die zulässige Klage zu Recht abgewiesen. Die Kammer nimmt auf die sorgfältigen Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils, die sie sich nach eigener Sachprüfung zu eigen macht, Bezug und stellt dies fest, § 69 Absatz 2 ArbGG. Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen des Klägers ist lediglich folgendes auszuführen:
1.
41
Die streitbefangene Kündigung ist nicht wegen Verstoß gegen § 613a Abs. 4 Satz 1 BGB wegen eines Betriebs- oder Betriebsteilübergangs rechtsunwirksam.
a)
42
Zutreffend hat das Arbeitsgericht entschieden, dass angesichts des unwidersprochenen Vortrags der Insolvenzschuldnerin, sie habe zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung am 00.00.2020 nicht (mehr) in Verhandlungen über eine Veräußerung des Betriebes gestanden, von einer ernsthaften und endgültigen Stilllegungsentscheidung mit entsprechender Umsetzung auszugehen war, weshalb die Kündigung nicht wegen eines bevorstehenden Betriebsübergangs rechtsunwirksam sei. Insoweit verbleibe es auch bei der Vermutung des § 125 Abs. 1 Nummer 1 InsO. Selbst wenn es später – wie vom Kläger behauptet – noch zu einem Betriebsübergang gekommen sein sollte, erstrecke sich gem. § 128 Abs. 2 InsO die Vermutungswirkung des § 125 Abs. 1 Nummer 1 InsO auch darauf, dass die Kündigung des Arbeitsverhältnisses nicht wegen des Betriebsübergangs erfolgt sei. Diese Vermutung werde nur widerlegt, wenn der gekündigte Arbeitnehmer substantiiert darlegen und beweisen könne, dass der nach dem Interessenausgleich in Betracht kommende betriebliche Grund in Wirklichkeit nicht bestehe, wobei hierfür ein substantiierter Tatsachenvortrag erforderlich sei, der den gesetzlich vermuteten Umstand nicht nur in Zweifel ziehe, sondern ausschließe. Dieser Darlegungs- und Beweislast genüge das Vorbringen des Klägers nicht.
b)
43
Selbst wenn die Kammer zugunsten des Klägers davon ausgeht, dass Ende April 2020/Anfang Mai 2020 ein Betriebsübergang auf die Firma Z. GmbH stattgefunden hat, hat der Kläger auch mit seinem zweitinstanzlichen Vortrag die Vermutungswirkung der §§ 125 Abs. 1 Nr. 1, 128 Abs. 2 InsO nicht widerlegt.
aa)
44
Findet ein Betriebsübergang statt, erstreckt sich die Vermutung des § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO auch darauf, dass die Kündigung des Arbeitsverhältnisses nicht wegen des Betriebsübergangs (§ 613 Abs. 4 Satz 1 BGB) erfolgt ist. Da ohnehin grundsätzlich der Arbeitnehmer, der sich auf § 613a BGB beruft, darlegungs- und beweispflichtig dafür ist, dass die Kündigung wegen eines Betriebsübergangs erfolgt ist, hat der Arbeitnehmer bei Zustandekommen eines Interessenausgleichs mit Namensliste anlässlich eines Betriebsübergangs im Insolvenzverfahren eine doppelte Vermutung iSv. § 292 Satz 1 ZPO zu widerlegen.
bb)
45
Zwar trifft den Arbeitgeber im Rahmen einer betriebsbedingten Kündigung wegen Betriebsschließung gem. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG eine erhöhte Darlegungslast, wenn die betriebliche Tätigkeit durch einen Betriebserwerber fortgeführt wird, weil dies eine tatsächliche Vermutung begründet, eine ernsthafte Stilllegungsabsicht, habe nicht bestanden (BAG 16. Februar 2012 – 8 AZR 693/10 – Rn. 45). Gem. § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG iVm. § 292 BGB kann aber eine gesetzliche Vermutung nur durch den Beweis des Gegenteils widerlegt werden. Selbst wenn grundsätzlich auch beim Führen des Gegenteilsbeweises die allgemeinen Beweiserleichterungen, insbesondere die Grundsätze zur sekundären Behauptungslast zur Anwendung kommen, erfordert dies substantiierten Tatsachenvortrag, der den gesetzlich vermuteten Umstand nicht nur in Zweifel zieht, sondern ausschließt (BAG 19. Juli 2012 – 2 AZR 386/11 – Rn. 35). Erforderlich ist, dass der Arbeitnehmer substantiiert darlegt und im Bestreitensfall beweist, dass der nach dem Interessenausgleich in Betracht kommende betriebliche Grund in Wirklichkeit nicht besteht (BAG 19. Dezember 2013 – 6 AZR 790/12 – Rn. 19). Dem wird das Berufungsvorbringen des Klägers nicht gerecht. Denn der Kläger setzt der doppelten Vermutung der §§ 125 Abs. 1 Nr. 1, 128 Abs. 2 InsO seinerseits lediglich eine Vermutung entgegen. Es fehlt aber an substantiiertem Vorbringen, das geeignet wäre, die „greifbaren Formen“, die die Stilllegungsentscheidung der Insolvenzschuldnerin über den Beschluss der Gläubigerversammlung hinaus im Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs nach den nicht zu beanstandenden Ausführungen des Arbeitsgerichts bereits angenommen hatte, zu widerlegen.
II.
46
Die streitbefangene Kündigung auch nicht wegen Verstoß gegen § 17 KSchG gem. § 134 BGB unwirksam. Insb. führt allein der Verstoß gegen die Unterrichtungspflicht des § 17 Abs. 3 Satz 1 KSchG nicht zur Unwirksamkeit der streitbefangenen Kündigung.
a)
47
Zwar hat die Insolvenzschuldnerin vorliegend der Agentur für Arbeit mit der Einleitung des Konsultationsverfahrens keine Abschrift der Mitteilung an den Betriebsrat gem. § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG zugeleitet. Der Verstoß gegen die Verpflichtung nach § 17 Abs. 3 Satz 1 KSchG führt aber nicht zur Unwirksamkeit der Anzeige und damit der Kündigung (so auch LAG Hamm 13. Januar 2015 – 900/14 – Rn. 67).
aa)
48
§ 17 Abs. 3 Satz 1 KSchG ist kein Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB. Ein solches Verbotsgesetz ist nur anzunehmen, wenn die maßgebliche Vorschrift von ihrem Inhalt her einen solchen Schutzzweck aufweist, der die von einer Massenentlassung betroffenen Arbeitnehmer vor Arbeitslosigkeit bewahren soll (so ausdrücklich BAG vom 21.03.2013 – 2 AZR 60/12 – Rn. 22 mwN). Um ein solches Verbotsgesetz iSd. § 134 BGB handelt es sich bei der unterlassenen oder fehlerhaften Massenentlassungsanzeige gem. § 17 Abs. 1 KSchG und bei der Vorschrift, die das Konsultationsverfahren als solches betrifft, nämlich § 17 Abs. 2 KSchG BGB. Dementsprechend hat der Verstoß gegen die Konsultations- und Anzeigepflicht als solche die Unwirksamkeit der Kündigung gem. § 134 BGB zur Folge (BAG 21. März 2013 – 2 AZR 60/12 – Rn. 22 mwN).
bb)
49
Dagegen, dass allein der Verstoß gegen § 17 Abs. 3 Satz 1 KSchG zur Unwirksamkeit der Kündigung führen soll, spricht schon, dass bereits Satz 2 ein späteres Stadium im Massenentlassungsverfahren, nämlich die Erstattung der Anzeige selbst im Sinne des § 17 Abs. 1 KSchG beschreibt (so LAG Hamm 13. Januar 2015 – 7 Sa 900/14 – Rn. 66). Die von § 17 Abs. 2 Satz 2 KSchG verlangte Beifügung der Stellungnahme des Betriebsrats soll gegenüber der Agentur für Arbeit belegen, ob und welche Möglichkeiten dieser sieht, die angezeigten Kündigungen zu vermeiden (BAG 18. Januar 2012 – 6 AZR 407/10 – Rn. 45). Ein solcher Schutzzweck ist dem § 17 Abs. 3 Satz 1 KSchG hingegen – worauf das Arbeitsgericht zu Recht hinweist – nicht zu entnehmen.
(1)
50
Nach der Richtlinie 98/59 EG vom 20. Juli 1998 sind Verstöße des Arbeitgebers gegen seine Pflicht zur Konsultation mit dem Betriebsrat ebenso wie gegen seine Pflicht zur Anzeigenerstattung einer Massenentlassung zu sanktionieren, nicht aber außerhalb dieses Pflichtenkreises liegende Verletzungen von Nebenpflichten wie der Pflicht, der Arbeitsagentur eine Abschrift der Unterrichtung des Betriebsrats zuzuleiten (Hützen, ZinsO 2012, 801 (1810).
(2)
51
Soweit die Richtlinie und § 17 Abs. 1 – 3 KSchG durch die Verschränkung von Konsultations- und Anzeigeverfahren ein gemeinsames Handeln aller Beteiligten ermöglichen soll, gebietet dies ebenfalls nicht die Unwirksamkeitsfolge bei einem Verstoß gegen die Zuleitungspflicht nach § 17 Abs. 3 Satz 1 KSchG. Die Zuleitung der Unterrichtung an die Arbeitsverwaltung soll nach dem Willen jedenfalls des deutschen Gesetzgebers die Arbeitsverwaltung frühzeitig von den Massenentlassungen zu unterrichten (so Spelge, RdA 2018, 305 mwN zu den Gesetzesmaterialien). Durch die Vorabinformation kann die Vermittlungstätigkeit der Arbeitsverwaltung aber weder vorbereitet noch erleichtert werden, weil im Zeitpunkt der Unterrichtung gerade noch nicht feststeht, ob und wie viele Arbeitnehmer auf den Arbeitsmarkt gelangen werden und welche Arbeitnehmergruppen betroffen sind. Darüber ist gerade im Konsultationsverfahren zu verhandeln (so MHdBArbR/Spelge, 4. Aufl. 2018, § 121 Rn. 178). Zudem hat der Betriebsrat (wie der Arbeitgeber) nach deutscher Gesetzeslage – worauf der Klägervertreter richtig hinweist – gem. § 92a BetrVG das Recht, zu Beschäftigungssicherungsberatungen auch einen Vertreter der Bundesagentur für Arbeit hinzuziehen können. Entsprechende Regelungen finden sich auch in § 112 Abs. 2 Satz 1 und 3 BetrVG. Eine Sanktion, die zur Unwirksamkeit der Kündigung führt, ist zur Erreichung des Gesetzeszwecks der frühzeitigen Information der Arbeitsagentur daher nicht erforderlich.
b)
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Im Übrigen entsprechen sowohl das von der Beklagte durchgeführte Konsultationsverfahren im Sinne des § 17 Abs. 2 KSchG als auch die Massenentlassungsanzeige als solche im Sinne des § 17 Abs. 1 iVm. § 17 Abs. 3 Satz 2 ff. KSchG den gesetzlichen Anforderungen. Diesbezüglich wird auf die zutreffenden Ausführungen in der angegriffenen Entscheidung, denen der Kläger mit seiner Berufung auch nicht entgegengetreten ist, gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen.
C.
53
Da der Kläger mit seiner Berufung nicht erfolgreich war, hat er die Kosten des Berufungsverfahrens gemäß § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.
Das Arbeitsgericht Bonn hat entschieden, dass der Ausschluss eines Betriebsratsmitglieds mit aktuellem negativen PCR-Test an Betriebsräteversammlung unter Verweis auf „2G-Regelungen“ unzulässig ist.
Nach einer Entscheidung des Arbeitsgerichtes Bonn im einstweiligen Verfügungsverfahren vom 15.11.2021 kann einem Betriebsratsmitglied die Teilnahme an einer Betriebsräteversammlung am 16. bis 17.11.2021 nicht unter Hinweis auf die sog. „2G-Regelungen“ versagt werden, wenn das Betriebsratsmitglied zu Beginn der Sitzung einen negativen PCR-Test vorlegt.
Der Gesamtbetriebsrat hat die Betriebsräte zu einer in Berlin stattfindenden Betriebsräteversammlung eingeladen und darauf hingewiesen, dass die Versammlung unter „2G-Bedingungen“ durchgeführt werde. Die Antragstellerin ist stellvertretende Betriebsratsvorsitzende und begehrt im Wege des einstweiligen Verfügungsverfahrens die Teilnahme an der Betriebsräteversammlung unter Vorlage eines negativen PCR-Tests. In der Festlegung von 2G-Bedingungen liege ein unzulässiger Eingriff in ihre Persönlichkeitsrechte und eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung zwischen geimpften und nicht geimpften Personen.
Mit Beschluss vom 15.11.2021 hat das Arbeitsgericht Bonn entschieden, dass der Gesamtbetriebsrat der Antragstellerin die Teilnahme an der Betriebsräteversammlung nicht mit der Begründung versagen darf, dass sie nicht gegen Covid19 geimpft bzw. von Covid19 genesen sei, wenn sie durch Vorlage eines negativen PCR-Tests, der nicht älter als 24 Stunden ist, nachweist, dass sie nicht an dem Coronavirus erkrankt ist.
Die Antragstellerin hat aus der Sicht des Arbeitsgerichtes Bonn einen Anspruch auf Teilnahme an der Betriebsräteversammlung, da diese Teil der Ausübung ihres Betriebsratsmandates ist und damit dem Schutz des Mandats unterfällt. Die Ausübung des Betriebsratsmandates könne nicht von der Vorlage eines Impf- oder Genesungsnachweises abhängig gemacht werden. Die derzeit geltende Infektionsschutzverordnung des Landes Berlin sei hierfür keine ausreichende Grundlage. Die Anordnung weiterer Schutzmaßnahmen, wie etwa Maskenpflicht auch am Sitzplatz, werde durch den Beschluss des Arbeitsgerichtes Bonn nicht eingeschränkt.
Arbeitsgericht Bonn – Aktenzeichen 5 BVGa 8/21 vom 15.11.2021.
Die Entscheidung kann demnächst in der Rechtsprechungsdatenbank NRWE (www.nrwe.de) unter Eingabe des Aktenzeichens – 5 BVGa 8/21 – aufgerufen werden.
Dempke
18.11.2021
Das LAG Berlin-Brandenburg hat entschieden, dass kein Erschwerniszuschlag in der Reinigungsbranche zu gewähren ist, wenn der Arbeitnehmer lediglich eine Corona-Maske in Form einer OP-Maske zu tragen hat. Der Zuschlag wird nur dann gewährt, wenn er ein FFP-2 oder FFP-3-Maske zu tragen hat.
Volltext der Pressemitteilung Nr. 45/21 vom 17.11.2021 des LAG Berlin-Brandenburg:
Beschäftigte der Reinigungsbranche, die bei der Durchführung der Arbeiten eine sogenannte OP-Maske tragen, haben keinen Anspruch auf einen tariflichen Erschwerniszuschlag. Dies hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg entschieden.
Der Kläger ist bei der Beklagten als Reinigungskraft tätig. Auf das Arbeitsverhältnis findet der für allgemeinverbindlich erklärte Rahmentarifvertrag für die gewerblichen Beschäftigten in der Gebäudereinigung vom 31. Oktober 2019 (RTV) Anwendung. Dieser sieht bei Arbeiten mit persönlicher Schutzausrüstung, bei denen eine vorgeschriebene Atemschutzmaske verwendet wird, einen Zuschlag von 10 % vor.
Der Kläger hatte ab August 2020 bei der Arbeit eine OP-Maske zu tragen. Er hat mit seiner Klage den genannten Erschwerniszuschlag geltend gemacht.
Das Landesarbeitsgericht hat die Klage – wie bereits das Arbeitsgericht – abgewiesen. Der geforderte Erschwerniszuschlag sei nur zu zahlen, wenn die Atemschutzmaske Teil der persönlichen Schutzausrüstung des Arbeitnehmers sei. Dies sei bei einer OP-Maske nicht der Fall, weil sie – anders als eine FFP2- oder FFP3-Maske – nicht vor allem dem Eigenschutz des Arbeitnehmers, sondern dem Schutz anderer Personen diene.
Das Landesarbeitsgericht hat die Revision des Klägers an das Bundesarbeitsgericht zugelassen.
LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 17.11.2021, Aktenzeichen 17 Sa 1067/21
§ 10 RTV Erschwerniszuschläge
Der Anspruch auf nachstehende Zuschläge setzt voraus, dass Beschäftigte die einschlägigen Arbeitsschutzvorschriften einhalten.
Beschäftigte haben für die Zeit, in der sie mit einer der folgenden Arbeiten beschäftigt werden, Anspruch auf den nachstehenden jeweils aufgeführten Erschwerniszuschlag, bezogen auf den jeweiligen Lohn des Tätigkeitsbereichs.
1. Arbeiten mit persönlicher Schutzausrüstung
(Schutzbekleidung, Atemschutzgerät)
1.1 Arbeiten, bei denen ein vorgeschriebener Schutzanzug…verwendet wird
….
1.2 Arbeiten, bei denen eine vorgeschriebene Atemschutzmaske verwendet wird….10 %