Monatsarchiv 21. Dezember 2014

VonRA Moegelin

Anpassung der Betriebsrente an den Kaufkraftverlust

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old_man01Dem Bundesarbeitsgericht lag die Klage eines Rentners vor, der von seinem ehemaligen Arbeitgeber die Anpassung seiner Betriebsrente an den Kaufkraftverlust verlangte.

Nach § 16 BetrAVG hat der Versorgungsschuldner alle drei Jahre eine Anpassung der laufenden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zu prüfen und hierüber nach billigem Ermessen zu entscheiden. Er kann eine Anpassung der Renten ganz oder teilweise ablehnen, wenn und soweit dadurch das Unternehmen übermäßig belastet würde. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn der Versorgungsschuldner annehmen darf, dass es ihm mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nicht möglich sein wird, die Anpassungsleistungen aus den Unternehmenserträgen und den verfügbaren Wertzuwächsen des Unternehmensvermögens in der Zeit bis zum nächsten Anpassungsstichtag aufzubringen. Demzufolge kommt es auf die voraussichtliche Entwicklung der Eigenkapitalverzinsung und der Eigenkapitalausstattung des Unternehmens an. Diese für werbende Unternehmen entwickelten Grundsätze gelten auch für Rentner- und Abwicklungsgesellschaften. Sie sind ebenfalls nicht verpflichtet, die Kosten für die Betriebsrentenanpassung aus ihrer Vermögenssubstanz aufzubringen; auch ihnen ist eine angemessene Eigenkapitalverzinsung zuzubilligen. Dabei ist allerdings lediglich der Basiszins entsprechend der Umlaufrendite öffentlicher Anleihen in Ansatz zu bringen; für einen Risikozuschlag iHv. 2 %, wie er werbenden Unternehmen zugebilligt wird, ist bei einer Rentner- oder Abwicklungsgesellschaft kein Raum (BAG, Urteil vom 26. Oktober 2010 – 3 AZR 502/08).

Danach hatte die Klage eines Betriebsrentners auf Anpassung seiner Betriebsrente an den Kaufkraftverlust vor dem Dritten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Der Senat konnte offenlassen, ob es sich bei der Beklagten um ein werbendes Unternehmen oder eine Rentner- oder Abwicklungsgesellschaft handelte. Auch ohne Risikozuschlag ließ sich für die Zeit nach dem Anpassungsstichtag eine angemessene Eigenkapitalverzinsung nicht prognostizieren.

Volltext des Urteils des Bundesarbeitsgerichts: BAG, Urteil vom 26. Oktober 2010 – 3 AZR 502/08

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VonRA Moegelin

Grundsatzurteil des BAG zur Sittenwidrigkeit des Arbeitslohns

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captalistpictureDas Urteil des ArbG Cottbus betreffend einer sittenwidrigen Lohnvereinbarung mit Hartz-IV-Empfängern wurde kürzlich vom LAG wegen der abwegigen Interpretation der „Verwerflichkeit“ aufgehoben. Dabei hätten die Cottbuser Richter einfach nur die im Folgenden dargestellte BAG-Entscheidung zu lesen brauchen. Dann wäre klar gewesen, dass eine Beschäftigung, die auf Wunsch des Arbeitnehmers nur des „Beschäftigtseins willen“ ermöglicht wird, sehr wohl das für eine Sittenwidrigkeit erforderliche Merkmal der verwerflichen Gesinnung bedeutet, bzw. zu unterstellen ist, dass es dem Hartz-IV-Empfänger auch um mehr geht und zwar Lohn als Gegenleistung für seine Arbeit zu bekommen.

Im besagten, nun dargestellten Fall des Bundesarbeitsgerichts, geht es um eine portugiesische Staatsangehörige, die als ungelernte Hilfskraft im einem Gartenbaubetrieb beschäftigt war. Die Arbeitnehmerin und spätere Klägerin ist der deutschen Sprache nicht mächtig. Gemäß einem in portugiesisch abgefassten Arbeitsvertrag erhielt sie einen Stundenlohn von 6, 00 DM netto, für Arbeit an Sonntagen zusätzlich pauschal 10, 00 DM netto. Ab dem 1. Januar 2002 erhöhte der Beklagte den Stundenlohn auf 3, 25 Euro netto. Die Klägerin arbeitete im Zeitraum von Dezember 1999 bis Mai 2002 durchschnittlich 269 Stunden/Monat, wobei in den Wintermonaten 42 bis 274 Stunden und in der übrigen Zeit 219 bis 352 Stunden monatlich anfielen.

Die Klägerin und ihr Ehemann wohnten gemeinsam mit zwei minderjährigen Kindern auf dem Betriebsgelände ihres Arbeitgebers. Die Klägerin nutzte hier mehrere hundert Quadratmeter für sich als Gemüsegarten und einen Schuppen als Hühnerstall, für den der Beklagte den elektrischen Strom bezahlte. Der Beklagte legte in den Lohnabrechnungen der Klägerin den anteiligen Wert des Sachbezugs für die Wohnstätte einschließlich der übernommenen Nebenkosten fest, und zwar von 1999 bis 2002 zwischen 140, 00 DM netto und 76, 25 Euro netto monatlich.

Nachdem die Klägerin in zwei Instanzen unterlag, hat das BAG auf die Revision ihrer Klage stattgegeben. Die Sache wurde zur Feststellung der Höhe der Ansprüche unter Zugrundelegung des tariflichen Stundenlohns ohne Zuschläge, Zulagen und Sonderleistungen an das LAG zurückverwiesen. Dabei hat das LAG unter Maßgabe der Rechtsansicht des BAG wie folgt zu entscheiden.

Ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung im Sinne von § 138 Abs. 2 BGB liegt vor, wenn die Arbeitsvergütung nicht einmal zwei Drittel eines in der betreffenden Branche und Wirtschaftsregion üblicherweise gezahlten Tariflohns erreicht (BAG, Urteil vom 22. April 2009 – 5 AZR 436/08).

Die Grenze beim sittenwidrigen Lohn ist bei zwei Dritteln ausgehend vom branchenüblich Lohn zu ziehen. Die Vergütung der Klägerin lag im Streitzeitraum unterhalb von zwei Dritteln des maßgeblichen Tariflohns. Es liegt daher Lohnwucher vor, der von seinem Charakter her sittenwidrig gemäß § 138 BGB ist. Normalerweise ist die Rechtsfolge die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts. Zum Schutz des Arbeitnehmers wird bei einem Arbeitsvertrag eine Anpassung dahingehend vorgenommen, dass statt der Nichtigkeit der Fortbestand des Arbeitsvertrages bei Zugrundelegung des branchenüblichen Arbeitslohns vorzunehmen ist.

Neben der Unterschreitung der Zweidrittel-Grenze muss noch eine verwerfliche Absicht des Arbeitgebers hinzukommen. Der Tatbestand des Lohnwuchers setzt voraus, dass der „Wucherer“ die beim anderen Teil bestehende Schwächesituation (Zwangslage, Unerfahrenheit, mangelndes Urteilsvermögen, erhebliche Willensschwäche) ausbeutet, also sie sich in Kenntnis vom Missverhältnis der beiderseitigen Leistungen bewusst.

Maßgebend ist die Kenntnis der für die Beurteilung erheblichen Umstände. Es half dem beklagten Arbeitgeber daher nichts, wenn er die Zwei-Drittel-Grenze nicht kannte und sich etwa wegen wirtschaftlicher Notwendigkeiten als Familienunternehmer ohne Tarifbindung für berechtigt hielt den wucherischen Lohn zu zahlen

Im Ergebnis war der Arbeitgeber zu verurteilen, den sittengemäßen Lohn zu zahlen.

Volltext der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts: BAG, Urteil vom 22. April 2009 – 5 AZR 436/08

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VonRA Moegelin

Sachmangel wegen Ameisensäure im Ledersofa

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Cartoon_AntNach dem Kauf einer Ledercouchgarnitur für 6.000 € beschwerte sich die Käuferin und spätere Klägerin über einen unangenehmen Geruch und Ausdünstungen der Couch. Daraufhin wurde die Garnitur ausgetauscht. Die Klägerin ist der Auffassung, dass auch die Ersatzlieferung diese Mängel aufweist und zudem Risse im Leder  und ähnliches. Nach fruchtloser Fristsetzung zur Nachbesserung erklärte sie den Rücktritt.

Das LG Stuttgart hat der Klage auf Rückwiclung stattgegeben. Allerdings hat die Klägerin dem Verkäufer eine Nutzungsentschädigung zu leisten. Mangels Erforderlichkeit waren Aufwendungen für ein Privatgutachten der Klägerin nicht erstattungsfähig. Die vorgerichtlichen Anwaltskosten sind schon vor dem Rücktritt entstanden und demnach ebenfalls nicht erstattungsfähig.

Die Einholung eines Sachverständigengutachtens hat ergeben, dass die als Ersatz gelieferte Ledercouchgarnitur zu viel Ameisensäure enthält  und dadurch Gesundheitsgefahren auslöst. entnommene Lederprobe Ameisensäure mit einem Emissionswert von 81 µg/g enthält.

Die Dämpfe von Ameisensäure können als geruchsstörend empfunden werden und bei empfindlichen Personen eine reizende Wirkung auf Augen, Atemwege und Haut haben. Der Gehalt der Ameisensäure liegt weit über den üblichen Werten. Es gibt allerdings keine Grenzwerte für Ameisensäure in Lederprodukten.

Maßgebend sei bei § 434 Absatz 1 Nr. 2 Alt. 2 BGB, ob die Eigenschaften bei Sachen der gleichen Art – also anderen Ledersofas – üblich sind. Dieser Beurteilungsmaßstab schließe überzogene Qualitätsanforderungen ebenso aus wie ein unter dem Durchschnitt liegendes Qualitätsniveau. Abzustellen ist auf den Erwartungshorizont eines Durchschnittskäufers. Maßgebend sei, ob die Kaufsache dem Stand der Technik entspricht.

Der Einsatz von Ameisensäure entspreche zwar den weit verbreiteten Verarbeitungsprozessen bei Lederwaren. Aus diesem Grund sei ein gewisser Wert von Ameisensäure auch üblich, womit ein Käufer rechnen müsste.

Aufgrund der Analysen des Sachverständigen hält das Gericht  einen Wert  von höchstens 20 µg/g für üblich. Beim vorliegend gemessenen Gehalt von 81 µg/g sind die üblichen Werte um ein Vielfaches überschritten.

Dies stellt einen Sachmangel im Sinne von § 434 Absatz 1 Nr. 2 BGB dar, der auch nicht als unerheblich angesehen werden kann (LG Stuttgart, Urteil vom 15.12.2014 – 27 O 324/13).

Der Rücktritt sei auch nicht ausgeschlossen, weil die Kausalität zwischen dem Sachmangel und den Gesundheitsbeeinträchtigungen des Ehemannes der Klägerin nicht nachgewiesen ist. Nach § 323 Absatz 5 Satz 2 BGB ist der Rücktritt nur ausgeschlossen, wenn die Pflichtverletzung unerheblich ist, so dass es auf diese Kausalität nicht ankomme.

Volltext des Urteils des Landgerichts Stuttgart vom 15.12.2014 – 27 O 324/13

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VonRA Moegelin

3 Jahre Stillstand beim Arbeitsgericht – Verwirkung des Kündigungsschutzrechts

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Gerald_G_Cartoon_Cat_Sleeping_2Der Streit über die Wirksamkeit einer fristlosen, hilfsweise ordentlichen Kündigung und zweier Abmahnungen lag dem BAG zur Entscheidung vor, die ein Leiter für Rechnungswesen von seinem Arbeitgeber erhielt.

Vorausgegangen war eine Kündigung, der der Arbeitgeber zurücknahm und sie „verbindlich für gegenstandlos“ erklärte. Und er forderte den Leiter für Rechnungswesen und späteren  Kläger auf, die Arbeit bei ihm wieder aufzunehmen. Dieser erklärte jedoch, die einseitige „Zurücknahme“ der Kündigung sei nicht möglich. Ihm sei eine Ãœberlegungsfrist von einer Woche einzuräumen, binnen derer er sich erklären werde. Eine Arbeitsaufnahme scheide aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen aus. In Erfüllung seiner Verpflichtung aus § 11 KSchG (Anrechnung auf entgangenen Zwischenverdienst) habe er zwischenzeitlich – unstreitig – ein anderweitiges Arbeitsverhältnis begründet.

Diese erste Kündigung war Streitgegenstand beim Arbeitsgericht.

Wegen seiner Verweigerung der Arbeitsaufnahme erteilte der Arbeitgeber zwischenzeitlich zwei Abmahnungen und zuletzt die fristlose, hilfsweise fristgerechte -und damit zweite- Kündigung.

Daraufhin erfolgte der Gütetermin im März 2003 beim Arbeitsgericht. Es erging folgender Beschluss: „Neuer Termin wird auf Antrag einer Partei bestimmt„.

Noch am selben Tag, ging beim Arbeitsgericht ein rückdatierter Schriftsatz des Klägers ein, mit dem dieser sich gegen die 2. Kündigung und die beiden Abmahnungen wandte. Er bat um „förmliche Zustellung dieser Klageerweiterung“ und kündigte an, „im Termin der mündlichen Verhandlung“ die im Schriftsatz enthaltenen Anträge zu stellen. Der Schriftsatz wurde der Beklagten zugestellt. Einen Termin hat das Arbeitsgericht nicht bestimmt. Die Beklagte regte an, beim Kläger anzufragen, ob er die Klage aufrecht erhalte. Das vom Arbeitsgericht entsandte formlose Schreiben an den Kläger blieb unbeantwortet.

Erst im März 2006 (drei Jahre nach dem Gütetermin) später beantragte der Kläger die Fortsetzung des Verfahrens und Termin zur Kammerverhandlung anzuberaumen. Im Kammertermin erklärte der Beklagte die erste Kündigung erneut „für gegenstandslos„. Der Kläger erklärte seine dagegen gerichtete Kündigungsschutzklage daraufhin „für erledigt„. Die Klage gegen die zweite Kündigung hielt er aufrecht und machte geltend, die Kündigung sei rechtsunwirksam.

Seine hiergegen gerichteten Kündigungsschutzklage hat das Landesarbeitsgericht abgewiesen, da er sein Kündigungsrecht verwirkt habe.

Das Bundesarbeitsgericht hat der Revision des Klägers stattgegeben.

Das BAG stellte klar, dass die Verwirkung sich nicht auf materiell-rechtliche Rechtspositionen des Berechtigten beschränkt. Auch die Möglichkeit zur gerichtlichen Klärung einer Rechtsposition ist eine eigenständige Befugnis, die verwirken kann Das gilt auch für die Befugnis zur Fortsetzung eines bereits rechtshängigen Verfahrens, das längere Zeit nicht betrieben wurde. In der Klageerhebung allein erschöpft sich das Recht zur gerichtlichen Geltendmachung der Unwirksamkeit einer Kündigung nicht.

Der Kläger habe sein Klagerecht nicht durch Untätigkeit im Kündigungsschutzprozess verloren, auch wenn das erforderliche Zeitmoment erfüllt ist. Der Kläger hat seine Klageerweiterung unmittelbar im Anschluss an den Termin im März 2003 und im Bewusstsein der dortigen gerichtlichen Anordnungen eingereicht. Unter diesen Umständen musste sein Begehren dahin verstanden werden, dass die Terminlosstellung des Verfahrens – nach Zustellung – auf die mit der Klageerweiterung verfolgten Anträge ausgedehnt werden sollte. Jedenfalls musste der Kläger erkennen, dass das Arbeitsgericht sein Anliegen in diesem Sinn verstanden habe. Er habe folglich auch selbst das Verfahren drei Jahre nicht betrieben.

Nach Ansicht des BAG fehlt es jedoch an dem weiteren für die Verwikung erforderlichen Umstandsmoment. Die Untätigkeit des Klägers war demnach nicht geeignet, beim beklagten Arbeitgeber ein schutzwürdiges Vertrauen dahingehend zu begründen, er werde seine Kündigungsschutzklage nicht mehr verfolgen und habe sich mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses endgültig abgefunden.

Selbst bei langjährigem Verfahrensstillstand hat der Arbeitgeber grundsätzlich keinen Anlass darauf zu vertrauen, nicht mehr gerichtlich auf die Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung in Anspruch genommen zu werden. Für eine Prozessverwirkung ist allenfalls in engen Grenzen Raum (BAG, Urteil vom 25. November 2010 – 2 AZR 323/09). Daran fehlt es.

Als maßgeblich erachtet das BAG, dass der Kläger nicht bereit war, sich mit seinem Ausscheiden aufgrund arbeitgeberseitiger Kündigung abzufinden, weder hinsichtlich der ersten noch der zweiten Kündigung. Auch einem mehrjährigen Schweigen und Nichtbetreiben eines Kündigungsschutzprozesses könne nicht entnommen werden, die Kündigung(en) zu akzeptieren.

Die Sache war an das LAG zurückzuverweisen zur Feststellung, ob ein wichtiger Grund für die Kündigung gemäß § 626 BGB vorliegt oder ob sie nach § 1 KSchG sozial gerechtfertigt ist.

Volltext des Urteils des Bundesarbeitsgerichts: BAG, Urteil vom 25. November 2010 – 2 AZR 323/09

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VonRA Moegelin

Meinungsangleichung der BAG-Senate

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EDU_-_Moodle_icons_-_Discussion_finalSind Senate des Bundesarbeitsgerichts verschiedener Rechtsauffassung, kann im Rahmen einer Anfrage geklärt werden, ob an einer bestimmten Ansicht festgehalten wird oder nicht. Im konkreten Fall ging es um die Frage der Wirksamkeit von Beschlussfassungen des Betriebsrates.

Der 7. Senat des BAG hält auf Anfrage des 1. Senats nicht mehr an seiner Ansicht fest, dass ein Beschluss des Betriebsrats zu einem nicht in der Tagesordnung aufgeführten Punkt auch bei einstimmiger Beschlussfassung wirksam nur gefasst werden könne, wenn alle Betriebsratsmitglieder anwesend sind (BAG, Beschluss vom 22. Januar 2014 – 7 AS 6/13). Im Gesetz ist hierzu nichts eindeutig geregelt, so dass es bislang unterschiedliche Auffassungen zu dieser Thematik gab.

Nunmehr vertreten die beiden Senate des Bundesarbeitsgerichts hierzu eine einheitliche Auffassung. Es besteht Einigkeit, dass im Fall der einstimmigen Betriebsrats-Beschlussfassung auch bei Abwesenheit eines Betriebsratsmitglieds bei rechtzeitiger Ladung aller Mitglieder der Beschluss wirksam ist. Dafür spricht § 33 Abs. 2 HS 1 BetrVG, wonach für die Beschlussfähigkeit die Teilnahme der Hälfte aller Betriebsratsmitglieder ausreichend ist. Eine gegen formelle Anforderungen verstoßende Beschlussfassung ist nur dann unwirksam, wenn der Verstoß derart schwerwiegend ist, dass der Fortbestand von der Rechtsordnung nicht hingenommen werden kann. Eine derart strenge Auslegung ist dem BetrVG nicht zu entnehmen beim Sachverhalt, den der 1. Senat vorgelegt hat.

Nach der jetzt konformen Rechtsprechung der beiden Senate des BAG gilt folgendes: Die Ladung zu einer Betriebsratssitzung ohne Mitteilung der Tagesordnung führt nicht zur Unwirksamkeit eines in der Betriebsratssitzung gefassten Beschlusses, wenn sämtliche Mitglieder des Betriebsrats rechtzeitig geladen sind, der Betriebsrat beschlussfähig ist und die anwesenden Betriebsratsmitglieder einstimmig beschlossen haben, über den Regelungsgegenstand des später gefassten Beschlusses zu beraten und abzustimmen, auch wenn in dieser Sitzung nicht alle Mitglieder anwesend sind.

Volltext der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts: BAG, Beschluss vom 22. Januar 2014 – 7 AS 6/13

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VonRA Moegelin

Plastinate der „Körperwelten“ und ihr Status als Leichen

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santa_muerte„Dr. Tod“ Gunter von Hagens ist mit seinen plastinierten Leichen von Menschen und Tieren berühmt geworden. Eine geplante „Körperwelten“-Ausstellung im Gebäude des Fernsehturms am Berliner Alexanderplatz hatte das Bezirksamt untersagt, da es sich bei den Plastinaten nicht um Leichen im Sinne des Bestattungsgesetzes handele

§ 14 („Öffentliches Ausstellen von Leichen“) Bestattungsgesetz Berlin lautet:

 (1) Leichen dürfen nicht öffentlich ausgestellt werden. Das Öffnen oder Offenlassen des Sarges während der Bestattungsfeierlichkeiten ist verboten.

 (2) Das Bezirksamt kann Ausnahmen von den Verboten des Absatzes 1 zulassen.

Das Verwaltungsgerichts gab der hiergegen gerichteten Klage statt.

Für die Ausstellung plastinierter menschlicher Körper bedarf es in Berlin keiner vorherigen Genehmigung nach dem Bestattungsgesetz. (VG Berlin, vom 16. Dezember 2014 – 21 K 346.14).

Das Gericht sieht die Plastinate nicht als Leichen, sondern als „anatomische Präparate“ an und führt wie folgt aus:

Auch wenn die Plastinate nach dem Wortlaut des Gesetzes immer noch Leichen seien, habe der Gesetzgeber des Berliner Bestattungsgesetzes solche plastinierten Leichen nicht mit erfassen wollen. Das Gesetz ziele auf die schnelle Bestattung Verstorbener ab. Weil Plastinate aber einer Bestattung weder zugänglich noch hierfür vorgesehen seien, erstrecke sich das Gesetz hierauf nicht. Plastinate würden nicht verwesen und könnten damit nicht auf einem Friedhof bestattet werden. Eine Feuerbestattung scheide aus, weil sie in den derzeit bestehenden Krematorien nicht eingeäschert werden könnten. Die Ausstellung von Plastinaten entspreche den seit jeher existierenden öffentlichen Sammlungen anatomischer Präparate, deren Bestattung der Gesetzgeber ebenfalls nicht miterfassen wollte.

Die Ausstellung unterliege daher nur dem allgemeinen Ordnungsrecht, so dass die Behörde etwa bei einem Verstoß gegen die öffentliche Ordnung einschreiten könne; einen solchen Verstoß hätten andere Gerichte nur bei einzelnen Ausstellungsstücken wie dem Objekt „Schwebender Akt“ angenommen.

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung hat die Kammer die Berufung an das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg zugelassen.

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