Tierschutzgesetz rechtfertigt kein behördliches Tötungsverbot von Küken

VonRA Moegelin

Tierschutzgesetz rechtfertigt kein behördliches Tötungsverbot von Küken

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chickens-figure-colorDas VG Minden hatte zu entscheiden, ob das Tierschutzgesetz ein behördliches Tötungsverbot von Eintags-Küken rechtfertigt.

Gemäß einer national wie europaweit geübten Praxis werden derzeit männliche Küken aus sogenannten Legelinien – auf die Eierproduktion spezialisierte Rassen – getötet, weil sie zur Eierproduktion nicht geeignet sind und gegenüber zu Mastzwecken gezüchteten Tieren eine verminderte Fleischansatzleistung aufweisen. Bundesweit betrifft dies jährlich ca. 50 Millionen männliche Küken. Auf Nordrhein-Westfalen entfällt ein Anteil von ca. 5,4 %.

Mit Erlass vom 26. September 2013 forderte das Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen die zuständigen Ordnungsbehörden auf, die Tötung männlicher Küken aus Legelinien im Wege einer Ordnungsverfügung zu untersagen. Dem kamen die nordrhein-westfälischen Aufsichtsbehörden im Dezember 2013 nach und untersagten den in NRW ansässigen Brütereien – insgesamt 12 Betrieben -, ab dem 1. Januar 2015 die Tötung männlicher, nicht zur Schlachtung geeigneter Küken. Hiergegen hatten 11 Brütereien geklagt.

Das Verwaltungsgericht Minden hat die Untersagungsverfügungen der betroffenen Kreise mit der aufgehoben und den Klagen der Betreiber von Brütereien damit stattgegeben. Wegen grundsätzlicher Bedeutung wurde die Berufung zugelassen.

Die Untersagung der in der Geflügelzucht vorzufindenden Praxis, wonach männliche Küken aus Legelinien getötet werden, bedarf angesichts des erheblichen Eingriffs in die Berufsfreiheit der Betreiber von Brütereien einer spezialgesetzlichen Ermächtigungsgrundlage, die es bisher im geltenden Tierschutzgesetz nicht gibt (Verwaltungsgericht Minden, Urteile vom 30. Januar 2015 – 2 K 80/14 und 2 K 83/14).

Das Verwaltungsgericht Minden hält die tierschutzrechtliche Generalklausel in § 16a Abs. 1 Satz 1 TierSchG i. V. m. § 1 Satz 2 TierSchG für nicht ausreichend zur Rechtfertigung des mit dem Verbot einhergehenden Eingriffs in die Freiheit der Berufswahl.

§ 16a Abs. 1 Satz 1 TierSchG lautet:

Die zuständige Behörde trifft die zur Beseitigung festgestellter Verstöße und die zur Verhütung künftiger Verstöße notwendigen Anordnungen.“

In § 1 Satz 2 TierSchG heißt es:

Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen.“

Allgemeine verfassungsrechtliche Grundsätze verpflichteten den parlamentarischen Gesetzgeber, wesentliche Entscheidungen selbst zu treffen und sie nicht der Verwaltung zu überlassen. Von der unter wortgleicher Geltung des Tierschutzgesetzes seit Jahrzehnten sowohl im In- als auch im Ausland üblichen und nicht nur geduldeten, sondern sogar als gerechtfertigt angesehenen Tötungspraxis könne nicht allein unter Hinweis auf eine geänderte gesellschaftliche Bewertung des Tierschutzes abgewichen werden. Dem stünden die schutzwürdigen Interessen der Brütereibetreiber aus Art. 12 Abs. 1 GG entgegen, die derzeit keine marktdeckenden und praxistauglichen Alternativen zur Tötung der männlichen Küken hätten. Die von den beklagten Kreisen angeführten alternativen Möglichkeiten (Geschlechtsbestimmung im Ei, Züchtung eines „Zweinutzungshuhns“, Vermarktung der männlichen Tiere im Rahmen der sog. Bruderhahn-Initiative-Deutschland oder als Stubenküken) stellten für die Brütereibetreiber derzeit keine in der Massentierhaltung praxistaugliche oder die allgemeine Konsumentennachfrage deckende Verfahren dar, so dass die Betriebe bei einem Tötungsverbot vor dem Aus stünden. Ob demgegenüber eine gewandelte gesellschaftliche Bewertung des Tierschutzes aus Art. 20a GG generell überwiege, bedürfe einer Entscheidung des parlamentarischen Gesetzgebers, bei der er selbst Anlass, Zweck und Grenzen eines tierschutzrechtlichen Tötungsverbots regeln müsse. An einer solchen Entscheidung fehle es bislang.

Daneben hätten die beklagten Kreise bei ihrer Entscheidung nicht berücksichtigt, dass eine Untersagung allein bezogen auf NRW dem angestrebten Tierschutz nur begrenzt diene und die mit der Tötungspraxis verbundene Tierschutzproblematik lediglich in andere Länder (im Bund oder der gesamten Europäischen Union) verlagere. Ferner sei die den Brütereien eingeräumte Übergangsfrist von einem Jahr unangemessen kurz. Innerhalb nur eines Jahres sei eine breite Nachfrage von Konsumenten, die bereit wären, für Masthähne einen entsprechend ihrer längeren Mastzeit höheren Preis zu zahlen, nicht zu schaffen.

Der Umweltminister von NRW Johannes Remmel (Grüne) kritisierte das Urteil und kündigte Berufung in Münster an. „Tiere sind keine Abfallprodukte“, sagte er am Freitag laut Mitteilung. „Es darf nicht sein, dass aus reinen wirtschaftlichen Gründen jedes Jahr 50 Millionen Eintagsküken ohne triftigen Grund vergast und geschreddert werden, nur um die Gewinnspanne bei den Unternehmen zu erhöhen.“ (Quelle: http://www.n24.de/n24/Nachrichten/Politik/d/6109798/nrw-darf-massentoetung-von-kueken-nicht-verbieten.html)

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