Ein Zerspannungsmechaniker verklagte seinen Arbeitgeber, einem Unternehmen für Maschinenbau, auf Zahlung eines tariflichen Weihnachtsgelds, da er sich von der arbeitsvertraglichen Regelung benachteiligt fühlt.
Tatsächlich sieht der Tarifvertrag ein Weihnachtsgeld in Höhe von 55 % des Monatsverdienstes vor. Der Kläger verdiente zuletzt 3.000 € brutto monatlich. In den drei streiteinschlägigen Jahren erhielt der Kläger wie folgt Gratifikationen zur Weihnacht:
Im Jahr 2007 erhielt der Mechaniker und spätere Kläger ein Weihnachtsgeld in Höhe von 524, 00 Euro brutto, im Jahr 2008 in Höhe von 393, 00 Euro brutto. In den Jahren 2009 und 2010 wurde wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage kein Weihnachtsgeld gezahlt. Stattdessen erhielt der Kläger im Jahr 2010 als „kleines Dankeschön“ zwei Tankgutscheine über je 25 Liter Kraftstoff.
Der Arbeitvertrag regelt hierzu wie folgt:
„§ 6… Weihnachtsgratifikation…100 % bei einer Betriebszugehörigkeit von 12 Monaten von der vom Arbeitgeber jeweils pro Jahr festgelegten Höhe der Weihnachtsgratifikation.“
Das Bundesarbeitsgericht hält die arbeitsvertragliche Regelung für wirksam. Die Klausel gewährt dem Kläger einen Anspruch auf Zahlung einer Weihnachtsgratifikation in einer von der Beklagten nach billigem Ermessen gemäß § 315 Abs. 1 BGB festzulegenden Höhe von 100 %, da der Kläger länger als zwölf Monate beschäftigt war.
Die Klausel hält nach Ansicht des BAG der Inhaltskontrolle nach § 307 ff. BGB stand. Insbesonderer sei kein Verstoß gegen das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) ersichtlich.
Der Kläger konnte erkennen, dass die Beklagte über die Festsetzung der Höhe der Gratifikation unter Abwägung der maßgeblichen Interessen beider Seiten zu entscheiden hatte.
Die Klausel setzt zwar keine Maßstäbe für die vom Arbeitgeber zu treffende Entscheidung, wie hoch das Weihnachtsgeld festzulegen ist. Das Leistungsbestimmungsrecht betrifft aber nicht den im unmittelbaren Gegenseitigkeitsverhältnis stehenden (normalen) Arbeitslohn, sondern lediglich eine – der Höhe nach unbestimmte – Zusatzleistung, zu welcher der Arbeitgeber an sich nicht verpflichtet wäre. Der Arbeitgeber hätte auch die Möglichkeit, Leistungen wie Weihnachtsgeld mit einem Freiwilligkeitsvorbehalt zu verbinden und dadurch einen Rechtsanspruch für die Zukunft auszuschließen.
Verglichen mit einem solchen – zulässigen – Freiwilligkeitsvorbehalt ist die Vereinbarung eines Leistungsbestimmungsrechts in der hier gegebenen Form – also auch ohne nähere Eingrenzung der für das billige Ermessen geltenden Maßstäbe – nicht zu beanstanden. Immerhin erhält der Arbeitnehmer auf diese Weise einen klagbaren Anspruch. Die Ausübung des Leistungsbestimmungsrechts durch den Arbeitgeber kann er vom Gericht überprüfen lassen. Die mit der Regelung verbundene Ungewissheit ist regelmäßig hinnehmbar, insbesondere in den Fällen, in denen eine Sonderzahlung nicht von der Erbringung der Gegenleistung abhängig ist (BAG, Urteil vom 16. Januar 2013 – 10 AZR 26/12).
Hierin sieht das Gericht auch nicht nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB eine unangemessene Benachteiligung des Klägers. Die Regelung weiche mit ihrem durch Auslegung ermittelten Inhalt nicht vom Gesetz ab. Vielmehr sieht das Gesetz selbst einseitige Leistungsbestimmungsrechte gemäß § 315 BGB vor.
Ob der Anspruch des Klägers auf Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen erfüllt ist, kann, nach den Feststellungen des Gerichts dahinstehen, weil der Kläger nicht geltend macht hat, die Weihnachtsgratifikation in dieser Form entspreche nicht billigem Ermessen. Er verlangte „nur“ ein Weihnachtsgeld gemäß Tarifvertrag.
Volltext des Urteils des Bundesarbeitsgerichts: BAG, Urteil vom 16. Januar 2013 – 10 AZR 26/12
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