Schlagwort-Archiv AGG

VonRA Moegelin

Kündigung wegen symtomloser HIV-Infektion

Share

AIDSDas Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) untersagt Diskriminierungen unter anderem. wegen einer Behinderung. Das Bundesarbeitsgericht hatte zu klären, ob eine (bislang) symptomlose HIV-Infektion als Behinderung anzusehen ist, mit der Folge, dass Schadensersatzansprüche nach dem AGG einschlägig sein können.

Der an einer solchen symptomlosen HIV-Infektion erkrankte Kläger wurde vom Arbeitgeber und späteren Beklagten, die intravenös verabreichte Arzneimittel zur Krebsbehandlung herstellt, als Chemisch-Technischer Assistent für eine Tätigkeit im sogenannten Reinraum eingestellt. Anlässlich seiner Einstellungsuntersuchung wenige Tage nach Beginn des Arbeitsverhältnisses wies der Kläger den Betriebsarzt auf seine Infektion hin. Der Arzt äußerte Bedenken gegen einen Einsatz des Klägers im Reinraumbereich und teilte der Beklagten nach Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht die HIV-Infektion des Klägers mit. Noch am selben Tag kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich. Wegen seiner ansteckenden Krankheit könne sie den Kläger nach ihrem internen Regelwerk nicht einsetzen. Der Kläger hat geltend gemacht, er sei behindert. Die Kündigung sei unwirksam, weil sie ihn wegen seiner Behinderung diskriminiere. Er hat außerdem eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG von drei Monatsgehältern wegen seines immateriellen Schadens verlangt.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Auf die Revision des Klägers hat das BAG das Urteil aufgehoben und die Sache zur weiteren Aufklärung an das LAG zurückverwiesen.

Eine Behinderung liegt vor, wenn die körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit eines Menschen langfristig eingeschränkt ist und dadurch – in Wechselwirkung mit verschiedenen sozialen Kontextfaktoren (Barrieren) – seine Teilhabe an der Gesellschaft, wozu auch die Teilhabe am Berufsleben gehört, beeinträchtigt sein kann. Ein Arbeitnehmer, der an einer symptomlosen HIV-Infektion erkrankt ist, ist in diesem Sinn behindert. Auch chronische Erkrankungen können zu einer Behinderung führen. Die gesellschaftliche Teilhabe von HIV-Infizierten ist typischerweise durch Stigmatisierung und soziales Vermeidungsverhalten beeinträchtigt, die auf die Furcht vor einer Infektion zurückzuführen sind. Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis eines solchen Arbeitnehmers in der gesetzlichen Wartezeit des § 1 KSchG wegen der HIV-Infektion, ist die Kündigung im Regelfall diskriminierend und damit unwirksam, wenn der Arbeitgeber durch angemessene Vorkehrungen den Einsatz des Arbeitnehmers trotz seiner Behinderung ermöglichen kann (BAG, Urteil vom 19. Dezember 2013 – 6 AZR 190/12).

Die Kündigung benachteiligt den Kläger unmittelbar iSd. § 3 Abs. 1 AGG, weil sie Ansicht des BAG in untrennbarem Zusammenhang mit seiner Behinderung steht.

Ob die Kündigung gleichwohl gerechtfertigt ist, steht noch nicht fest. Das Landesarbeitsgericht muss noch aufklären, ob die Beklagte durch angemessene Vorkehrungen den Einsatz des Klägers im Reinraum hätte ermöglichen können. Ist das nicht der Fall, ist die Kündigung wirksam. Ob dem Kläger eine Entschädigung zusteht, hängt davon ab, ob die Kündigung wirksam ist.

Volltext des Urteils des Bundesarbeitsgerichts: BAG, Urteil vom 19. Dezember 2013 – 6 AZR 190/12

Share
VonRA Moegelin

Mehr Urlaubstage für ältere Mitarbeiter

Share

sailborderEin wegweisendes Urteil hat das Bundesarbeitsgericht zur Altersdiskriminierung getroffen. Aus § 1 AGG folgt, dass niemand wegen seines Alters benachteiligt werden darf. Eine Ausnahme  kann gemäß § 10 AGG gemacht werden, wenn ein legitimes Ziel verfolgt wird. Das BAG hat für diesen Fall folgende Maßstäbe aufgestellt:

Gewährt ein Arbeitgeber älteren Arbeitnehmern jährlich mehr Urlaubstage als den jüngeren, kann diese unterschiedliche Behandlung wegen des Alters unter dem Gesichtspunkt des Schutzes älterer Beschäftigter nach § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG zulässig sein. Bei der Prüfung, ob eine solche vom Arbeitgeber freiwillig begründete Urlaubsregelung dem Schutz älterer Beschäftigter dient und geeignet, erforderlich und angemessen im Sinne von § 10 Satz 2 AGG ist, steht dem Arbeitgeber eine auf die konkrete Situation in seinem Unternehmen bezogene Einschätzungsprärogative zu (BAG, Urteil vom 21. Oktober 2014 – 9 AZR 956/12).

Dem Urteil liegt folgender Sachberhalt zugrunde:

Die nicht tarifgebundene Beklagte stellt Schuhe her. Sie gewährt ihren in der Schuhproduktion tätigen Arbeitnehmern nach Vollendung des 58. Lebensjahres jährlich 36 Arbeitstage Erholungsurlaub und damit zwei Urlaubstage mehr als den jüngeren Arbeitnehmern. Die 1960 geborene Klägerin hat gemeint, die Urlaubsregelung sei altersdiskriminierend. Die Beklagte habe deshalb auch ihr jährlich 36 Urlaubstage zu gewähren.

Die Vorinstanzen haben den hierauf gerichteten Feststellungsantrag der Klägerin abgewiesen.

Die Revision der Klägerin hatte vor dem Neunten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Die Beklagte hat mit ihrer Einschätzung, die in ihrem Produktionsbetrieb bei der Fertigung von Schuhen körperlich ermüdende und schwere Arbeit leistenden Arbeitnehmer bedürften nach Vollendung ihres 58. Lebensjahres längerer Erholungszeiten als jüngere Arbeitnehmer, ihren Gestaltungs- und Ermessensspielraum nicht überschritten. Dies gilt auch für ihre Annahme, zwei weitere Urlaubstage seien aufgrund des erhöhten Erholungsbedürfnisses angemessen, zumal auch der Manteltarifvertrag der Schuhindustrie vom 23. April 1997, der mangels Tarifbindung der Parteien keine Anwendung fand, zwei zusätzliche Urlaubstage ab dem 58. Lebensjahr vorsah (BAG, Pressemitteilung Nr. 57/14 vom 21.10.14).

Share
VonRA Moegelin

Keine Männer-Diskriminierung bei Gleichstellungsbeauftragten-Stelle nur für Frauen

Share

che guevaraDer Gleichmacherei „Genderisierung“ zum Trotze – das BAG sieht noch Unterschiede zwischen Mann und Frau. So kann ein Mann zwar grundsätzlich als Gleichstellungsbeauftragter in Betracht kommen. Jedoch zieht das BAG die Grenze dort, wo es bei der Tätigkeit gerade auf die Weiblichkeit ankommt. Es ist nachvollziehbar, dass bei der konkreten Ausgestaltung der Stelle, z.B. wenn sich wenn sich weibliche Opfer von Männergewalt an den Stelleninhaber wenden, als Ansprechpartner eine Frau besser geeignet ist.

Allerdings hätte die beklagte Gemeinde die Stelle statt als „Gleichstellungsbeauftragte“ besser als „Frauenbeauftragte“ auschreiben sollen. Das Stellenprofil fordert „nachweisbare Erfahrung in der aktiven Frauenarbeit“. Erfahrungen zur Frage von Diskriminierungen von Männern sind für diese Stelle jedoch irrelevant.

Der Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zugrunde.

Die beklagte Stadt hatte in ihrer Stellenanzeige eine kommunale Gleichstellungsbeauftragte gesucht. Der Anzeige zufolge sollten Schwerpunkte der Tätigkeit ua. in der Integrationsarbeit mit zugewanderten Frauen und deren Beratung liegen. Die Gleichstellungsbeauftragte sollte Maßnahmen zu frauen- und mädchenspezifischen Themen initiieren, mit allen relevanten Organisationen zusammenarbeiten und Opfer von Frauendiskriminierung unterstützen. Die Bewerberin sollte über ein abgeschlossenes Fachhochschulstudium oder eine vergleichbare Ausbildung in einer pädagogischen bzw. geisteswissenschaftlichen Fachrichtung verfügen. Der Kläger, Diplomkaufmann und Diplomsvolkswirt, der zuvor über 2 Jahre im Rahmen einer Betriebsratstätigkeit als stellvertretender Gleichstellungsbeauftragter tätig war, bewarb sich auf die Stelle. Er wurde mit Hinweis darauf abgelehnt, dass nach § 5a der Niedersächsischen Gemeindeordnung die Stelle mit einer Frau zu besetzen sei und er im Übrigen die Anforderungen der Stellenanzeige nicht erfülle.

Eine Gemeinde darf bei der Besetzung der Stelle der kommunalen Gleichstellungsbeauftragten die Bewerberauswahl auf Frauen beschränken, wenn ein Schwerpunkt der Tätigkeiten in Projekt- und Beratungsangeboten liegt, deren Erfolg bei Besetzung der Stelle mit einem Mann gefährdet wäre. Ein solcher Fall liegt vor, wenn sich die Angebote an Frauen in Problemlagen richten, in denen die Betroffene typischerweise zu einer weiblichen Gleichstellungsbeauftragten leichter Kontakt aufnehmen kann und sich ihr besser offenbaren kann oder ausreichende Lösungskompetenzen nur einer Frau zutraut (BAG, Urteil vom 18. März 2010 – 8 AZR 77/09).

Mit seiner Klage begehrt der Kläger eine Entschädigungszahlung nach § 15 Abs. 2 AGG. Die Klage blieb in allen drei Instanzen ohne Erfolg. Der Achte Senat des Bundesarbeitsgericht hat entschieden, es stehe der objektiven Eignung des Klägers nicht entgegen, dass dieser als Diplomvolkswirt unter Umständen nicht über eine geisteswissenschaftliche Ausbildung verfüge. Das weibliche Geschlecht der Stelleninhaberin stelle aber wegen der konkreten Ausgestaltung der Stelle eine wesentliche und entscheidende Anforderung iSd. § 8 Abs. 1 AGG für die Zulässigkeit einer unterschiedlichen Behandlung dar.

Volltext des Urteils des Bundesarbeitsgerichts: BAG, Urteil vom 18. März 2010 – 8 AZR 77/09

Share
VonRA Moegelin

Jurist mit 49 Jahren zu alt – Schadensersatz wegen Diskriminierung

Share

Wer sich als Jurist auf eine Stellenanzeige bewirbt, hat es als rund Fünfizjähriger äußerst schwer. Erst Recht gilt das, wenn in der Anzeige ausdrücklich ein „junger“ Jurist gesucht wird.

Der 1958 geborene Kläger ist Volljurist. Er bewarb sich im Jahre 2007 auf eine von der Beklagten geschaltete Stellenanzeige in einer juristischen Fachzeitschrift. Die Beklagte suchte für ihre Rechtsabteilung „zunächst auf ein Jahr befristet eine(n) junge(n) engagierte(n) Volljuristin/Volljuristen“. Der Kläger erhielt eine Absage, ohne zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden zu sein. Eingestellt wurde eine 33jährige Juristin. Der Kläger hat von der Beklagten wegen einer unzulässigen Benachteiligung aufgrund seines Alters eine Entschädigung in Höhe von 25.000,00 Euro und Schadensersatz in Höhe eines Jahresgehalts verlangt.

Das Arbeitsgericht hat die Beklagte zur Zahlung einer Entschädigung in Höhe eines Monatsgehalts verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Das BAG hat die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts bestätigt

Eine Stellenausschreibung verstößt grundsätzlich gegen das Altersdiskriminierungsverbot, wenn ein „junger“ Bewerber gesucht wird (BAG, Urteil vom 19. August 2010 – 8 AZR 530/09).

Die Stellenausschreibung der Beklagten verstieß gegen § 11 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG), der verbietet, dass eine Stelle unter Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 AGG ausgeschrieben wird. Danach sind Stellen unter anderem „altersneutral“ auszuschreiben, wenn kein Rechtfertigungsgrund iSd. § 10 AGG für eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters vorliegt. Die unzulässige Stellenausschreibung stellt ein Indiz dafür dar, dass der Kläger wegen seines Alters nicht eingestellt worden ist. Da die Beklagte nicht darlegen konnte, dass kein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot vorgelegen hat, steht dem Kläger ein Entschädigungsanspruch zu. Dessen Höhe hat das Landesarbeitsgericht in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise festgesetzt. Da der Kläger nicht dargelegt und bewiesen hat, dass er bei einer diskriminierungsfreien Auswahl von der Beklagten eingestellt worden wäre, steht ihm der geltend gemachte Schadensersatzanspruch in Höhe eines Jahresgehalts nicht zu.

Anzumerken ist, der diskriminierte Stellenbewerber die Anstellung nicht einklagen kann. Er hat nur Anspruch auf Schadensersatz, je nach Sachlage zwischen einem und mehreren Monatsgehältern.

Share
VonRA Moegelin

Diskriminierung bei der taz – Schadensersatz für männlichen Volontariats-Bewerber

Share

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verbietet Diskriminierung unter anderem wegen des Geschlechts. Deswegen können auch Männer Opfer von geschlechtsbezogener Diskriminierung sein. Bei Stellenanzeigen muss ein Arbeitgeber daher sehr genau überlegen, wie er die Anzeige ausschreibt.

Die Beklagte engagiert sich unter anderem für die Förderung des journalistischen Nachwuchses. Zu diesem Zweck vergibt sie auch Volontariatsstellen bei der  „taz.die tageszeitung“. Bei der taz wurde eine journalistische Volontariatsstelle ausschließlich für eine Frau mit Migrationshintergrund ausgeschrieben. Die Bewerbung von Männern – unter ihnen die des Klägers – wurden von vornherein abgelehnt. Der abgelehnte Bewerber hat die Beklagte daraufhin auf Zahlung einer Entschädigung nach dem AGG in Anspruch genommen. Sie ist der Meinung, die Benachteiligung von Männern sei erforderlich, um den Anteil von Frauen in Führungspositionen im Journalismus zu erhöhen.

Das Arbeitsgericht Berlin hat der Klage entsprochen und die Beklagte zur Zahlung einer Entschädigung von drei Monatsgehältern verurteilt. Die Beklagte habe den Kläger bei der Besetzung der Stelle wegen seines Geschlechts in unzulässiger Weise benachteiligt. Es sei nicht statthaft, die Bewerbung von Männern ausnahmslos auszuschließen. Auch sei die Maßnahme nicht geeignet, den Anteil von Frauen in Führungspositionen zu erhöhen, da es lediglich um die Besetzung einer Volontariatsstelle gehe (Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 05.06.2014 – 42 Ca 1530/14).

Share
Blogverzeichnis TopBlogs.de das Original - Blogverzeichnis | Blog Top Liste Blogverzeichnis Bloggerei.de