Sorgfaltspflichten des Anwalts bei Verlust der Klageschrift auf dem Postweg

VonRA Moegelin

Sorgfaltspflichten des Anwalts bei Verlust der Klageschrift auf dem Postweg

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mailbox-surpriseEine Arbeitnehmerin klagte gegen die Befristung ihres Arbeitsverhältnisses. Der anwaltiche Klageschriftsatz kam jedoch nicht an bei Gericht. Damit war die Frist des § 17 Satz 1 TzBfG versäumt.

Die Klägerin, bzw. Ihr Prozessbevollmächtigter trägt vor, die unstreitig 10 Tage vor Ablauf  der Klagefrist per Post abgesendete Klageschrift sei rechtzeitig und vollständig auf den Postweg gebracht worden. Seiner anwaltlichen Sorgfaltspflicht habe der Anwalt vorliegend entsprochen, indem er eine Wiedervorlage von vier Wochen verfügt und sich anschließend nach der Ladung zur Güteverhandlung erkundigt habe.

Die nachträgliche Zulassung der Befristungskontrollklage hat das Arbeitsgericht durch Zwischenurteil abgelehnt. Das LAG hat das Zwischenurteil aufgehoben und die Klage nachträglich zugelassen. Das Bundesarbeitsgericht hat diese Entscheidung bestätigt.

Nach den Feststellungen des BAG hat der Anwalt der Arbeitnehmerin nicht gegen Sorgfaltspflichten verstoßen.

Nach der Rechtsprechung trifft einen Anwalt, sofern eine Postsendung genügend adressiert und frankiert wurde, grundsätzlich keine Pflicht, sich nach dem Eingang des Schriftsatzes bei Gericht zu erkundigen. Er darf vielmehr auf eine ordnungsgemäße Briefbeförderung vertrauen Hat der Anwalt ein Schriftstück rechtzeitig und ordnungsgemäß zur Post gegeben und damit alles Erforderliche zur Wahrung der gesetzlichen Frist veranlasst, dann wird eine Erkundigungspflicht nach dem Eingang des Schriftsatzes bei Gericht nur ausgelöst, wenn ein eindeutiger Grund besteht, anzunehmen, dass etwas fehlgelaufen ist. Ein Grund für eine solche Annahme kann gegeben sein, wenn die Akte dem Anwalt nach Absenden einer Beendigungsschutzklage vorgelegt wird und er feststellt, dass er in der Sache keine gerichtliche Mitteilung erhalten hat, obwohl damit nach den üblichen Erfahrungen zu rechnen war. Auch kann dem Anwalt grundsätzlich nicht angesonnen werden, die Zeiträume im Auge zu behalten, innerhalb derer bei jeder Sache erfahrungsgemäß mit einer Rückäußerung des Gerichts zu rechnen ist. Einem solchen Erfordernis könnte praktisch nur durch die Notierung zusätzlicher Fristen nachgekommen werden, deren Berechnung weitgehend ungewiss wäre

Für arbeitsrechtliche Bestandsschutzstreitigkeiten gelten keine anderen Maßstäbe. Insbesondere führt der in § 61a Abs. 2 ArbGG normierte – in der Praxis ohnehin nur schwer erfüllbare – Grundsatz, wonach eine Güteverhandlung bei Streitigkeiten über den Bestand eines Arbeitsverhältnisses zwei Wochen nach Klageerhebung stattfinden soll, nicht zu einer Pflicht des Anwalts, sich zu einem bestimmten Zeitpunkt nach Einreichung der Klage über deren Schicksal zu erkundigen. Nur wenn ein konkreter Anlass gegeben ist, an dem fristgemäßen Zugang der Klage zu zweifeln, kann ein Anwalt gehalten sein, bei Gericht nach dem rechtzeitigen Eingang des fristgebundenen Schriftsatzes zu fragen (BAG, Urteil vom 6. Oktober 2010 – 7 AZR 569/09).

Allerdings dürfe ein Anwalt, der eine Befristungskontrollklage eingereicht hat, die Sache nicht dauerhaft wiedervorlagefrei stellen. Die Entscheidung, welche Frist zur Wiedervorlage der Anwalt als angemessen erachtet, stellt das BAG in das pflichtgemäßen Ermessen des Anwalts, das er unter Berücksichtigung von Erfahrungswerten der gerichtlichen Arbeitsweise sowie Zweckmäßigkeitserwägungen auszuüben hat. Eine Wiedervorlagefrist -wie hier -von vier Wochen, erachtete das BAG als angemessen.

Unter Anwendung der dargestellten Rechtsprechung befand das BAG, dass das Hindernis für die rechtzeitige Klageerhebung in der unverschuldeten Unkenntnis des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom fehlenden gerichtlichen Eingang der von ihm rechtzeitig abgesandten Befristungskontrollklage lag. Diese Unkenntnis entfiel erst mit dem Anruf des Klägerinvertreters bei der Eingangsregistratur des Arbeitsgerichts. Zuvor musste der Prozessbevollmächtigte der Klägerin bei ordnungsgemäßer Verfolgung der Rechtssache keine Kenntnis vom fehlenden Eingang der Klage haben. Eine vermeidbare Gleichgültigkeit kann ihm nicht angelastet werden. Er musste sich die Akte nicht schon drei Wochen nach Absenden der Klage vorlegen lassen. Er musste auch nicht bereits am Tage der Wiedervorlage -Freitag- (4 Wochen nach Absendung), bei der Eingangsregistratur des Arbeitsgerichts anrufen, um sich nach dem Gütetermin zu erkundigen. Vielmehr ist mit dem Anruf am darauffolgenden Montag, den Zweifeln an einem Eingang der Klage, die durch die Feststellung einer fehlenden Ladung zur Güteverhandlung ausgelöst worden sind, in gebotener Weise nachgegangen. Auch insoweit war sein Vorgehen nicht Ausdruck einer vermeidbaren Gleichgültigkeit.

Volltext des Urteils des Bundesarbeitsgerichts: BAG, Urteil vom 6. Oktober 2010 – 7 AZR 569/09

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