Religion steht über Arbeitnehmerschutz

VonRA Moegelin

Religion steht über Arbeitnehmerschutz

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Cross_With_HaloVertraglich vereinbarte Loyalitätsobliegenheiten  in kirchlichen Arbeitsverhältnissen unterliegen weiterhin nur eingeschränkter Überprüfung durch die staatlichen Gerichte (BVerfG, Beschluss vom 22. Oktober 2014 – 2 BvR 661/12). Das Gericht ließ damit eine religiös motivierte Kündigung eines Chefarztes im Krankenhaus durchgehen, die in jedem nicht-religiös geprägten Betrieb als offensichtlich rechtswidrig angesehen worden wäre. Seine Verfehlung war, dass er ein zweites Mal geheiratet hat. Die Wiederheirat ist mit den Grundsätzen der katholischen Kirche nicht vereinbar.

Belanglos scheint für das höchste deutsche Gericht zu sein, dass kirchliche Einrichtungen aus Steuermitteln (nicht nur Kirchensteuer) finanziert werden. Und zum großen Teil handelt es sich bei den Steuerzahlern um Gläubige, die keiner Religionsgemeinschaft angehören und um Atheisten. Das vom BVerfG so hoch geachtete „kirchliche Selbstverständnis“ muss dehalb seine Grenzen finden, wenn Nicht-Mitglieder der Religionsgemeinschaft (hier: zwangsweise durch Steuermittel) deren Einrichtungen (mit-)finanzieren, so wie hier das Krankenhaus, in dem der Chefarzt gearbeitet hat. Zudem hat Berücksichtigung zu finden, dass wir eine säkular geprägte Staatsform haben. Die Rechte einer Religionsgemeinschaft wie hier der katholischen Kirche hat spätestens dann ihre Grenze erreicht, wo es nicht mehr um originäre Religionsausübung geht. Das bedeutet, dass die Religionsfreiheit zwar Vorrang gegenüber dem Arbeitsrecht findet in Fällen, wo es z.B. um die Glaubenszugehörigkeit eines Pfarrers geht. In „normalen“ Betrieben wäre das kein Grund zur Kündigung. Im Fall einer Kirche dagegen ist es absolute Voraussetzung, dass ein Pfarrer einer katholischen Kirche Anhänger derselben ist, da er ansonsten nicht in der Lage wäre, seiner Hauptarbeitspflicht glaubhaft nachzukommen. Anders liegt der Fall beim besagten Chefarzt. Er leistet keine originär kirchliche Arbeit. Für die ärztliche Tätigkeit ist es jedoch ohne Belang, ob er ein zweites Mal geheiratet hat oder nicht. Soweit er diese Tatsache nicht öffentlich zur Schau schaut stellt, kann eine Kündigung nicht gerechtfertigt sein. Die Entscheidung des BVerfG ist nach alldem abzulehnen.

Zumindest kann der Chefarzt noch hoffen, trotz allem Recht zu bekommen, da das Bundesarbeitsgericht unter Maßgabe der vom BverfG aufgestellten Grundsätze den Fall neu zu bewerten hat. Dabei hat „Bedeutung und Tragweite des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts“ in einer Gesamtabwägung arbeitsrechtlich geschützter Interessen des Arbeitnehmers  berücksichtigt zu werden. Das „kirchliche Selbstverständnis“ darf, anders als das BAG zu Recht meint, nach Ansicht des BverfG nicht infrage gestellt werden.

Hierzu heißt es in der Pressemitteilung vom 20.11.14 wie folgt:

Das zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hat ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts aufgehoben, das die Kündigung eines Chefarztes im Krankenhaus eines katholischen Trägers nach dessen Wiederverheiratung  für unwirksam erklärt hatte. In dieser Entscheidung bestätigt und  konkretisiert der Senat seine bisherige Rechtsprechung (BVerfGE 70, 138 ff.). Welche kirchlichen

Grundverpflichtungen als Gegenstand eines Arbeitsverhältnisses bedeutsam sein können, richtet sich demzufolge allein nach den von der verfassten Kirche anerkannten Maßstäben und dem konkreten Inhalt des Arbeitsvertrags. Die staatlichen Gerichte dürfen sich nicht über das kirchliche Selbstverständnis hinwegsetzen, solange dieses nicht in Widerspruch zu grundlegenden verfassungsrechtlichen Gewährleistungen steht. Erst auf einer zweiten Prüfungsstufe sind die Grundrechte der betroffenen Arbeitnehmer und deren durch das allgemeine Arbeitsrecht geschützte Interessen mit den kirchlichen Belangen und der korporativen Religionsfreiheit im Rahmen einer Gesamtabwägung zum Ausgleich zu bringen. Der Verfassungsbeschwerde des katholischen Krankenhausträgers hat der Zweite Senat stattgegeben und das Verfahren  an das Bundesarbeitsgericht zurückverwiesen, da Bedeutung und Tragweite des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts bislang nicht ausreichend berücksichtigt worden sind.

Volltext des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts:

http://www.kanzlei-moegelin.de/blog/wiederheirat-eines-katholischen-chefarztes-bverfg-2-bvr-661-12

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