Rechtsanwalt beim BGH gesucht

VonRA Moegelin

Rechtsanwalt beim BGH gesucht

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tilte-1Ein Rechtsanwalt fühlte sich wegen seiner abgelehnten Bewerbung auf eine Stelle als „Rechtsanwalt beim BGH“ diskriminiert. Das LAG BW hatte über seine am „Osterdienstag“ zugegangene Berufungsbegründung zu entscheiden. Der Anwalt und spätere Kläger wurde 1953 geboren. Er legte 1979 die erste juristische Staatsprüfung in Baden-Württemberg mit der Note „befriedigend“ ab. 1982 promovierte er an der Universität F. mit „cum laude“. 1983 absolvierte der Kläger die zweite juristische Staatsprüfung mit der Note „befriedigend“. Von April bis Dezember 1983 arbeitete er als Rechtsanwalt. Vom 01.01.1984 bis zum 29.02.1988 war der Kläger Assistent der Geschäftsführung und Justiziar der S. Zeitung. Seit 1988 arbeitet der Kläger als Einzelanwalt. Er ist seit April 2008 Fachanwalt für Medizinrecht.

Besagter Anwalt bewarb sich am 13.06.2013 schriftlich bei einer Rechtsanwaltskanzlei, der späteren Beklagten, mit zwei beim Bundesgerichtshof zugelassene Rechtsanwälten.

Die Stellenanzeige lautete wie folgt: „Als Rechtsanwaltskanzlei beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe beraten und vertreten wir unseren namhaften Mandanten vor dem Bundesgerichtshof in gleichermaßen rechtlich anspruchsvollen wie wirtschaftlich bedeutenden Verfahren auf allen Gebieten des Zivil- und Wirtschaftsrechts. Zur Verstärkung unseres Teams suchen wir einen Rechtsanwalt (m/w) mit erster Berufserfahrung oder auch als Berufsanfänger. Unsere Tätigkeit erfordert hervorragende Rechtskenntnisse, eine wissenschaftlich vertiefte Vorgehensweise und die Fähigkeit, die Position unserer Mandanten schriftlich prägnant und überzeugend zu vertreten. Wir bieten Ihnen die Möglichkeit, in einem angenehmen und kollegialen Betriebsklima auf höchstem Niveau an der Lösung rechtlicher Grundsatzfragen und der Fortbildung des Rechts mitzuarbeiten. Dazu stehen eine hervorragend ausgestattete Bibliothek sowie moderne IT-Arbeitsmittel zur Verfügung. Eine Fünf-Tage-Woche, die für uns seit jeher gelebte Selbstverständlichkeit ist, lässt persönliche Freiräume. Ihre Vergütung wird den gestellten hohen Anforderungen entsprechen. Bewerbungen erbeten …“

Der Kläger bewarb sich unter Beifügung diverser Bewerbungsunterlagen am selben Tag per E-Mail um die ausgeschriebene Stelle. Im Anschreiben führte er aus: „Sehr geehrte Herren Kollegen, ich bewerbe mich auf Ihre Stellenanzeige. Ich bin seit 1988 hier in R. als Rechtsanwalt tätig, jedoch im Prinzip örtlich ungebunden. Ich habe, wie aus den beigeführten Bewerbungsunterlagen ersichtlich, zwei baden-württembergische Prädikatsexamen und bin darüber hinaus promoviert, was eine wissenschaftlich vertiefte Vorgehensweise belegt. Daraus und aus meiner langjährigen beruflichen Tätigkeit als Rechtsanwalt folgen die geforderten hervorragenden Rechtskenntnisse und die gewünschte prägnante und überzeugende schriftliche Ausdrucksweise. Sehr gute Englisch- und MS-Office-Kenntnisse sind selbstverständlich. …“

Seine Bewerbung wurde abgelehnt. Er forderte daraufhin eine Entschädigung gemäß AGG in Höhe eines durchschnittlichen Jahreseinkommens von 60.000,00 €, die ebenfalls abgelehnt wurde. Mit seiner Klage beim Arbeitsgericht hat er unter anderem vorgetragen, er sei wegen seines Alters diskriminiert worden, und er habe die von der beklagten Anwaltskanzlei gewünschten Kenntnisse. Die Beklagte hält ihn für einen „AGG-Hopper“. Jedenfalls sei er nicht wegen seines Alters benachteiligt worden. Das Kriterium der „Berufserfahrung“ sei altersunabhängig und schließe auch mittelbar keine Altersgruppe aus. Es habe keinen Beleg für die vorausgesetzten hervorragenden Rechtskenntnisse gegeben habe.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung des Anwalts -die Berufungsbegründung ging am „Osterdienstag“ zu- hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen.

Ein abgelehnter Bewerber befindet sich mit dem nicht abgelehnten Bewerber nur dann in einer vergleichbaren Situation im Sinne des § 3 Abs. 1 AGG, wenn er für die ausgeschriebene Stelle objektiv geeignet ist. Die objektive Eignung ist nicht immer schon dann gegeben, wenn der Bewerber die einschlägige Berufsausbildung abgeschlossen hat. Es kommt vielmehr auf die wesentlichen, nicht überzogenen Anforderungen der ausgeschriebenen Stelle an. Der abgelehnte Bewerber, der einen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot geltend macht, muss seine objektive Eignung für die ausgeschriebene Stelle darlegen. Hierzu sind zumindest Indiztatsachen vorzutragen (Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg, Urteil vom 29. August 2014 – 12 Sa 15/14).

Das Gericht konnte nicht feststellen, dass sich der Kläger ernsthaft um die von der Beklagten ausgeschriebenen Stelle beworben hat. Seine Bewerbung sei darauf ausgerichtet gewesen, abgelehnt zu werden. Denn der Kläger fügte seinem Bewerbungsschreiben bewusst nichts hinzu, was ihn für die ausgeschriebene Stelle empfahl. Zu seiner Arbeit als Rechtsanwalt „schwieg sich der Kläger … aus.“ Die anwaltliche Schweigepflicht hätte ihn nicht daran gehindert, anonymisiert über relevante Interessenvertretungen im Zivil- und Wirtschaftsrecht zu berichten. Stattdessen teilte der Kläger der Beklagten im Bewerbungsschreiben nicht einmal mit, auf welchen Rechtsgebieten er als Rechtsanwalt schwerpunktmäßig tätig war.

Nach Ansicht des Gerichts komme es aber für die Anwendung des AGG nicht darauf an, ob eine Bewerbung ernsthaft erfolgt. Der dem Kläger im Grundsatz zustehende Anspruch nach § 15 Abs. 2 AGG ist nicht einschlägig weil er von der Beklagten nicht wegen seines Alters benachteiligt wurde.

Hierzu führt das LAG wie folgt aus: Für die von der Beklagten ausgeschriebene Stelle waren alle Rechtsanwälte und Volljuristen (m/w) objektiv geeignet, die über hervorragende Rechtskenntnisse auf den Gebieten des Zivil- und Wirtschaftsrechts verfügten. Diese Anforderung ergibt sich unmittelbar aus der Stellenanzeige der Beklagten. Sie war weder überzogen, noch für die angebotene Stelle von untergeordneter Bedeutung. Die Mitarbeit bei einer Rechtsanwaltskanzlei beim Bundesgerichtshof erfordert hervorragende Rechtskenntnisse. Allein die (mögliche) Zulassung als Rechtsanwalt auf Grund zweier erfolgreich abgelegter Staatsexamina reicht hierzu nicht aus. Es geht um die Vorbereitung von Revisionsverfahren beim Bundesgerichtshof und die Zuarbeit für Rechtsanwälte, die vor dem Bundesgerichtshof auftreten. Es müssen grundsätzliche Rechtsfragen und Fragen der Rechtsfortbildung diskutiert und gelöst werden (§ 543 Abs. 2 ZPO). Die Arbeit muss auf einen hohen Qualitätsniveau geleistet werden, damit die beim Bundesgerichthof zugelassenen Rechtsanwälte in die Lage versetzt werden, die relevanten Rechtsfragen sowohl mit dem (der) hochqualifizierten Kollegen (Kollegin) auf der Gegenseite als auch mit einem fünfköpfigen Senat sozusagen auf gleicher Augenhöhe zu erörtern und den Senat vom eigenen Rechtsstandpunkt zu überzeugen. Der Passus in der Stellenanzeige „Wir bieten Ihnen die Möglichkeit … auf höchstem Niveau an der Lösung rechtlicher Grundsatzfragen und der Fortbildung des Rechts mitzuarbeiten“ stellt keine Leerfloskel dar, sondern entspricht den Gegebenheiten. Schon aus Verantwortung gegenüber ihren Mandanten konnte die Beklagte die zu besetzende Stelle nicht jedem Rechtsanwalt (Volljuristen) unabhängig von den jeweiligen Rechtskenntnissen zugänglich machen. Ihre Anforderung hervorragender Rechtskenntnisse war weder überzogen noch nebensächlich. Objektiv geeignet waren daher nur Bewerber oder Bewerberinnen, die über entsprechende Rechtskenntnisse verfügten.

Der darlegungspflichtige Kläger hat nach den richterlichen Feststellungen zu den von ihm behaupteten hervorragenden Rechtskenntnissen keine Tatsachen, auch keine Indiztatsachen vorgetragen. Weder seinen Bewerbungsunterlagen noch seinem Vortrag lässt sich hierzu etwas Konkretes entnehmen. Seine Examensergebnisse und die Promotion zum Zeitpunkt der Bewerbung lagen rund 30 Jahre zurück, so dass ihnen deshalb in Bezug auf die aktuellen Rechtskenntnisse kein Aussagewert zukam. Darüber hinaus hat er jedoch nichts zu seinen Rechtskenntnissen mitgeteilt. Es kann daher nicht festgestellt werden, dass der Kläger für die ausgeschriebene Stelle objektiv geeignet war.

Die Revision wurde zugelassen. Die Frage, ob es im Rahmen der objektiven Eignung auf den erfolgreichen Abschluss der geforderten Berufsausbildung oder auf wesentliche zusätzliche Qualifikationen ankommt, erachtet das Gericht ebenso von grundsätzlicher Bedeutung wie die Frage der Verteilung der Darlegungslast bei Feststellung der objektiven Eignung.

Volltext des Urteils des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg: LAG BW, Urteil vom 29. August 2014 – 12 Sa 15/14

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